4b O 38/11 – Regalsystem

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1711

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. August 2011, Az. 4b O 38/11

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.859,80 EUR zzgl. Zinsen aus 20.000 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 2.3.2011 bis zum 9.6.2011 sowie aus 20.859,80 EUR für die Zeit ab dem 10.6.2011 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV. Der Streitwert beträgt 20.000 EUR.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin vertreibt in Nachfolge der A GmbH, B, ein seit den 1970er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland eingeführtes und bekanntes Regalsystem für den Ladenbau (vgl. Anlagenkonvolut B 2).

Unter dem 25.2.2008 reichte die Klägerin gegen die Beklagte die aus der Anlage K 2 ersichtliche Klageschrift ein. Im Juni 2008 schlossen die Parteien den aus Anlage K 1 ersichtlichen außergerichtlichen Vergleich, mit dem die Beklagte sich gemäß Ziffer 1. verpflichtete:

„es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Vertragsstrafe in Höhe von € 10.000 zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Regalsysteme für den Ladenbau anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, die Gegenstand der gegen ihre Partei erhobenen und beim Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 81 O 39/08 anhängigen Klage sind (Klageschrift vom 25.02.2008)“.

Anlässlich der Messe C 2011 stellte die Beklagte auf ihrem Messestand Regalsysteme für den Ladenbau aus (vgl. Abbildungen in Anlage K 3). Ferner verteilte die Beklagte Kataloge, von denen Auszüge als Anlagen K 4 und K 5 zur Akte gereicht wurden. Mit Schreiben vom 26.2.2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Regale unverzüglich vom Messestand zu entfernen (Anlage K 6). Daraufhin änderte die Beklagte die Regale derart ab, dass die rote Kunststoffpreisschiene (vgl. erste Abbildungen in Anlage K 3) von der Vorderseite der Fachböden entfernt wurde. Im Übrigen blieb der Aufbau der Regale unverändert. Daraufhin sprach die Klägerin eine zweite Abmahnung aus (Anlage K 7).

Die Klägerin behauptet, Mitarbeiter der Beklagten hätten bestätigt, dass die in den Katalogen abgebildeten Regale auch nach Deutschland vertrieben würden. Die Beklagte habe durch die – unstreitige – Ausstellung auf der Messe C 2011 und durch das – unstreitige – Verteilen der Kataloge zumindest gegen den Kern der vereinbarten, strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie ursprünglich mit der Klageschrift Zahlung von 20.000 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt hat, zuletzt mit Schriftsatz vom 6.6.2011

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es fehle an der für den Verfall einer Vertragsstrafe notwendigen Identität der auf der Messe C 2011 ausgestellten Regale mit jenen, die allein Gegenstand des Vertragsstrafeversprechens sind. Es bestehe keine verwechslungsfähige Ähnlichkeit mehr; hierzu verweist die Beklagte auf die Bilder gemäß Anlagenkonvolut B 1. Zudem setze der Verfall der Vertragsstrafe eine Herkunftstäuschung voraus; auch daran fehle es vorliegend. Jedenfalls seien die auf der Messe C 2011 ausgestellten Regale nicht von der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung erfasst.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 2.3.2011, die Klageerweiterung vom 6.6.2011 ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 10.6.2011 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet.

Die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ergibt sich jedenfalls aus § 39 ZPO (analog).

I.
1)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 20.000 EUR aus Ziffer 1. des unstreitig im Juni 2008 geschlossenen Vergleichs gemäß Anlage K 1 in Verbindung mit § 339 S. 2 BGB.

Unstreitig bot die Beklagte auf der Messe C 2011 Regalsysteme für den Ladenbau an (vgl. Fotos gemäß Anlage K 3 sowie die auf der Messe verteilten Kataloge gemäß Anlagen K 4 und K 5). Die betreffenden Handlungen stellen eine objektive Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. des Vergleichs vereinbarte Unterlassungsverpflichtung dar, so dass eine Vertragsstrafe gemäß § 339 S. 2 BGB verwirkt ist.

a)
Die Voraussetzung eines „wirksamen Vertragsstrafeversprechens“ liegt vor. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass der Klägerin zumindest aufgrund des dem Vergleichschluss vorangegangenen Geschehens ein Unterlassungs- und ein Schadensersatzanspruch zustanden, so dass das Erfordernis der Akzessorietät der Vertragsstrafe zur Hauptverbindlichkeit gewahrt ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB; 70. Auflage, § 339 Rn 13).

