Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. März 2011, Az. 2 U 124/07
Vorinstanz: 4b O 27/07
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. November 2007 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass
– nach übereinstimmender Teil-Erledigung der Urteilsausspruch zu I. 1. des landgerichtlichen Urteils gegenstandslos ist,
– im Tenor zu I. 2. und im Tenor zu II. des landgerichtlichen Urteils jeweils die Worte „seit dem 12.08.2004“ durch die Worte „in der Zeit vom 12.08.2004 bis zum 04.10.2010“ ersetzt werden.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 125.000,– Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 375.000,– Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist seit dem 12. August 2004 eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in französischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 0 424 YYY (Klagepatent, Anlage K 1A; deutsche Übersetzung [DE 690 08 XXX T2] Anlage K 1B). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte nach zwischenzeitlichem Erlöschen des Klagepatents infolge Zeitablaufs noch auf Rechnungslegung, Auskunftserteilung sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 5. Oktober 1990 unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 16. Oktober 1989 eingereicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 11. Mai 1994 bekannt gemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 690 08 XXX geführt (vgl. Anlage K 1B). Das Klagepatent ist am 5. Oktober 2010 infolge Zeitablaufs erloschen.
Das Klagepatent betrifft eine Schuhbefestigungsvorrichtung an einem Fahrradpedal oder dergleichen. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:
„Vorrichtung zur Befestigung eines Schuhs am Pedal eines Fahrrades oder eines
analogen Mittels, die einen Pedalkörper (2) aufweist, der drehbar um eine Längsachse (X) angeordnet ist, wobei die Befestigungsvorrichtung umfasst:
– einerseits ein vorderes Anschlagmittel (14) auf dem Pedalkörper (2), das sich vor der Querachse (X) befindet, und ein hinteres Halteorgan (6), das sich hinter der Achse (X) befindet und eine geradlinige Haltevorrichtung (7) umfasst, die im wesentlichen parallel zur Achse (X) verläuft und gegen eine Rückstellkraft im wesentlichen senkrecht zur Achse (X) verschiebbar ist;
– andererseits nach oben gerichtete Haltemittel (14), die auf dem Pedalkörper (2) vor der Achse (X) vorgesehen sind, um mit komplementären Haltemitteln (30) zusammenzuwirken, die unter der Sohle vorgesehen sind;
– andererseits schließlich einen Keil (15), der zur Befestigung unter der Schuhsohle bestimmt ist und der ein nach vorne gerichtetes, vorderes Anschlagmittel (38), das dem des Pedals zugeordnet ist, und ein hinteres Haltemittel (31) umfasst, das mit der hinteren Haltevorrichtung des Pedalkörpers zusammenwirken kann, wobei die Befestigung des Schuhs am Pedal durch einen Druck des Fußes auf das Pedal erfolgen kann,
wobei der Keil (15) in der Draufsicht eine im wesentlichen rechteckige Allgemeinform aufweist und mindestens eine untere Randleiste (31) umfaßt, die nach hinten übersteht und eine Quernut (33) begrenzt,
welche an jedem Ende ausläuft, wobei mindestens ein Ende der hinteren Randleiste durch eine entsprechend einen Winkel (i), bezogen auf die Querrichtung des Keils, geneigte Wand begrenzt ist,
wobei das Aushaken durch das Ausklinken der Randleiste (31) nach oben durch eine Drehung in eine gegebene Richtung mit einer Amplitude gleich dem Winkel (i) erfolgt,
wobei die geneigte Wand der hinteren Randleiste aus einer abgeschrägten Kante (35b) besteht, die mit dem benachbarten Teil der hinteren Randleiste einen Dieder bildet, dessen konvexer Teil nach außen gerichtet ist,
wobei das vordere Anschlagmittel sowie das nach oben gerichtete Haltemittel aus ein- und denselben vorderen Halteorgan (14) bestehen, welches sich vor der Achse (X) befindet, umfassend eine praktisch geradlinige Halte- und Anschlagvorrichtung (16), die parallel zur Achse (X) verläuft,
dadurch gekennzeichnet,
dass die lange Seite (H) des Keils (15) parallel zur Achse (X) des Pedalschaftes ausgerichtet ist;
dass das vordere Halteorgan (14) in Bezug auf das Pedal fixiert ist, wobei der Mittelpunkt der Drehung bei einer Torsion des Fußes von einem Punkt (A, B) gebildet wird, welcher an dem vorderen Halteorgan (14) so liegt, dass der Keil (15) während der Torsion eine große Bahn durchlaufen kann, während er noch immer einer Rückstellkraft unterworfen ist;
und dass der Winkel (i) kleiner ist, als der maximale Drehwinkel, bei dem die Vorrichtung noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil ausübt.“
Die nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen der Klagepatentschrift verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt einen Grundriss eines Fahrradpedals und eines schematisch dargestellten Schuhs, die mit einer erfindungsgemäßen Befestigungsvorrichtung ausgestattet sind, Figur 2 zeigt einen Schnitt entlang der Linie II-II in Figur 1, Figur 3 zeigt eine Teilansicht, ähnlich Figur 1, wobei der Keil nach außen (der Schuhabsatz nach außen) relativ zum Fahrrad gedreht ist.
Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „Egg D“ eine Vorrichtung zur Befestigung eines Schuhs am Pedal eines Fahrrads, von welcher die Klägerin als Anlage K 5 und die Beklagte als Anlage
B 11 jeweils ein Muster überreicht haben. Die konstruktive Ausgestaltung dieser Vorrichtung ergibt sich ferner aus den von der Klägerin als Anlagen K 6 bis K 8 überreichten Abbildungen, der von der Klägerin als Anlage K 9 überreichten französischsprachigen Bedienungsanleitung, der von der Beklagten als Anlage B 4 zur Akte gereichten englischsprachigen Bedienungsanleitung sowie den von der Beklagten als Anlagen B 3, B 4 und B 6 vorgelegten Zeichnungen. Ferner haben die Klägerin (Anlage WKS 2) und die Beklagte (Anlagen B 12, B 14, B 16) in der Berufungsinstanz jeweils Privatgutachten vorgelegt, die ebenfalls Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform enthalten.
Nachfolgend wird zunächst die – von der Klägerin mit Bezugszeichen versehene – Abbildung gemäß Anlage K 6 wiedergegeben, die die Befestigungsvorrichtung ohne den zugehörigen Keil zeigt. Die hiernach ferner eingeblendete Abbildung gemäß Anlage K 8 zeigt den Keil der Vorrichtung der Beklagten.
Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb dieser Befestigungsvorrichtung eine Verletzung des Klagepatents. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch mache.
Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht: Es sei bereits zweifelhaft, ob die angegriffene Ausführungsform über einen „Pedalkörper“ verfüge. In jedem Fall fehle es aber an einem vorderen Anschlagmittel und einem hinteren Halteorgan im Sinne des Klagepatents. Außerdem weise der am Schuh zu befestigende Keil der angegriffenen Ausführungsform keine im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform auf; zumindest sei die lange Seite des Keils nicht parallel zur Achse des Pedalschaftes ausgerichtet. In konstruktiver Hinsicht fehle es überdies an einem Dieder, dessen konvexer Teil nach außen ge-richtet sei. Schließlich stimme auch die Wirkungsweise der angegriffenen Ausführungsform nicht mit den Vorgaben des Klagepatents überein. Das Aushaken des Keils erfolge nicht mit einer Amplitude gleich einem Winkel, der kleiner als der maximale Drehwinkel sei, bei dem immer noch eine Rückstellkraft auf den Keil ausgeübt werde. Ferner liege bei einer Torsion des Fußes der Mittelpunkt der Drehung nicht am vorderen Halteorgan.
Durch Urteil vom 6. November 2007 hat das Landgericht dem Klagebegehren überwiegend entsprochen. Abgewiesen hat es die Klage, soweit die Klägerin mit dieser auch Auskunft, Rechnungslegung und Schadenersatz betreffend in der Zeit vom 25. September 1994 bis 11. August 2004 begangener Benutzungshandlungen, Auskunft über die (eigenen) Herstellungsmengen und –zeiten sowie die Vorlage von Belegen zu sämtlichen im Rahmen der Auskunft und der Rechnungslegung geforderten Einzeldaten begehrt hat. In der Sache hat das Landgericht wie folgt erkannt:
„I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Vorrichtungen zur Befestigung eines Schuhs am Pedal eines Fahrrades, die einen Pedalkörper aufweisen, wobei die Befestigungsvorrichtungen umfassen:
einerseits ein vorderes Anschlagmittel auf dem Pedalkörper, das sich vor der Querachse befindet, und ein hinteres Halteorgan, das sich hinter der Achse befindet und eine geradlinige Haltevorrichtung umfasst, die im wesentlichen parallel zur Achse verläuft und gegen eine Rückstellkraft im Wesentlichen senkrecht zur Achse verschiebbar ist,
andererseits nach oben gerichtete Haltemittel, die auf dem Pedalkörper vor der Achse vorgesehen sind, um mit komplementären Haltemitteln zusammenzuwirken, die unter der Sohle vorgesehen sind,
andererseits schließlich einen Keil, der zur Befestigung unter der Schuhsohle bestimmt ist und der ein nach vorne gerichtetes vorderes Anschlagmittel, das dem Pedal zugeordnet ist, und ein hinteres Haltemittel umfasst, das mit der hinteren Haltevorrichtung des Pedalkörpers zusammenwirken kann, wobei die Befestigung des Schuhs am Pedal durch einen Druck des Fußes auf das Pedal erfolgen kann, wobei der Keil in der Draufsicht eine im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform aufweist und mindestens eine untere Randleiste umfasst, die nach hinten übersteht und eine Quernut begrenzt, welche an jedem Ende ausläuft, wobei mindestens ein Ende der hinteren Randleiste durch eine entsprechend einem Winkel, bezogen auf die Querrichtung des Keil, geneigte Wand begrenzt ist,
wobei das Aushaken durch das Ausklinken der Randleiste nach oben durch eine Drehung in eine gegebene Richtung mit einer Amplitude gleich dem Winkel erfolgt,
wobei die geneigte Wand der hinteren Randleiste aus einer abgeschrägten Kante besteht, die mit dem benachbarten Teil der hinteren Randleiste einen Dieder bildet, dessen konvexer Teil nach außen gerichtet ist,
wobei das vordere Anschlagmittel sowie das nach oben gerichtete Haltemittel aus ein- und demselben vorderen Halteorgan bestehen, welches sich vor der Achse befindet, umfassend eine praktisch geradlinige Halte- und Anschlagvorrichtung, die parallel zur Achse verläuft,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen
die lange Seite des Keils parallel zur Achse des Pedalschaftes ausgerichtet ist,
das vordere Halteorgan in Bezug auf das Pedal fixiert ist, wobei der Mittelpunkt der Drehung bei einer Torsion des Fußes von einem Punkt gebildet wird, welcher an dem vorderen Halteorgan so liegt, dass der Keil während der Torsion eine große Bahn durchlaufen kann, während er noch immer einer Rückstellkraft unterworfen ist,
und bei denen der Winkel kleiner ist als der maximale Drehwinkel, bei dem die Vorrichtung noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil ausübt;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.08.2004 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte zu den Rechnungsangaben gemäß a) und b) die zugehörigen Einkaufs- und Verkaufsbelege in Kopie vorzulegen hat, wobei nicht auskunftspflichtige, aber geheimhaltungsbedürftige Details geschwärzt werden können.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch zu I. 1. bezeichneten, seit dem 12.08.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.“
Zur Begründung hat das Landgericht – soweit für den Berufungsrechtszug von Bedeutung – im Wesentlichen ausgeführt:
Die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch; sie verwirkliche sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1.
