2 U 146/09 – Lysin

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1656

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. April 2011, Az. 2 U 146/09

Vorinstanz: 4b O 188/09

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. November 2009 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass im letzten Absatz des Tenors zu I. 2. die Formulierung „die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine)“ durch die Formulierung „die entsprechenden Rechnungen“ ersetzt wird und dass im Tenor zu I. 4. des landgerichtlichen Urteils das Datum „12.01.2002“ durch das Datum „30.04.2006“ ersetzt wird.

II.
Die Anschlussberufung der Klägerin zu 2. gegen das am 3. November 2009 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Beklagte 95 % und die Klägerin zu 2. 5 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. werden der Beklagten auferlegt. Von den außergerichtlichen der Klägerin zu 2. haben die Beklagte 90 % und die Klägerin zu 2. 10 % zu tragen.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,– Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Der Klägerin zu 2. wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangsweise durchzusetzenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 243.750,– Euro festgesetzt, wovon auf die Berufung der Beklagten 231.250,– Euro und auf die Anschlussberufung der Klägerin zu 2. 12.500,– Euro entfallen.

VI.
Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e :

I.
Die in Japan geschäftsansässige Klägerin zu 1. ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 0 733 XXX (Klagepatent, Anlage K B 12; deutsche Übersetzung [DE 694 29 YXY T2] Anlage K B 13) betreffend ein Verfahren zur Herstellung einer Substanz. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung der angegriffenen Erzeugnisse, Rückruf sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 26. Oktober 1994 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 28. Oktober 1993 eingereicht. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 12. Dezember 2001. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 694 29 YXY geführt (vgl. Anlage K B 13). Das Klagepatent steht in Kraft.

Wegen des Wortlauts der erteilten Patentansprüche 1, 2, 3 und 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die A Technology Group Company Ltd. und die B Technology (HK) Ltd. haben mit Schriftsatz vom 30. April 2008 (Anlage B 1) Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhoben. Auf diese hat das Bundespatentgericht durch Urteil vom 21. Juli 2009 (Anlage K 30) – entsprechend einer Selbstbeschränkung der Klägerin zu 1. – den deutschen Teil des Klagepatents im eingeschränkten Umfang aufrechterhalten. Die vom Bundespatentgericht aufrechterhaltenen Patentansprüche 1 und 6 lauten wie folgt:

1. Verfahren zur Herstellung einer L-Aminosäure, deren Biosynthese reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erfordert, durch einen Mikroorganismus, welches folgende Stufen umfasst:

Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur, um die L-Aminosäure zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, und Gewinnen der
L-Aminosäure aus dem Kulturmedium,

wobei der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, erhöht ist, wodurch die Produktivität des Mikroorganismus für reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erhöht ist.

6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, durch Erhöhen der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Nicotinamidadeninindinucloetidhydrogenase kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus erhöht ist.

Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts haben die Nichtigkeitsklägerinnen Berufung eingelegt (vgl. Anlage BK 2), über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat.

Die Klägerin zu 2. ist eine in Frankreich geschäftsansässige Tochtergesellschaft der Klägerin zu 2. Sie schloss mit der Klägerin zu 1. am 14. September 1994 ein in englischer Sprache verfasstes „Licence Agreement“ (Anlage K 34a; deutsche Übersetzung Anlage BB 3; nachfolgend: Lizenzvertrag), mit welchem ihr die Klägerin zu 1. eine ausschließliche Herstellungs- und Vertriebslizenz erteilte. Hierzu heißt es in Artikel 2 des Lizenzvertrages in der deutschen Übersetzung:

„(A) AIJCO erteilt C hiermit für die Laufzeit dieses Vertrages ein nicht übertragbares und ausschließliches Recht und eine nicht übertragbare und ausschließliche Lizenz – oder das Recht zur Erteilung von unter Lizenzen – zur Herstellung, zur Nutzung und zum Vertrieb des PRODUKTS in dem VERTRAGSGEBIET gemäß den PATENTEN … und/oder dem KNOW-HOW nach Maßgabe der in Art. 2 (B) und (C) festgelegten Bestimmungen.

(B) …

(C) Falls C nicht in der Lage ist, die Nachfrage nach dem PRODUKT in dem VERTRAGSGEBIET zu decken, ist AIJCO nach ihrer Wahl berechtigt, das PRODUKT über ihn das VERTRAGSGEBIET aufzuhören.“

Das „VERTRAGSGEBIET“ umfasst gemäß Art. 1 (A) des Lizenzvertrages die in Anlage 2 des Vertrages aufgeführten Länder, zu denen u. a. die Bundesrepublik Deutschland gehört. Das „PRODUKT“ ist in der Vorbemerkung des Lizenzvertrages als „L-Lysin Monohydrchlorid Feed Grade, ELL-28 und ELL-60“ bezeichnet und in Anlage 1 zum Vertrag definiert. Der Begriff „PATENTE“ ist in Art. 1 (B) des Lizenzvertrages in der deutschen Übersetzung wie folgt definiert:

„Der Begriff „PATENTE“ bedeutet diejenigen Patente und Patentanmeldungen, die AIJCO derzeit in dem VERTRAGSGEBIET in Bezug auf das PRODUKT besitzt oder kontrolliert oder zu einem späteren Zeitpunkt besitzen oder kontrollieren kann und die in der beigefügten und zum Bestandteil dieses Vertrages gemachten Anlage 3 aufgeführt sind oder auf Verlangen CS aufgeführt werden können, und umfasst ebenfalls alle Patente, die AIJCO auf solche Patentanmeldungen hin erteilt werden.“

Der Lizenzvertrag, der nach seinem Art. 18 französischem Recht unterliegt, sieht in Art. 6 eine von der Klägerin zu 2. zu zahlende Umsatzlizenz vor. Außerdem enthält er Regelungen für den Fall einer Verletzung der lizenzierten Patente. Hierzu heißt es in Art. 11 des Lizenzvertrages in der deutschen Übersetzung auszugsweise:

„Vereinbaren AIJCO und C die Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung der PATENTE, so wird die Klage durch AIJCO eingereicht und C leistet die für die wirksame Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit einer solchen Klage erforderliche Unterstützung; alle Kosten sowie die zuerkannte Entschädigungssumme werden zu gleichen Teilen zwischen den Vertragsparteien geteilt.
Wünscht C allein eine Klageerhebung gegen den Verletzer, so stellt AIJCO alle erforderlichen Unterlagen und Vollmachten zur Verfügung. Alle im Zusammenhang mit einer solchen Klage entstehenden Kosten werden ausschließlich von C getragen und die zuerkannte Entschädigungssumme steht in voller Höhe C zu.“

Mit einem ebenfalls in englischer Sprache verfassten „Memorandum“ vom 25. Juni 2008 (Anlage K 34b; deutsche Übersetzung Anlage BB 4) änderten die Klägerinnen den Lizenzvertrag vom 14. September 1994 mit Wirkung zum 5. Dezember 2006 ab; u. a. wurde der ursprüngliche Appendix 3 zum Lizenzvertrag durch einen neuen Appendix 3 (Anhang 1 zum Memorandum) ersetzt, in welchem erstmals das Klagepatent aufgeführt ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Lizenzvertrages vom 14. September 1994 und des Memorandums vom 25. Juni 2008 wird auf die von den Klägerinnen zur Akte gereichten Vertragsablichtungen nebst den überreichten deutschen Übersetzungen Bezug genommen.

Unter dem Datum des 25. August 2010 schlossen die Klägerinnen eine weitere, in englischer Sprache verfasste und mit „Licence Agreement“ überschriebene Vereinbarung (Anlage BB 1; deutsche Übersetzung Anlage BB 1a), welche sie in der Berufungsinstanz zu den Akten gereicht haben. In dieser heißt es in der deutschen Übersetzung auszugsweise:

„1. Dieser Lizenzvertrag stellt den bestehenden Lizenzvertrag, geändert durch das Memorandum, hinsichtlich des Gebiets Deutschlands klar und ergänzt ihn. Die Bestimmungen dieses Vertrages verdrängen abweichende oder entgegen stehende Bestimmungen des bestehenden Lizenzvertrages und des Memorandums.

2. In Klarstellung von Artikel 1 (B) des bestehenden Lizenzvertrages wird die von D C erteilte exklusive Lizenz an dem deutschen Teil der Europäischen Patente EP 0 733 XYX (DE 694 34 ZZZ) EP 0733 XXX (DE 69429 YXY) und EP 0 796 ZYX (DE 695 34 YYY) rückwirkend gültig ab dem Datum der Patenterteilung.

3. In Klarstellung von Art. 11 des bestehenden Lizenzvertrages sollen D und C auch dazu berechtigt sein sollen, Verletzungsverfahren parallel oder gemeinsam anzustrengen. Sie sind beide berechtigt, alle gesetzlichen Ansprüche wegen Patentverletzung geltend zu machen, insbesondere die Ansprüche auf Unterlassung und für Schadensersatz.

5. Dieser Lizenzvertrag unterliegt deutschem materiellem Recht und ist gemäß diesen Rechts auszulegen. Die Anwendung der Vorschriften des Kollisionsrechts ist ausgeschlossen.“

Die Beklagte ist eine internationale Marketing-Organisation im Bereich der Chemie, die ihren Schwerpunkt in der nationalen und regionalen Distribution u. a. von Chemikalien, Pharmazeutika und Nahrungszusätzen für Tiernahrung hat. Seit 2005 gehört zu ihrer Produktpalette Lysin der in Hong Kong geschäftsansässigen A Technology Group Company Ltd. (nachfolgend: A). Hergestellt wird dieses von der Beklagten auch in Deutschland vertriebene Lysin von der in der Volksrepublik China geschäftsansässigen E H Technology Development Co. Ltd. (nachfolgend: E H), einer Tochtergesellschaft der A, welche das Lysin auch über die mit ihr verbundene, in Hong Kong geschäftsansässige B Technology (HK) Ltd. (nachfolgend: B) vertreibt.

Im Jahre 2005 teilte die A in einer Mitteilung gegenüber Analysten (Anlage K 6) sowie in einer Pressemitteilung (Anlage K 5) mit, dass bei der Herstellung ihres Lysins ein neuartiger Stamm von Mikroorganismen zum Einsatz komme.

In der Folgezeit führten und führen die Klägerin auf der einen Seite und die Beklagte sowie die A, die E H und die B auf der anderen Seite in den Niederlanden, Belgien und Polen Rechtsstreitigkeiten, die das Klagepatent zum Gegenstand haben.

In den Niederlanden wurde Anfang 2006 von den Klägerinnen ein Besichtigungsverfahren eingeleitet, welches von der Beklagten in die Niederlande geliefertes Lysin betraf, das von A, E H und B hergestellt und vertrieben worden war. Die aus dem besichtigten Lysin genommenen Proben wurden von dem niederländischen TNO Institut untersucht. Gestützt auf die Analyse dieses Instituts vom 26. Mai 2006 (Anlage K 22; deutsche Übersetzung K 22a) erkannte das Gericht ´s Gravenhage mit Urteil vom 22. August 2007 (Anlage K 4) auf eine Verletzung des Klagepatents sowie des im hiesigen Parallelverfahren I- 2 U 148/09 (4a O 187/09 LG Düsseldorf) geltend gemachten europäischen Patents 0 733 XYX in den Niederlanden.

In Belgien ordnete im Frühjahr 2008 das Handelsgericht Antwerpen eine Besichtigung bzw. Beschlagnahme der Lager-/Büroräume der F N.V. sowie eines von der Beklagten genutzten Lagerhauses G BVBA an. Der gerichtliche Sachverständige stellte in seinem Bericht vom 4. August 2008 (Anlage K 2, deutsche Übersetzung Anlage K 2b) fest, dass ein erheblicher Teil des in dem Lagerhaus von G befindlichen Lysins im Eigentum der Beklagten stand und für den Transport nach Deutschland bestimmt war. Dies bestätigte die Beklagte im Rahmen eines Schriftsatzes an das Handelsgericht Antwerpen, mit dem sie aus eben diesen Gründen eine Aufhebung der Beschlagnahme begehrte (Schriftsatz vom 06.06.2008, Anlage K 17; englische Übersetzung K 17a). Als Herstellerin eines Großteils des beschlagnahmten Lysins ermittelte der von dem belgischen Gericht beauftragte gerichtliche Sachverständige die A und die B. Proben des aufgefundenen Lysins ließ der gerichtliche Sachverständige untersuchen. Die Untersuchung (deutsche Übersetzung Anlage K 16a) veranlasste den gerichtlichen Sachverständigen zu der Schlussfolgerung, dass für die Herstellung aller (bis auf eine) Proben ein
E.coli-Stamm eingesetzt wurde, der ein entsprechend dem europäischen Patent
0 733 XYX mutiertes Gen enthält.

Die Klägerinnen sehen im Vertrieb des aus der Produktion von A, E H und B stammenden Lysins durch die Beklagte in Deutschland eine Verletzung des Klagepatents.