b)
Für den Fall, dass ein verbotenes Verhalten in einer Strafabrede konkret umschrieben ist, gilt grundsätzlich, dass die Frage nach dem Strafverfall ausschließlich nach der Primärpflicht und nicht etwa nach der Strafabrede zu beantworten ist (Staudinger/Rieble, BGB, Nebearbeitung 2009, § 339 Rn 286). Es muss dann gefragt werden, ob der Gläubiger auch Unterlassung des konkret vorgenommenen Schuldnerverhaltens verlangen konnte, wobei die Identität von Verbot und Verstoß durch Auslegung der Unterlassungsabrede zu bestimmen ist (Staudinger/Rieble, a.a.O., § 339 Rn 287). Aus der Primärpflicht ergibt sich ein umgehungsfester Kern, gegen den auch bei “unbedeutend“ veränderter Einzelheit verstoßen wird, also ähnlich der Kerntheorie, wie sie bei Unterlassungstiteln im Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO angewandt wird. Nach herrschender Meinung ergeben sich jedoch Differenzen aufgrund der Rechtsnatur des Titels und der echten Ahndungsfunktion des § 890 ZPO, bei dem deshalb eine restriktive Auslegung geboten ist, so dass im Falle des § 890 ZPO nur “gleiches, aber nicht ähnliches“ Verhalten sanktioniert werden darf. Für Vertragsstrafeversprechen gibt es jedoch keinen Grundsatz “enger“ Auslegung von vertraglichen Unterlassungspflichten (vgl. nur BGH 1991, 1318 – Preisvergleichsliste; vgl. auch BGH, GRUR 2010, 749 – Erinnerungswerbung im Internet; vgl. OLG Hamm, BeckRS 2011, 01572; Staudinger/Rieble, a.a.O., § 339 Rn 288). Im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung kann eine vertragliche Unterlassungspflicht daher auch auf ähnliche und verwandte Verletzungsformen zu erstrecken sein.

Die Auslegung der in Ziffer 1 des Vergleichs gemäß Anlage K 1 versprochenen Unterlassungsverpflichtung ergibt, dass trotz einer – zugunsten der Beklagten anzunehmenden – nicht vorhandenen Identität im Vergleich mit den seinerzeit betroffenen Regalsystemen die nunmehr streitgegenständlichen Regalsysteme vom Umfang der verienbarten Uunterlassungsverpflichtug erfasst werden. Aus der Bezugnahme auf die seinerzeitige Klageschrift folgt bei verständiger Würdigung nicht, dass nur solche Regalsysteme erfasst sein sollten, die eine exakte Identität mit den dortigen Abbildungen aufweisen. Dafür spricht insbesondere, dass mit der Vereinbarung einer Unterlassungsverpflichtung regelmäßig eine Wiederholunsgefahr ausgeräumt werden soll (vgl. BGH NJW 1997, 3087 – Sekundenschnell; vgl. BGH NJW 2003, 1278 – Olympiasiegerin), so dass die Beklagte die Regelung sinnvollerweise nur derart verstehen konnte, dass auch das Anbieten pp. solcher Regalsysteme untersagt ist, die zwar nicht identisch, aber doch ähnlich sind und ihrerseits einen sklavischen Nachbau darstellen. Konkrete Gesichtspunkte, die für eine engere Auslegung der Ziffer 1. sprechen könnten, vermochte die Beklagte selbst nicht aufzuzeigen.

Die nunmehr streitgegenständlichen Regalsysteme sind „kerngleich“ mit den in der Unterlassunsverpflichtung bezeichneten Ausführungsformen. Das Oberlandesgericht Köln hat die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Regalsystems auf folgende Gesichtspunkte gestützt (vgl. Anlage rop 3 zur Anlage K 2, S. 12 f.)):

– Anordnung und spezifische Formgebung der Konsolen und der Fachböden, die an ihren Vorderseiten von unten nach oben abgeschrägt sind;

– charkteristische H-Lochung aufweisende Säulen, wobei in Verbindung mit den vier schmalen Schlitzen an der vorderen Schmalseite der Fußteile eine prägnante und eigenständige Gesamtanmutung hervorgerufen wird.