Die angegriffene Befestigungsvorrichtung verfüge insbesondere über einen „Pedalkörper“ und umfasse auch ein vorderes Anschlagmittel auf dem Pedalkörper und ein hinteres Halteorgan. Soweit die Beklagte geltend mache, dass beim Einklicken des Keils sowohl der vordere als auch der hintere Bügel verschoben würden, komme es hierauf nicht an, weil Anspruch 1 allein darauf abstelle, dass das vordere Halteorgan in Bezug auf das Pedal fixiert sei, was sich bei der angegriffenen Ausführungsform angesichts der einstückigen Verbindung des vorderen Halteorgans mit dem Pedalkörper nicht bestreiten lasse.
Der Keil der angegriffenen Ausführungsform weise in Draufsicht auch eine „im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform“ dergestalt auf, dass die lange Seite des Keils parallel zur Querachse des Pedalschaftes ausgerichtet sei. Maßgeblich sei insofern, dass die Rechteckform bereits nach der eindeutigen An-spruchsformulierung nicht im strengen geometrischen Sinne vorliegen müsse. Weil es nicht auf die konkreten Umrisse des Keils, sondern auf dessen „Allgemeinform“ ankomme, sei nicht der genaue Verlauf des äußeren Umfangs des Keilstücks entscheidend, sondern der Umstand, ob sich die äußeren Umrisslinien zu einem im Allgemeinen rechteckförmigen Gebilde vervollständigen ließen.
Die angegriffene Ausführungsform verfüge des Weiteren über einen patentgemäßen Dieder. Entsprechend den Vorgaben des Klagepatents liege ferner bei einer Torsion des Fußes der Drehmittelpunkt für den Keil in einem Punkt an dem vorderen Halteorgan. Soweit die Beklagte sich dahin einlasse, dass bei einer Torsion des Fußes der Drehpunkt des Keils etwa in dessen Mittelpunkt liege, sei dieses Vorbringen nicht haltbar. Wortsinngemäß verwirklicht sei auch das Merkmal, welches besage, dass ein Aushaken des Keils aus der Befestigungsvorrichtung bei einem Winkel erfolge, der demjenigen Winkel entspreche, um den die schräg verlaufende Wand der hinteren Randleiste gegenüber der Querrichtung des Keils geneigt sei. Dieser Anforderung trage die angegriffene Ausführungsform Rechnung, weil der „Schrägungswinkel“ der Randleiste 20° betrage und bei diesem Winkel auch der Keil aus der Befestigungsvorrichtung freigegeben werde. Für die Bestimmung des „Schrägungswinkels“ der Randleiste komme es hierbei auf denjenigen Winkel an, der sich ergebe, wenn eine Gerade an den Übergang von der Schräge in die vordere Gerade der Randleiste einerseits und an die benachbarte Ecke des rechteckförmigen Flügels, der die Randleiste trage, angelegt werde. Wortsinngemäß verwirklicht sei schließlich auch das Merkmal, wonach der „Schrägungswinkel“ der geneigten Randleiste kleiner sei als der maximale Drehwinkel, bei dem noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil ausgeübt werde. Die Rückstellkräfte müssten danach bis zu einem Drehwinkel auftreten, der – wenn auch nur geringfügig – über den Auslösewinkel hinausgehe. Dass die angegriffene Ausführungsform auch diesen Vorgaben entspreche, habe die Klägerin überzeugend dargelegt. Hiernach verhalte es sich bei der angegriffenen Befestigungsvorrichtung so, dass Rückstellkräfte bis zu einem Drehwinkel von etwa 45° wirksam seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte macht unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts weise der Keil der angegriffenen Ausführungsform keine im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform auf. Dadurch, dass nach der Lehre des Klagepatents die lange Seite des Keils parallel zur Querachse des Pedalschaftes ausgerichtet sei, und eine rechteckige Allgemeinform (und keine quadratische Form) vorgegeben werde, werde erreicht, dass bei einem Verschwenken des Keils ein großer Maximalwinkel erreicht werden könne. Die Größe des Maximalwinkels richte sich ausschließlich nach dem Bereich des Keils, welcher tatsächlich an den Halterorganen anliege. Dass ein großer Maximalwinkel Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei, ergebe sich aus daraus, dass dieser in Merkmal (12) von einer „großen Bahn“ spreche. Überdies zwinge die im Klagepatent enthaltene Abgrenzung zum Stand der Technik gemäß der EP 372 165 dazu, bei der Ermittlung der langen Seite des Keils ausschließlich diejenigen Abschnitte zu berücksichtigen, welche tatsächlich mit den Halteorganen in Kontakt träten. Bei der angegriffenen Ausführungsform weise der Keil keine lange Seite auf; insbesondere sei diese nicht parallel zur Achse des Pedalschaftes ausgerichtet. Die seitlichen „Flügel“ könnten bei der angegriffenen Ausführungsform nicht in die Betrachtung einbezogen werden, weil nur die an dem jeweiligen Halteorgan anliegenden Wände bei Ermittlung der rechteckigen Allgemeinform und der Ausrichtung der langen Seite berücksichtigt werden könnten.
Zur Verwirklichung des Merkmals von Patentanspruch 1, wonach ein Ende der hinteren Randleiste durch eine Wand begrenzt sei, die entsprechend einem Winkel, bezogen auf die Querrichtung des Keils (15), schräg verlaufe, genüge es nicht, dass sich aus dem Anfangs- und Endpunkt eine gedachte Linie mit dem Winkel ergebe. Wenn nur der Anfangs- und der Endpunkt von Relevanz wären, wäre das betreffende Merkmal insgesamt überflüssig, weil das Ausklinken von dem Anfangs- und Endpunkt bestimmt werde. Wenn für das Ausklinken ein Winkel (i) festgelegt sei, ergebe sich bereits daraus, dass zwischen dem Anfangs- und dem Endpunkt der betreffenden Wand dieser Winkel vorhanden sein müsse. Bei der angegriffenen Ausführungsform laufe die Randleiste zu den Seiten mit einer Wand aus, welche einen Winkel von 35° aufweise, obwohl der Ausklinkwinkel bei 15° bzw. 20° liege. Tatsächlich könne bei der angegriffenen Ausführungsform eine „Wand“ im Sinne des Klagepatents auch gar nicht vorhanden sein.
Ferner befinde sich bei der angegriffenen Ausführungsform der Mittelpunkt der Drehung des Keils bei einer Torsion des Fußes nicht an einem Punkt am vorderen Halteorgan. Der im Patentanspruch angesprochene „Mittelpunkt der Drehung“ werde durch den Punkt beschrieben, um welchen die Drehung des Keils erfolge. Dies bedeute, dass der Mittelpunkt der Drehung des Keils nur dann an dem vorderen Halteorgan liege, wenn der Punkt A fest an einem Punkt verbleibe und sich nicht ändere. Für den Fall, dass der Berührungspunkt zwischen Keil und vorderem Halteorgan während der Drehung an dem Halteorgan entlang gleite, habe dies zur Folge, dass der Mittelpunkt der Drehung entweder im Mittelpunkt des Keils (sofern – wie von ihr hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform vorgetragen – vorderes und hinteres Halteorgan in gleicher Weise bewegt würden) oder in der Nähe des Mittelpunkts des Keils (sofern – wie von der Klägerin behauptet – nur das hintere Halteorgan beweglich sei) zu finden sei. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform sei zwischen den Parteien zumindest unstreitig, dass der Berührungspunkt zwischen dem Keil und der vorderen Haltestange an der vorderen Haltestange entlang gleite. Unter diesen Umständen sei es ausgeschlossen, dass der Mittelpunkt der von dem Keil ausgeführten Drehung sich an einem festen Punkt befinde, welche an der Haltestange liege. Sie habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, das sich der Mittelpunkt der Drehung tatsächlich in der Mitte des Keils befinde und dort unverändert bleibe. Dies beruhe auf der Tatsache, dass bei Torsion des Fußes von dem Keil sowohl das vordere Halteorgan als auch das hintere Halteorgan nach schräg unten gedrückt würden. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei es nach ihren Untersuchungen zwingend so, dass sowohl die vorderen als auch die hinteren Halteorgane sich bei Drehung des Keils auf einer Kreisbahn nach unten bewegten. Hieran ändere auch das Gewicht des Fahrradfahrers nichts.
Nicht verwirklicht sei schließlich auch das Merkmal von Patentanspruch 1, wonach der Winkel (i) kleiner sei als der maximale Drehwinkel, bei dem die Vorrichtung noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil ausübe. Erfindungsgemäß müssten danach die Rückstellkräfte so ausgestaltet sein, dass sie den Keil gegen die Torsionskräfte des Fußes des Fahrradfahrers in die ursprüngliche Position zurückdrückten. Das bedeute, dass auch bei Erreichen des Winkels (i) der Keil in seine ursprüngliche Position zurück gelangen müsse, wenn auf den Keil keine externen Kräfte aufgebracht würden. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien nach Erreichen des Auslösewinkels keine Rückstellkräfte vorhanden, welche den Keil in die ursprüngliche Position zurück bewegen könnten. Die Halteorgane hätten dann keinen Angriffspunkt mehr, welcher eine Rückstellung des Keils bewirken könnte. Die von den Halteorganen ausgehenden Kräfte hätten nur zur Folge, dass der Keil nach oben gedrückt werde. Ab einem Winkel von ungefähr 16° seien bei der angegriffenen Ausführungsform keine Rückstellkräfte mehr vorhanden.
Die Beklagte beantragt,
abändernd die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass sich der Rechnungslegungs- und Schadensersatzfeststellungsantrag auf Verletzungshandlungen in der Zeit vom 12.08.2004 bis 04.10.2010 bezieht.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags als zutreffend und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 12. März 2009 (Bl. 345 – 348R GA) und ergänzendem Beschluss vom 7. Juli 2010 (Bl. 441 GA) die Einholung des schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen und überdies gemäß Beschluss vom 9. Dezember 2010 (Bl. 469 GA) die Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zum Verhandlungstermin angeordnet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd E, unter dem 21. Dezember 2009 erstattete schriftliche Gutachten (Bl. 378 – 399R GA; nachfolgend: Gutachten) und sein unter dem 3. November 2010 erstattetes schriftliches Ergänzungsgutachten (Anlage zu den Gerichtsakten; nachfolgend: Ergänzungsgutachten) sowie auf seine mündlichen Erläuterungen gemäß Sitzungsniederschrift vom 13. Januar 2011 (Bl. 492 – 549 GA) verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die angegriffene Ausführungsform als wortsinngemäße Übereinstimmung mit der in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten technischen Lehre beurteilt.
A.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Befestigung eines Schuhes (insbe-sondere eines Sportschuhes) am Pedal eines Fahrrades.
Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt (Anlage K 1B, Seite 2 Zeilen 3 bis 4), ist eine Befestigungsvorrichtung dieser Art aus der deutschen Gebrauchsmusterschrift 86 20 037 (Anlage K 2A) bekannt. Bei der bekannten Vorrichtung wird der Schuh mit dem Pedal über eine Kupplung verbunden, wobei entsprechende Kupplungsteile jeweils am Pedal bzw. am Schuh vorgesehen sind. Das schuhseitige Kupplungsteil (1; Bezugszeichen gemäß der G 86 20 037), welches mit der Oberseite (3) am Schuh befestigt wird, weist in Fahrtrichtung gesehen vorne und hinten Nuten (5) auf (vgl. Figuren 1a bis 1c der G 86 20 037). Unterhalb der Nuten (5) ist die Mantelfläche (4) des Kupplungsteils (1) derart konisch verjüngt ausgebildet, dass es an seinem Einführende (7) einen deutlich kleineren Durchmesser als am oberen Ende aufweist. Das andere, pedalseitige Kupplungsteil (2) weist als wesentlichen Teil einen Hohlzylinder auf, dessen Innendurchmesser geringfügig größer als der Außendurchmesser des schuhseitigen Kupplungsteils (1) ist (vgl. Figuren 2a und 2b der G 86 20 037). In seinem oberen Teil weist der Hohlzylinder (2) – in Fahrtrichtung gesehen – vorne und hinten zwei in tangentialer Richtung verlaufende Schlitze (12) auf, die im Eingriffszustand mit den Nuten (5) des schuhseitigen Kupplungsteils (1) ausgerichtet sind. In die Schlitze (12) des pedalseitigen Kupplungsteils (2) greift jeweils ein federnd vorgespanntes Einrast- bzw. Verriegelungsorgan (13) (vgl. Figuren 3a und 3b der G 86 20 037). Die Verriegelungsorgane (13) sind in den Schlitzen (12) in deren Längsrichtung so angeordnet, dass sie gegen den Grund der Schlitze (12) anliegen und einer seitlichen Verstellung aus der Nut (5) heraus mit einer elastisch federnden Vorspannung entgegenwirken. Die Verbindung zwischen Schuh und Pedal erfolgt dergestalt, dass das schuhseitige Kupplungsteil (1) in das pedalseitige Kupplungsteil (2) eingeführt wird. Durch einen Druck auf den Schuh werden die Federstäbe (13) durch den Konusteil (6, 7) des schuhseitigen Kupplungsteils (1) kurzzeitig entgegen der Federvorspannung geringfügig nach außen gedrückt. Sobald die Nuten (5) des schuhseitigen Kupplungsteils (1) in eine horizontale Ausrichtung mit den Schlitzen (12) des pedalseitigen Kupplungsteils (2) gelangen, springen die Federstäbe (13) unter der Wirkung der Vorspannung nach innen in die Nuten (5) des schuhseitigen Kupplungsteils (1) zurück und verriegeln die beiden Kupplungsteile miteinander (vgl. Figur 4 der G 86 20 037). Die Entriegelung der Bindung erfolgt durch eine Relativverdrehung der beiden Kupplungsteile (1, 2) um ihre Hochachse, d.h. in der Praxis durch Drehung des Fußes nach außen oder innen.
An diesem Stand der Technik kritisiert die Klagepatentschrift als nachteilig, dass
– in der Nähe der Aushakposition praktisch keine elastische Rückstellung mehr vorhanden ist mit der Folge, dass der Benutzer keine wirkliche Kontrolle über die Freigabe des Fußes hat und es im falschen Moment zum Aushaken kommen kann (Anlage K 1B, Seite 2 Zeilen 6 bis 16),
– ein „blindes“ Einklinken wegen der Erforderlichkeit des Einsetzens des zylindrischen schuhseitigen Kupplungsteils in den pedalseitigen Hohlzylinder erschwert ist (Anlage K 1B, Seite 2 Zeilen 27 bis 29),
– das Rotationszentrum der Drehbewegung des Schuhs auf der Achse des Hohlzylinders angeordnet ist (Anlage K 1B, Seite 2 Zeilen 29 bis 31)
– und eine laterale Bewegungsfreiheit des Schuhs relativ zum Pedal nicht vorhanden ist (Anlage K 1B, Seite 2 Zeilen 31 bis 34).
Die Klagepatentschrift erwähnt außerdem die GB 20 289, die US 4 538 480 und die US 4 640 151, aus denen es nach ihren Angaben bekannt ist, die Befestigungsmittel, die unter der Sohle angebracht sind, so in die Sohle einzubauen, dass sie den Radfahrer beim Gehen nicht stören (Anlage K 1B, Seite 3 Zeilen 8 bis 12).
Vor diesem Hintergrund gibt die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung an, eine Befestigungsvorrichtung bereitzustellen,
– die die vorgenannten Nachteile der DE-U-86 20 037 nicht mehr oder nur zu einem geringen Teil aufweist (Anlage K 1B, Seite 3 Zeilen 14 bis 17),
– bei der eine zuverlässige Freigabe des Fußes vom Pedal aufgrund einer Drehbewegung des Fußes erreicht wird, wobei während der gesamten Rotationsbewegung ein relativ konstantes Widerstandsmoment entgegenwirkt (Anlage K 1B, Seite 3 Zeilen 19 bis 25 und 27 bis 31),
– mit der ein fester Halt der Sohle auf dem Pedal sichergestellt ist (Anlage K 1B, Seite 3 Zeilen 33 bis 34),
– und bei welcher der Keil nur eingeschränkte Abmessungen aufweist, damit dieser im Falle des Einbaus in die Sohle so wenig wie möglich in Erscheinung tritt und eine große Oberfläche der Sohle zum Gehen erhalten bleibt (Anlage K 1B, Seite 3 Zeilen 34 bis 38).
Wie der Durchschnittsfachmann der bereits erwähnten Kritik der Klagepatentbeschreibung am Stand der Technik entnimmt, geht es konkreter formuliert darum (vgl. Gutachten Prof. E, Seiten 13 und 39), eine Vorrichtung zur Befestigung eines Schuhs am Pedal eines Fahrrades bereitzustellen,
– die sich durch eine einfache Bedienung auszeichnet, indem sie ein zuverlässiges „blindes“ Einklinken ermöglicht,
– bei der eine Verschiebbarkeit des Fußes auf dem Pedal (insbesondere quer zur Fahrtrichtung) möglich ist,
– bei der ein definierter Drehwinkel im Betrieb und zum Ausklingen vorgesehen ist, was bedeutet, dass
• bis zu einem gewissen Grenz-Drehwinkel ein Verdrehen ohne Ausklinken erfolgen soll, wobei die Haltekraft möglichst konstant und die Gefahr des Ausklinkens möglichst gleich bleibend gering sein soll,
• während dieser Drehbewegung das Drehmoment, das der Drehbewegung entgegen wird, möglichst konstant sein soll,
• ab einem gewissen Grenz-Drehwinkel die Vorrichtung ausklinkt;
– und bei der der schuhseitige Teil der Einrichtung möglichst klein sein und so in die Schuhsohle integriert sein soll, dass er beim Gehen nicht stört.
Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:
(1) Vorrichtung zur Befestigung eines Schuhs am Pedal eines Fahrrades oder eines analogen Mittels.
(a) Die Vorrichtung weist einen Pedalkörper (2) auf.
(b) Der Pedalkörper (2) ist drehbar um eine Querachse (X) angeordnet.
(2) Die Befestigungsvorrichtung umfasst
(a) ein vorderes Anschlagmittel (14) auf dem Pedalkörper (2),
(b) ein hinteres Halteorgan (6),
(c) nach oben gerichtete Haltemittel (14) und
(d) einen Keil (15).
(3) Das vordere Anschlagmittel (14) befindet sich vor der Querachse (X).
(4) Das hintere Halteorgan (6)
(a) befindet sich hinter der Querachse (X),
(b) umfasst eine geradlinige Haltevorrichtung (7),
(c) die geradlinige Haltevorrichtung (7) verläuft im Wesentlichen parallel zur Querachse (X),
(d) die geradlinige Haltevorrichtung (7) ist gegen eine Rückstellkraft im Wesentlichen senkrecht zur Querachse (X) verschiebbar.
(5) Die nach oben gerichteten Haltemittel (14)
(a) sind auf dem Pedalkörper (2) vor der Querachse (X) vorgesehen,
(b) um mit komplementären Haltemitteln (30) zusammenzuwirken, die unter der Sohle vorgesehen sind.
(6) Das vordere Anschlagmittel (14) sowie das nach oben gerichtete Haltemittel (14) bestehen aus ein- und demselben vorderen Halteorgan (14),
(a) welches sich vor der Querachse (X) befindet
(b) und welches eine praktisch geradlinige Halte- und Anschlussvorrichtung (16) umfasst, die parallel zur Querachse (X) verläuft.
(7) Der Keil (15) ist zur Befestigung unter der Schuhsohle bestimmt und umfasst
(a) ein nach vorne gerichtetes, vorderes Anschlagmittel (38), das dem Anschlagmittel (14) des Pedals zugeordnet ist,
(b) und ein hinteres Haltemittel (31), das mit der hinteren Haltevorrichtung des Pedalkörpers zusammenwirken kann,
(c) wobei die Befestigung des Schuhs am Pedal durch einen Druck des Fußes auf das Pedal erfolgen kann.
(8) Der Keil (15)
(a) weist in der Draufsicht eine im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform auf
(b) und umfasst mindestens eine untere Randleiste (31).
(9) Die Randleiste (31)
(a) steht nach hinten über und begrenzt eine Quernut (33),
(b) welche an jedem Ende ausläuft,
(c) wobei mindestens ein Ende der hinteren Randleiste (31) durch eine Wand begrenzt ist, die entsprechend einem Winkel (i), bezogen auf die Querrichtung des Keils (15) schräg verläuft;
(d) das Aushaken erfolgt
(aa) durch das Ausklinken der Randleiste (31) nach oben,
(bb) durch eine Drehung in eine gegebene Richtung
(cc) mit einer Amplitude gleich dem Winkel (i),
(e) wobei die schräg verlaufende Wand der hinteren Randleiste (31) aus einer abgeschrägten Kante (35b) besteht, wobei
(aa) die abgeschrägte Kante (35b) mit dem benachbarten Teil der hinteren Randleiste (31) einen Dieder bildet
(bb) und der konvexe Teil des Dieders nach außen gerichtet ist.
(10) Die lange Seite (H) des Keils (15) ist parallel zur Querachse (X) des Pedalschaftes ausgerichtet.
(11) Das vordere Halteorgan (14) ist in Bezug auf das Pedal fixiert, wobei der Mittelpunkt der Drehung bei einer Torsion des Fußes von einem Punkt (A, B) gebildet wird.
(12) Der Punkt (A, B) liegt an dem vorderen Halteorgan (14) so, dass der Keil (15) während der Torsion eine große Bahn durchlaufen kann, während er noch immer einer Rückstellkraft unterworfen ist.
(13) Der Winkel (i) ist kleiner als der maximale Drehwinkel, bei dem die Vorrichtung noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil (15) ausübt.
B.
Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die angegriffene, von der Beklagten unter der Bezeichnung „Egg D“ vertriebene Befestigungsvorrichtung der unter Schutz gestellten technischen Lehre wortsinngemäß entspricht.
1.
Dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale (1), (1) (b), (2) (c), (2) (d), (3) bis (7) (c), (8) (d) (9) (a) bis (9) (c), (9) (d) (aa), (9) (d) (bb), (9e) und (9) (e) (aa) der vorstehenden Merkmalsgliederung wortsinngemäß verwirklicht, steht zwischen den Parteien auch in der Berufungsinstanz – mit Recht – außer Streit, weshalb weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind.
2.
Die angegriffene Ausführungsform weist in wortsinngemäßer Verwirklichung des Merkmals (1) (a) einen „Pedalkörper“ auf. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, verhält sich Patentanspruch 1 zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung des Pedalkörpers nicht näher. Dessen konstruktive Ausführung steht im freien Belieben des Fachmanns, weswegen es lediglich darauf ankommt, dass ein Bauteil vorhanden ist, welches um eine Querachse drehbar ist (Merkmal (1) (b)) und welches dank seiner äußeren Form in der Lage ist, die Funktion eines Pedals zu erfüllen, d.h. den Schuh des Fahrers so aufzunehmen, dass das Fahrrad über die Pedale angetrieben werden kann. Der Fachmann versteht demgemäß – wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Gutachten Prof. E, Seite 27) – unter einem Pedalkörper im Sinne des Klagepatents ein Bauteil, das den Fuß des Fahrers aufnehmen kann und dabei eine Drehung um eine Querachse ermöglicht. Die angegriffene Ausführungsform besitzt ersichtlich in Gestalt des z. B. in Bild 13 des Gerichtsgutachtens gezeigten Grundkörpers („Body Assembly“) einen solchen Pedalkörper (vgl. a. Gutachten Prof. E, Seiten 26 bis 27; Privatgutachten Prof. F, Anlage WKS 2, Seite 11). Das betreffende Bauteil ist um eine Querachse („Spindle“) drehbar und stellt ersichtlich eine Trittfläche für die Schuhsohle des Fahrers bereit.
