4b O 59/11 – Wärmedämmung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1636

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Mai 2011, Az. 4b O 59/11

I. Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Der Streitwert beträgt 300.000,- EUR.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin ist eingetragene, alleinige Inhaberin des Europäischen Patents EP 1 225 XXX B1 (Anlage AST2, nachfolgend: „Verfügungspatent“), das am 4.1.2002 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 23.1.2001 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 12.7.2006 veröffentlicht.

Die Verfügungsbeklagte zu 1) legte am 20.3.2007 Einspruch gegen die Erteilung des Verfügungspatents ein. Die Einspruchsabteilung hielt das Verfügungspatent mit Entscheidung vom 28.5.2009 unverändert aufrecht (Anlage AST9), gegen welche die Verfügungsbeklagte zu 1) Beschwerde einlegte. Am 31.1.2011 erließ die Technische Beschwerdekammer einen Zwischenbescheid (Anlage AG A14).

Der Anspruch 1 des Verfügungspatents lautet ohne Bezugszeichen:

„Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil, bestehend aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper mit zumindest integrierten Druckelementen, die im eingebauten Zustand des Bauelementes im wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch verlaufen und jeweils an beide Bauteile anschließbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Druckelemente jeweils aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt sind, und dass die verlorene Gießform zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements ist.“

Die nachfolgend eingeblendete Figur 5 des Verfügungspatents zeigt beispielhaft eine Ausführungsform eines Bauelementes zur Wärmedämmung mit verfügungspatentgemäßem Druckelement in geschnittener Draufsicht.

Mit nicht rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 17.1.2011 (Az.: 4b O XXX/10, Anlage AST1) wurde die Verfügungsbeklagte zu 1) zur Unterlassung verurteilt, wobei die Kammer zur Auffassung gelangt war, dass die Produkte „A / B“ gemäß der von der Verfügungsbeklagten zu 1) erwirkten bauaufsichtlichen Zulassung vom 7.9.2010 („frühere Ausführungsform“) vom Anspruch 1 des Verfügungspatents wortsinngemäßen Gebrauch machten.

Die Verfügungsklägerin leistete noch am Tag der Urteilsverkündung die von der Kammer festgesetzte Sicherheit und vollstreckte das Urteil (vgl. Anlage AST4). Am 18.2.2011 bemerkte die Verfügungsklägerin die aus Anlage AST5 ersichtliche Gestaltung des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten. Auf Anfrage der Verfügungsklägerin nahm die Verfügungsbeklagte zu 1) am 24.2.2011 dazu Stellung (Anlage AST6). Die Verfügungsklägerin beantragte bei der Kammer die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) (Az.: 4b O XXX/10 ZV). Im Rahmen dieses Vollstreckungsverfahrens nahm die Verfügungsbeklagte zu 1) u.a. mit dem aus Anlagenkonvolut AST7 ersichtlichen Schriftsatz Stellung; dort beschreibt die Verfügungsbeklagte zu 1), wie sie die frühere Ausführungsform abgeändert hat. Im Kern besteht die Veränderung darin, dass der Schalkörper vom Druckelement entfernt wird und durch einen fast identischen Formkörper ersetzt wird, der an den Seiten Schlitze hat („angegriffene Ausführungsform“, vgl. die nachfolgende Ablichtung).

In der Zeit vom 15.3. bis 14.4.2011 veranstalteten die Verfügungsbeklagten eine „Road-Show“ (vgl. Anlage AST21), deren zentrales Thema die angegriffene Ausführungsform war. Die Road-Show richtete sich an Tragwerksplaner potentieller Kunden.

Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist eine 100%ige Tochter der Verfügungsbeklagten zu 1); der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform erfolgt über die Verfügungsbeklagte zu 2).