Sie haben vor dem Landgericht behauptet, sie hätten in Deutschland zwei Säcke à 25 kg Lysin (Anlage K 9) erworben, allerdings – insoweit unstreitig – nicht von der Beklagten. Die Analyse des Instituts TNO aus diesen Säcken gezogener Proben belege (Untersuchungsbericht vom 10.09.2008, Anlage K 10, deutsche Übersetzung Anlage K 10a) eine Verwirklichung des Klagepatents. Die durchgeführten Experimente hätten sichtbar gemacht, dass in den untersuchten Lysin-Proben DNA des Bakteriums Escherichia Coli (im Folgenden: E.coli) vorhanden sei, welches über die chromosomale DNA hinaus, die die Basensequenzen des pntA und pntB Gens von E.coli enthalte, zusätzlich Plasmid-DNA aufweise, die ebenfalls diese Sequenzabschnitte beinhalte. Die Erhöhung der Fähigkeit der E.coli Bakterien, Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (nachfolgend: NADPH) aus Nicotinamidadeninindinucloetid (nachfolgend: NADH) herzustellen, sei damit dadurch erreicht worden, dass die Anzahl der Kopien der Gene pntAB, die für die Nicotinamidadeninindinucloetidhydrogenase (nachfolgend: Transhydrogenase) kodierten, im Vergleich zum Wildtyp erhöht sei. Neben der chromosomalen Kopie von pntAB liege zusätzlich die auf dem Plasmind enthaltene Kopie von pntAB vor. Durch Exprimierung der Kopien dieser Gene werde eine erhöhte Menge an Transhydrogenaseenzym produziert.

Die Beklagte, die um Klageabweisung und hilfsweise um Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gebeten hat, hat eingewandt, die Klägerinnen seien nicht aktivlegitimiert. Der Lizenzvertrag vom 14. September 1994 stehe einer gemeinsamen Klage beider Klägerinnen entgegen, er sehe nämlich in Art. 11 (A) vor, dass lediglich eine der beiden Klägerinnen Ansprüche aus dem Klagepatent geltend machen könne. Zu bedenken sei ferner, dass die Lizenzgebühren nach Art. 6 des Lizenzvertrages angepasst werden könnten und die Klägerin zu 2. immer Lieferantin des Lysins bleibe, auch wenn die Klägerin zu 2. nicht in der Lage sei, die Nachfrage nach dem Produkt im Vertragsgebiet zu decken

Außerdem hätten die Klägerinnen eine von ihr – der Beklagten – begangene Verletzungshandlung nicht substantiiert vorgetragen. Die in der Abbildung Anlage
K 9 gezeigten Lysin-Säcke habe sie nicht vertrieben; ihr sei auch nicht bekannt, auf welchem Wege diese Charge in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sei. Sie bestreite daher auch mit Nichtwissen, dass diese Proben aus dem deutschen Markt stammten. Soweit die Klägerinnen vortrügen, sie habe patentverletzendes Lysin aus der Produktion bzw. dem Vertrieb von A und B in Deutschland auf den Markt gebracht, sei unklar, ob es sich dabei um Lysin handeln solle, das von diesen vertrieben worden sei, oder um solches, das von den beiden genannten Unternehmen produziert worden sei. Auch die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen in dem belgischen Verfahren belegten eine Verletzungshandlung nicht, weil die Klägerinnen nicht vortrügen, dass aus dem bei G vorgefundenen Lysin konkrete Lieferungen nach Deutschland gegangen seien und zu welchen Zeitpunkten dies geschehen sein solle. Zur Beschaffenheit dieses Lysins äußerten sich die Klägerinnen nicht. Bei der Durchsuchung in Belgien sei zudem Lysin gefunden worden, das aus dem Corynebakterium stamme und das Klageschutzrecht nicht verletzen könne. Die dortigen Untersuchungen hätten auch gezeigt, dass es mit dem gleichen Herstellungsverfahren zu unterschiedlichen Produkten kommen könne. Ob das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin nach einem anderen Herstellungsverfahren produziert worden sei als das in Belgien vertriebene, könne sie nicht sagen.

Darüber hinaus genüge der Analysebericht des Instituts TNO vom 10. September 2008 (Anlage K 10) nicht, um eine Verletzung des Klagepatentes schlüssig zu belegen. Analysiert worden sei lediglich das Endprodukt, das eine Aussage über das Herstellungsverfahren des Lysins nicht zulasse. Soweit in dem Bericht die Feststellung getroffen werde, dass in den untersuchten Proben DNA von Bakterien der Gattung E.coli aufgefunden worden sei, sei die Herkunft des Bakteriums unklar. Der Bericht schließe nicht aus, dass es sich um eine bloße Verunreinigung handele. Das Institut TNO habe es außerdem unterlassen, zu untersuchen, ob in den Proben etwa auch DNA des Corynebakteriums enthalten sei. Erheblich mit Lücken behaftet sei darüber hinaus der Vortrag der Klägerinnen, dass in der Probe eine DNA mit der spezifischen Modifikation des E.coli-Bakteriums gefunden worden sei. Die durchgeführten Experimente seien nicht aussagekräftig. So genüge der Nachweis des Vorhandenseins eines Plasmids mit einem flankierenden Teil eines Gens nicht, weil dies nichts darüber aussage, ob das Gen tatsächlich funktional vorhanden sei und ob die entsprechenden Sequenzen, die die Expression des Gens bewirkten, ebenfalls vorhanden seien. Darüber hinaus fehle der Nachweis einer erhöhten Produktivität des Mikroorganismus für NADPH. Die theoretischen Überlegungen der Klägerinnen, die auch noch an falsche Schlussfolgerungen, eine zusätzliche Kopie des für Transhydrogenase kodierenden pntAB-Gens erhöhe automatisch die Produktivität, anknüpften, genügten insoweit nicht. Dem Lysin als Endprodukt lasse sich die anspruchsgemäße Erhöhung ebenso wenig ansehen; dazu bedürfe es vielmehr konkreter Untersuchungen des lebenden Mikroorganismus. Ferner lasse das klägerische Vorbringen einen schlüssigen Vortrag zur erhöhten Enzymaktivität sowie zur Erhöhung der exprimierten Menge des für die Transhydrogenase kodierenden Gens vermissen. Aus dem allenfalls relevanten Analysebericht des Instituts TNO vom 26. Juni 2006 (Anlage K 22a) lasse sich eine Verwirklichung des Klagepatents ebenso wenig ableiten; ihm stünde dieselbe Kritik entgegen wie dem Analysebericht vom 10. September 2008. Zu dem Herstellungsverfahren des von ihr vertriebenen Lysins besitze sie keine näheren Erkenntnisse. Es sei ihr deshalb weder möglich, konkrete Merkmale des Herstellungsverfahrens zu bestreiten noch über ein bloßes Bestreiten hinausgehende Angaben zu machen.

Durch Urteil vom 3. November 2009 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den zuletzt gestellten Anträgen überwiegend entsprochen. Lediglich soweit mit der Klage die Ansprüche auf Rechnungslegung, Auskunft, Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz und Rückruf auch für die Klägerin zu 2. ab dem 12. Januar 2002 geltend gemacht worden sind und die Klägerinnen darüber hinaus die Erstattung begehrt haben, das Urteil unter Bezeichnung der Parteien, des Tenors sowie der Benennung der patentverletzenden Produkte auf Kosten der Beklagten durch eine in der Zeitschrift „J“ dreimal erscheinende halbseitige Anzeige öffentlich zu machen, hat es die Klage abgewiesen, wobei das Landgericht in der Sache wie folgt erkannt hat:

„I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

eine L-Aminosäure (L-Lysin), deren Biosynthese reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erfordert, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, das mittels eines Verfahrens durch einen Mikroorganismus hergestellt wurde, welches folgende Stufen umfasst:

Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur, um die L-Aminosäure zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, und Gewinnen der L-Aminosäure aus dem Kulturmedium, wobei der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, durch Erhöhen der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Nicotinamidadeninindinucloetidhydrogenase kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus erhöht ist;

2.
den Klägerinnen unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.01.2002 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei sämtliche Angaben gegenüber der Klägerin zu 2) erst ab dem 5.12.2006 zu machen sind,

wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 1.09.2008 zu machen sind und

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindliche, gemäß dem unter Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahren hergestellte
L-Aminosäure (L-Lysin) zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4.
die gemäß dem unter Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahren hergestellte L-Aminosäure (L-Lysin) gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil der Kammer vom heutigen Tage gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, gegebenenfalls bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, soweit die Erzeugnisse nach dem 12.01.2002 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden,

wobei diese Verpflichtung gegenüber der Klägerin zu 2) erst für Erzeugnisse besteht, die nach dem 5.12.2006 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1) der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 12.01.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird,

2) der Klägerin zu 2) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 05.12.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

Zur Begründung hat das Landgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerinnen hätten die Benutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens bei der Herstellung des angegriffenen Lysins substantiiert und schlüssig vorgetragen und durch die Vorlage des Analyseberichts des Instituts TNO vom 10. September 2008 (Anlage K 10) und das Gutachten Prof. Dr. K vom 11. September 2008 (Anlage K 11) ausreichend belegt; diesem Vorbringen sei die Beklagte nicht rechtserheblich entgegengetreten. Kein erhebliches Bestreiten stelle es dar, sich darauf zu beschränken, am Sachvortrag der klagenden Partei lediglich zu bemängeln, deren Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstanziiert. Zwingend erforderlich sei zunächst die wahrheitsgemäße Angabe, ob und ggfs. welches konkrete Merkmal der technischen Lehre nicht verwirklicht sei; habe der Kläger eigene Untersuchungsberichte und/oder Privatgutachten vorgelegt, müsse die beklagte Partei in aller Regel eigene Untersuchungen und/oder Gutachten beibringen. Die Beklagte habe stattdessen auf Nachfrage der Kammer erklärt, sie verfüge über keine näheren Erkenntnisse des Herstellungsverfahrens des Lysins. Dass sie das hier in Rede stehende Lysin nicht selbst herstelle, entbinde sie nicht von den soeben erörterten Darlegungspflichten. Als Vertriebsunternehmen habe sie das streitgegenständliche Lysin in Besitz und könne es selbst untersuchen lassen. Ihre Tätigkeit als internationale Marketingorganisation im Bereich Chemie mit Schwerpunkt in der nationalen und regionalen Distribution u.a. von Nahrungszusätzen für Tiernahrung vermitteln ihr auch Kenntnisse über die technische Beschaffenheit des von ihr vertriebenen Erzeugnisses. Zwischen den Parteien einschließlich der Herstellerunternehmen seien bereits seit 2006 Rechtsstreitigkeiten in verschiedenen Ländern anhängig, die das Klagepatent und das angegriffene Lysin beträfen. Der Kern der Auseinandersetzung sei der Beklagten seit geraumer Zeit bekannt und auch während des vorliegenden Rechtsstreits habe sie gut ein Jahr Gelegenheit gehabt, sich mit dem vorgetragenen Herstellungsverfahren auseinanderzusetzen. Die Beklagte habe sich dagegen nicht einmal bemüht, von ihren Vertragspartnern Informationen zum Herstellungsverfahren des Lysins zu erhalten.

Es müsse auch davon ausgegangen werden, dass die Beklagte Lysin der streitgegenständlichen Art in Deutschland vertrieben habe, auch wenn die Proben, anhand derer der TNO-Bericht gemäß Anlage K 10 gefertigt worden sei, nicht von ihr bezogen worden seien. Das in den konkret erworbenen Säcken befindliche Lysin stamme aus dem Unternehmen B und damit aus der Bezugsquelle, die auch die Beklagte für von ihr in Deutschland vertriebenes Lysin angegeben habe. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Herstellerunternehmen für den deutschen und außerdeutschen Markt nach verschiedenen Verfahren hergestelltes Lysin vertrieben und erzeugten, sei weder ersichtlich noch wirtschaftlich, betrieblich oder technisch sinnvoll. Es entspräche auch nicht der unbestrittenen Mitteilung von A aus 2005, der neuartige Stamm von Mikroorganismen solle in der zweiten Jahreshälfte in allen Produktbereichen voll zum Einsatz kommen. Angesichts dessen hätte die Beklagte aufzeigen müssen, dass sich das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin in irgendeiner Weise von dem in den erworbenen Säcken befindlichen Stoff unterscheide. Dass sie von A bezogenes Lysin in Deutschland vertreibe, bestreite die Beklagte als solches nicht, was auch mit den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in dem belgischen Beschlagnahmeverfahren unvereinbar sei, wonach ein erheblicher Teil des im Lagerhaus von G beschlagnahmten und im Eigentum der Beklagten bestehenden Lysins für den Transport nach Deutschland bestimmt gewesen sei, was auch die Beklagte selbst in dem dortigen Verfahren so vorgetragen habe.