3.
Davon, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale (2) (a) und (2) (b) wortsinngemäß verwirklicht, wonach die Befestigungsvorrichtung ein (in Fahrtrichtung gesehen) vorderes Anschlagmittel – welches im Patentanspruch auch als nach oben gerichtetes Haltemittel, vorderes Halteorgan oder Anschlagmittel bezeichnet wird – auf dem Pedalkörper und ein hinteres Halteorgan umfasst, ist das Landgericht ebenfalls mit Recht ausgegangen.
Wie z. B. die im angefochtenen Urteil auf Seite 17 eingeblendete Abbildung, das Bild 2 des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens (Anlage WKS 2, Seite 9) sowie das nachfolgend eingeblendete Bild 14 des Gerichtsgutachtens verdeutlichen, in denen die betreffenden Vorrichtungsteile jeweils zutreffend bezeichnet sind, weist die angegriffene Ausführungsform ein vorderes Anschlagmittel und ein hinteres Halteorgan auf.
In Bild 2 des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens ist das vordere Anschlagmittel mit der Bezugsziffer 14 und das hintere Halteorgan mit der Bezugsziffer 6 gekennzeichnet; gleiches gilt für die von der Klägerin überreichte, vorstehend unter I. bereits wiedergegebene Abbildung gemäß Anlage K 6.
Das vordere Anschlagmittel (14) ist ersichtlich einstückig mit dem Pedalkörper ausgebildet und unbeweglich am Pedalkörper festgelegt. Es befindet sich damit (ortsfest) „auf dem Pedalkörper“. Demgemäß hat auch der gerichtliche Sachverständige Prof. E festgestellt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform das vordere Halterorgan in Bezug auf das Pedal fixiert bzw. sogar dessen integraler Bestandteil ist (Gutachten, Seite 32; Anhörungsprotokoll, Seite 54) und es fest mit dem Pedalkörper verbunden ist (Gutachten, Seiten 35 und 36). Das hintere Halteorgan (6) ist hingegen auf dem Pedalkörper – gegen die Rückstellkraft einer Rückstellfeder – verschiebbar gelagert.
Bei dem in Bild 14 des Gerichtsgutachtens dargestellten Zustand befindet sich das Anschlagmittel (14) vorne und das Halteorgan (6) hinten. Damit kann für diesen Zustand in Bezug auf die angesprochenen Bauteile von einem vorderen Anschlagmittel (14) und einem hinteren Halteorgan (6) gesprochen werden, weshalb – wovon auch der Gerichtsgutachter (Gutachten, Seiten 27 und 35) ausgegangen ist – die Merkmale (2a) und (2b) wortsinngemäß verwirklicht sind.
Dass die angegriffene Ausführungsform insgesamt vier verschiedene Benutzungsvarianten zulässt, wobei bei zweien der am Pedalkörper fest angeschlossene Bügel vorne und der verschiebbare Bügel hinten positioniert sind, während bei den beiden anderen (dazwischen liegenden) Benutzungsvarianten die Verhältnisse genau umgekehrt sind, ist für die patentrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass es – wie ausgeführt – eine bzw. sogar zwei Benutzungsvarianten gibt, bei denen das starr am Pedalkörper befestigte Anschlagmittel (14) vorne und das drehbare Halteorgan (6) hinten liegt.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform beim Verdrehen des Keils sowohl das hintere Halteorgan (6) als auch das vordere Halteorgan (14) nach unten bewegen, steht dies der Verwirklichung des Merkmals (2a) nicht entgegen.
Der Patentanspruch 1 besagt – wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (vgl. Anhörungsprotokoll, Seite 1) – nur, dass es pedalseitig
1. ein vorderes Anschlagmittel gibt, das unbeweglich am Pedalkörper festgelegt ist,
und
2. ein hinteres Halteorgan, das gegen eine Rückstellkraft verschieblich ist.
Zufolge dieser Ausgestaltung kann beim Einklicken des Keils genauso wie beim Ausklicken nur das hintere Halteorgan ausweichen, während der Keil an dem vorderen ortsfesten Anschlagmittel „abrollt“. Weil nur das hintere Halteorgan beweglich ist, lässt sich nur über eine Regulierung der seiner Bewegung entgegenwirkenden Rückstellkraft gewährleisten, dass diese Kräfte wirken, bis der Keil ausgeklinkt wird.
So gesehen ist die Einlassung der Beklagten von der Bewegung beider Halteteile ohne Belang. Relativ zum Pedalkörper kann sich auch bei der angegriffenen Ausführungsform überhaupt nur das hintere Halteorgan bewegen. Soweit sich im Zuge des Zurückschiebens des hinteren Halteorgans auch der Pedalkörper mit dem vorderen Anschlagmittel um die Drehachse bewegt, handelt es sich hierbei nicht um eine relevante Bewegung, weil sie nicht zwischen dem vorderen Anschlagmittel und dem Pedalkörper stattfindet. Allein auf diese Relativbewegung stellt das Klagepatent jedoch ab (vgl. a. Prof E, Anhörungsprotokoll Seite 54). Die Verhältnisse bei der angegriffenen Ausführungsform sind damit genau so, wie vom Klagepatent gefordert. Beim Ein- und Ausklinken des Keils bewegt sich – wie der Gerichtsgutachter bestätigt hat (vgl. Anhörungsprotokoll, Seite 2) – gegenüber dem Pedalkörper nur das hintere, verschiebliche Halteorgan und kann dies auch nicht anders sein, weil das vordere Halteorgan einstückig mit dem Pedalkörper ausgebildet ist und deshalb konstruktionsbedingt keine Relativbewegung gegenüber dem Pedalkörper ausführen kann. Würde man den Pedalkörper bzw. das vordere Halteorgan im Raum festhalten und in einer solchen Situation den Keil verdrehen, würde sich demgemäß allein das hintere Halteorgan bewegen (vgl. Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seiten 54 bis 55).
4.
Die angegriffene Ausführungsform entspricht ferner den Vorgaben der Merkmale
(8) (a) und (10) wortsinngemäß.
a)
Merkmal (8) (a) befasst sich mit der Form des Keils. Es verlangt, dass der Keil in der Draufsicht eine im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform aufweist. Merkmal (10) gibt sodann vor, dass die lange Seite (H) des Keils (15) parallel zur Querachse (X) des Pedalschaftes ausgerichtet ist.
aa)
Was das Merkmal (8) (a) anbelangt, verlangt Patentanspruch 1 keine streng geometrische Rechteckform. Der Patentanspruch stellt vielmehr – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – lediglich darauf ab, dass die „Allgemeinform“ rechteckig zu sein hat, wobei die Terminologie eine Erweiterung außerdem dadurch erfährt, dass die Allgemeinform lediglich „im Wesentlichen“ rechteckig zu sein hat. Das Merkmal ist damit bereits nach dem Anspruchswortlaut weit gefasst; dieser enthält gleich eine doppelte Abschwächung („Allgemeinform“ und „im Wesentlichen“). Der Fachmann entnimmt dem, dass er einen hohen Abstraktionsgrad zu Grunde legen kann (vgl. a. Gutachten Prof. E, Seiten 17, 28 und 39; Privatgutachten Prof. F, Anlage WKS 3, Seite 13).
Hiervon ausgehend ist – wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Gutachten Prof. E, Seite 31) – nicht der genaue Verlauf des äußeren Umfangs des Keilstücks entscheidend, sondern der Umstand, ob sich die äußeren Umrisslinien zu einem im Allgemeinen rechteckförmigen Gebilde vervollständigen lassen. Es muss sich nur eine rechteckige Allgemeinform ergeben, die die Außenkonturen des Keils (15) möglichst vollständig umfasst (Gutachten Prof. E, Seite 31; vgl. a. Privatgutachten Prof. F, Anlage WKS 3, Seite 13).
Das ist bei der angegriffenen Ausführungsform, wie die zeichnerische Darstellung gemäß Anlage K 7, die Bilder 6 und 7 des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens (Anlage WKS 2, Seiten 13 und 14) sowie das nachfolgend eingeblendete Bild 15 des Gerichtsgutachtens (Gutachten Prof. E, Seite 27) zeigen, der Fall. Es ist eine im Wesentlichen rechteckige allgemeine Form erkennbar, wobei die lange Seite (H) des Keils parallel zur Querachse ausgerichtet ist (vgl. Gutachten Prof. E, Seiten 27 f. und 31).
bb)
Entgegen der Auffassung der Beklagten können die seitlichen Flügel des Keils der angegriffenen Ausführungsform bei der Beurteilung der Keilform und der Orientierung des Keils nicht außer Betracht gelassen werden.
Das Klagepatent beschreibt einen Keil mit bestimmter Form und Orientierung. Ein solcher Keil liegt bei der angegriffenen Ausführungsform gegenständlich vor. Teile dieses Keils könnten nur außer Betracht bleiben, wenn sie mit Rücksicht auf dasjenige, was der erfindungsgemäße Keil leisten soll, nutz- und funktionslos wären. Für die Flügel des Keils der angegriffenen Ausführungsform kommt dies alleine deshalb nicht in Betracht, weil sie einen Beitrag bei der Kraftübertragung vom Schuh auf den Pedalkörper leisten.
Im Rahmen der technischen Lehre des Klagepatentes hat der Keil – vereinfacht ausgedrückt – zwei Hauptfunktionen zu erfüllen: Er ist erstens ein Kraftübertragungselement zwischen dem Schuh des Fahrradfahrers und dem Pedal des Fahrrads und er ist zweitens ein Halteelement, das die gewünschte lösbare Verbindung zwischen Schuh und Pedal bereit stellt (vgl. Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seite 2). Bei dem Keil der angegriffenen Ausführungsform gibt es jedoch keine Bereiche bzw. Teile, die weder der Kraftübertragung noch der Haltefunktion dienen. Wenn das Klagepatent für den erfindungsgemäßen Keil, der Kräfte übertragen und die lösbare Verbindung zwischen Schuh und Pedal verwirklichen soll, eine allgemeine Rechteckform verlangt, ist es daher – wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Anhörungsprotokoll, Seite 2 f.) – in Bezug auf den Keil der angegriffenen Ausführungsform nicht zulässig, einzelne Abschnitte für die Beurteilung, ob eine Rechteckform vorliegt, außer Betracht zu lassen, obwohl diese Abschnitte einen Beitrag bei der Kraftübertragung leisten.
Der gegenteiligen Auffassung des Privatgutachters der Beklagten (Anlage B 12, Seite 5) kann nicht gefolgt werden. Der Privatgutachter der Beklagten unterteilt den Keil der angegriffenen Ausführungsform, wie die nachfolgend wiedergegebene Darstellung verdeutlicht, in ein „Halteelement“ und ein „Stützelement“. Zur Beurteilung der Form des Keils will er nur das „Halteelement“ heranziehen, weil dieses zusammen mit den Halteelementen des Pedals die Fixierung des Schuhs bewirke und auch wesentlich für den Auslösemechanismus verantwortlich sei, wohingegen das Funktionselement die senkrechte Trittkraft des Fahrers auf das Pedal übertrage (vgl. Privatgutachten Prof. G, Anlage B 12, Seite 5).
Eine solche Betrachtungsweise verbietet sich jedoch, weil der patentgemäße Keil als Kraftübertragungselement zwischen Schuh und Pedal auch eine zuverlässige Übertragung der wirkenden Kräfte gewährleisten soll (vgl. Gutachten Prof. E, Seite 18). Übertragen werden sollen hierbei insbesondere die senkrecht vom Fuß auf das Pedal zu übertragenden Kräfte, die als Antriebskraft wirken und eine Fortbewegung überhaupt erst ermöglichen (vgl. Gutachten Prof. E, Seite 18).