Die Verfügungsklägerin meint, die angegriffene Ausführungsform stelle als „platte Umgehungslösung“ einen „ganz glatten Fall der Äquivalenz“ dar. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor: Das in der oben wiedergegebenen Abänderung zu sehende Austauschmittel der angegriffenen Ausführungsform sei objektiv gleichwirkend, da es keine Rolle spiele, ob das Betondruckelement in der Gießform verbleibe oder ob die Gießform durch eine neue Umhüllung gleicher Form und gleichen Materials ersetzt werde; in den Kontaktbereichen werde auch so eine Gleitschicht gebildet. Eine „verlorene Gießform“ sei schon immer dann anzunehmen, wenn sie nicht wiederverwendet werden könne; es sei also nicht zwingend, dass sie in ein Bauteil mit eingesetzt werde. Die Verfügungsbeklagten hätten die Schlitze bewusst an Stellen angebracht, die für die Erzielung der patentgemäßen Vorteile ohne Bedeutung seien. Das Austauschmittel sei auch naheliegend, weil für den Fachmann deutlich sei, dass es nur darauf ankomme, das Betondruckelement mit einer Form einzubauen, die die Schmalseiten des Betondruckelements bedecke, und somit die Gleitschicht zum angrenzenden Betonteil zu bilden. Schließlich sei die notwendige Gleichwertigkeit gegeben: Durchgängig beschreibe das Verfügungspatent, dass die Lösung der Probleme des Standes der Technik darin bestehe, das Betondruckelement nicht „nackt“ in das Bauelement einzusetzen, sondern es zur Ausbildung einer Gleitfläche mit einer Form, vorzugsweise aus Kunststoff zu ummanteln. Werde eine Gießform beim Gießen beschädigt, so dass sie entfernt werden müsse, werde der Fachmann in Orientierung an der Lehre des Verfügungspatents genauso verfahren wie bei der angegriffenen Ausführungsform. Zudem sehe der Fachmann, dass anlässlich der Durchführung von Qualitätskontrollen die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Lösung umgesetzt werden müsse. Die notwendige Dringlichkeit sei gegeben. Von der Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform habe sie erstmals am 18.3.2011 Kenntnis erhalten. Mit dem verfügungspatentgemäßen Produkt C erziele sie 57 % ihres Gesamtumsatzes. Aufgrund der dreimal so großen Marktmacht der Verfügungsbeklagten drohe ihr ein großer Schaden durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform. Es sei ein „Preiskampf“ mit der angegriffenen Ausführungsform zu befürchten. Die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents sei im Hinblick auf die – unstreitige und oben erwähnte – Entscheidung der Einspruchsabteilung gesichert. Das Verfügungspatent werde zumindest im Umfang ihres Hilfsantrags B1 (vgl. Seite 6, vorletzter Abs., Nr. 7.2. der Anlage AG 14) von der Einspruchsbeschwerdekammer aufrecht erhalten werden.

Die Verfügungsklägerin beantragt, nachdem sie ursprünglich den Antrag zu Ziffer I.1. aus der Antragsschrift vom 31.3.2011 (Blatt 2 f. GA) angekündigt hat, zuletzt

die Verfügungsbeklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Bauelemente zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil, bestehend aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper mit zumindest integrierten Druckelementen, die im eingebauten Zustand des Bauelements im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch verlaufen und jeweils an beide Bauteile anschließbar sind,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wenn

die Druckelemente jeweils aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer Gießform aus Kunststoff hergestellt sind, die Gießform von den Druckelementen entfernt wird und durch einen neue Kunststoffform ersetzt wird, die zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements ist.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