Beide Klägerinnen seien auch aktivlegitimiert für die Unterlassungsansprüche. Die Legitimation der Klägerin zu 1. ergebe sich aus ihrer Stellung als eingetragene Patentinhaberin, diejenige der Klägerin zu 2. aus dem mit der Klägerin zu 1. geschlossenen ausschließlichen Lizenzvertrag; die Klägerin zu 1. bleibe daneben legitimiert, weil sie sich nicht sämtliche Rechte aus dem Klageschutzrecht begeben, sondern sich das Recht vorbehalten habe, selbst herzustellen, falls die Klägerin zu 2. den Bedarf auf dem deutschen Markt nicht bedienen kann. Die zuerkannten Ansprüche könnten beide Klägerinnen auch nebeneinander geltend machen; die Regelungen in Art. 11 (A) des Lizenzvertrages seien weder eine abschließende Regelung noch seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass mit dieser Regelung an sich bestehende Ansprüche der Schutzrechtsinhaberin und der ausschließlichen Lizenznehmerin dahin hätten beschränkt werden sollen, dass ausschließlich die eine oder die andere Partei für beide bestehende Ansprüche solle gelten machen können. Die Aktivlegitimation beziehe sich auch auf die Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadenersatz, die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines eigenen Schadens für die Klägerin zu 1. bestehe darin, dass die Klägerin zu 2. eine umsatzbezogene Lizenz schulde, so dass auch das Vermögen der Klägerin zu 1. durch den Vertrieb des angegriffenen Stoffes beeinträchtigen sein könne. Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. ergebe sich aus ihrer Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin, sie bestehe allerdings erst ab dem Zeitpunkt, von dem an das Klagepatent an sie lizenziert worden sei, das sei unstreitig der 5. Dezember 2006 gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte Berufung und die Klägerin zu 2. Anschlussberufung eingelegt.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte eine vollständige Abweisung der Klage. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht sie geltend:

Die Klägerinnen hätten eine Verletzung des Klagepatents nicht in jeder Hinsicht schlüssig dargelegt. Sie hätten nicht einmal für jedes Merkmal ausreichende Indizien vorgetragen. Die Klägerinnen hätten schon keine Verletzungshandlung in Deutschland dargelegt. Der Testbericht des TNO-Instituts aus dem Jahre 2008 (Anlage K 10) beziehe sich auf zwei Proben, welche unstreitig nicht von ihr in Verkehr gebracht worden seien. Abgesehen davon sei, wenn überhaupt, lediglich dargetan, dass ein modifizierter Mikroorganismus in der Probe gefunden worden sei. Selbst wenn man unterstelle, dass es sich dabei um denjenigen Mikroorganismus handele, der das Lysin produziert habe, fehle es an einer Darlegung aller weiteren Anforderungen des Klagepatents. Weder hätten die Klägerinnen dargelegt, dass der Mikroorganismus eine erhöhte Fähigkeit zur Herstellung von reduziertem NADPH besitze, noch dass diese Fähigkeit durch Erhöhung der Enzymaktivität von Transhydrogenase in einer Zelle erhöht worden sei. Auch die weiteren Zusammenhänge zwischen der Erhöhung der Enzymaktivität und der Erhöhung der exprimierten Menge eines Gens, das für Transhydrogenase, und die dadurch erhöhte Produktivität des Mikroorganismus für reduziertes NADPH seien nicht nachvollziehbar dargetan. Es werde weiter daran festgehalten, dass das Experiment 3b des TNO-Berichts gemäß Anlage K 10 im Hinblick auf die im Jahr 2006 gezogenen Proben gerade nicht durchgeführt sei. Zu berücksichtigen sei, dass die Expression eines Gens nicht automatisch durch eine Erhöhung der Anzahl der Gene erhöht werde. So gebe es in der Zelle unterschiedliche Mechanismen, die eine solche Expression regulierten. Bei den von den Klägerinnen durchgeführten Tests seien diejenigen Elemente des pntAB Gens, die die die Expression regulierten, nicht identifiziert und näher analysiert worden. Insoweit hätten die Klägerinnen zumindest die gesamte Sequenz des Gens einschließlich der regulierenden Elemente aufzeigen müssen. Gleiches gelte für einen Vergleich der Produktivität des angeblich vorgefundenen modifizierten Mikroorganismus mit dem Wildtyp des Mikroorganismus. Zu berücksichtigen sei ferner, dass es für die erhöhte Produktivität entscheidend auf die Richtung ankomme, in die das Enzym die Reaktion katalysiere. Gänzlich unberücksichtigt gelassen hätten die Klägerinnen, dass das von ihnen getestete Lysin nicht-funktionale DNA-Sequenzen enthalte. Der EuGH habe in seiner Entscheidung „Monsanto/Cefetra“ jedoch einen Patentschutz für eine DNA-Sequenz ohne eine funktionale Angabe abgelehnt.

Das Landgericht habe weiterhin verkannt, dass nicht beide Klägerinnen nebeneinander zur Geltendmachung sämtlicher Ansprüche im eigenen Namen aktivlegitimiert sein könnten. Der Lizenzvertrag unterliege französischem Recht; Feststellungen zum französischen Recht habe das Landgericht nicht getroffen. Der Wortlaut des Art. 11 (A) sei zudem eindeutig. Ersichtlich sei es den Lizenzvertragsparteien darauf angekommen, entweder eine Klage entweder durch die Klägerin zu 1. oder aber durch die Klägerin zu 2. zu führen. Da offenbar beide Parteien einig seien, dass Klage erhoben werden solle, sei allein die Klägerin zu 1. hierzu berechtigt gewesen. Eine Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. sei demgegenüber nicht ersichtlich.

Darüber hinaus sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig, weshalb das Verfahren jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen sei. Die Lehre des Klagepatents sei nicht patentfähig, weil sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Erledigung der gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass in Abschnitt I. 4. des landgerichtlichen Urteilsausspruches das Datum „12.01.2002“ durch das Datum „30.04.2006“ ersetzt werden soll sowie dass in Abschnitt I. 2. im letzten Absatz des landgerichtlichen Urteilsausspruches die Worte „Einkaufs- und Verkaufsbelege“ entfallen sollen und die Vorlage von „Rechnungen“ begehrt wird,

und im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin zu 2.,

in teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils

I.
die Beklagte ferner zu verurteilen,

1.
der Klägerin zu 2. unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie im Zeitraum vom 12.01.2002 bis 05.12.2006 die in Ziffer I. 1. des Urteils des Landgerichts bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Rechnungen in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

2.
die gemäß dem unter Ziffer I. 1. des Urteils des Landgerichts beschriebenen Verfahren hergestellte L-Aminosäure (L-Lysin) gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 03.11.2009 (4b O 188/09) und gerichtlich festgestellten und durch das heutige Urteil des Senats bestätigten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, gegebenenfalls bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, auch soweit die Erzeugnisse im Zeitraum vom 30.04.2006 bis 05.12.2006 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden,

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2. auch allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Urteils bezeichneten und im Zeitraum vom 12.01.2002 bis 05.12.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht zu ihren Gunsten erkannt hat, und treten den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Einzelnen entgegen.

Zur Begründung der Anschlussberufung macht die Klägerin zu 2. geltend, das Landgericht habe bereits den Lizenzvertrag aus dem Jahre 1994 unzutreffend ausgelegt. In diesem Lizenzvertrag sei vereinbart worden, dass die lizenzierten Patente sich auf diejenigen Schutzrechte und Anmeldungen bezögen, die die Klägerin zu 1. derzeit im Vertragsgebiet in Bezug auf das lizenzierte Erzeugnis besitze oder kontrolliere oder zu einem späteren Zeitpunkt besitzen oder kontrollieren könne und sämtliche Schutzrechte die der Klägerin zu 1. auf solche Anmeldungen hin künftig erteilt werden. In die letztgenannte Kategorie falle auch das Klagepatent. Darüber hinaus sei in dem ergänzenden Lizenzvertrag vom 25. August 2010 (Anlage BB 1) noch einmal klargestellt worden, dass die ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent seit dem Tag dessen Erteilung gelte.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zu 2. zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass das Klagepatent erst durch das Memorandum vom 25. Mai 2008 Bestandteil des Lizenzvertrages geworden sei. Gemäß Art. 1 des Lizenzvertrages sei für die Lizenzierung eines weiteren Patents oder einer weiteren Patentanmeldung die Aufnahme in die Anlage 3 zum Vertrag erforderlich. Eben dies sei durch das Memorandum geschehen. Daran ändere auch die er nunmehr vorgelegte Lizenzvertrag vom 25. August 2010 nichts. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Verträgen sei unklar. Unklar sei ferner, inwieweit nunmehr beide Klägerinnen berechtigt sein sollten, dieselben Ansprüche geltend zu machen, oder ob sich die Berechtigung nur auf eigene Ansprüche beschränke. Unabhängig davon, handele es sich bei dem ergänzenden Lizenzvertrag um neues, in der Berufungsinstanz nicht mehr zu berücksichtigendes Vorbringen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerinnen haben ein Gutachten von Prof. Dr. Reinhard K, Institut für Biochemie der Universität zu Köln vom 11. September 2008 (Anlage K 11) und den Bericht des TNO-Instituts über die Analyse der Proben C 101 und C 102 vom
10. September 2008 (Anlage K 10, deutsche Übersetzung Anlage K 10a) vorgelegt, der von Dr. Gert van L verfasst worden ist.

II.
Berufung der Beklagten und Anschlussberufung der Klägerin zu 2. sind jeweils zulässig, aber in der Sache unbegründet. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland Lysin in den Verkehr gebracht hat, das nach dem im Klagepatent unter Schutz gestellten Verfahren hergestellt worden ist, und durch dieses Verhalten das Klagepatent schuldhaft verletzt hat. Ebenso zu Recht hält es die Klägerin zu 2. über den zuerkannten Umfang hinaus für nicht aktivlegitimiert.

1.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer L-Aminosäure, insbesondere von L-Lysin, unter Verwendung eines Mikroorganismus.

L-Lysin, d. h. Lysin in der so genannten L-Konfiguration (im Folgenden nur: Lysin), ist eine essentielle Aminosäure. Aminosäuren sind Bausteine der Proteine. Tierische Organismen benötigen Proteine für das Wachstum und die Reparatur von Geweben. Industriell werden Aminosäuren nicht nur für Gewürze und Nahrungsmittel, sondern auch als Komponenten verschiedener medizinischer Nährstoffgemische, Zusatzstoffe von Tierfutter und Mittel in der pharmazeutischen und chemischen Industrie eingesetzt (vgl. Anlage K B 13, Seite 1, vorletzter Absatz). Als essentielle Aminosäure bezeichnet man solche Aminosäuren, die ein tierischer Organismus insbesondere für die Proteinbiosynthese benötigt, aber nicht selbst aus elementaren Bestandteilen aufbauen kann. Alle essentiellen Aminosäuren kommen in den wichtigsten landwirtschaftlichen Basisstoffen für Tierfutter (z. B. Weizen und andere Getreidesorten) vor. Insbesondere in den aus pflanzlichen Inhaltsstoffen bestehenden Futtermitteln ist der Gehalt von Lysin allerdings gering bzw. unzureichend. Deshalb handelt es sich bei Lysin auch um eine so genannte limitierende Aminosäure, deren Mengenanteil in der Nahrung die Fähigkeit des Tieres Proteine zu synthetisieren begrenzt, weil die Protein Biosynthese immer nur bis zu dem Niveau der limitierenden Aminosäure stattfinden kann. Der Lysin-Anteil in Tierfutter ist damit ein entscheidendes Qualitätskriterium. Die Beimischung von Lysin dient der Erhöhung des Nährwertes. Die industrielle Herstellung von Lysin hat infolge dessen große Bedeutung erlangt.

Lysin wird industriell mit Hilfe von Mikroorganismen, wie etwa Bakterien, im Rahmen eines Fermentationsprozesses hergestellt (vgl. Anlage K B 13, Seite 1 vorletzter Absatz). Beim Fermentationsprozess werden Rohstoffe wie Glukose in einem Fermentationsbehälter (Bioreaktor) gefüllt, in dem dann durch Einsatz von spezifischen Mikroorganismen die Zielsubstanz durch den Metabolismus des Mikroorganismus hergestellt wird. Diese Biosynthese besteht aus verschiedenen chemischen Umwandlungsschritten. Als Mikroorganismen können z. B. Bakterien der Gattung Escherichia verwendet werden (vgl. Anlage K B 13, Seite 1, 1. Absatz). Nachfolgend wird vereinfacht der Biosyntheseweg für Lysin in Escherichia coli (nachfolgend: E.coli), einem typischen Mikroorganismus der Gattung Escherichia, dargestellt.

Wie die die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, werden bei der Fermentation von L-Aminosäuren die Techniken der rekombinanten DNA-Technologie eingesetzt (Anlage K B 13, Seite 2, 2. Absatz; vgl. a. BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8). Dabei werden zur Beschleunigung des Biosynthesesystems der L-Aminosäuren in einem Wirtsorganismus ein oder mehrere Gene, die für ein oder mehrere Enzyme im biosynthetischen Weg einer L-Aminosäure kodieren, angereichert. Dies veranlasst die Mikroorganismen dazu, L-Aminosäuren in erhöhtem Maße zu produzieren.

Einige der an der Biosynthese von L-Aminosäuren beteiligten Enzyme benötigen so genannte Coenzyme, um ihre Funktion ausüben zu können. Eines der wichtigen Coenzyme für die Biosynthese von Lysin ist reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (nachfolgend: NADPH) (vgl. Anlage K B 13, Seite 3, vorletzter Absatz; vgl. a. BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8). Dieses Coenzym wird im Rahmen der enzymatischen Reaktion zu Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (nachfolgend: NADP) oxidiert und dadurch „verbraucht“. Aus oxidiertem NADP wird in vivo durch Reduktion wiederum NADPH gebildet. Das geschieht mit Hilfe des so genannten Pentosephosphatzyklus, einem Stoffwechsel, der Glukose verbraucht.

Die Klagepatentschrift gibt an, dass zum Prioritätszeitpunkt des Klagepatents die Beziehung zwischen NADPH und der Herstellung von L-Aminosäuren unter Einsatz von Mikroorganismen noch nicht erforscht gewesen sei (Anlage K B 13, Seite 3, 3. Absatz; vgl. a. BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8). Als eines der Enzyme, die für die Produktion von NADPH verantwortlich sind, war zum Prioritätszeitpunkt des Klagepatents die Nicotinamiddinukleotidtranshydrogenase (nachfolgend: Transhydrogenase) bekannt (vgl. Anlage K B 13, Seite 3, letzter Absatz; vgl. a. BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8). Diese katalysiert die reversible Umwandlung von NADH in NADPH (BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8). Zum Prioritätszeitpunkt war es nach den Angaben der Klagepatentschrift auch bekannt, dass dieses Enzym in verschiedenen Organismen vorhanden ist, u. a. in Mikroorganismen der Gattung Escherichia. So war eine Transhydrogenase aus E.coli aufgereinigt und kloniert worden (vgl. Anlage K B 13, Seite 3, letzter Absatz). Über die physiologische Funktion dieses Enzyms sei zum Prioritätszeitpunkt allerdings wenig bekannt gewesen (vgl. Anlage K B 13, Seite 3/4, übergreifender Absatz; vgl. a. BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8).