Die Form und Ausrichtung des aus Halte- und Stützelement bestehenden Keils der angegriffenen Ausführungsform allein anhand der Form des „Halteelements“ sowie dessen Orientierung zur Pedalschaftachse zu definieren, erachtet – in Übereinstimmung mit dem Privatgutachter der Klägerin (Anlage WKS 2, Seite 13 f.)
– auch der gerichtliche Sachverständige für unzutreffend (vgl. Gutachten, Seite 27 f.; Anhörungsprotokoll, Seiten 2 bis 4). Wie Prof. E in seinem Ergänzungsgutachten ausgeführt hat, stützen die seitlichen Flügel den größten Teil der senkrechten Kräfte ab, und zwar zumindest, solange sich der Keil in der Nähe der Mittelstellung befindet (Ergänzungsgutachten, Seite 25). Sie dürfen schon deshalb bei der Betrachtung der Keilform nicht außer Betracht bleiben. Im Übrigen hat der Gerichtssachverständige (Ergänzungsgutachten, Seiten 25 und 26) mit Recht darauf hingewiesen, dass die „Stützelemente“ des Keils der angegriffenen Ausführungsform auch die Auswerfkraft unterstützen. Diesbezüglich hat die Beklagte in erster Instanz selbst vorgetragen, dass die beiden Flügel während des Verdrehens des Keils entlang der radialen Abschnitte der Befestigungselemente gleiten und somit ebenso wie die gewölbt gestalteten Wände eine nach oben in Auslöserichtung wirkende Kraft erzeugen. Dies ist schon bei manueller Verdrehung des Keils unmittelbar nachzuvollziehen: Ab einem gewissen Drehwinkel stoßen die Flügel gegen die Halteelemente und bewirken Kräfte in Auswerfrichtung (Ergänzungsgutachten Prof E, Seite 26). Die Flügel unterstützen damit die Auswerfkraft, weshalb der Fachmann sie auch aus diesem Grunde in die Betrachtung der Rechteckform mit einbeziehen wird (vgl. Ergänzungsgutachten E, Seite 26).
cc)
Die Würdigung der europäischen Patentanmeldung 0 372 165 (Anlage B 2) durch die Klagepatentschrift steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Die aus der EP-A- 0 372 165 bekannte Vorrichtung würdigt die Klagepatentschrift (Anlage K 1B, Seite 4, Zeilen 1 bis 28) dahin, dass bei dieser der Grundriss des Keils eine im Wesentlichen rechteckige allgemeine Form aufweist, wobei die lange Seite des Keils parallel zur Achse des Pedalschafts orientiert ist. Nach den Angaben der Klagepatentschrift soll damit bei der vorbekannten Vorrichtung – anders als beim Gegenstand des Klagepatents – die lange Seite des Keils nicht parallel zur Achse des Pedals ausgerichtet sein bzw. eine solche lange Seite nicht existieren.
Wie die auf Seite 7 der Berufungsbegründung (Bl. 203 GA) eingeblendete Zeichnung verdeutlicht, hat bei dem in den Figuren 1 und 6 der EP-A-0 372 165 gezeigten Gegenstand die Seite des Keils, die parallel zur Pedalschaftachse ausgerichtet ist, ohne die randseitigen Ausbuchtungen eine Länge von ca. 3 cm. Der Abstand zwischen der vorderen und hinteren Längsseite beträgt ohne Berücksichtigung des Rands ebenfalls ca. 3 cm. Berücksichtigt man allerdings die randseitigen Ausbuchtungen des Keils mit, zeigt sich, dass die Seite des Keils, die parallel zur Achse des Pedalschaftes ausgerichtet ist, eine Länge von ca. 4,3 cm aufweist. Würde man bei diesem Gegenstand die äußeren Umrisslinien zu einem rechteckförmigen Gebilde vervollständigen, wie dies in der Zeichnung auf Seite 8 der Berufungsbegründung (Bl. 204 GA) geschehen ist, wäre auch bei dem aus der
EP-A- 0 372 165 bekannten Erzeugnis die lange Seite des Rechtecks – entgegen den Angaben in der Klagepatentschrift – parallel zur Pedalschaftachse ausgerichtet ist.
Dieser Umstand veranlasst den Fachmann jedoch nicht zu einer anderen Sichtweise.
Entweder wird der Fachmann annehmen, dass die Würdigung der EP-A- 0 372 165 durch die Klagepatentschrift erkennbar unrichtig ist, so dass er dieser keine Bedeutung beimessen wird, oder er wird – wovon der Gerichtssachverständige ausgegangen ist (Anhörungsprotokoll, Seite 3) – diese Würdigung dahin verstehen, dass sie sich nur auf den mittleren, für sich betrachtet rechteckförmigen Bereich des Keils (32) der EP-A- 0 372 165 bezieht, wie dies in der oberen Zeichnung auf der rechten Seite des Bildes 20 des Ergänzungsgutachtens von Prof. E veranschaulicht ist. Wie der gerichtliche Sachverständige hierzu im Anhörungstermin erläutert hat (Anhörungsprotokoll, Seite 3), erkennt der Fachmann bei Betrachtung der Figuren der EP-A- 0 72 165, dass sich das dortige Keilelement in einer Lage befindet, in der die Funktionsflächen des Keils ein Rechteck bilden, dessen längere Seite quer zur Pedalschaftachse ausgerichtet ist. Die angrenzenden seitlich gewölbten Flügel („Stützelemente“) mit den als Langlöcher ausgeführten Befestigungsbohrungen erfüllen hingegen bei dem Gegenstand der EP-A- 0 72 165 keine derjenigen Funktionen, die der Keil im Rahmen der Lehre des Klagepatents erfüllen soll. Sie dienen weder der lösbaren Halterung, noch übertragen sie Kräfte. Die angrenzenden seitlich gewölbten Flügel sind deshalb mit Rücksicht auf dasjenige, was der Keil im Rahmen der Lehre des Klagepatents leisten soll, funktionslos, weshalb der Fachmann sie – wenn er nicht ohnehin von einer erkennbar unrichtigen Würdigung der EP 0 372 165 durch die Klagepatentschrift ausgeht – bei der Beurteilung der Allgemeinform des Keils und seiner Orientierung außer Betracht lassen wird.
Dies steht nicht in Widerspruch zur vorstehenden Beurteilung des Keils der angegriffenen Ausführung. Denn der Unterschied zwischen dem aus der EP-A- 0 372 165 bekannten Gegenstand und der angegriffenen Ausführungsform – der auch eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung bezüglich der rechteckigen Allgemeinform und ihrer Orientierung zur Querachse rechtfertigt – besteht darin, dass bei dem vorbekannten Gegenstand die seitlich gewölbten Flügel („Stützelemente“) keine Funktion haben, also weder der lösbaren Halterung dienen, noch Kräfte übertragen, während dies bei dem Keil der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist (Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seite 3)
dd)
Dass sich mit dem Keil der angegriffenen Ausführungsform ein Drehwinkel von mehr als 45° nicht realisieren lässt, sondern der Keil aufgrund seiner konkreten Form allenfalls eine Bahn im Bereich von 37,5° bis 38,5 ° durchlaufen kann (vgl. Gutachten Prof. E, Seite 30), steht der Verwirklichung des Merkmals (8) (a) ebenfalls nicht entgegen.
Dass durch die Merkmale (8) (a) und (10) erreicht werden soll, dass bei einem Verdrehen des Keils ein größerer Maximalwinkel als bei einer quadratischen Ausgestaltung, bei welcher maximal ein Winkel von 45° erzielbar ist, realisiert wird, lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen. Ein solcher Winkelbezug ergibt sich aus dem Anspruch nicht. Soweit sich die Klagepatentbeschreibung mit der Form des Keils und dessen Orientierung zur Pedalschaftachse befasst, heißt es auch dort nur (Anlage K 1B, Seite 10 Zeilen 30 bis 36):
„Der Keil 15 besitzt in der Aufsicht (Fig. 1) eine im Wesentlichen rechteckige Allgemeinform, wobei die lange Seite H (Querrichtung des Keils) parallel zur Achse X orientiert ist, solange der Schuh in seiner mittleren Grundstellung auf dem Pedal verbleibt. Die kurze Seite 1 des Keils ist in Längsrichtung orientiert und ist bevorzugt weniger als halb so lang als die Richtung H (11/1 > 2). “
Ein Winkelbezug wird auch hier nicht hergestellt. Schutz für eine besondere Ausgestaltung nach Anspruch 1, bei welcher der Winkel der Bahn, bei der auf den Keil während der Torsion immer noch eine Rückstellkraft wirkt, ungefähr 60° beträgt, beansprucht erst Unteranspruch 2. Der allgemeinere Hauptanspruch enthält keine derartigen Vorgaben (vgl. a. Prof E, Anhörungsprotokoll, Seite 12).
Daraus, dass es in Merkmal (12) heißt, dass der Keil während der Torsion „eine große Bahn“ durchlaufen kann, lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht herleiten, dass von dem Keil eine Bewegung durchführbar sein muss, die über einen Winkel von 45° hinausgeht. Erfindungsgemäß soll ein Drehwinkelbereich mit Rückstellkraft bereitgestellt werden, der größer als der Winkelbereich ist, der sich durch den Ausklinkwinkel (i) ergibt (vgl. Prof E, Anhörungsprotokoll, Seite 6). Damit soll erreicht werden, dass während der gesamten Torsionsbewegung bis zum Ausklinken eine Rückstellkraft wirkt. Patentanspruch 1 stellt hierbei keine Anforderungen des Inhalts, dass der Winkelbereich jenseits des Ausklinkwinkels, in dem noch Rückstellkräfte wirken, eine bestimmte Größe haben muss. Es geht vielmehr darum, dass der Winkelbereich mit Rückstellkräften sich nur überhaupt jenseits des Ausklinkwinkels erstreckt (Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seiten 6 bis 7 und Seiten 9 bis 13). Dem Fachmann ist bei Lektüre der Klagepatentschrift klar, dass bis zum Ausklinkwinkel eine Rückstellkraft wirken soll. Bis zu welchem Drehwinkel die Rückstellkraft hierüber hinaus wirkt, ist für die Erfüllung der dem Klagepatent zugrundeliegenden Aufgabe nicht von Belang (vgl. a. Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seiten 10 und 11). Wenn der Patentanspruch sagt, dass der Keil während der Torsion „eine große Bahn“ durchlaufen kann, während er noch immer einer Rückstellkraft unterworfen ist, versteht der Fachmann dies, weil der Winkelbereich mit Rückstellwirkung den Ausklinkwinkel mitbestimmt, vor diesem Hintergrund lediglich dahin, dass ein großer Winkelbereich mit Rückstellkräften zugleich die Voraussetzung schafft, den Ausklinkwinkel in einem geeignet großen Winkelbereich, von z. B. 20° oder 30° statt 5° oder 10° vorzusehen (Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seite 7 f.). Mehr folgt hieraus nicht.