1. wie erkannt,

2. hilfsweise, die Beibringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens EUR 1.000.000 zur Vollziehung einer einstweiligen Verfügung anzuordnen.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet eine Verletzung des Verfügungspatents durch die angegriffene Ausführungsform im Wesentlichen mit folgender Argumentation: Für die Herstellung der Druckschublager der angegriffenen Ausführungsform werde – unstreitig – ein Spezialmörtel mit einem Korndurchmesser unter 2mm verwandt. Ein solcher Spezialmörtel sei kein Beton im Sinne des Verfügungspatents. Die angegriffene Ausführungsform mache (auch) nicht in äquivalenter Weise von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch: An der Gleichwirkung fehle es im Hinblick darauf, dass zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsform zwei separate Teile eingesetzt werden (Gießform einerseits und Endkappen andererseits). Jedenfalls sei die Lösung gemäß der angegriffenen Ausführungsform weder naheliegend noch gleichwertig, da in der Verwendung einer verlorenen Gießform gerade der „Witz“ der Lehre des Verfügungspatents liege. Hilfsweise verweisen die Verfügungsbeklagten auf den sog. Formstein-Einwand: Die Austauschmittel seien im Prioritätszeitpunkt weder neu noch erfinderisch gewesen. In Bezug auf den erforderlichen Verfügungsgrund sei eine besondere Schutzbedürftigkeit der Verfügungsklägerin nicht ersichtlich, zumal sie selbst geltend mache, mit ihrem Produkt C unumstrittene Marktführerin im Bereich Bauelemente zur Wärmedämmung zu sein. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents sei angesichts des Zwischenbescheids der Beschwerdekammer gerade nicht gesichert.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der zulässige Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht unter keinem patentrechtlichen Gesichtspunkt von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch.

I.

Die technische Lehre des Verfügungspatents betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei zu betonierenden Bauteilen, bestehend aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper mit zumindest integrierten Druckelementen.

Derartige Bauelemente werden – so die einleitenden Ausführungen des Verfügungspatents zum Stand der Technik – zwischen einem Balkon und der zugehörigen Geschossdecke eingebaut, um eine Kältebrücke in diesem Bereich weitestgehend zu vermeiden. Dabei werden Bewehrungsstäbe an beide Bauteile unter Durchquerung des Isolierkörpers angeschlossen, die für die nötige Übertragung der auftretenden Zug-Quer- und Druckkräfte sorgen. Im Regelfall (vgl. EP A 0 831 XXX) bestehen die Bewehrungselemente im Fugenbereich aus Edelstahl, der ausreichenden Schutz vor Korrosion bietet und auf der anderen Seite auch gute Wärmedämmeigenschaften besitzt. An der Verwendung von Edelstahl-Bewehrungsstäben kritisiert das Verfügungspatent jedoch den hohen Kostenaufwand, insbesondere wenn zur Erzielung einer ausreichenden Tragfähigkeit Bewehrungselemente mit relativ großen Querschnitten verwendet werden müssen.

Als weiteren Stand der Technik erwähnt das Verfügungspatent die Umgehung des Einsatzes von Edelstahl-Druckelementen im Wege der Verwendung von Ortbeton (DE 34 26 XXX; DE A 31 16 XXX), bei der sich die Betondruckelemente sowohl durch einen günstigen Preis als auch durch günstige Korrosionsbeständigkeit auszeichnen. Nachteilig daran sei aber – so das Verfügungspatent – die vergleichsweise schlechte Wärmedämmeigenschaft von Beton, welche indes gerade durch die Verwendung des Bauelementes zur Wärmedämmung im Fugenbereich umgangen werden sollte.

Vor diesem technischen Hintergrund stellt sich das Verfügungspatent die Aufgabe, ein Bauelement zur Wärmedämmung der eingangs genannten Art zur Verfügung zu stellen, das einfacher und vor allem deutlich günstiger herzustellen ist und zusätzlich verbesserte Gebrauchseigenschaften aufweist.

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Verfügungspatent in seinem Anspruch 1 (in Gestalt des Hilfsantrages B1 der Verfügungsklägerin im Beschwerdeverfahren) ein Bauelement mit folgenden Merkmalen vor:

1. Bauelement (1) zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude (A) und einem vorkragenden Außenteil (B).

2. Das Bauelement (1) besteht aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper (2) mit zumindest integrierten Druckelementen (3).