In der Biosynthese von L-Aminosäuren treten verschiedene Reduktionsreaktionen auf. In vielen Fällen wird dabei das Coenzym NADPH als zelleigenes Reduktionsmittel eingesetzt (vgl. Anlage K B 13, Seite 5, letzter Absatz; vgl. BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8). So erfordern z. B. die Aspartatsemialdehyddehydrogenase und die Dihydrodipicolinatsynthase NADPH als Coenzym im Biosyntheseweg für L-Lysin (vgl. a. Anlage K B 13, Seite 5/6, übergreifender Absatz). NADPH wird – wie erwähnt – im Organismus durch Verstoffwechslung von Glukose (Pentosephosphatzyklus) gebildet. Aus einem „verstoffwechselten“ Molekül Glukose werden hierbei NADPH-Moleküle hergestellt. Andererseits wird die Glukose auch für die Biosynthese der Aminosäuren wie Lysin selbst verwendet.

Im Rahmen des Fermentationsprozesses von Lysin wird somit an zwei Stellen Glukose benötigt: Erstens als Rohstoff für die Herstellung des Lysins als solchem und zweitens zur Erzeugung des erforderlichen Coenzyms NADPH. Wenn also – wie es das Klagepatent als These formuliert – die Bildung von NADPH in dem Mikroorganismus erhöht wird, was angesichts der Erkenntnisse aus dem Stand der Technik zu einer Beschleunigung des Fermentationsprozesses und zur Produktivitätserhöhung des Mikroorganismus führen sollte, ist dies mit der nachteiligen Folge verbunden, dass die hierfür verbrauchte Glukose nicht mehr als Zielsubstanzrohstoff (Lysin) zur Verfügung stehen kann. Eine Steigerung der Produktivität des Mikroorganismus ist mithin (letztlich nur) dann zu erzielen, wenn eine größere Menge an NADPH bereitgestellt wird, ohne dass dafür Glukose verbraucht wird (vgl. Anlage K B 13, Seite 6/7, übergreifender Absatz).

Hierfür bietet sich das in den meisten Zellen in großen Mengen vorhandene NADH an, welches in vivo aus oxidiertem Nicotinamidadenindinucleotid (NAD) mit Hilfe des Zitronensäurezyklus (TCA-Zyklus) gebildet wird. NADH ähnelt NADPH extrem, kann als Coenzym für die Biosynthese von Lysin aber nicht verwertet werden (vgl. Anlage K B 13, Seite 5, drittletzter Absatz). Es kann jedoch als Wasserstoffquelle genutzt werden.

Ausgehend hiervon formuliert das Klagepatent zwei Annahmen:

– Wenn intrazelluläres NADH effizient in NADPH umgewandelt werden kann, kann die Glukose, die für die Biosynthese von NADPH durch einen Mikroorganismus erforderlich ist, gespart, und eine L-Aminosäure bei höherer Produktivität hergestellt werden (vgl. Anlage K B 13, Seite 7, vorletzter Absatz).

– Eine Möglichkeit zur effizienteren Umwandlung von NADH zu NADPH kann durch eine Erhöhung des Enzyms Transhydrogenase erfolgen. Transhydrogenase ist für die Produktion von NADPH verantwortlich und kann als Mittel zum Umwandeln von NADH in NADPH eingesetzt werden (vgl. Anlage K B 13, Seite 7, vorletzter Absatz).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, die Produktivität einer Biosynthese für eine L-Aminosäure unter Einsatz eines Mikroorganismus zu verbessern (vgl. Anlage K B 13, Seite 5, letzter Absatz; BPatG, NU, Anlage K 30, Seite 8).

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt das Klagepatent in der geltend gemachten Anspruchskombination (Patentansprüche 1 und 6 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 21.07.2009) ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren zur Herstellung einer L-Aminosäure, deren Biosynthese reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (NADPH) erfordert, durch einen Mikroorganismus, welches folgende Stufen umfasst:

2. Kultivierung des Mikroorganismus in einer Kultur, um L-Aminosäure zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, wobei

a) der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (NADPH) aus reduziertem Nicotinamidadenindinucleotid (NADH) herzustellen, erhöht ist,

b) durch Erhöhung der exprimierten Menge eines Gens, welches für die
Nicotinamidnucleotidtranshydrogenase (Transhydrogenase) kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus,

c) wodurch die Produktivität des Mikroorganismus für reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (NADPH) erhöht ist.

3. Gewinnen der L-Aminosäure aus dem Kulturmedium.

Als eine Möglichkeit einer Modifikation des Mikroorganismus, bei welcher die Expressionsmenge eines Gens, das für die Transhydrogenase kodiert, erhöht wird, benennt das Klagepatent die Erhöhung der Anzahl der Kopien des für die Transhydrogenase kodierenden Gens in der Zelle des Mikroorganismus (Unteranspruch 7 in der Fassung des Nichtigkeitsurteil des BPatG und Anlage K B 13, Seite 8/9, übergreifender Absatz). Die in einem E.coli-Bakterium vorhandenen Gene, welche für die Transhydrogenase kodieren, werden als „pntA“ und „pntB“, zusammengefasst als „pntAB“, bezeichnet.

2.
Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland Lysin in den Verkehr gebracht hat, das nach dem schutzbeanspruchten Verfahren hergestellt worden ist. Es hat sich insoweit darauf gestützt, dass die Beklagte unstreitig seit dem Jahre 2005 von A hergestelltes Lysin in ihrem Produktionssortiment führt und auch in der Bundesrepublik Deutschland vertreibt. In Übereinstimmung hiermit hat der gerichtliche Sachverständige des belgischen Beschlagnahmeverfahrens festgestellt, dass ein erheblicher Teil des im Lagerhaus G beschlagnahmten und im Eigentum der Beklagten stehenden Lysins für den Transport nach Deutschland bestimmt gewesen ist (vgl. Anlage K 2b, Seiten 24 f. und 31). Das hatte die Beklagte auch im belgischen Verfahren so vorgetragen und mit dem Hinweis auf die Bestimmung zur Lieferung nach Deutschland die Aufhebung der dortigen Beschlagnahme verlangt (Schriftsatz vom 06. Juni 2008, Anlage K 17a, Seiten 8 und 38). Das Landgericht ist weiter mit Recht davon ausgegangen, dass sich das von der Beklagten vertriebene Lysin nicht von demjenigen unterscheidet, das die Klägerinnen in Deutschland erworben und vom TNO-Institut haben untersuchen lassen. Zwar haben die Klägerinnen kein von der Beklagten in Deutschland in den Verkehr gebrachtes Lysin untersucht. Die beiden Säcke Lysin gemäß Anlage K 9, deren Proben Gegenstand der Untersuchungen des Instituts TNO vom
10. September 2008 (Anlage K 10; deutsche Übersetzung Anlage K 10a) waren, sind unstreitig nicht bei der Beklagten erworben worden und es ist auch weder dargetan noch ersichtlich, dass der Veräußerer dieses Lysin zuvor von der Beklagten geliefert bekommen hatte. Bei dem untersuchten Lysin handelt es sich aber ebenfalls um auf dem deutschen Markt erworbenes Lysin, das aus derselben Bezugsquelle stammt, wie das von der Beklagten vertriebene Lysin, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass A oder ein anderes demselben Herstellerverbund angehöriges Unternehmen wie E H und B für den deutschen Markt speziell nach einem anderen Verfahren hergestelltes Lysin produzieren. Die Klägerinnen haben insoweit dargetan und durch Vorlage des Frachtbriefes (Anlage K 18) und der Rechnung (K 19) der Lieferantin auch belegt, dass die in Rede stehenden Lysin-Säcke (Anlage K 9) auf dem deutschen Markt bei der M Tierernährungs GmbH erworben worden sind. Als Hersteller des Lysins ist auf den betreffenden Säcken unstreitig E H angegeben; ferner findet sich auf den Säcken ein Hinweis auf die Internetseite von A. Das in Deutschland erworbene Lysin stammt damit, was die Beklagte auch nicht in Abrede stellt, von derselben Bezugsquelle, von der auch die Beklagte das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin bezieht. Aus den in Deutschland erworbenen Lysin-Säcken sind die Proben C 101 und C 102 entnommen und durch das niederländische Institut TNO analysiert worden. Hierüber verhält sich der als Anlage K 10 (deutsche Übersetzung Anlage K 10a) überreichte Untersuchungsbericht des Instituts TNO vom 10. September 2008. Anhaltspunkte dafür vor, dass A oder ein anderes demselben Herstellerverbund angehörigen Unternehmen wie E oder B für den deutschen Markt nach einem anderen Verfahren hergestelltes Lysin produzieren, sind weder dargetan noch ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr die Mitteilung (Anlage K 5) von A aus dem Jahre 2005, in der es heißt, dass der neuartige Stamm von Mikroorganismen in der zweiten Hälfte des Jahres in allen Produktionsbereichen voll zum Einsatz kommen werde.

Dem hat die Beklagte nichts Rechtserhebliches entgegengesetzt. Da sie keine Einwände gegen die vorgelegten Urkunden erhoben hat und an deren Richtigkeit auch ansonsten keine Zweifel bestehen, ist von einem Erwerb des Lysins auf dem deutschen Markt auszugehen. Die diesbezügliche Feststellung des Landgerichts greift die Beklagte mit der Berufung auch gar nicht an. Ebenso wenig hat die Beklagte aufgezeigt, das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin unterscheide sich in irgendeiner Weise von dem in den erworbenen Säcken befindlichen Stoff. Dies wäre ihr durchaus möglich gewesen, weil die Beklagte auch als Vertriebsunternehmen den besagten Stoff in ihrem Besitz hat und ihn entweder bei einem kompetenten Sachverständigen ihrer Wahl hätte untersuchen lassen oder sich bei dem Lieferanten über die Beschaffenheit des von dort bezogenen Lysin bzw. die Einzelheiten des verwendeten Herstellungsverfahrens hätte informieren können. Zumindest hätte sich die Beklagte bei ihrem Lieferanten erkundigen können, ob dieser unterschiedlich hergestelltes Lysin vertreibt, insbesondere ob er den deutschen Markt mit unterschiedlich hergestelltem Lysin beliefert. Dass sie dies getan und hieraufhin eine entsprechende Bestätigung von A, E H oder B erhalten habe, behauptet die Beklagte nicht. Sie trägt auch nicht vor, dass sie von diesen Unternehmen keine Informationen habe erlangen können. Dass zur Herstellung des von der Beklagten in Deutschland vertriebenen Lysins ein anderer Bakterienstamm, etwa das Corynebakterium, verwendet worden ist, hat das Landgericht zu Recht den Ergebnissen des gerichtlichen Sachverständigen in Belgien (Anlage K 2b) und der Analyse des Instituts BaseClear (Anlage K 16a) nicht entnommen, die lediglich zu der Erkenntnis gelangt waren, dass für eine von acht Proben unklar sei, ob ein mutierter E.coli-Bakterienstamm entsprechend dem europäischen Patent 0 733 XYX eingesetzt worden sei. Auf ihr diesbezügliches Vorbringen kommt die Beklagte in der Berufungsinstanz auch nicht mehr zurück. Diesem steht im Übrigen auch entgegen, dass sich A, E H und B in dem in den Niederlanden anhängigen Verfahren dahin eingelassen haben, dass sie für die Herstellung von Lysin „einen E.coli-Stamm“ verwenden (vgl. Anlage K 4, Seite 14 Ziff. 5.27). Dass sie neben diesem E.coli-Stamm noch einen anderen Stamm zur Herstellung von Lysin verwenden, haben die betreffenden Unternehmen in dem niederländischen Verfahren nicht behauptet. Ebenso wenig haben sie eine Herstellung unterschiedlichen Lysins aus dem einen E.coli-Stamm behauptet.

3.
Mit dem Landgericht ist ferner davon auszugehen, dass das untersuchte Lysin nach einem Verfahren hergestellt worden ist, wie es in der geltend gemachten Kombination aus den Klagepatentansprüchen 1 und 6 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 21. Juli 2009 beschrieben ist. Die Klägerin hat diese Übereinstimmung belegt durch die Untersuchungen des TNO-Instituts aus dem Jahre 2008 (Anlage K 10/10a) und durch das Privatgutachten Prof. Dr. K (Anlage K 11) ausreichend substantiiert vorgetragen. Die Untersuchungen und die Ausführungen des Privatgutachters sind nachvollziehbar und tragen die vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerungen.

a)
Dass das von der Beklagten vertriebene Lysin durch die Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur hergestellt und angereichert wurde, steht außer Frage. Aus dem von den Klägerinnen vorgelegten Untersuchungsbericht des Instituts TNO aus dem Jahre 2008 ergibt sich, dass bei der fermentativen Herstellung des Lysins ein E.coli-Wirtsorganismus verwendet wurde. Denn in den untersuchten Lysin-Proben C 101 und C 102 sind DNA-Spuren eines E.coli-Wirtsorganismus gefunden worden. Dass es sich bei der gefundenen DNA um die eines E.coli-Bakteriums handelt, haben die in dem Analysebericht beschriebenen (Anlage K 10a, Seiten 4 bis 12) und vom Privatgutachter der Klägerinnen näher erläuterten (Anlage K 11, Seiten 1 bis 3) Experiments 1A und 1B ergeben.

aa)
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist im Rahmen des Experiments 1A mittels einer Polymerasenkettenreaktion(PCR)-Versuchsreihe untersucht worden, ob in den Proben eine DNA-Sequenz aus dem cysG-Gen von E.coli aufzufinden ist. Das cysG-Gen kodiert in E.coli ein bekanntes Enzym der Biosynthese des Häm Cofaktors; es findet sich nicht in der Gattung des ebenfalls im Rahmen von Fermentationsprozessen von Lysin verwendeten Corynebakteriums. Zur Feststellung, ob eine DNA-Sequenz des cysG-Gens vorhanden ist, sind den Proben Primer, d. h. kurze DNA-Sonden, die sich spezifisch an in der Sequenz komplementäre Bereiche der Ziel-DNA anlagern, zugefügt worden. Die ausgewählten Primer amplifizieren keine Corynebakterien. Bei der sich anschließenden PCR vervielfältigten sich die DNA-Stücke, die zwischen den Primern lagen. Nach Auftrennung sind sie in dem Verfahren der Gelelektrophorese sichtbar gemacht worden. Die mittels der Gelelektrophorese identifizierten DNA-Stücke haben dem Analysebericht zufolge die Länge aufgewiesen, nämlich 120 Basenpaare, die sie infolge der eingesetzten spezifischen Primer haben sollten bzw. die vorausgesagt war. Aus den ermittelten Daten schlussfolgert der Analysebericht, dass es praktisch sicher ist, dass die aus den Proben gewonnenen PCR-Produkte von 120 Basenpaaren die Amplifikation von in der jeweiligen Probe vorhandenen E.coli- oder Shigella-DNA-Fragmenten darstellen (Anlage K 10a, Seite 8). Gemäß den Erläuterungen des Privatgutachters der Klägerinnen, zeigt bereits das Experiment A, dass die beiden Lysin-Proben mit großer Wahrscheinlichkeit E.coli-DNA enthalten und dass das E.coli cysG Gen in beiden Proben auch in signifikanter Menge vorhanden ist (Anlage K 11, Seite 2).