Dass der Fachmann Patentanspruch 1 in eben diesem Sinne versteht, hat auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt (vgl. Prof E, Anhörungsprotokoll, Seiten 7 bis 8). Er hat zwar im Rahmen seiner weiteren Befragung auch erklärt, dass mit Merkmal (12) unter Berücksichtigung der Merkmale (8) und (10) ein Winkel von über 45° erreicht werden solle (vgl. Anhörungsprotokoll, Seite 52). Das lässt sich jedoch mit seiner vorangegangenen, überzeugenden Erläuterung der technischen Lehre des Klagepatents (vgl. Anhörungsprotokoll, Seiten 6 bis 8 und 10 bis 13) nicht vereinbaren und hiervon kann auch nicht ausgegangen werden, weil die Realisierung eines solchen Drehwinkels zur Erfüllung der dem Klagepatent zugrundeliegenden Aufgabe nicht notwendig ist. Das Klagepatent hat sich nicht zur Aufgabe gemacht, eine Vorrichtung bereitzustellen, bei der der Keil über den Ausklinkwinkel hinaus gedreht werden kann und bei der der Fahrer auch in diesem Bereich darüber entscheiden kann, ob er ausklinkt oder nicht. Richtig ist zwar, dass in der besonderen Klagepatentbeschreibung (Anlage K1B, Seite 15 Zeile 33 bis Seite 16 Zeile 5) hinsichtlich des in den Figuren dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiels darauf hingewiesen wird, dass mit einer solchen Anordnung die Schuhsohle einen großen – weit über den Ausklinkwinkel hinausgehenden – Drehwinkel von etwa 60° ausführen kann, wobei sie ständig einer elastischen Rückstellkraft unterworfen bleibt, die bestrebt ist, sie auf die Längsachse des Pedals zurückzuführen. Dies stellt eine Sicherheit gegen ungewolltes Aushaken dar. Dass es dem Klagepatent hierauf ankommt, lässt sich der Klagepatentschrift jedoch nicht entnehmen. Die in Rede stehende Beschreibungsstelle betrifft lediglich ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel und beschreibt demgemäß nur eine Möglichkeit der Verwirklichung der Erfindung. Demgemäß hat auch der Gerichtssachverständige zunächst selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass in der in Rede stehenden Beschreibungsstelle lediglich ein „möglicher maximaler Drehwinkel“ beschrieben wird, ein solcher Drehwinkel von Patentanspruch 1 aber nicht verlangt wird (Anhörungsprotokoll, Seite 12).
5.
Mit Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Ausführungsform das Merkmal (9) (c) wortsinngemäß verwirklicht, welches vorgibt, dass mindestens ein Ende der hinteren Randleiste (31) – welche im Patentanspruch auch als hinteres Haltemittel (31), untere Randleiste (31) oder Randleiste (31) bezeichnet wird – durch eine Wand begrenzt ist, die entsprechend einem Winkel (i), bezogen auf die Querrichtung des Keils (15), schräg verläuft.
a)
Patentanspruch 1 verlangt insoweit nur eine untere, nach hinten überstehende Randleiste und hier wiederum nur, dass ein Ende der Randleiste entsprechend einem Winkel (i) abgeschrägt ist. Dem Fachmann ist hierbei – wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Anhörungsprotokoll, Seite 4) – klar, dass bei einer solchen – minimalen – Ausstattung ein patentgemäßes Ein- und Ausklinken nur bei einer bestimmten Torsionsbewegung des Keils, z. B. nach innen oder nach außen, stattfindet.
Unter einer „Wand“ im Sinne des Merkmals (9) (c) versteht der Fachmann hierbei eine Abgrenzung des Keils (vgl. Privatgutachten Prof. F, Anlage WKS 3, Seite 16). Die Wand, welche gemäß Merkmal (9) (e) (aa) aus einer abgeschrägten Kante besteht, begrenzt – in Richtung zum Halteorgan – mindestens ein Ende der hinteren Randleiste (31). Weiterhin ergibt sich für den Fachmann aus Merkmal (9) (c), dass die Wand schräg zur Querrichtung des Keils verläuft, wobei sich der Begriff „Querrichtung“ auf die Fahrradgeometrie bzw. Fahrtrichtung des Fahrrades bezieht (Gutachten Prof. E, Seite 20). Welche Form bzw. Gestalt die schräg verlaufende Wand aufweist, lässt Merkmal (9) (c) offen. Deren konkrete Ausgestaltung überlässt Patentanspruch 1 – wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Gutachten Seiten 20, 28 und 39) – dem Fachmann. Die schräg verlaufende Wand muss nur so gestaltet sein, dass bis zu einem gewissen Winkel Kräfte zuverlässig übertragen werden und ab einem gewissen Winkel, der von dem Schrägungswinkel der Wand abhängt, die Vorrichtung „ausklinkt“ (Gutachten Prof. E, Seiten 20, 28 und 39). Der Winkel (i), in welchem die Wand bezogen auf die Querrichtung des Keils schräg verlaufen soll, wird hierbei zwischen der schrägen Wand und der Querrichtung des Fahrrades gemessen (vgl. Gutachten Prof. E, Seiten 20 und 39).
b)
Wie insbesondere die Abbildung gemäß Anlage K 8 sowie die Bilder 8, 10 und 11 des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens (Anlage WKS 3) zeigen, verfügt die angegriffene Ausführungsform über eine hintere – und eine vordere – Randleiste. Diese ist auch durch eine „Wand“ begrenzt. Dass die Wände der angegriffenen Ausführungsform in Draufsicht nicht geradlinig verlaufen, sondern eine konkave Innenwölbung aufweisen, ist unerheblich, weil Patentanspruch 1 – wie ausgeführt – keine Vorgaben dazu macht, welche konkrete Form bzw. Gestalt die schräg verlaufende Wand haben muss. Weder legt sich der Patentanspruch 1 hinsichtlich des genauen Verlaufs der abgeschrägten Wand fest, noch ist gefordert, dass die Wand durchgehend und gerade ausgestaltet sein und eine homogene Fläche bilden muss.
Auch steht die konkave Kontur der Wand der Bestimmung des „Schrägungswinkels“ (i) nicht entgegen. Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es für die Bestimmung des „Schrägungswinkels“ der Randleiste auf denjenigen Winkel ankommt, der sich ergibt, wenn eine Gerade angelegt wird an
a) den Übergang von der Schräge in die vordere Gerade der Randleiste einerseits und
b) die benachbarte Ecke des rechteckförmigen Flügels, der die Randleiste trägt.
Wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten ergibt, ist es durchaus üblich, um die Winkellage einer schrägen bogenförmigen Wand festzulegen, die Endpunkte mit einer Linie zu verbinden, wie dies in der Anlage K 8 und den Bildern 8 und 10 des von der Klägerin überreichten Gutachtens geschehen ist. Entsprechend ist auch der gerichtliche Sachverständige Prof. E vorgegangen (vgl. Gutachten, Seite 28), wie das nachfolgend eingeblendete Bild 16 seines Gutachtens verdeutlicht. Auch er hat angenommen, dass der Winkel (i) bei der angegriffenen Ausführungsform in der Weise gemessen werden kann, dass der Winkel zwischen einer Parallelen zur Querachse und einer Verbindungslinie der Endpunkte der konkaven Kontur des Keils ermittelt wird.
Geht man so vor, ergibt sich ein Winkel (i) bezogen auf die Querrichtung des Fahrrades. Dieser Winkel (i) beträgt bei der angegriffenen Ausführungsform ausweislich des von der Klägerin überreichten Privatgutachtens (Anlage WKS 3, Seite 18 bis 19) ca. 21° beim Ausdrehen nach innen und ca. 25° beim Ausdrehen nach außen. Soweit die Beklagte hiergegen eingewandt hat, der Privatgutachter der Klägerin habe in seinem Gutachten den Winkel (i) bei der angegriffenen Ausführungsform nicht unter Verwendung „des äußersten Punktes“ der Randleiste (31) bestimmt (Bl. 302 GA), zeigt sie nicht auf, dass die auf der Seite 18 des Privatgutachtens angegebenen Winkelwerte unzutreffend ermittelt worden sind. Die Abbildung 10 auf Seite 18 des Gutachtens der Klägerin mag insofern zeichnerisch eine Ungenauigkeit aufweisen; an den der Messung des Winkels (i) zu Grunde liegenden Überlegungen ändert dies jedoch nichts. Soweit die Beklagte ihrerseits einen Winkel von 35° ins Spiel gebracht hat, handelt es sich um einen ganz anderen Winkel.
Schließlich kann auch nicht angenommen werden, dass unter Zugrundelegung dieses Verständnisses das Merkmal (9) (c) gegenüber dem Merkmal (9) (d) (cc) überflüssig ist. Merkmal (9) (c) befasst sich mit der Wand, mit welcher mindestens ein Ende der hinteren Randleiste (31) begrenzt ist. Diese Wand soll entsprechend einem Winkel (i), bezogen auf die Querrichtung des Keils (15), verlaufen. Der Fachmann erkennt zwar, dass eine vollständige Freigabe des Keiles und damit ein Ausklinken frühestens dann erfolgen kann, wenn eine Drehung um den Winkel (i) vollzogen ist, welchen die Querrichtung des Keils mit der Verbindungslinie zwischen dem Dreh- und Anlagepunkt (A, B) und dem „äußersten“ Punkt der Randleiste (31) bildet. Mit dem Ausklinken selbst befasst sich aber erst Merkmal (9) (d) (cc). Merkmal (9) (c) schafft nur die Voraussetzungen für dieses Ausklinken.
6.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht ferner das Merkmal (9) (d) (cc), welches besagt, dass ein Aushaken des Keils aus der Befestigungsvorrichtung bei einem Winkel erfolgt, der demjenigen Winkel entspricht, um den die schräg verlaufende Wand der hinteren Randleiste gegenüber der Querrichtung des Keils geneigt ist.
Dass bei der angegriffenen Ausführungsform ein Ausklinken des Keils bei einem bestimmten Winkel erfolgt, zieht die Beklagte nicht in Zweifel. Nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen beträgt der Ausklinkwinkel bei der angegriffenen Ausführungsform bei Torsion nach innen im Mittel 24° und bei Torsion nach außen im Mittel 26,3° (Ergänzungsgutachten, Seiten 18 bis 19).
Der Winkel (i) beträgt bei der angegriffenen Ausführungsform – wie schon erwähnt –ca. 21° beim Ausdrehen nach innen bzw. ca. 25° beim Ausdrehen nach außen. Unter Berücksichtigung von Ungenauigkeiten und Messtoleranzen erfolgt hiernach bei der angegriffenen Ausführungsform das Ausklinken des Keils jeweils bei einem Winkel, der demjenigen Winkel entspricht, um den die schräg verlaufende Wand der hinteren Randleiste gegenüber der Querrichtung des Keils geneigt ist. Für den Fall der Torsion nach außen liegt dies angesichts der ermittelten Werte unmittelbar auf der Hand. Für den Fall der Torsion nach innen gilt dies jedoch auch. Im Hinblick auf den insoweit ermittelten mittleren Ausklinkwinkel von 24° erfolgt
auch hier das Aushaken – wie im Patentanspruch verlangt – aus Sicht des Fachmanns mit einer Amplitude gleich dem Winkel (i) (vgl. Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seite 6).
7.
Die angegriffene Ausführungsform entspricht, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ferner den Vorgaben der Merkmale (9) (e) (bb) und (cc).
Diese Merkmale fordern, dass die schräg verlaufende Wand der hinteren Randleiste (31) eine abgeschrägte Kante (35b) bildet, die mit dem benachbarten Teil der hinteren Randleiste (31) einen Dieder bildet, dessen konvexer Teil nach außen gerichtet ist. Unter einem „Dieder“ versteht der Fachmann einen Zweiflächner, also einen Körper aus zwei aneinander grenzenden Flächen (Gutachten Prof. E, Seiten 11 und 29). Schon der Anspruchswortlaut stellt hierbei klar, dass der Dieder nach der Lehre des Klagepatents gebildet wird durch
(a) die – bezogen auf die Querrichtung des Keils – abgeschrägte Kante der hinteren Randleiste, über die das Ausklinken erfolgt,
und
(b) den dieser Schräge benachbarten Teil der hinteren Randleiste, d.h. dessen vorderen, nicht abgeschrägten Bereich.