3. Die Druckelemente (3)

3.1 verlaufen im eingebauten Zustand des Bauelements (1) im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers (2) durch diesen hindurch,

3.2 sind jeweils an beide Bauteile anschließbar und

3.3 sind jeweils aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform aus Kunststoff hergestellt.

4. Die verlorene Gießform ist zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement (1) eingesetzt und Bestandteil des Bauelements (21).

Als Vorteile der verfügungspatentgemäßen Lösung hebt das Verfügungspatent hervor: Gegossene Betondruckelemente ließen sich in nahezu beliebige Formen mit noch größerer Variantenvielfalt bringen, so dass das Betondruckelement wirklich an alle Anforderungen angepasst werden könne, wobei diese Anforderungen vor allem in einer relativ großen Krafteinleitungsfläche und einer relativ kleinen Querschnittsfläche im Bereich innerhalb des Isolierkörpers lägen (Absatz [0006] des Verfügungspatents). Die Betondruckelemente seien zusammen mit der Gießform in das Bauelement einzubauen, so dass man gleich eine allseitige Gleitschicht für das Betondruckelement mitliefere, die dafür sorge, dass das Betondruckelement etwaigen Relativbewegungen der beiden angrenzenden Betonbauteile problemlos und „gleitend“ folgen könne, wodurch solche Relativbewegungen nicht mehr mit erheblichen Geräuschentwicklungen verbunden seien, die im Stand der Technik wegen der Haftreibung zwischen dem Druckelement und dem angrenzenden Betonbauteil nicht zu verhindern gewesen seien (Absatz [0008] des Verfügungspatents).

II.

Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Verfügungspatent nicht, so dass kein Verfügungsanspruch aus §§ 9, 139 Abs. 1 PatG i.V.m. Art 64 Abs. 1 EPÜ besteht.

1)
Zu Recht räumt die Verfügungsklägerin ein, dass die angegriffene Ausführungsform nicht in wortsinngemäßer Weise von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Verfügungspatents Gebrauch macht. Denn es fehlt hierfür jedenfalls an einer Verwirklichung des Merkmals 4, wonach die verlorene Gießform zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements ist. Demgegenüber wird bei der angegriffenen Ausführungsform das Druckelement unstreitig vor dem Einsetzen in das Bauelement zur Wärmedämmung aus der Gießform herausgeschält, so dass die Gießform an sich gerade nicht Bestandteil des Bauelements wird.

2)
Die angegriffene Ausführungsform stellt darüber hinaus auch keine Verwirklichung der technischen Lehre des Verfügungspatents mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln dar.

Zugunsten der Verfügungsklägerin mag insoweit unterstellt werden, dass das von ihr angegriffene Austauschmittel objektiv gleichwirkend im Vergleich mit der dem Wortsinn des Verfügungspatents entsprechenden Lösung ist und dass das Austauschmittel zudem für den Fachmann nahelag. Es fehlt indes jedenfalls am dritten für die Bejahung einer patentrechtlichen Äquivalenz notwendigen Kriterium der Gleichwertigkeit. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung liegt eine Benutzung der technischen Lehre nur vor, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; BGH, GRUR 2002, 527 – Custodiol II; BGH, GRUR 2006, 313 – Stapeltrockner; BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung).