Um sicher auszuschließen, dass es sich bei der in den Proben aufgefundenen DNA nicht um das mit E.coli verwandte Bakterium Shigella handelt, ist das Experiment 1B durchgeführt worden. Im Rahmen dieses Versuchs ist untersucht worden, ob in den Proben eine DNA-Sequenz aus einem weiteren E.coli-Gen, dem yhfZ-Gen, aufzufinden ist. Die hierzu verwendeten Primer erkennen dieses Gen; sie sind so gewählt worden, dass sie eine Unterscheidung zu dem mit E.coli verwandten Shigella-Bakterium ermöglichen (vgl. Anlage K 11, Seite 2). Es hat sich im Rahmen dieses weiteren Experiments gezeigt, dass die beiden Lysin-Proben E.coli-DNA enthalten, in der das entsprechende yhfZ-Gen mit E.coli spezifischer Sequenz auftritt. Die Vergleichsprobe, die Coryne-DNA enthalten hat, hat hingegen keine positive Reaktion gezeigt. Der Analysebericht kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass es praktisch sicher ist, dass die aus den Proben gewonnenen PCR-Produkte von 101 Basenpaaren die Amplifikation von in der jeweiligen Probe vorhandenen E.coli-DNA-Fragmenten darstellen (Anlage K 10a, Seite 12). Wie auch der weitere Privatgutachter der Klägerinnen, Prof. Dr. K, bestätigt hat, ist damit in den untersuchten Proben DNA von E.coli identifiziert worden (Anlage K 11, Seiten 1 bis 3).

bb)
Soweit die Beklagten geltend machen, eine Analyse des Lysins selbst könne keine Informationen über die Methode seiner Herstellung ergeben, hat bereits das Landgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass das von den Klägerinnen mit der Analyse der Lysin-Proben beauftragte Institut nicht „das Lysin“, sondern die Lysin-Proben untersucht hat, um darin befindliche DNA des Bakteriums E.coli zu identifizieren. Die Identifikation und Analyse der aufgefundenen E.coli-DNA-Spuren lässt Rückschlüsse auf die Herstellungsmethode des Lysins zu.

cc)
Der Hinweis der Beklagten auf eine mögliche Verunreinigung des Lysins ist nicht geeignet, die Aussagekraft des von den Klägerinnen vorgelegten Untersuchungsberichts in Zweifel zu ziehen. Dafür, dass das im Rahmen der von den Klägerinnen in Auftrag gegebenen Analyse in den Lysin-Proben aufgefundenen E.coli-DNA-Spuren von E.coli-Bakterien stammt, die infolge einer Verunreinigung in das Lysin bzw. die untersuchten Proben gelangt sind, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Die Beklagte behauptet insbesondere nicht, dass sie von A, E H bzw. B stammendes, in ihrem Besitz befindliches Lysin untersucht und hierbei keine E.coli-DNA gefunden habe. Allein eine bloß theoretische Möglichkeit einer Kontamination von Trinkwasser und/oder Lebensmitteln mit E.coli-Bakterien liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine derartige Verunreinigung bei der Herstellung und/oder Untersuchung des hier in Rede stehenden Lysins tatsächlich erfolgt sein könnte. Abgesehen davon, sind auch in den in Belgien und den Niederlanden untersuchten Lysin-Proben E.coli-DNA-Spuren identfifiziert worden. Die Beklagte wird kaum ernsthaft behaupten wollen, dass sämtliches von A oder einem anderen demselben Herstellerverbund angehörigen Unternehmen wie E oder B hergestelltes Lysin Verunreinigungen aufweist. Außerdem handelt es sich bei dem in den Lysin-Proben nachgewiesenen E.coli-Bakterium – wie noch ausgeführt wird – nicht um den E.coli-Wildtyp, sondern um ein modifiziertes E.coli-Bakterium. Wie ein solches E.coli-Bakterium infolge einer „Verunreinigung“ in das Lysin geraten sein sollte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Letztlich haben – wie bereits ausgeführt – die A, E H und B, welche das von der Beklagten vertriebene Lysin produzieren, in dem niederländischen Verfahren selbst angegeben, dass sie für die Herstellung von Lysin einen E.coli-Stamm verwenden (vgl. Anlage K 4, Seite 14 Ziff. 5.27). Vor diesem Hintergrund kann eine Verunreinigung mit E.coli ausgeschlossen werden.

dd)
Scheidet aber eine Verunreinigung aus, so kann das Vorhandensein der E.coli-DNA-Spuren nur eine Ursache haben, nämlich dass es sich hierbei um Materialien handelt, die im Herstellungsprozess verwendet und nicht vollständig entfernt wurden.

b)
Der Untersuchungsbericht des Instituts TNO aus dem Jahre 2008 rechtfertigt ferner den Schluss, dass die für die Herstellung des Lysins verwendeten (kultivierten) E.coli-Bakterien so verändert wurden, dass ihre Fähigkeit, NADPH aus NADH herzustellen erhöht wurde, und zwar durch Erhöhung der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Transhydrogenase kodiert. Das folgt aus den in einem weiteren Schritt durchgeführten Experimenten 3A und 3B. Nach dem Ergebnis dieser Experimente ist davon auszugehen, dass die Zellen des E.coli-Stammes, mit dem das Lysin hergestellt wurde, (mindestens) eine zusätzliche Kopie des pntAB-Gens enthalten.

aa)
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, diente das Experiment 3A dem Zweck, ein in den Proben vorhandenes Plasmid nachzuweisen, welches in dem Wildstamm von E.coli nicht vorhanden ist. Grundlage dieses Experiments sind von der Klägerin zu 1. zur Verfügung gestellte Plasmide gewesen, welche in dem von der Klägerin zu 1. entwickelten E.coli-Stamm vorhanden sind. Eines der Plasmide, das so genannte Plasmid 2, enthält das pntAB-Gen, das für das Enzym Transhydrogenase kodiert. Da pntAB-Sequenzen per se durch eine PCR-Reaktion amplifziert werden, so dass eine Unterscheidung zwischen chromosomalen und Plasmind-pntAB nicht ohne weiteres möglich ist, sind für das Experiment Sequenzen, die die Kodierungsbereiche von pntAB flankieren und damit spezifisch für die Konstruktion des Plasmids sind, mittels der PCR amplifiziert worden. Zur Amplifikation von chromosomaler DNA und von DNA aus Plasmid 2 sind wiederum Primer eingesetzt worden. Der für das Plasmid 2 konstruierte Primer (AKIA7816) ist auf eine Sequenz gerichtet, die an pntAB auf dem Plasmid 2, nicht aber auf der natürlich vorkommenden DNA angrenzt. In Kombination mit dem für die chromosomale DNA konzipierten Primer (AKIA7935) ist für das Plasmid 2 eine Amplifikation in der Größe von ca. 120 Basenpaaren zu erwarten. Die PCR hat ergeben, dass die untersuchten Proben entsprechend große Amplifikationen aufweisen, wobei die Amplikongröße nach dem Analysebericht sogar mit derjenigen aus dem von der Klägerin zu 1. zur Verfügung gestellten DNA-Stamm identisch ist (Anlage K 10a, Seite 11). Aus den gefundenen Ergebnissen folgt, dass die untersuchten Proben DNA mit aneinander angrenzenden Sequenzen enthalten, die künstlich bei der Konstruktion von Plasmid 2 kombiniert wurden (Anlage K 10a, Seite 11). Die Tatsache, dass diese angrenzenden Bereiche ein einzigartiges Merkmal von Plasmid 2 darstellen, wird durch das Fehlen eines entsprechenden Signals bei Wildtyp-E.coli-DNA bestätigt (Anlage K 10a, Seite 11). Wegen der Identität der Amplikon-Größe kommt der Analysebericht ferner zu dem Schluss, dass nicht nur die dieselben aneinandergrenzenden Sequenzen wie in Plasmid 2 vorliegen, sondern dass außerdem die Bindungsstellen der Primer durch dieselbe Anzahl von Nukleotiden voneinander getrennt werden, wie die des Stammes der Klägerin zu 1. (Anlage K 10a, Seite 11). Der Untersuchungsbericht sieht es vor diesem Hintergrund als praktisch sicher an, dass die beiden Proben das Plasmid 2 enthalten (Anlage K 10a, Seite 11). Weiterhin zeigt das Experiment 3A dem Analysebericht zufolge, dass die Proben, wie der eigene Stamm der Klägerin zu 1., sowohl die chromosomalen als auch Plasmid-Sequenzen umfassen, während der E.coli-Kontroll-Stamm lediglich die chromosomalen Sequenzen aufweist (Anlage K 10a, Seite 11). Wie auch Prof. Dr. K bestätigt hat, ist durch das Experiment 3A gezeigt, dass die Lysin-Proben DNA enthalten, die aus einem Plasmid stammen, dass im Wildstamm von E.coli nicht auftritt, das jedoch in dem Bakterienstamm der Klägerin zu 1. enthalten ist (Anlage K 11, Seite 6).

Wie das Landgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, diente das ferner durchgeführte Experiment 3B dem Nachweis, dass die untersuchten Lysin-Proben DNA enthalten, die für das Plasmid aus dem Stamm der Klägerin zu 1., das das pntAB-Gen trägt, spezifisch ist, und dass dieses Plasmid das pntAB-Gen trägt. Hierfür wurden vier Paare von DNA-Primern verwendet, die jeweils Teile des pntAB Gens mit den dieses Gen stromaufwärts und stromabwärts liegenden flankierenden Bereiche erkennen. Die für das Plasmid 2 konzipierten Primer tragen die Kennzeichnung pntAB_A_uF02 und pntAB_A_uR01 (Grenzbereich stromaufwärts) sowie pntAB_A_dF02 und pntAB_A_dR02 (Grenzbereich stromabwärts). Die an die flankierenden Bereiche des chromosomalen pntAB-Gens anbindenden Primer tragen die Bezeichnung pntAB_dF01 und pntAB_dR02. Die jeweiligen Primer sind spezifisch. Die erstgenannten Paare binden nur an Plasmid-Kopien des pntAB Gens, die zweitgenannten nur an genomischen Kopien des pntAB Gens. Bei Durchführung einer PCR-Versuchsreihe ist sowohl für die stromaufwärts- wie auch für die stromabwärts spezifische PCR-Reaktion bezüglich Plasmid-DNA amplifizierte DNA mit einer erwarteten Amplikongröße von 330 bzw. 290 Basenpaaren feststellbar gewesen. Dagegen konnte bei Verwendung der Primer-Kombination keine amplifizierte DNA aus der Wildtyp-E.coli-DNA gewonnen werden. Entsprechendes gilt für die genomische Kopie des pntAB Gens; hier ist die erwartete Amplikongröße bei den untersuchten Proben festgestellt worden. Mittels der sich anschließenden Sequenzanalyse ist sodann erkannt worden, dass die PCR-Produkte der untersuchten Proben plasmidspezifische DNA-Sequenzen stromaufwärts und stromabwärts des pntAB Gens unter Einschluss einer lagen DNA-Sequenz aus dem pntAB Gen selbst enthalten. Die gewonnen Ergebnisse zeigen, dass die Lysin-Proben chromosomale DNA aus E.coli enthalten, die zumindest Teile des pntAB-Gens darstellen, und dass die Proben zusätzlich DNA enthalten, die ebenfalls einen Teil des E.coli pntAB-Gens darstellt, welches in ihrer natürlichen chromosomalen Umgebung nicht vorkommt (Anlage K 10a, Seite 53). Der Untersuchungsbericht kommt vor diesem Hintergrund zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass damit praktisch feststeht, dass das E.coli, das das untersuchte Lysin produziert hat, gentechnisch verändert worden ist, und zwar durch die Hinzufügung von Plasmid(en) mit DNA, die das pntAB-Gen aus der E.coli-Kodierung für Transhydrogenase darstellt (Anlage K 10a, Seite 40). Auch dieser Versuch und seiner Bewertung durch das Institut TNO wird durch das von den Klägerinnen vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. K bestätigt. Danach ist durch die Versuchsreihe nachgewiesen, dass in den analysierten Proben nachgewiesene Plasmid nicht nur hinsichtlich spezifischer (flankierende) DNA-Bereiche identisch und von der genomischen Umgebung des pntAB-Gens unterschiedlich ist, sondern auch das pntAB-Gen trägt. Nach der von den Klägerinnen überreichten Stellungnahme von Prof. Dr. K ist damit zugleich nachgewiesen, dass auch die Zellen des Produktionsstammes, mit denen das untersuchte Lysin hergestellt wurde, (mindestens) eine zusätzliche Kopie des pntAB-Gens (nämlich auf dem Plasmid) enthalten (Anlage K 11, Seite 7).