Hiervon ausgehend verfügt die angegriffene Befestigungsvorrichtung ersichtlich über einen klagepatentgemäßen Dieder. Wie z. B. die Abbildung gemäß Anlage K 7 sowie das Bild 11 des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens (Anlage WKS 2, Seite 20) zeigen, besitzt der Dieder – bestehend aus der Abschrägung zum Ausklinken des Keils aus der Haltevorrichtung und der vorderen Gerade der Randleiste – auch konvexe Bereiche, die kuppelartig nach außen gerichtet sind. Es ist eindeutig erkennbar, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der konvexe Teil des Dieders nach außen gerichtet ist.
Damit verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die Merkmale (9) (e) (bb) und (cc), was auch der Gerichtsgutachter – in Übereinstimmung mit dem Privatgutachter der Klägerin (Anlage WKS 2, Seite 20) – bestätigt hat (Gutachten Prof. E, Seite 29).
8.
Merkmal (11) wird von der angegriffenen Ausführungsform ebenfalls wortsinngemäß verwirklicht.
a)
Wie sich aus den Ausführungen unter Ziff. 3 ergibt, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, ist bei der angegriffenen Ausführungsform entsprechend der ersten Vorgabe von Merkmal (11) das vordere Halteorgan in Bezug auf das Pedal fixiert (vgl. Prof E, Anhörungsprotokoll, Seite 54).
b)
Merkmal (11) besagt ferner, dass der Mittelpunkt der Drehung bei einer Torsion des Fußes von einem Punkt (A, B) gebildet wird. Hinsichtlich dieses Punktes (A, B) gibt Merkmal (12) sodann vor, dass dieser an dem vorderen Halteorgan (14) liegt.
aa)
Was mit dem Merkmal (11) und dem ersten Teilmerkmal des Merkmals (12) gemeint ist, wird in der Klagepatentbeschreibung wie folgt erläutert (Anlage K 1B, Seite 13 Zeilen 6 bis 14):
„Bei Drehung des Radfahrerfußes nach außen (die Ferse des Fußes entfernt sich vom Fahrrad weg nach außen), dreht sich der Keil 15 wie in der Figur 3 dargestellt. Das Drehzentrum der Schuhsohle wird also von Punkt A (ebenfalls in Figur 6 dargestellt) gebildet, der sich am äußeren Ende der Fläche 38, in Anlage an das feste Anschlagmittel 14, befindet. Bei Drehungen nach innen kommt das andere Ende B der Fläche 38 in Anlage gegen den Stab 17 und bildet das Drehzentrum für den Schuh.“
Ferner heißt es auf Seite 15, Zeilen 33 bis 37 der Klagepatentbeschreibung:
„Wie schon erläutert, dreht sich der praktisch rechteckige Keil 15 bei einer Rotation nach außen um seine vordere linke Ecke A, kommt an dem vorderen Anschlag oder dem Stab 17 zur Anlage und schiebt den Stab zurück, der als federnder Halt beansprucht ist.“
Der Fachmann entnimmt dem, dass die angesprochenen Punkte A und B Bestandteil des Keils sind und sich abhängig von dem Drehwinkel in Anlage zum Halterorgan befinden (vgl. Gutachten Prof. E, Seiten 21, 22, 29 und 39).
bb)
Bei der angegriffene Ausführungsform wird nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme der Mittelpunkt der Drehung jedenfalls bei einer Torsion des Fußes nach innen von einem Punkt gebildet, der an dem vorderen Halteorgan liegt.
Bezüglich der angegriffenen Ausführungsform ist durch die vom Gerichtssachverständigen durchgeführten Versuche (Ergänzungsgutachten, Seiten 7 bis 17) belegt, dass bei einer Verwendung des ortsfesten Haltemittels vorne und einer Torsionsbewegung nach innen der Drehpunkt des Keils ab 3,7° in der Nähe des oberen Berührungspunktes zwischen Keil und vorderem Halteorgan liegt, was nach den überzeugenden Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Verwirklichung der Merkmale (11) und (12) ausreicht (vgl. Anhörungsprotokoll, Seiten 4 bis 5). Der Verwirklichung dieser Merkmale steht weder die festgestellte Drehung um den Keilmittelpunkt im Bereich von 0° bis 3,7°, noch die teils geringfügige Verfehlung des oberen Kontaktpunktes zwischen Keil und Halteorgan entgegen. Die Drehbewegung von 0° bis 3,7° ist nach den Erläuterungen des Gerichtssachverständigen für die praktischen Eigenschaften der Vorrichtung nicht relevant (Anhörungsprotokoll, Seite 5). Die leichten Abweichungen, die im Bereich des oberen linken Punktes zu erkennen sind, können nach den Erläuterungen des Gerichtssachverständigen mit Messungenauigkeiten des von ihm angewandten optischen Untersuchungsverfahrens erklärt werden. Aus Sicht des Fachmanns sind sie zu vernachlässigen (Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seite 5). Bei dieser Einschätzung ist der gerichtliche Sachverständige auch im Rahmen seiner eingehenden Befragung im Anhörungstermin geblieben (vgl. Anhörungsprotokoll, Seiten 19 bis 25). Nach seinen Erläuterungen handelt es bei dem von ihm angewandten optischen Verfahren, auch wenn dessen Genauigkeit naturgemäß begrenzt ist, um ein zur Bestimmung des Drehpunktes geeignetes Verfahren, das der Fachmann vorliegend schon deshalb als taugliches Verfahren zur Bestimmung des Drehpunktes heranziehen wird, weil ein genaueres Verfahren mit vertretbarem Aufwand nicht durchführbar ist (vgl. Ergänzungsgutachten Prof. E, Seite 12). Die gewählte Versuchsanordnung ist nach seinen Erläuterungen nicht zu beanstanden. Zutreffend ist zwar, dass der Gerichtssachverständige nur die Bewegung des Keils bis zum bzw. bis in die Nähe des Ausklinkwinkels untersucht hat. Aus Sicht des Fachmanns ist das jedoch der relevante Bereich.
cc)
Unabhängig hiervon ist bei der Bestimmung des Drehmittelpunktes im Sinne des Patentanspruchs 1 auch eine großzügige Betrachtung geboten.
(1)
Klagepatentgemäß erfolgt die Drehung um einen Punkt (A, B) des Keils und nicht des Halteorgans (Gutachten Prof. E, Seiten 21 und 22). Aus der Tatsache, dass der Punkt (A, B) ein Punkt des Keils ist, folgt, dass das Bezugssystem für die Bestimmung des Mittelpunkts der Drehung der Keil ist. Schon dies spricht dafür, dass Verschiebungen des Keils an seinem Anlagepunkt (A, B) am vorderen Halteorgan vom Wortsinn des Merkmals (11) umfasst sind.
Für den Fachmann ergibt sich zudem aus der Klagepatentbeschreibung, dass der Punkt (A, B) nicht zwingend ortsfest bezüglich des vorderen Halteorgans ist, sondern seitlich, d. h. entlang der Achse des Pedalschaftes verschieblich sein kann und es deshalb in dem Punkt (A, B) grundsätzlich sowohl zu einer Drehung zwischen dem Keil (15) und dem vorderen Anschlagmittel (14) als auch zu einer relativen Verschiebung kommen kann. Das folgt zwangsläufig daraus, dass das Klagepatent keine Vorkehrungen gegen eine (seitliche) Beweglichkeit des Keils entlang der Achse des Pedalschaftes vorsieht (vgl. Gutachten Prof. E, Seiten 22, 29 und 39 f.). Es beanstandet am gattungsbildenden Stand der Technik vielmehr gerade, dass dort eine laterale Bewegungsfreiheit des Schuhs relativ zum Pedal nicht vorhanden ist (Anlage K 1B, Seite 2, Zeilen 31 bis 34) und will demgemäß eine Befestigungsvorrichtung bereitstellen, bei der eine Verschiebbarkeit des Fußes auf dem Pedal (insbesondere quer zur Fahrtrichtung) möglich ist (Gutachten Prof. E, Seite 22). Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass diese (Teil)Aufgabe noch nicht durch Patentanspruch 1, sondern erst durch Unteranspruch 8 gelöst wird, sieht es das Klagepatent jedenfalls als vorteilhaft an, dass sich der auf dem Pedal befestigte Schuh um eine gewisse Strecke in Querrichtung verschieben kann (vgl. a. Gutachten E, Seiten 22, 29 und 39 f.). Hierzu heißt es in der Klagepatentbeschreibung:
„Die vordere und hintere Haltekante …. sind vorteilhaft so angeordnet, dass für die Querbewegung der Sohle und des Schuhs relativ zum Pedal ein Spielraum von einigen Millimetern, insbesondere 7 mm, bleibt.“ (Anlage K 1B, Seite 5, Zeilen 22 bis 27).
„Die Stäbe 7 und 17 und der Keil 15 sind so angeordnet, dass sich der auf dem Pedal befestigte Schuh seitlich, d. h. parallel zur Achse X, um eine gewisse Strecke verschieben kann“. (Anlage K 1B, Seite 13, Zeilen 21 bis 23).
Der Fachmann entnimmt dem, dass der Punkt (A, B) nicht zwingend ortsfest gegenüber dem vorderen Halteorgan ist, sondern seitlich, d. h. entlang der Achse des Pedalschaftes verschieblich sein kann (vgl. a. Privatgutachten Prof. F, Seiten 22, 29). Ihm ist vor diesem Hintergrund ohne weiteres klar, dass es deshalb in dem Punkt (A, B) grundsätzlich sowohl zu einer Drehung zwischen dem Keil (15) und dem vorderen Anschlagmittel (14) als auch zu einer relativen Verschiebung kommen kann (vgl. a. Privatgutachten Prof. F, Seite 22). Der Gerichtsgutachter ist demgemäß in seinem schriftlichen Hauptgutachten – in Übereinstimmung mit dem Privatgutachter der Klägerin (Anlage WKS 2, Seite 23) – mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass auch der in Bild 13 des von der Klägerin überreichten Privatgutachtens (Anlage WKS 3, Seite 22) veranschaulichte Fall (Fall II) einer sog. Drehschubbewegung unter das Klagepatent fällt (Gutachten Prof. E, Seiten 22 und 29).
(2)
Hinzu kommt, dass der Radfahrer mit seinem Fuß eine Vielzahl von Bewegungen vollführt, die mit der Funktion der patentgemäßen Vorrichtung nichts zu tun haben: So tritt der Radfahrer bei der Vorwärtsbewegung auf das Pedal; hierdurch wird eine Rotation des Pedalkörpers und des darin eingehakten Keils um die Tretlagerachse ausgelöst. Ferner rotiert der Pedalkörper und mit ihm der Keil durch eher unbewusste, individuelle Bewegungen des Fußes um die Pedalkörperachse, wenn auch nur um einige Grad vor und einige Grad zurück. Schließlich kommt es auch noch aufgrund individueller Bewegungen zu Verschiebungen des Keils entlang der Pedalachse. Sämtliche hieraus resultierenden Bewegungskomponenten sind aufgrund ihrer Individualität und Unvorhersehbarkeit prinzipiell ungeeignet, die Bewegung des Keils allgemeingültig zu beschreiben. Es besteht hierfür auch kein Bedürfnis. Denn diese Bewegungskomponenten haben auf die Funktionsweise des Auslösemechanismus keine Auswirkungen (vgl. Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seiten 53 bis 55). Der Fachmann wird sie daher auch im Rahmen der Merkmale (11) und (12) ausblenden (vgl. a. Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seiten 54 und 55).