Die Beklagte vermag keine speziellen Abwandlungen, die gerade diese Komponenten betreffen, zu benennen. Dass teilweise Regale andersfarbig gestaltet sind als in den früher angegriffenen Regalsystemen, ist unerheblich; aus der Farbe hat das OLG Köln die wettbewerbliche Eigenart gerade nicht abgeleitet.

c)
Auch für Vertragsstrafeversprechen betreffend Unterlassungsverpflichtungen gilt ein Verschuldenserfordernis, selbst wenn dieses nicht ausdrücklicher Gegenstand der Strafabrede ist (Palandt/Grüneberg, § 339 Rn 15). Der Schuldner muss den Entlastungsbeweis führen (BGH NJW-RR 2003, 1278 – Olympiasiegerin). Letzterer ist der Beklagten nicht gelungen. Sie macht insoweit allein geltend, sie sei dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten gefolgt. Dessen Verschulden muss sie sich nach § 278 BGB zurechnen lassen.

d)
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, das Vertragsstrafeversprechen sei ergänzend so auszulegen, dass nur das Anbieten pp. solcher Regalsysteme erlaubt sei, die auch zu einer Herkunftstäuschung führen, ist ihr diesbezüglicher Vortrag unerheblich.

Zum einen hat die Klägerin unwidersprochen dargetan, dass auf der Messe und in den Katalogen keine durchgehende Herkunftskennzeichnung aller angebotenen Regale von der Beklagten vorgenommen wurde.

Zum anderen verkennt die Beklagte, dass der Umstand, dass die Regalsysteme auf ihrem Messestand ausgestellt wurden, einer Herkunftstäuschung nicht entgegen stehen kann. Denn es gibt keinen Grundsatz, dass der Hersteller von Gegenständen und der Aussteller derselben auf einer Messe stets identisch sind. Insofern schließen die maßgeblichen Verkehrskreise aus der Aussteller- nicht auf die Herstellereigenschaft.

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Grundsätze der BGH-Entscheidung „Modulgerüst“ (BGH GRUR 2001, 521, 524) oder die von der Klägerin als Anlage K 9 vorgelegte Entscheidung des Oberlandesgerichst Köln auf den vorliegenden Fall übertragbar wäre.

e)
Zu Recht macht die Klägerin zwei zu ahndende Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung in Ziffer 1. gemäß Anlage K 1 geltend.

Verspricht ein Schuldner die Zahlung einer Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“, kann die Auslegung des Versprechens ergeben, dass mehrere zeitlich nicht zu weit auseinander liegende Einzelverstöße, die auf fahrlässigem Verhalten beruhen, als eine Zuwiderhandlung anzusehen sind. Ist es zu einer Vielzahl von Einzelverstößen gekommen, ist zu prüfen, ob eine natürliche Handlungseinheit vorliegt (BGHZ 146, 318, 326 – Trainingsvertrag; enger nunmehr wohl BGH, GRUR 2009, 181 – Kinderwärmekissen; vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn 576). Letztere zeichnet sich durch einen engen Zusammenhang der Einzelakte und durch eine auch für Dritte äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Einheit aus.

Es kann offen bleiben, ob zwischen dem Ausstellen von Regalsystemen und dem Verteilen von Katalogen auf der Messe C 2011 ein derartiger enger Zusammenhang anzunehmen ist. Jedenfalls setzte die Beklagte ihr dementsprechendes durch Abmahnung angegriffenes Handeln (vgl. Anlage K 6) anschließend im Kern unverändert fort, so dass ihr nach erfolgter Abmahnung Vorsatz zur Last fiel. Insofern liegen zwei selbständige Verstöße zumindest deshalb vor, weil es durch die Abmahnung zu einer zeitlichen Zäsur kam.

Die vertraglich vereinbarte Höhe für einen einzelnen Verstoß von 10.000 EUR greift die Beklagte zu Recht nicht an.

2)
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 859,80 EUR ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bzw. §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB in Verbindung mit §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV RVG auf der Basis einer Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 aus einem Streitwert von 20.000 EUR.

3)
Die zuerkannten Rechtshängigkeitszinsen finden ihre Grundlage in §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.