bb)
Ergänzend ergibt sich das auch aus dem – von dem holländischen Gericht in Bezug genommenen (vgl. Anlage K 4, Seite 22 Ziff. 5.57) – TNO-Bericht aus dem Jahre 2006 (Anlage K 22) betreffend die Proben mit den Nummer 1016 und 1017. Dass diese Lieferung, aus der die Proben entnommen worden sind, von der Beklagten stammt, war im niederländischen Parallelverfahren unstreitig; dort hatte die Beklagte lediglich eingewandt, die Klägerinnen hätten diese Lieferung provoziert (vgl. Anlage K 4, Seite 7 f. Ziff. 5.1). Die Klägerinnen haben darüber hinaus auch belegt, dass das Lysin tatsächlich aus der Lieferung der Beklagten stammt. Ausweislich der Rechnung gemäß Anlage K 21 hat die Beklagte 15.000 kg Lysin aus der Herstellung von A Chemical Traders in Amsterdam geliefert, wobei die Ware nach Vlaardingen geliefert werden sollte und ausweislich des als Anlage BB 5 vorgelegten Frachtbriefes auch nach dorthin zur Firma N geliefert worden ist. Der Gerichtsvollzieher nahm ausweislich des als Anlage BB 5 vorgelegten Berichtes einen der bei N vorgefundenen 600 Säcke mit, während für die Klägerin zu 1. ihr niederländischer Rechtsanwalt Mr. O 5 Säcke mitnahm und dass die vorgelegten Urkunden tatsächlich mit den in den Ablichtungen dokumentierten Inhalt erstellt worden sind, zieht die Beklagte ersichtlich nicht in Zweifel. In den seinerzeit untersuchten Proben mit den Nummer 1016 und 1017 ist ebenfalls DNA von E.coli identifiziert worden, bei der es sich nicht um DNA des Wildtyps von E.coli handelte. Das Experiment 3 führte zu einem Ergebnis wie das Experiment 3A des
TNO-Berichts aus dem Jahre 2008. Der Analysebericht von 2006 sieht es aufgrund des Untersuchungsergebnisses ebenfalls als praktisch sicher an, dass die untersuchten Proben das Plasmid 2 enthalten (Anlage K 22a, Seite 21). Zutreffend ist zwar, dass seinerzeit von dem Institut TNO das Experiment 3 B des späteren TNO-Berichts aus 2008 nicht vorgenommen wurde. Eine ergänzende Analyse der Probe wurde seinerzeit aber im Juni 2006 von der P Ltd. Life Science Group (Anlage K 33) durchgeführt, bei der auch der Nachweis der Übergangssequenzen zum Plasmid 2 als Experiment Nr. 5 durchgeführt wurde. In diesem Versuch wurden ausweislich des – von dem holländischen Gericht gleichfalls in Bezug genommenen (vgl. Anlage K 4, Seite 22 Ziff. 5.57) – P-Reports ebenfalls upstream und downstream der beiden Enden des pntAB-Gens DNA-Sequenzen nachgewiesen, die den flankierenden Sequenzen des Plasmids 2 ergeben (vgl. Anlage K 33, Seiten 29 ff.). Neben den flankierenden Enden Upstream- und Downstream-Sequenzen des pntAB-Gens wurden dabei jeweils über 90 Basenpaare des unteren und oberen Endes der pntAB-Gensequenz nachgewiesen. Dem diesbezüglichen Vortrag der Klägerinnen ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

cc)
Soweit die Beklagte die durchgeführten Experimente für nicht ausreichend erachtet und einen weitergehenden Nachweis für erforderlich hält, dass das in der Lysin-Proben nachgewiesene plasmidische E.coli pntAB-Gen vollständig und funktionsfähig war und auch tatsächlich exprimiert wurde, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte zeigt keinen Grund für die Verwendung eines Plasmids mit einem nicht-funktionsfähigen pntAB-Gen auf. Da die Verwendung eines derartigen Plasmids die Lysin-Produktion in E.coli nicht verbessern würde und auch sonst kein Grund für die Verwendung eines solchen Plasmids dargetan oder ersichtlich ist, muss davon ausgegangen werden, dass ein voll funktionsfähiges pntAB-Gen auf dem benutzten Plasmid vorhanden ist. Die Klägerinnen haben überdies bereits in erster Instanz dargelegt, dass die sequenzierte DNA-Sequenz den natürlichen Promotor und die Initiationssequenz des E.coli-pntAB-Gens aufweist (Schriftsatz v. 23.06.2009, Seiten 20 bis 21 [Bl. 91 – 92 GA]). Dem ist die Beklagte weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug entgegengetreten. Der Promoter eines Gens veranlasst die Expression des von dem Gen kodierten Enzyms (hier: Transhydrogenase). Weshalb das auf dem Plasmid befindliche pntAB-Gen gleichwohl nicht funktionsfähig sein sollte, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.

dd)
Ohne Erfolg wendet die Beklagte ferner ein, die Klägerinnen hätten weder dargelegt, dass der Mikroorganismus eine erhöhte Fähigkeit zur Herstellung von NADHP besitze, noch dass diese Fähigkeit durch Erhöhung der Enzymaktivität von Transhydrogenase in einer Zelle erhöht worden sei, noch dass ein Zusammenhag zwischen der Erhöhung der Enzymaktivität und der Erhöhung der exprimierten Menge eines für Transhydrogenase kodierenden Gens und eine dadurch erhöhte Produktivität des Mikroorganismus für NADPH.

Nach der Lehre des Klagepatents soll der Mikroorganismus so modifiziert werden, dass seine Fähigkeit, NADPH aus NADH herzustellen, erhöht ist. Unteranspruch 5 – auf den der hier in Kombination mit Patentanspruch 1 geltend gemachte Unteranspruch 6 rückbezogen ist – schlägt hierzu zunächst vor, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, NADPH aus NADH herzustellen, durch Erhöhen der Enzymaktivität von Transhydrogenase erhöht wird. Wenn Unteranspruch 6 sodann lehrt, die Fähigkeit des Mikroorganismus zur Herstellung von NADPH aus NADH durch Erhöhen der exprimierten Menge eines für Transhydrogenase kodierenden Gens zu erhöhen, geht das Klagepatent davon aus, dass die Erhöhung der exprimierten Menge eines Transhydrogenasegens zwangsläufig zu einer erhöhten Enzymaktivität führt. Eine Erhöhung der Enzymaktivität wird mit anderen Worten aus Sicht des Klagepatents zwangsläufig durch eine Erhöhung der exprimierten Menge eines für Transhydrogenase kodierenden Gens erreicht. Als eine Möglichkeit einer Modifikation des Mikroorganismus, bei welcher die Expressionsmenge eines Gens, das für die Transhydrogenase kodiert, erhöht wird, schlägt das Klagepatent in Unteranspruch 7 ausdrücklich die Erhöhung der Anzahl der Kopien des für die Transhydrogenase kodierenden Gens in der Zelle des Mikroorganismus vor. Das Klagepatent geht folglich davon aus, dass durch diese Maßnahme eine Erhöhung der Expressionsmenge eines für Transhydrogenase kodierenden Gens erreicht wird, dies eine erhöhte Enzymaktivität von Transhydrogenase zur Folge hat und dies in der Folge zu einer erhöhten Fähigkeit des Mikroorganismus zur Herstellung von NADPH aus NADH führt. Die Erhöhung der Anzahl der Kopien des für die Transhydrogenase kodierenden Gens in der Zelle des Mikroorganismus hat damit nach der Lehre des Klagepatents zwangsläufig eine Erhöhung der Expression von Transhydrogenase zur Folge. Dies ist – wie es das Gericht ´s Gravenhage in dem niederländischen Verfahren ausgedrückt hat (Anlage K 4, Seite 22 Ziff. 5.57) – eine „logische Folge“ dieser Maßnahme. Die erhöhte Menge exprimierter Transhydrogenase führt zu einer erhöhten Enzymaktivität, was in der Folge zu einer erhöhten Fähigkeit, NADPH aus NADH herzustellen, führt.

Im Ansatz zutreffend ist zwar, dass für die Feststellung einer erhöhten NADPH-Produktion des Mikroorganismus grundsätzlich der Mikroorganismus untersucht werden müsste. Eine solche Untersuchung ist jedoch zur schlüssigen Darlegung einer Verletzung des Klagepatents nicht erforderlich. Denn das Klagepatent geht nicht nur davon aus, dass die vorgeschlagene Erhöhung der Anzahl der Kopien des für die Transhydrogenase kodierenden Gens in der Zelle des Mikroorganismus zu einer erhöhten Fähigkeit des Mikroorganismus zur Herstellung von NADPH aus NADH führt, sondern es geht auch davon aus, dass durch diese Maßnahme die Produktivität des Mikroorganismus für NADPH erhöht ist, weil die Transhydrogenase NADH in NDPH katalysiert und so eine größere Menge an NADPH bereitgestellt wird, ohne dass dafür Glukose verbraucht wird. Das dem so ist ergibt sich auch aus der Klagepatentbeschreibung, in der es auf Seite 12, zweiter bis vierter Absatz, heißt (Unterstreichungen hinzugefügt):

„Als Mittel zur Erhöhung der Produktivität eines Mikroorganismus kann ein Mittel zum Erhöhen der Enzymaktivität von Transhydrogenase in einem Mikroorganismus beispielhaft genannt werden.

Als Mittel zum Erhöhen der Enzymaktivität von Transhydrogenase kann ein Mittel zum Erhöhen der Expressionsmenge eines Transhydrogenasegens in einem Mikroorganismus beispielhaft genannt werden. …

Als Mittel zum Erhöhen der exprimierten Menge eines Transhydrogenasegens in einem Mikroorganismus kann ein Mittel zum Erhöhen der Kopienzahl eines Transhydrogenasegens in einem Mikroorganismus beispielhaft genannt werden.“

Vorliegend ist – wie ausgeführt – aufgrund des von den Klägerinnen vorgelegten
ten TNO-Analyseberichts aus dem Jahr 2008 davon auszugehen, dass der E.coli-Produktionsstamm, mit dem das untersuchte Lysin hergestellt wurde, (mindestens) eine zusätzliche Kopie des pntAB-Gens aufweist, nämlich die des Plasmids. Das bedeutet, dass der zur Herstellung von Lysin verwendete E.coli-Stamm über zusätzliche DNA verfügt, die ebenfalls für das Enzym Transhydrogenase kodiert. Bei einer größeren Anzahl dieser Gene wird eine größere Menge an Transhydrogenase kodiert und eine größere Menge dieses Enzyms führt zu einer verstärkten Umwandlung von NADH in NADPH, wodurch – nach der Logik des Klagepatents – die Produktivität gesteigert wird.

Zwar kann das Enzym grundsätzlich auch die umgekehrte Reaktion (NDPH zu NADH) katalysieren kann. Hierfür liegen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte vor. Es geht um die industrielle Produktion von Lysin. Diese erfolgt selbstverständlich unter Bedingungen, in denen ausreichend Ausgangsmaterialien, Vorprodukte sowie Energie für die Lysin-Biosynthese zur Verfügung stehen. Unter diesen Bedingungen katalysiert die Tanshydrogenase die Umwandlung von NADH in NADPH. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Herstellung des angegriffenen Lysins das Enzym unter Produktionsbedingungen zur Reaktion in die umgekehrte Richtung führt, sind weder dargetan noch ersichtlich.

ee)
Soweit die Beklagte auf die EuGH-Entscheidung „Monsanto/Cefetra“ (GRUR 2010, 989, 990 = GRUR Int. 2010, 841), der dort ausgesprochen hat, DNA-Sequenzen ohne eine funktionale Angabe seien dem Patentschutz nicht zugänglich, verweist und meint, dementsprechend müsse auch das von den Klägerinnen getestete Lysin selbst die Funktion erfüllen, für die die DNA-Sequenz, die das Lysin enthalte, Patentschutz genieße, was auf das Lysin der Klägerin jedoch nicht zutreffe, weil es keine DNA-Sequenzen enthalte, die über eine Funktionsangabe verfügten, verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg. Das genannte Urteil des EuGH befasst sich mit der Reichweite des Stoffschutzes auf Gensequenzen gerichteter Patentansprüche. Es ging um Patentschutz für eine Gensequenz, deren Einschleusung in die DNA Soja-Pflanzen resistent gegen das Herbizid Glyphosat machte, während die im dortigen Patent enthaltenen relevanten Verfahrensansprüche auf die Herstellung Glyphosat-resistenter Pflanzen gerichtet waren und das aus den Bohnen entsprechend veränderter Sojapflanzen hergestellte Sojamehl kein Verfahrensprodukt im Sinne des § 9 Nr. 3 PatG war. Hier geht es jedoch nicht um Stoffschutz für eine Gensequenz, sondern um ein Verfahrensprodukt, das unter Benutzung des klagepatentgeschützten Verfahrens hergestellt worden ist. Im Streitfall dienen die im untersuchten Lysin aufgefundenen DNA-Spuren des Herstellungsorganismus nur als Nachweis, dass der zur Herstellung verwendete E.coli-Stamm anspruchsgemäß modifiziert wurde, sie bilden aber nicht den Grund der Patentverletzung.

