4b O 37/10 – Reflektorelement

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1594

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Mai 2011, Az. 4b O 37/10

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem europäischen Patent 1 632 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht, Vernichtung sowie Rückruf aus den Vertriebswegen in Anspruch. Das Klagepatent (Anlage K1) wurde am 18.08.2005 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 02.09.2004 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 08.03.2006. Am 15.07.2009 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.

Die Beklagte hat unter dem 15.04.2010 Einspruch gegen das Klagepatent eingelegt (vgl. Anlage B1). Des Weiteren ist gegen das Klagepatent ein Einspruch der A GmbH & Co. KG vom 13.04.2010 anhängig (Anlage B2). Über beide Einsprüche wurde noch nicht entschieden.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Leuchte zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen“. Sein hier allein maßgeblicher Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

„Leuchte zur homogenen Ausleuchtung von Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen, umfassend ein im Wesentlichen schalenartig gewölbtes, im wesentlichen rotationssymmetrisch ausgebildetes Reflektorelement (10), in dessen Innenraum (21) wenigstens eine Lampe anordenbar ist, von der ausgehend Licht zumindest teilweise erst nach Reflektion oder Streuung an der Innenseite (27) des Reflektorelementes zu der auszuleuchtenden Gebäudefläche oder der Gebäudeteilfläche gelangt, wobei die Innenseite des Reflektorelementes in eine Vielzahl von strukturiert angeordneten Segmenten (15a, 15b, 15c, 15d, 32, 38) unterteilt ist, wobei die Segmente jeweils eine zum Innenraum hin gewölbte, zweifach gekrümmte Oberfläche (31a, 31b, 31c, 36, 37, 40) aufweisen, die eine erste Krümmung mit einem ersten Radius (r1) und eine zweite Krümmung mit einem zweiten Radius (r2) aufweist, wobei eine Vielzahl von Segmenten entlang dem Umfang des Reflektorelementes im Wesentlichen kreisringartig angeordnet sind, und wobei die Segmente einer Gruppe eine konstante Krümmung aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die Krümmungsradien der Segmente mit zunehmendem Abstand der Segmente zum Scheitelbereich des Reflektorelementes zunehmen.“

Die nachfolgend (verkleinert) wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift veranschaulichen den Gegenstand der erfindungsgemäßen Lehre anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 stellt in schematischer Untenansicht ein Reflektorelement mit einer Vielzahl von Segmenten dar, während Figur 2 die Schnittansicht entlang der Schnittlinie II-II in Figur 1 zeigt.

Zu den von der Beklagten angebotenen und vertriebenen Produkten zählen unter anderem Reflektorelemente mit den Modellnummern B, C und D (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen). Beispielhaft ist die Ausgestaltung des Reflektorelementes mit der Modellnummer C anhand des als Anlage K8 zur Akte gereichten Musters sowie der nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen (Anlage K4) erkennbar:

Das vorstehend wiedergegebene Reflektorelement ist schalenartig gewölbt und im Wesentlichen rotationssymmetrisch ausgebildet. Die Innenseite ist in eine Vielzahl von strukturiert angeordneten Segmenten unterteilt. Die Oberfläche dieser Segmente ist zum Innenraum hin gewölbt, wobei die genaue Ausgestaltung der Krümmung zwischen den Parteien streitig ist.

Nach Auffassung der Klägerin machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents unmittelbar, zumindest jedoch mittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Die Annahme einer unmittelbaren Patentverletzung setze nicht voraus, dass auch eine Leuchte hergestellt und vertrieben werde. Denn diese sei eine für die Erfindung nicht interessierende Nebensächlichkeit; die technische Lehre des Klagepatents werde ausschließlich durch den Reflektor gekennzeichnet. Weiter erfordere der Klagepatentanspruch 1 nicht, dass es innerhalb eines Segmentes nur zwei festgelegte Krümmungsradien r1 und r2 gebe, die exakt mathematisch bestimmt und verwirklicht sein müssten. Vielmehr erkenne der Fachmann, dass es vordringlich um die Verwirklichung eines Segmentrasters bzw. Segmentmusters gehe, durch das eine bestimmte Abstrahlcharakteristik der Leuchte vorherbestimmt werden könne. Insofern verstehe der Fachmann auch die Vorgabe, dass Segmente einer Gruppe eine konstante Krümmung aufweisen sollen, dahingehend, dass unter Berücksichtigung von Fertigungstoleranzen und Messungenauigkeiten eine weitgehende Konstanz erreicht werden solle. Vor diesem Hintergrund seien die angegriffenen Ausführungsformen, jedenfalls aber das Reflektorelement mit der Modellnummer C, erfindungsgemäß ausgestaltet. Dies zeige sich anhand der von der E GmbH durchgeführten Messungen (vgl. Anlagen K4, K7, K7a, K7b). Dabei sei das Reflektorelement mittels eines rotierenden Lasers erfasst und abgegriffen und sodann graphisch dargestellt worden. Die Krümmungsradien seien anhand bestimmter Schnittebenen bestimmt worden. Hiernach würden die einzelnen Segmente eine zweifach gekrümmte Oberfläche mit einem ersten Krümmungsradius r1 und einem zweiten Krümmungsradius r2 aufweisen, wobei sowohl der Krümmungsradius r1 als auch der Krümmungsradius r2 vom Scheitel des Reflektorelementes aus gesehen zum Rand hin kontinuierlich zunehme. Hierdurch trete der erfindungsgemäße Effekt ein, dass die Facettensegmente im Randbereich flacher seien und daher weniger Licht auffächern würden als die Facettensegmente im Innenbereich.