(3)
Zur Beschreibung der Kinematik der Rotation wählt Patentanspruch 1 den Punkt (A, B), weil dieser bei der Betätigung der Vorrichtung am vorderen ortsfesten Halteorgan anliegt, wodurch die Drehung des Keils anschaulicher gemacht wird. Wie die Klägerin überzeugend erläutert hat, hätte im Ergebnis aber auch jeder andere Punkt des Keils als Bezugspunkt (Mittelpunkt der Drehung) gewählt werden können, weil es ein mathematisches Gesetz ist, dass die Rotation eines Körpers um einen Punkt A um einen Winkel α auch beschrieben werden kann durch Rotation des Körper um einen anderen Punkt Z um den gleichen Winkel α und eine zusätzliche Verschiebung (Translation) des Körpers in seiner Gesamtheit um eine bestimmte Distanz. Das bedeutet aber im Ergebnis nichts anderes, als dass der Punkt (A, B) bereits dann den Mittelpunkt der Drehung bildet, wenn der an dem vorderen Halteorgan anliegende Keil einer Rotation unterworfen ist. Den diesbezüglichen Überlegungen der Klägerin hat sich der gerichtliche Sachverständige im Anhörungstermin ausdrücklich angeschlossen (Anhörungsprotokoll, Seiten 5 bis 6 und 57).
(4)
Im Ergänzungsgutachten des Gerichtssachverständigen werden diese Erwägungen demgegenüber nicht hinreichend berücksichtigt.
Der gerichtliche Sachverständige ist bei seinen dort angestellten Überlegungen von folgenden drei Fallgestaltungen ausgegangen (Ergänzungsgutachten, Seite 7):
• Fall 1: Bewegen sich von einem Bild zum nachfolgenden beide Berührungspunkte um einen etwa gleichen Abstand in gegenläufiger Richtung (also entweder beide auf eine senkrechte Mittellinie zu oder beide von einer senkrechten Mittellinie weg), so liegt der Drehpunkt in der Mitte des Mittelpunktes des Keils. Dieser Fall ist in Bild 5 links des Ergänzungsgutachtens veranschaulicht.
• Fall 2: Bewegt sich ein Berührungspunkt von einem Bild zum nachfolgenden Bild nicht oder nur wenig, der andere Berührungspunkt jedoch um einen deutlichen Betrag, so ist der erste Berührungspunkt der Drehpunkt A, B bzw. liegt der Drehpunkt (bei geringfügigen Bewegungen) dicht in dessen Nähe. Dieser Fall ist in Bild 5 rechts des Ergänzungsgutachtens gezeigt.
• Fall 3: Verschieben sich beide Punkte in der gleichen Richtung, so liegt eine überlagerte Schubbewegung um die Differenz der beiden Wege und zusätzlich eine Drehung um den Punkt vor, dessen Verschiebung kleiner ist.
Die Klägerin hat diese Fallkonstellationen in Beispielen veranschaulicht, welche in der Anlage WKS 3 figürlich dargestellt sind. Bei dem ersten, in der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung veranschaulichten Beispiel erfolgt eine Drehbewegung um den Punkt A. Während der Rotation liegt der Punkt A immer am selben Punkt des vorderen Halteorgans an. Eine solche Rotation fällt unstreitig unter das Klagepatent. Man erkennt, dass sich der zweite Berührungspunkt (unten) um eine Distanz H nach links verschoben hat. Hinzu kommt eine Verschiebung des hinteren Halteorgans um eine Distanz s infolge der durch die Drehung des Keils verursachten Aufweitung der Haltevorrichtung. Dieses Beispiel entspricht dem Fall 2 der vom Gerichtssachverständigen gebildeten drei Fallgestaltungen.
Das zweite, in der nachstehend eingeblendeten Abbildung veranschaulichte Beispiel unterscheidet sich von dem vorstehenden Beispiel dadurch, dass zusätzlich zur Rotation (um den gleichen Winkel und demzufolge der gleichen Verschiebung s des hinteren Haltungsorgans) eine translatorische Bewegung des Teils entlang der Halterorgane um die Strecke L1 nach rechts erfolgt, wobei die Strecke L1 hier so gewählt worden ist, dass sie in etwa der Hälfte der Distanz H aus dem ersten Beispiel entspricht. Hierdurch ist der zweite Berührungspunkt (unten) im Ergebnis um einen Distanz H1 = H-L1 nach links verschoben worden. H1 und L1 sind in etwa gleich groß; die Bewegung der beiden Berührungspunkte erfolgt in gegenläufiger Richtung, so dass hier Fall 1 der vom Sachverständigen gebildeten drei Fallgestaltungen vorliegt.
Bei dem dritten Beispiel gemäß der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung ist zusätzlich zur Rotation gemäß der vorhergehenden Fallgestaltung eine translatorische Bewegung des Keils entlang der Halterorgane um die Strecke L2 nach rechts vorgenommen worden, wobei die Strecke L2 so gewählt wurde, dass sie größer ist als die Distanz H aus dem ersten Beispiel. Hierdurch ist der zweite Berührungspunkt (unten) im Ergebnis um eine Distanz H2 = L2-H nach rechts verschoben worden. Wie aus der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung ersichtlich ist, sind beide Berührungspunkte damit in eine Richtung (nach rechts) verschoben worden. Dies entspricht dem Fall 3 der Fallgestaltungen des gerichtlichen Sachverständigen.
Es leuchtet nicht ein, weshalb das zweite Beispiel nicht unter das Klagepatent fallen soll, die beiden anderen Fallgestaltungen hingegen schon. Ein mechanischer und/oder patentrechtlich relevanter Unterschied zwischen der zweiten und dritten Fallkonstellation ist nicht zu erkennen. Gegenüber der ersten Fallgestaltung ist nur insoweit ein Unterschied gegeben, als zusätzlich zur Drehung des Keils noch eine Verschiebung des Keils entlang des vorderen Halteorgans erfolgt. Eine solche translatorische Bewegung schließt das Klagepatent – wie ausgeführt – jedoch gerade nicht aus.
(5)
Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Mittelpunkt der Drehung sowohl bei einer Torsion des Fußes nach innen als auch bei einer Torsion des Fußes nach außen von einem Punkt gebildet wird, der an dem vorderen Halteorgan liegt. Entscheidend kommt es hierauf allerdings nicht an. Nach den Untersuchungen des Gerichtsachverständigen ist dies jedenfalls bei der Torsion des Fußes nach innen der Fall. Zur Verwirklichung des Merkmals (11) reicht dies aus.
9.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch das Merkmal (12), welches besagt, dass der besagte Punkt (A, B) an dem vorderen Halteorgan (14) so liegt, dass der Keil (15) während der Torsion eine große Bahn durchlaufen kann, während er noch immer einer Rückstellkraft unterworfen ist.
a)
Erfindungsgemäß soll – wie bereits ausgeführt – ein Drehwinkelbereich mit Rückstellkraft bereitgestellt werden, der größer als der Winkelbereich ist, der sich durch den Ausklinkwinkel (i) ergibt. Damit soll erreicht werden, dass während der gesamten Torsionsbewegung bis zum Ausklinken eine Rückstellkraft wirkt. Aus Merkmal (12) ergibt sich insoweit, dass die Rückstellkraft zwingend bis zum Erreichen des Winkels (i) und damit bis zum Ausklinken des Keils wirken muss.
b)
Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Rückstellkraft im Sinne des Klagepatents nur dann vorhanden ist, wenn sie tatsächlich eine rückstellende Wirkung hat, sie also unter Überschreitung bzw. Überwindung von Reibungskräften tatsächlich eine Rückstellwirkung aufweist. Das bedarf im Streitfall mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach den vom gerichtlichen Sachverständigen durchgeführten Messungen ist bei der angegriffenen Ausführungsform im Falle einer Drehung nach innen auch oberhalb des ermittelten Ausklinkwinkels von 24° das Federmoment größer als das Reibmoment, so dass der Keil sich bei Entlastung, also ohne Aufbringung von äußeren Drehmomenten, in die Mittelstellung zurückstellt. Damit ist in diesem Fall eine „Rückstellkraft“ auch dann vorhanden, wenn die Reibung in der Rückstellkraft berücksichtigt wird (Ergänzungsgutachten Prof. E, Seite 23), weshalb Merkmal (12) jedenfalls insoweit erfüllt ist. Soweit die Beklagte die Geeignetheit der Versuchsanordnung und Richtigkeit bzw. Aussagekraft der Messungen des Gerichtssachverständigen in Zweifel gezogen hat, hat dieser im Rahmen seiner ausführlichen mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens an den gefundenen Ergebnissen festgehalten (vgl. Anhörungsprotokoll, Seiten 25 bis 51). Er hat insbesondere an dem von ihm seiner Berechnung zugrunde gelegten Reibbeiwert von 0,1 µ festgehalten, der nach seinen Angaben realistisch ist (vgl. Anhörungsprotokoll, Seiten 39 bis 44).
c)
Die Angabe „eine große Bahn“ versteht der Fachmann – wie ausgeführt – dahin, dass ein großer Winkelbereich mit Rückstellkräften zugleich die Voraussetzung schafft, den Ausklinkwinkel in einem geeignet großen Winkelbereich, von z. B. 20° oder 30° statt 5° oder 10° vorzusehen. Insoweit durchläuft auch bei der angegriffenen Ausführungsform der Keil während der Torsion nach innen angesichts des ermittelten Ausklinkwinkels von 24° „eine große Bahn“.
10.
Merkmal (13), welches besagt, dass der Winkel (i) kleiner ist als der maximale Drehwinkel, bei dem die Vorrichtung noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil (15) ausübt, wird von der angegriffenen Ausführungsform schließlich ebenfalls wortsinngemäß verwirklicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform ist, wie soeben festgestellt, jedenfalls im Falle einer Torsion nach innen auch oberhalb des Ausklinkwinkels eine „Rückstellkraft“ vorhanden. Wie groß der maximale Drehwinkel, bei dem noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil ausgeübt wird, bei der angegriffenen Ausführungsform exakt ist, kann dahinstehen. Denn Patentanspruch 1 stellt – wie bereits ausgeführt – keine Anforderungen des Inhalts, dass der Winkelbereich jenseits des Ausklinkwinkels, in dem noch Rückstellkräfte wirken, eine bestimmte Größe haben muss. Verlangt wird nur, dass sich der Winkelbereich mit Rückstellkräften überhaupt jenseits des Ausklinkwinkels erstreckt (Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seiten 6 bis 7 und 9 bis 12). Es muss deshalb nur einen Drehwinkel geben, der größer ist als der Ausklinkwinkel und bei dem noch immer eine Rückstellkraft auf den Keil ausgeübt wird. Wie groß dieser Drehwinkel ist, ist hierbei ohne Belang (Prof. E, Anhörungsprotokoll, Seite 10). Es kommt damit nur darauf an, dass jenseits des Ausklinkwinkels noch eine Rückstellkraft auf den Keil ausgeübt wird. Das ist bei der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls in Bezug auf die Torsion nach innen der Fall.
11.
Nach alledem macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
C.
Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung bzw. –benutzung, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr die Berechnung ihres Schadenersatzanspruches zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, ist vom Landgericht unter Ziffer III. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt worden; auf diese – von der Klägerin nicht gesondert angegriffenen – Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Unterlassungsausspruch im landgerichtlichen Urteil ist, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf des Klagepatents übereinstimmend für erledigt erklärt haben, gegenstandslos, was der Senat vorsorglich im Tenor zum Ausdruck gebracht hat. Außerdem hat der Senat – entsprechend dem Berufungsantrag der Klägerin –zur Klarstellung in den Tenor zu II. und den Tenor zu I. 2. des landgerichtlichen Urteils aufgenommen, dass sich die Schadensersatz- und Rechnungslegungsverpflichtung der Beklagten auf in der Zeit vom 12. August 2004 bis zum 4. Oktober 2010 (Ablauf des Klagepatents) begangene Benutzungshandlungen bezieht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 und aus § 91a Abs. 1 ZPO.
Soweit die Parteien im Berufungsrechtsszug den Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend den ursprünglich ferner geltend gemachten Unterlassungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits der Beklagten nach § 91a Abs. 1 ZPO aufzuerlegen gewesen, weil die Beklagte – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – entgegen § 9 Nr. 1 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat und der Klägerin deshalb nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG für die Dauer des Patentschutzes auch ein Unterlassungsanspruch gegen sie zustand.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708
Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.