4.
Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Verfassung ist das angegriffene Lysin als unmittelbar nach den in den geltend gemachten Ansprüchen des Klagepatentes beschriebenen Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis nach § 9 Nr. 3 PatG vom Schutz des Klagepatents erfasst. Vergeblich wendet die Beklagte in diesem Zusammenhang ein, das angegriffene Lysin unterscheide sich in seinen stofflichen Eigenschaften nicht von außerhalb des patentgeschützten Verfahrens hergestellten Lysin. Der Schutz des § 9 Nr. 3 PatG erfordert lediglich, dass das patentgeschützte Verfahren einen Gegenstand hervorgebracht hat, der vorher noch nicht vorhanden war und in diesem Sinne neu sein muss, sich aber in seinen Eigenschaften nicht von auf anderem Wege hergestellten gleichartigen Gegenständen zu unterscheiden braucht (vgl. RGSt 46, 262, 263; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 9, Rdnr. 100; Benkard/Scharen, PatG GebrMG, 10. Aufl., § 9, Rdnr. 53). Dass das als unmittelbares Verfahrenserzeugnis geschützte Produkt keine von gleichartigen Gegenständen abweichende Eigenschaften aufzuweisen braucht, ergibt sich nicht zuletzt aus § 139 Abs. 3 PatG, der für Erzeugnisse mit neuen Eigenschaften eine Beweiserleichterung vorsieht, indem bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche von einem anderen hergestellte Erzeugnis als nach dem patentierten Verfahren hergestellt gilt. Diese Regelung hätte nicht auf neuartige Erzeugnisse beschränkt zu werden brauchen, wenn ohnehin keine anderen Erzeugnisse vom Schutz des § 9 Nr. 3 PatG erfasst wäre.

Dass im Streitfall das angegriffene Lysin durch das zu seiner Herstellung angewandte Verfahren körperlich erst hervorgebracht wird, kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen und wird ersichtlich auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es auch ohne Bedeutung, dass der eigentliche Fermentationsprozess, aus dem das Lysin hervorgeht, durch die in der geltend gemachten Patentanspruchskombination gelehrten Maßnahmen nicht berührt wird. Auch mikrobiologische Verfahren sind Herstellungsverfahren, die unmittelbare Verfahrenserzeugnisse hervorbringen können (Benkard/Scharen, a.a.O., Rdnr. 53, letzter Abs., Busse/Keukenschrijver, a.a.O., Rdnrn. 102 – 104; Schulte/Kühnen, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 82). Dieses Verfahren muss lediglich die Schutzvoraussetzungen erfüllen, ohne dass es darauf ankommt, an welcher Stelle des Verfahrens seine unter Schutz gestellte Besonderheit liegt. § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG schafft einen bedingten Erzeugnisschutz und erfasst jedes Erzeugnis, das durch das geschützte Verfahren unmittelbar hergestellt wird, so, als seien sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt (Benkard/Scharen a.a.O., Rdn. 53, Abs. 1 a.E. m.w.N.). Hierbei kommt es nicht nur auf die einzelnen Verfahrensschritte an, die zur Herstellung des unmittelbaren Erzeugnisses ausgeführt werden müssen, sondern die Besonderheit kann auch darin bestehen, dass andere Randbedingungen des Verfahrens verändert werden und der Erfolg dieser Veränderung darin besteht, dass die ansonsten gleich gebliebenen Verfahrensschritte zu einer höheren Erzeugnisausbeute führen oder den Herstellungsvorgang beschleunigen. Zur erstgenannten Kategorie gehört auch das im Klagepatent unter Schutz gestellte Verfahren, bei dem der Mikroorganismus, aus dem Lysin hergestellt wird, durch Erhöhung der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Transhydrogenase kodiert, so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, NADPH aus NADH herzustellen, erhöht worden ist; hierdurch ist die Produktivität des Mikroorganismus für NADPH erhöht worden, was zu einer Erhöhung der Lysinausbeute führt. Auch diese Beeinflussung der Erzeugnisausbeute kann Teil eines unter Schutz gestellten Verfahrens sein.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem auch nicht entgegen, dass sich der Schutz des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG auf unmittelbar durch das geschützte Verfahren hergestellte Erzeugnisse beschränkt. Auch diese Eigenschaft weist das angegriffene wie das nach dem schutzbeanspruchten Verfahren hergestellte Lysin auf. Unmittelbar durch das geschützte Verfahren hervorgebracht worden ist jedes Erzeugnis, für dessen Entstehung das unter Schutz gestellte Verfahren einen wesentlichen Ursachenbeitrag geleistet hat und das keinen weiteren Bearbeitungs- oder Behandlungsschritten unterzogen worden ist, die seine Selbständigkeit und nach der Verkehrsauffassung prägenden Eigenschaften nicht verändert oder beseitigt haben (OLG Karlsruhe, InstGE 11, 15 – SMD-Widerstand, RGZ 152, 113; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2005 – U(Kart) 44/01; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4.Aufl., Rdnrn. 118 – 120; Schulte/Kühnen, a.a.O., Rdnr. 84). Unter welchen Voraussetzungen anschließende Bearbeitungs- oder Weiterbearbeitungsmaßnahmen den nach dem geschützten Verfahren hergestellten Erzeugnis die Selbständigkeit oder seine prägenden Eigenschaften nehmen oder in relevanter Weise beeinträchtigen, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, denn ein Endprodukt, das aus einem geschützten Verfahren hervorgeht, wie es auf das hier angegriffene Lysin und das unter Schutz gestellte Verfahren zutrifft, ist in jedem Fall ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 (Schulte/Kühnen, a.a.O., Rdnr. 84 a.E. Abs. 4).

5.
Dass die Beklagte, nachdem sie entgegen § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG ein Erzeugnis in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und in den Verkehr gebracht hat, das als unmittelbares Produkt des im Klagepatent beschriebenen Verfahrens vom Klagepatent mit unter Schutz gestellt ist, der Klägerin in zuerkanntem Umfang zur Unterlassung, zum Schadenersatz, zur Rechnungslegung, zur Auskunft und zur Vernichtung der im Eigentum oder im Besitz der Beklagten stehenden und in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Erzeugnisse verpflichtet sind, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt (Abschnitt III.1. – 4. der Entscheidungsgründe; S. 23 – 28 des Urteilsumdruckes); auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Allerdings war der zu Ziffer I. 4. des Urteilsausspruches zuerkannte Rückrufanspruch auf Erzeugnisse zu begrenzen, die nach dem 30. April 2006 in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden. Mit der entsprechenden Beschränkung ihres diesbezüglichen Klageantrags haben die Klägerinnen dem Umstand Rechnung getragen, dass der durch die Richtlinie 2004/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29. April 2004 in das Patentgesetz eingefügte Rückrufanspruch nach § 140a Abs. 3 nur Verletzungshandlungen erfasst, die von dem Tag an begangen worden sind, an dem die Durchsetzungsrichtlinie spätestens in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen. Dies ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 823, 1004 BGB. Für vor dem 30. April 2006 liegende Zeiträume kommt mangels besonderer Überleitungsbestimmungen und mit Blick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot die Anwendung der genannten Bestimmungen nicht in Betracht (vgl. BGH, GRUR 2009, 515 – Motorradreiniger). Im Hinblick auf die in zweiter Instanz ferner erfolgte teilweise Beschränkung des auf Belegvorlage gerichteten Klageantrages hat der Senat auch den diesbezüglichen Ausspruch zu I. 2. im landgerichtlichen Urteil dahin geändert, dass nur Rechnungen vorzulegen sind.

6.
Zutreffend hat das Landgericht beide Klägerinnen als zur Geltendmachung der von ihm zuerkannten Ansprüche aktivlegitimiert angesehen. Insoweit wird zunächst ebenfalls auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Urteil (Abschnitt III. 1. und 2., Umdruck S. 23 – 26) Bezug genommen, denen der Senat in vollem Umfang beitritt.

a)
Hinsichtlich der Klägerin zu 1. ergibt sich ihre Aktivlegitimation bereits aus ihrer Stellung als eingetragene Inhaberin des Klagepatentes. Auch für die Klägerin zu 2. gilt nichts anderes. Wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, kann auch sie als ausschließliche Lizenznehmerin eigenständig Ansprüche aus dem Klagepatent geltend machen; daneben bleibt auch die Klägerin zu 1. hierzu befugt, und zwar schon deshalb, weil sie nicht sämtliche Rechte aus dem Klagepatent aus der Hand gegeben, sondern sich vorbehalten hat, selbst Lysin in das Vertragsgebiet zu liefern, falls die Klägerin zu 2. die Nachfrage nicht decken kann. Ausschließliche Lizenznehmerin ist die Klägerin zu 2. jedenfalls mit Wirkung vom 5. Dezember 2006, denn mit Wirkung von diesem Tag ist das Klagepatent durch das Memorandum vom 20. Januar 2008 (Anlage BB 4) ausdrücklich in den Kreis der Lizenzschutzrechte einbezogen worden.

b)
Die Frage, welcher Sinngehalt den Regelungen des Lizenzvertrages und des Memorandums nach dem ursprünglich gewählten französischen Recht zukommt, bedarf keiner Entscheidung mehr, nachdem die Parteien des Lizenzvertrages durch den Ergänzungsvertrag vom 25. August 2010 (Anlage BB 1; deutsche Übersetzung Anlage BB 1a) das Vertragswerk in Bezug auf den deutschen Anteil des Klagepatents bzw. auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dem deutschen Recht unterstellt haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht ersichtlich, in welchen Punkten diese Abreden unklar sein sollen. Die nachträgliche Änderung der Rechtswahl ist auch zulässig. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I.) unterliegt ein Vertrag mit europäischem Auslandsbezug dem von den Parteien gewählten Recht, wobei den Vertragsparteien die Möglichkeit offen steht, die Rechtswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben zu treffen und diese Rechtswahl auch nachträglich ganz oder teilweise zu verändern. Dies entsprach auch schon vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 17. Juni 2008 der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, NJW 1991, 1293; NJW-RR 2000, 1002, 1004; s. ferner Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., Rom I 3 (IPR) Rdnr. 11 m.w.N.). Gründe, weshalb die Vertragsparteien im Streitfall ausnahmsweise an die ursprünglich getroffene Wahl des französischen Rechts gebunden sein sollten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c)
Da der Ergänzungsvertrag erst nach Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens abgeschlossen wurde und der Vertragsschluss mit dem dokumentierten Inhalt von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, ist er in zweiter Instanz zu berücksichtigen; das diesbezügliche Vorbringen der Klägerinnen ist nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil der Vertrag während des landgerichtlichen Verfahrens noch nicht vorgelegt werden konnte. Für den Unterlassungsanspruch genügt es, dass die Klägerin zu 2. jedenfalls bei Schluss der mündlichen Verhandlung ausschließliche Lizenznehmerin an dem Klageschutzrecht ist. Dass dem hier so ist, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.

d)
In Bezug auf den geltend gemachten Schadenersatzanspruch beschränkt sich die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. als ausschließlicher Lizenznehmerin allerdings auf den vom Landgericht zuerkannten Zeitraum ab dem 5. Dezember 2006. Das Landgericht ist bei der Anerkennung der Aktivlegitimation für die Klägerin zu 2. von einer Konstellation ausgegangen, bei der der Lizenznehmer bei dem von ihm eingeräumten Erlaubnis auch Gebrauch macht, so dass der unberechtigte Vertrieb schutzrechtsverletzender Erzeugnisse durch einen Dritten die Stellung des ausschließlichen Lizenznehmers in gleicher Weise beeinträchtigt wie diejenige eines Schutzrechtsinhabers, der die in Vorbehaltungen Ausschließlichkeitsrechte selbst ausübt. Die dortigen Ausführungen (Urteilsumdruck S. 25 f.) dienen zwar in erster Linie dazu, die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1. als Inhaberin des Schutzrechtes für den Schadenersatzanspruch zu begründen, die gegeben ist, wenn der Schutzrechtsinhaber an der Ausübung der Lizenz wirtschaftlich partizipiert und die Beeinträchtigung der Marktaussichten des Lizenznehmers durch Verletzungshandlungen auch das Lizenzgebührenaufkommen des Schutzrechtsinhabers in Mitleidenschaft ziehen. Das setzt zwingend voraus, dass das Landgericht auch angenommen hat, dass die Klägerin jedenfalls in dem zuerkannten Zeitraum die ihr überlassene Erlaubnis benutzt hat. Insoweit hat die Beklagte auch keine konkreten Berufungsangriffe erhoben. Sie hat zwar beanstandet, dass das Landgericht beide Klägerinnen nebeneinander für aktivlegitimiert hält (S. 8 ff. ihrer Berufungsbegründung vom 22. März 2010, [Bl. 202 ff. GA]), sie leitet ihre Bedenken insoweit aber ausschließlich aus den Abreden im Lizenzvertrag ab, denen sie entnimmt, dass nur eine der beiden Klägerinnen die gemeinsamen Ansprüche geltend machen kann.