Es genügt aufgrund des Erfordernisses der Gleichwertigkeit für die Bejahung der Äquivalenz gerade nicht, dass der Fachmann dank seines Fachwissens und gestützt auf den Stand der Technik überhaupt in der Lage war, das von der Verfügungsklägerin gesehene Austauschmittel als gleichwirkenden Ersatz aufzufinden. Vielmehr ist es notwendig, dass er zu der abgewandelten Ausführungsform gelangen konnte, wenn er sich an der im Patentanspruch offenbarten technischen Lehre und dem darin zum Ausdruck kommenden Lösungsgedanken orientiert. Demzufolge lässt sich die Gleichwertigkeit nicht unter Verweis darauf bejahen, dass der Fachmann erkenne, im Falle der Zerstörung der Gießform – beispielsweise zwecks Durchführung von Qualitätskontrollen – sei es zwangsläufig so, dass die Gießform ersetzt werden müsse, wenn man das Betonelement gleichwohl noch verwenden wolle. Mit dieser Argumentation ließe sich gegebenenfalls das Erfordernis des Naheliegens bejahen. Indes hat das Verfügungspatent in seinem Anspruch 1 einen ganz bestimmten Weg vorgegeben, wie es die von ihm intendierten Vorteile erzielen möchte. Anspruchsgemäß legt es sich insoweit darauf fest, dass die verlorene Gießform als solche Bestandteil des Bauelements zur Wärmedämmung werden soll. Mit dieser anspruchsgemäßen Einschränkung werden sämtliche Lösungen, nach denen nicht die verlorene Gießform, sondern stattdessen ein anderes Bauteil in das Bauelement zur Wärmedämmung eingesetzt wird, verworfen. Jedwedes Bauelement, in welches nicht die verlorene Gießform inkorporiert ist, stellt a priori keine Orientierung am Sinngehalt des Verfügungspatents dar. Von dementsprechenden Überlegungen – und mögen sie auch noch so geeignet sein, die patentgemäßen Vorteile zu erzielen – wird der Fachmann, der sich an der anspruchsgemäßen Lehre orientiert, deshalb schon im Ansatz abgehalten. Insofern kann es dahinstehen, ob – worauf die Verfügungsbeklagten entscheidend abstellen – der „Witz“ der Erfindung in einer Doppelfunktionalität der verlorenen Gießform besteht, und ob dieser bei der angegriffenen Ausführungsform erzielt wird. Der Sinngehalt des Verfügungspatents erschöpft sich jedenfalls nicht in dem Gedanken, das Betondruckelement nicht „nackt“ in das Bauelement einzusetzen, sondern es gibt darüber hinaus explizit vor, mit welcher Umkleidung – nämlich gerade derjenigen der verlorenen Gießform – es Bestandteil des Bauelements werden soll. Vor diesem Hintergrund ist auch das in der mündlichen Verhandlung angebrachte Argument der Verfügungsklägerin, wonach die Endkappen mit demselben Werkzeug wie die Gießform hergestellt werden, unerheblich.

Weder in den Unteransprüchen noch in irgendeiner Passage der Beschreibung des Verfügungspatents erhält der Fachmann auch nur den geringsten Anhalt dafür, dass dem Verständnis des Verfügungspatents auch eine Lösung immanent sein könnte, bei der die verlorene Gießform selbst nicht Bestandteil des Bauelements zur Wärmedämmung ist. Entsprechende Quellen vermochte dementsprechend auch die Verfügungsklägerin nicht zu benennen. Deshalb muss sie sich an einem entsprechend engen Verständnis, wie es in den Ansprüchen des Verfügungspatents zum Ausdruck kommt und das sie mit Rücksicht auf den Stand der Technik mit Bedacht gewählt haben dürfte, festhalten lassen.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin dürfen ihre Wettbewerber vor diesem Hintergrund darauf vertrauen, dass Lösungen, denen zufolge die (verlorene) Gießform nicht Bestandteil des Bauelementes zur Wärmedämmung wird, nicht der technischen Lehre des Verfügungspatents unterfallen. Von diesem Vertrauensschutz sind auch die Verfügungsbeklagten nicht ausgenommen. Soweit die Verfügungsklägerin diesbezüglich argumentiert, die Verfügungsbeklagte zu 1) habe eine simple Umgehungslösung zur früheren, von der Kammer als patentverletzend eingestuften Ausführungsform entwickeln wollen, verfängt dieser Hinweis nicht. Es ist vielmehr legitim, technische Lösungen zu entwickeln, mittels derer in nicht patentverletzender, das heißt nicht einmal äquivalenter Weise Bauelemente zur Wärmedämmung hergestellt werden, welche im Wesentlichen die mit dem Verfügungspatent intendierten Vorteile verwirklichen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.