2 U 2/10 – Bohrfutter III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1584

Oberlandesgericht Düsseldorf
Versäumnisurteil vom 13. Januar 2011, Az. 2 U 2/10

Vorinstanz: 4b O 133/07
Rechtsmittelinstanz 1: 2 U 111/09

I.
1.)
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 16.04.2003 bis zum 10.10.2008

schlüssellos zu spannende Bohrfutter mit einem an ihrem rückwärtigen Ende eine Spindelaufnahme aufweisenden Futterkörper, in dem in geneigt zur Futterachse verlaufenden Führungsaufnahmen Spannbacken geführt sind, die mittels einer Zahnreihe in Eingriff mit dem Spanngewinde eines gegenüber dem Futterkörper drehbar gelagerten Gewinderinges stehen, und mit einer am axial vorderen Ende des Futterkörpers angeordneten, für die Verdrehung des Gewindes gegenüber dem Futterkörper vorgesehenen Spannhülse,

in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,

bei denen an dem axial vorderen Ende der Spannhülse eine die Spannhülse außen abdeckende Außenhülse drehbar gelagert ist, so dass im Bohrbetrieb mit dem sich schnell drehenden Bohrfutter sich der Futterkörper mit der Spannhülse innerhalb der Außenhülse dreht, wenn diese abgebremst wird.

2.)
Es wird festgestellt,
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die vorstehend unter 1.) bezeichneten Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 302 XXX (Klagepatent), dessen deutscher Teil beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 502 12 XYX.4 geführt wird. Seine Anmeldung wurde am 16.04.2003, der Hinweis auf seine Erteilung am 10.09.2008 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.

Das Klagepatent betrifft ein Bohrfutter. Sein vorliegend streitgegenständlicher Patentanspruch 1 lautet in Form einer Merkmalsanalyse wie folgt:

Schlüssellos zu spannendes Bohrfutter (1)

1. mit einem Futtterkörper (2),
a. der an seinem rückwärtigen Ende eine Spindelaufnahme (3) aufweist,
b. in dem Spannbacken (7) geführt sind;

2. mit Spannbacken (7),
a. die in Führungsaufnahmen (6) geführt sind, die geneigt zur Futterachse (5) verlaufen,
b. die mittels einer Zahnreihe (8) mit dem Spanngewinde eines Gewinderinges (9) in Eingriff stehen, der gegenüber dem Futterkörper (2) drehbar gelagert ist;

3. mit einer Spannhülse (11),
a. die am axial vorderen Ende des Futterkörpers (2) angeordnet ist,
b. die für die Verdrehung des Gewinderinges (9) gegenüber dem Futterkörper (2) vorgesehen ist;

4. mit einer Außenhülse (17),
a. die an dem axial vorderen Ende der Spannhülse (11) drehbar gelagert ist,
b. die die Spannhülse (11) außen abdeckt,
c. innerhalb welcher sich im Bohrbetrieb mit dem sich schnell drehenden Bohrfutter (1) der Futterkörper (2) mit der Spannhülse (11) dreht, wenn diese [die Außenhülse (17)] abgebremst wird.

Die Beklagte ist ein chinesisches Unternehmen, das Bohrfutter herstellt. Auf der Eisenwarenmesse legte sie die als Anlage K 7 vorgelegte Werbebroschüre aus. Das von der Beklagten hergestellte Bohrfutter gemäß Anlage K 9 konnte die Klägerin auf dem deutschen Markt erwerben. Die in der Anlage B 8 bezeichneten Bohrfutter lieferte die Beklagte im August 2006 an die Firma A, die in der Anlage B 9 bezeichneten im Juni 2005 und Juli 2007 an die Firma B. Über die Firma C Trading Ltd. lieferte die Beklagte am 1.10.2007 Bohrfutter wie in der Anlage K 15 abgebildet an die Firma D-elektrik GmbH & Co. Elektromotorenfabrik.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht im Verfahren 4b O 113/07 (= I-2 U 111/09) die Ausführungsformen gemäß den Anlagen K 9, K 15, B 8, B 9 und K 7 Seiten 25 bis 40 als das europäische Patent 1 055 ZZZ verletzend angegriffen und die Beklagte insoweit auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Entschädigung/Schadenersatz in Anspruch genommen. Diese Klage hat sie in der Berufung erweitert und nunmehr auch eine Verletzung des Klagepatents durch die genannten angegriffenen Ausführungsformen geltend gemacht. Die sodann abgetrennte Klageerweiterung hat sie im Termin am 11.11.2010 im Hinblick auf die angegriffenen Ausführungsformen gemäß den Anlagen B 8, B 9, K 7 S. 25 – 26, S. 28 – 30 und S. 35 – 40 zurückgenommen. Sodann hat sie sich unter Rücknahme des weitergehenden Begehrens darauf beschränkt, die tenorierten Rechtsfolgen verlangen.

Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erster Instanz haben mitgeteilt, dass sie die Klägerin nicht mehr vertreten. Andere Rechtsanwälte haben sich nicht bestellt. Im Termin am 11.11.2010 ist für die Beklagte niemand aufgetreten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Klage hat, soweit sie von der Klägerin noch weiter verfolgt wird, nämlich hinsichtlich der Ausführungsformen nach Anlagen K 9 und K 15 und im Hinblick auf die noch begehrte Feststellung der Entschädigungsverpflichtung der Beklagten und eine entsprechende Verurteilung zur Auskunft in der Sache Erfolg.

1.)
Sie ist zulässig. Die im Berufungsrechtszug des Verfahrens I-2 U 111/09 vorgenommene Klageerweiterung war sachdienlich im Sinne von Paragraph (§) 533 Nummer 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), da das neu eingeführte Schutzrecht dieselbe Erfindung betrifft wie die im Verfahren I-2 U 111/09 streitgegenständliche, überwiegend dieselben Ausführungsformen angegriffen werden wie mit dem ursprünglichen Klageschutzrecht und der Klägerin bei erstinstanzlicher Klage mit gewichtigen Argumenten § 145 Patentgesetz (PatG) entgegengehalten hätte werden können.
Auch die Voraussetzungen des § 533 Nummer 2 ZPO sind erfüllt. Die Tatsachen, auf die die erweiterte Klage gestützt wird, sind vom Senat schon deshalb gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigen, weil sie unstreitig sind.

2.)
Die Klage ist auch begründet.

a)
Die Beklagte war im Termin am 11.11.2010 säumig. Sie war über ihre erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigen zu diesem Termin ordnungsgemäß geladen. Deren Bevollmächtigung gilt gemäß § 87 Absatz 1 ZPO fort, da die Kündigung des Vollmachtsvertrages in Anwaltsprozessen wie dem vorliegendem erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts rechtliche Wirksamkeit entfaltet.

b)
Die aufgrund der Säumigkeit der Beklagten allein vorzunehmende Schlüssigkeitsprüfung gemäß § 331 Absatz 1 ZPO ergibt, dass die Beklagte mit den allein noch streitgegenständlichen angegriffenen Ausführungsformen den angemeldeten Gegenstand des Klagepatents nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Anmeldung benutzt hat.
Die Verwirklichung der oben genannten Merkmale hat die Klägerin schlüssig dargelegt. Ihr Vorbringen ist gemäß § 331 Absatz 1 ZPO als zugestanden anzusehen.

c)
Daraus ergeben sich die von der Klägerin noch begehrten Rechtsfolgen:

Für die Zeit ab Veröffentlichung des Hinweises auf die Patentanmeldung schuldet die Beklagte der Klägerin gemäß Artikel II § 1 des Gesetzes über internationale Patentübereinkommen (IntPatÜG) die von dieser beanspruchte Entschädigung.

Die Klägerin hat auch das nach § 256 Absatz 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse daran, die Verpflichtung der Beklagten zur Entschädigung zunächst nur dem Grunde nach feststellen zu lassen, statt auf Leistung zu klagen. Dass die schutzrechtstangierenden Handlungen der Beklagten einen Entschädigungsanspruch ausgelöst haben, erscheint hinreichend wahrscheinlich; beziffern kann die Klägerin die daraus erwachsenden Ansprüche jedoch erst, wenn die Beklagte ihr über den Umfang der begangenen Handlungen Auskunft erteilt hat, was sie gemäß § 242 BGB schuldet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Absatz 2 Nr.1 und 269 Absatz 3 Satz 2 1. Halbsatz ZPO. Soweit die Klägerin ihr Begehren noch weiter verfolgt und obsiegt, geschieht dies im Verhältnis zum zurückgenommenen Teil der Klage in so geringem Umfang, dass es gerechtfertigt ist, ihr die gesamten Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nummer 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 500.000.- € festgesetzt.