7.
Für den mit der Anschlussberufung geltend gemachten Zeitraum vom 12. Januar 2002 bis zum 4. Dezember 2006 ist die Klägerin zu 2. zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung des Klagepatents nicht aktivlegitimiert.

a)
Aus Art. 1 (B) des ursprünglichen Lizenzvertrages vom 14. September 1994 kann die Klägerin zu 2. insoweit nichts für sich herleiten. Der ursprüngliche Lizenzvertrag ist nach § 125 BGB in Verbindung mit § 34 GWB in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung unwirksam. Nach dieser Bestimmung bedurften Lizenzverträge, die Beschränkungen im Sinne der §§ 18, 20 und 21 GWB a.F. enthielten, der Schriftform, wobei der Formzwang bereits durch die vertragliche Pflicht zur Zahlung von Lizenzgebühren ausgelöst wurde (BGH, GRUR 2003, 896 f. – chirurgische Instrumente; 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung; Schulte/Kühnen, a.a.O., § 15 Rdnr. 32; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., Rdnr. 149). Dass die Vertragsparteien seinerzeit die Geltung des französischen Rechts vereinbart hatten (vgl. Art. 18) und diese Rechtswahl damals noch nicht aufgehoben war, steht der Anwendung des § 34 GWB a.F. nicht entgegen, denn die Bestimmungen des deutschen Kartellrechts gelten im öffentlichen Interesse an einer Verhinderung unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen und sind deshalb für alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Lizenzverträge zwingend und unabdingbar. Ist ein Vertrag formunwirksam, hat die Aufhebung des § 34 GWB a.F. diesen Formmangel nicht geheilt (BGH, GRUR 1999, 796; Coverdisk; 1999, 602 – Markant; 2002, 647 – Sabet/Massa; 2003, 896 – chirurgische Instrumente; Schulte/Kühnen, a.a.O. Rdnr. 16; Kühnen/Geschke a.a.O, Rdnr. 544). Eine Bestätigung im Sinne des § 141 BGB kann in der faktischen Ausübung der Lizenz nach dem Außerkrafttreten des Formzwanges nur dann gesehen werden, wenn die Parteien bei der Ausübung der Lizenz die Formnichtigkeit des Vertrages zumindest für möglich gehalten haben. Letzteres scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil die Parteien diese Frage bisher nicht diskutiert haben und erst der Senat sie in der mündlichen Berufungsverhandlung auf diese Vorschrift hingewiesen hat. Der in dem Abschluss des Memorandums liegende Neuabschluss hat die Lizenzvertragsbeziehungen zwischen den Parteien zwar hergestellt, entfaltet aber mangels entsprechender ausdrücklicher Vereinbarungen in die Zeit vor dem 5. Dezember 2006 keine Wirkungen.

Verträge, die der Schriftform bedurften, mussten mit ihrem gesamten Inhalt einschließlich aller Nebenabreden schriftlich abgefasst sein, weil nur dies den Kartellbehörden und Gerichten die vollständige Erfassung des Ausmaßes, der Tragweite und der Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkungen gestattete. Es genügte nicht, dass sich der Gegenstand des Lizenzvertrages nur aus einer Anlage zum Vertrag ergab, die nicht als Anlage zu einem bestimmten Vertrag bezeichnet und mit ihm weder fest verbunden noch sonst als dessen Bestandteil kenntlich war; Busse/Keukenschrijver, a.a.O. § 15 Rdnr. 149 m.w.N.). Für die Anwendung der Grundsätze der unschädlichen Falschbezeichnung war kein Raum (BGH, NJW-RR 1986, 724 – Rosengarten; GRUR 1997, 781 – sprengwirkungshemmende Bauteile). Für die grundsätzlich zulässige Auslegung konnte im Revisionsverfahren ausschließlich auf den schriftlichen Vertragstext zurückgegriffen werden (BGH, WM 1992, 1437 – Windsurfausstattungen).

Diesen Anforderungen genügt der hier in Rede stehende ursprüngliche Lizenzvertrag nicht. Wenn das Klagepatent bzw. die von ihm unter Schutz gestellte technische Lehre schon damals vom Lizenzgegenstand hätte umfasst sein sollen, hätte dies so in den Lizenzvertrag aufgenommen werden müssen, dass dies eindeutig erkennbar ist. Dazu hätte die technische Lehre so genau bezeichnet werden müssen, dass eine Verwechslung mit verwandten mit lizenzierten Schutzrechten ausgeschlossen war. Dem genügt die Formulierung in dem von der Klägerin zu 2. herangezogenen Artikel 1.B des Lizenzvertrages in keiner Weise, denn dort findet sich nur die unbestimmte Definition, dass zu dem Begriff „Patente“ u.a. diejenigen Patente und Patentanmeldungen gehören, die in der Anlage 3 des Lizenzvertrages aufgeführt sind oder auf Verlangen der Klägerin zu 2. aufgeführt werden können und alle Patente, die der Klägerin zu 1. auf solche Patentanmeldungen hin erteilt werden. Die im Klagepatent unter Schutz gestellte Lehre kann anhand dieser Definition nicht identifiziert werden. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im September 1994 die erst am 26. Oktober 1994 eingereichte Anmeldung des Klagepatents noch nicht existierte. Zwar existierte die japanische Anmeldung, deren Priorität das Klagepatent in Anspruch nimmt, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits. Dass auch diese Erfindung lizenziert werden sollte, ist dem Lizenzvertrag vom 14. September 1994 jedoch nicht zu entnehmen.

b)
Auch die Klarstellung in Ziffer 2. des Lizenzvertrages vom 25. August 2010, dass die am Klagepatent bestehende ausschließliche Lizenz rückwirkend ab dem Datum der Patenterteilung gültig sein soll, verleiht der Klägerin zu 2. für den mit der Anschlussberufung geltend gemachten Zeitraum keine Aktivlegitimation. Eine rückwirkende Erteilung einer Lizenz ist zwar unbedenklich, wenn der Lizenznehmer sie in dem erfassten Zeitraum faktisch ohnehin im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber ausgeübt und von der unter Schutz gestellten technischen Lehre Gebrauch gemacht hat. Eine nachträgliche Lizenz für diesen Zeitraum sanktioniert bei dieser Sachlage nur die faktisch ohnehin bestehende Sachlage. Die nachträgliche Lizenzierung entspricht dann einer nachträglichen Genehmigung der bis dahin geübten Praxis, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Lizenznehmer faktisch ohnehin schon dieselbe Stellung hatte, wie später unter der Geltung des ausschließlichen Lizenzvertrages. Diese Ausschließlichkeitsstellung rechtfertigt es, ihn auch als zur Geltendmachung in diesem Zeitraum fallender Schadensersatzansprüche legitimiert anzusehen.

Lässt sich dagegen nicht feststellen, dass der Lizenznehmer in dem von der Rückwirkung erfassten Zeitraum die später lizensierte technische Lehre bereits im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber genutzt hat, fehlt es an einer mit der Position eines Schutzrechtsinhabers vergleichbaren Ausschließlichkeitsstellung des späteren Lizenznehmers, die es rechtfertigt, ihn im Patentverletzungsprozess einem Schutzrechtsinhaber gleichzustellen. Die im abgelaufenen Zeitraum unterbliebene Benutzung im Einverständnis mit dem Schutzrechtsinhaber kann bedingt durch den Zeitablauf auch später nicht mehr nachgeholt werden. Infolgedessen können dem späteren Lizenznehmer mangels Ausschließlichkeitsstellung auch keine Schadenersatzansprüche entstanden sein, die eine solche Ausschließlichkeitsstellung voraussetzen. Es genügt nicht, dass die Klägerin zu 2. die von der Klägerin zu 1. überlassene Technologie mit deren Erlaubnis nutzte, denn daraus ergibt sich noch nicht, welche einzelnen Schutzrechte diese Technologie umfasste; die Ausschließlichkeitsstellung, die zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Klagepatent berechtigt, muss sich auch und gerade auf dieses Schutzrecht beziehen; auch dass sie für andere Patente gegeben war, genügt nicht, um sie nachträglich auch auf das damals nicht umfasste Klagepatent zu erstrecken.

Die vorstehend dargelegte Problematik einer nachträglichen Aktivlegitimierung durch rückwirkende Erteilung der ausschließlichen Lizenz ist mit den Parteien in der mündlichen Berufungsverhandlung erörtert worden. Die Klägerin zu 2. hat auf den entsprechenden Hinweis des Senats erklärt, sie könne sich nicht konkret dazu äußern, ob sie dem hier fraglichen Zeitraum, beginnend mit dem 12. Januar 2002 im Rahmen der bereits für andere Schutzrechte bestehenden ausschließlichen Lizenz auch die im Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre mit Erlaubnis der Klägerin zu 1. und Inhaberin des Schutzrechts benutzt hat. Eine Schriftsatzfrist, die ihr auf entsprechende Bitte hin hätte gewährt werden müssen und auch gewährt worden wäre, um sich zu erstmals durch den Hinweis des Senats erörterten Problematik abschließend zu äußern, hat die Klägerin zu 2. nicht erbeten, so dass nur ihr mündliches Vorbringen in der Berufungsverhandlung zugrunde gelegt werden konnte.

III.
Eine Aussetzung der Verhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des den deutschen Teil des Klagepatents betreffenden Nichtigkeitsverfahrens (§ 148 ZPO) kommt nicht in Betracht.

Nach ständiger, vom Bundesgerichtshof (vgl. GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligter Rechtsprechung des Senats ist bei der Aussetzung eines Patentverletzungsrechtsstreits wegen eines gegen das Klagepatent ergriffenen Rechtsbehelfs Zurückhaltung geboten. Eine zu großzügige Aussetzung hätte zur Folge, dass das ohnehin zeitlich begrenzte Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers praktisch suspendiert und Rechtsbehelfe gegen erteilte Patente geradezu herausgefordert würden. Sie stünde überdies im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Rechtsbehelfen gegen Patente kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt. Deshalb sieht sich der Senat im Allgemeinen in derartigen Fällen nur dann zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO veranlasst, wenn die Vernichtung bzw. der Widerruf des Klagepatents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist, zum Beispiel, weil das Klagepatent im Stand der Technik entweder neuheitsschädlich vorweggenommen oder die Erfindungshöhe so fragwürdig geworden ist, dass sich für ihr Zuerkennung kein vernünftiges Argument finden lässt. An diesen Grundsätzen hat sich auch durch die Entscheidung „Steinknacker“ des Senats (Mitt. 1997, 257 – 261) im Kern nichts geändert. Nach dieser Entscheidung ist die Frage der Aussetzung des Patentverletzungsstreites in zweiter Instanz lediglich unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten zu beurteilen, wenn – wie hier – bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. So kann in einer solchen Situation der Umstand, dass ein gegen ein erteiltes Patent ergriffener Rechtsbehelf sich nur auf bereits gewürdigten Stand der Technik stützt, nicht von vornherein eine Zurückweisung des Aussetzungsbegehrens rechtfertigen. Aber auch nach dieser Entscheidung ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist (vgl. z. B. Senat, InstGE 7, 139 = GRUR-RR 2007, 259, 263 – Thermocycler; Mitt. 2009, 400, 401 f. – Rechnungslegungsanspruch).

Hier lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Berufung der A und der B gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts wahrscheinlich zu einer Vernichtung der im vorliegenden Rechtsstreit in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1 und 6 des Klagepatents führen wird, sondern im Gegenteil spricht der Umstand, dass das fachkundige Bundespatentgericht unter Berücksichtigung der Entgegenhaltungen der Nichtigkeitsklägerinnen das Klagepatent mit diesen Ansprüchen aufrecht erhalten hat, dafür, dass die Nichtigkeitsberufung keinen weitergehenden Erfolg haben wird. Das gilt umso mehr, als auch die holländischen Gerichte den niederländischen Teil des Klagepatents für rechtsbeständig erachtet haben. Wie die Klägerinnen im Verhandlungstermin unwidersprochen vorgetragen haben, hat zwischenzeitlich auch das Berufungsgericht in den Niederlanden in dem Berufungsverfahren gegen das Urteil des Gericht ´s Gravenhage vom 22. August 2007 (Anlage K 4) den niederländischen Teil des Klagepatents als rechtsbeständig angesehen.

Dass die Beurteilung des Bundespatentgerichts unter Berücksichtigung der von den Nichtigkeitsklägerinnen im Nichtigkeitsberufungsverfahren vorgelegten Privatgutachten von Prof. Q (Anlage NK 12 zur Anlage BK 2) und Prof. R (Anlage NK 13 zur Anlage BK 2) offensichtlich unrichtig ist und die Nichtigkeitsberufung zu einer Vernichtung des Klagepatents in dem hier geltend gemachten Umfang führen wird, vermag der Senat ohne sachverständige Beratung nicht festzustellen. Der Bundesgerichtshof holt im Nichtigkeitsberufungsverfahren ein Sachverständigengutachten ein; unstreitig ist dort zwischenzeitlich ein Sachverständiger bestellt worden. Im vorliegenden Verfahren kommt eine Beweisaufnahme (Einholung eines Sachverständigengutachtens) zur weiteren Klärung des voraussichtlichen Erfolgs der Nichtigkeitsberufung als Grundlage für die Aussetzungsentscheidung nach § 148 ZPO nicht in Betracht. Eine solche Beweisaufnahme wäre für das Nichtigkeitsverfahren nicht verbindlich, könnte den Ablauf jenes Verfahrens empfindlich stören, würde letztlich in die Kompetenz der allein für die Entscheidung über die Einsprüche zuständigen Instanzen eingreifen und den Sinn einer Aussetzung nach § 148 ZPO, nämlich die Verhinderung überflüssiger Mehrarbeit und widersprechender Entscheidungen in parallelen Prozessen, in sein Gegenteil verkehren (vgl. Senat, GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung).

IV.
Entsprechend den Unterliegensanteilen sind die Kosten des Berufungsverfahrens nach den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 auf beide Parteien verteilt worden. Soweit die Klägerinnen den Rückrufanspruch auf die Zeit ab dem 30. April 2006 beschränkt und außerdem den im Rahmen des Auskunftsbegehrens geltend gemachten Belegvorlageanspruch betreffend die vorzulegenden Belege teilweise zurückgenommen haben, war eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO nicht zu treffen, da die zurückgenommene Zuvielforderung geringfügig war und keine besonderen Mehrkosten und auch keinen Kostensprung verursacht hat (§ 92 Abs. 2 ZPO).

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.