Nachdem die Klägerin ihre zunächst nur auf eine unmittelbare Patentverletzung gerichtete Klage in der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 um einen Hilfsantrag ergänzt hat, mit dem sie nunmehr auch eine mittelbare Patentverletzung geltend macht, beantragt sie zuletzt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Leuchten zur homogenen Ausleuchtung von Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen,
umfassend ein im Wesentlichen schalenartig gewölbtes, im Wesentlichen rotationssymmetrisch ausgebildetes Reflektorelement,
in dessen Innenraum wenigstens eine Lampe anordenbar ist, von der ausgehend Licht zumindest teilweise erst nach Reflektion oder Streuung an der Innenseite des Reflektorelementes zu der auszuleuchtenden Gebäudefläche oder der Gebäudeteilfläche gelangt,
wobei die Innenseite des Reflektorelementes in eine Vielzahl von strukturiert angeordneten Segmenten unterteilt ist,
wobei die Segmente jeweils eine zum Innenraum hin gewölbte, zweifach gekrümmte Oberfläche aufweisen, die eine erste Krümmung mit einem ersten Radius r1 und eine zweite Krümmung mit einem zweiten Radius r2 aufweist,
wobei eine Vielzahl von Segmenten entlang dem Umfang des Reflektorelementes im Wesentlichen kreisringartig angeordnet sind,
wobei die Segmente einer Gruppe eine konstante Krümmung aufweisen,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Krümmungsradien der Segmente mit zunehmendem Abstand der Segmente zum Scheitelbereich des Reflektorelementes zunehmen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15.08.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

4. die unter I. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte (Kaufpreis oder ein sonstiges Äquivalent) zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 15.08.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

hilfsweise

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

im Wesentlichen schalenartig gewölbte, im Wesentlichen rotationssymmetrisch ausgebildete Reflektorelemente, die für Leuchten zur homogenen Ausleuchtung von Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen geeignet sind,
in deren Innenraum wenigstens eine Lampe anordenbar ist, von der ausgehend Licht zumindest teilweise erst nach Reflektion oder Streuung an der Innenseite des Reflektorelementes zu der auszuleuchtenden Gebäudefläche oder der Gebäudeteilfläche gelangt,
wobei die Innenseite des Reflektorelementes in eine Vielzahl von strukturiert angeordneten Segmenten unterteilt ist,
wobei die Segmente jeweils eine zum Innenraum hin gewölbte, zweifach gekrümmte Oberfläche aufweisen, die eine erste Krümmung mit einem ersten Radius r1 und eine zweite Krümmung mit einem zweiten Radius r2 aufweist,
wobei eine Vielzahl von Segmenten entlang dem Umfang des Reflektorelementes im Wesentlichen kreisringartig angeordnet sind,
wobei die Segmente einer Gruppe eine konstante Krümmung aufweisen,

Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,

wobei die Krümmungsradien der Segmente mit zunehmendem Abstand der Segmente zum Scheitelbereich des Reflektorelementes zunehmen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15.08.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (sowie ggf. Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 15.08.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer über die gegen die Erteilung des Klagepatents eingelegten Einsprüche auszusetzen,
weiter hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen. Eine unmittelbare Verletzung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte lediglich das Reflektorelement herstelle, nicht aber eine hierzu passende Leuchte. Im Übrigen seien aber auch die angegriffenen Reflektorelemente nicht erfindungsgemäß ausgestaltet. Diese würden weder einen ersten und zweiten Krümmungsradius r1 und r2 aufweisen, noch sei die Krümmung der einzelnen Segmente innerhalb einer Gruppe konstant. Die technische Lehre des Klagepatents setze insofern voraus, dass die Wölbung jedes einzelnen Segmentes durch zwei exakt vorgegebene Krümmungsradien r1 und r2 vollständig beschrieben werde, so dass jeder Punkt der Wölbung jeweils auf diesen beiden Krümmungsradien liege. Die Krümmung in jeweils einer Richtung habe konstant zu sein. Dies sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall. Vielmehr seien die Randbereiche jedes Segmentes „abgeflacht“. Der Krümmungswinkel variiere dabei in jedem Punkt. Einen in einer Richtung konstanten Krümmungswinkel gebe es nicht. Die Messungen der E GmbH seien zur Feststellung der Oberflächenwölbung der Segmente schon deshalb ungeeignet, weil jeweils nur die Krümmung des Segmentes an einer einzigen Schnittebene gemessen worden sei. Dadurch könne die Variation der Wölbung nicht richtig dargestellt werden. Im Übrigen sei aber auch bereits nach den Messungen der E GmbH innerhalb einer Gruppe keine konstante Krümmung der Segmente gegeben. Denn nach den von der Klägerin vorgelegten Messergebnissen würden die Krümmungsradien der Segmente einer Gruppe teilweise über 10 % auseinander liegen. Diese Abweichung überschreite das Maß zulässiger Fertigungstoleranzen und Messungenauigkeiten bei weitem. Hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass der Rechtsstreit im Hinblick auf die gegen das Klagepatent gerichteten Einsprüche auszusetzen sei, da der Gegenstand des Klagepatentanspruchs 1 weder neu noch erfinderisch sei.

Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage zunächst drei verschiedene Reflektorelemente der Beklagten angegriffen hat und hierüber im frühen ersten Termin vom 27.04.2010 verhandelt hat, hat sie ihre Klage in der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 auf das Reflektorelement mit der Modellnummer C beschränkt. Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme widersprochen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht, Vernichtung sowie Rückruf aus den Vertriebswegen (Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 1 u. 3, 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB) nicht zu. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents weder unmittelbar noch mittelbar Gebrauch.

I.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Reflektorelemente mit den Modellnummern B, C und D. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 ihre Klage bezüglich der Reflektorelemente mit den Modellnummern B und D zurückgenommen hat, ist diese Klagerücknahme infolge des von der Beklagten erklärten Widerspruchs unwirksam. Die Einwilligung der Beklagten zu der teilweisen Klagerücknahme war erforderlich, nachdem im frühen ersten Termin vom 27.04.2010 bereits über die Hauptsache verhandelt worden war (§ 269 Abs. 1 ZPO).

II.
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft eine Leuchte zur homogenen Ausleuchtung von Gebäudeflächen und Gebäudeteilflächen (Anlage K1 Abs. [0001]).

Als Stand der Technik beschreibt die Klagepatentschrift Leuchten, die ein im Wesentlichen parabolförmig ausgestaltetes Reflektorelement aus Aluminium aufweisen. An der Innenseite des Reflektorelementes befindet sich eine Vielzahl von Segmenten mit einer jeweils im Wesentlichen ebenen Oberfläche (Anlage K1 Abs. [0002])

Das Klagepatent sieht bei den im Stand der Technik bekannten Reflektorelementen das Problem, dass bei der Verwendung von im Wesentlichen ebenen Reflektionsflächen nach dem Reflektionsgesetz des Euklid der Ausfallwinkel des auf die Oberfläche auftreffenden Lichtstrahls stets seinem Einfallswinkel entspricht, was eine relativ hohe Leuchtdichte zur Folge hat, die wiederum mit einem wenig homogenen Abstrahlverhalten der Leuchte einhergeht, (Anlage K1 Abs. [0005], [0006]).

Vor diesem Hintergrund formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe, die bekannte Leuchte derart weiterzubilden, dass eine homogenere Ausleuchtung der Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen ermöglicht wird (Anlage K1 Abs. [0003]).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Klagepatent in seinem hier maßgeblichen Anspruch 1 eine Leuchte mit folgenden Merkmalen vor:

1. Leuchte zur homogenen Ausleuchtung von Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen,
2. umfassend ein im wesentlichen schalenartig gewölbtes, im wesentlichen rotationssymmetrisch ausgebildetes Reflektorelement (10),
3. in dessen Innenraum (21) wenigstens eine Lampe anordenbar ist, von der ausgehend Licht zumindest teilweise erst nach Reflektion oder Streuung an der Innenseite (27) des Reflektorelementes zu der auszuleuchtenden Gebäudefläche oder der Gebäudeteilfläche gelangt,
4. wobei die Innenseite des Reflektorelementes in eine Vielzahl von strukturiert angeordneten Segmenten (15a, 15b, 15c, 15d, 32, 38) unterteilt ist,
5. wobei die Segmente jeweils eine zum Innenraum hin gewölbte, zweifach gekrümmte Oberfläche (31a, 31b, 31c, 36, 37, 40) aufweisen, die eine erste Krümmung mit einem ersten Radius (r1) und eine zweite Krümmung mit einem zweiten Radius (r2) aufweist,
6. wobei eine Vielzahl von Segmenten entlang dem Umfang des Reflektorelementes im Wesentlichen kreisringartig angeordnet sind,
7. wobei die Segmente einer Gruppe eine konstante Krümmung aufweisen,
8. wobei die Krümmungsradien der Segmente mit zunehmendem Abstand der Segmente zum Scheitelbereich des Reflektorelementes zunehmen.

Eine dergestalt ausgestaltete Leuchte führt nicht nur zu einer Vergleichmäßigung des gestreuten Lichts (Anlage K1 Abs. [0005]), sondern macht auch das Abstrahlverhalten der Leuchte vorherbestimmbar (Anlage K1 Abs. [0008]). Ersteres wird durch das Vorsehen einer gewölbten statt einer planen Oberfläche der einzelnen Segmente verwirklicht, letzteres durch eine entsprechende Wahl der Krümmungsradien.

Dabei führen kleinere Radien (= stärkere Wölbung) zu einer größeren Auffächerung des Lichtbündels und sind daher vorzugsweise anzuwenden, wenn die Leuchte als Fluter eingesetzt werden soll. Größere Krümmungsradien (= schwächere Wölbung) hingegen fächern parallele Lichtstrahlen weniger stark auf und werden daher vorzugsweise verwendet, wenn die Leuchte als Spot eingesetzt werden soll (Anlage K1 Abs. [0008]).

Die erfindungsgemäße Wölbung der Oberfläche der Segmente entsprechend den Krümmungsradien r1 und r2 lässt sich anhand der nachfolgend wiedergegebenen Figuren 5 und 6 der Klagepatentschrift erkennen:

Die Figuren zeigen vergrößerte Ausschnitte eines erfindungsgemäßen Reflektorelementes, bei dem die einzelnen Segmente unterschiedlich gewölbte Oberflächen aufweisen. Figur 5 stellt einen Vertikalschnitt durch das Reflektorelement dar, während Figur 6 einen horizontalen Schnitt zeigt (Anlage K1 Abs. [0040]).

In der Figur 5 ist gezeigt, dass beispielsweise die Oberfläche des Segmentes 26a in einem Radius r1 um eine schematisch (durch ein Kreuz) angedeutete Krümmungsachse 39 gekrümmt ist. Dabei ist die Krümmungsachse 39 im Wesentlichen senkrecht zu der Längsmittelachse I des Reflektorelementes 10 ausgerichtet (Anlage K1 Abs. [0050]).

In der Figur 6 ist der Krümmungsradius r2 angedeutet. Dieser bezeichnet die Krümmung um eine Krümmungsachse, die gemeinsam mit der Längsmittelachse I des Reflektorelementes eine Ebene definiert. Diese Ebene wiederum stellt eine Schnittebene für das Reflektorelement dar, entlang derer das Reflektorelement mittels eines Längsschnitts in zwei im Wesentlichen identische Hälften geschnitten werden kann (Anlage K1 Abs. [0047]).

Für die technische Lehre des Klagepatents ist die Einteilung der Segmente in Gruppen von großer Bedeutung. Nach Merkmal 6 bilden diejenigen Segmente eine Gruppe, die entlang dem Umfang des Reflektorelementes im Wesentlichen kreisringartig angeordnet sind. Diese Segmente sollen nach Merkmal 7 eine konstante Krümmung aufweisen. Im Gegensatz dazu nehmen die Krümmungsradien der Segmente (verschiedener Gruppen) mit zunehmendem Abstand der Segmente zum Scheitelbereich des Reflektorelementes gemäß Merkmal 8 zu, d.h. die Wölbung der einzelnen Segmente wird ausgehend vom Scheitelbereich des Reflektorelementes zum Rand hin immer schwächer. Auf diese Weise wird die Strahlung am Rand des Reflektorelementes weniger stark aufgefächert als im Bereich des Scheitelpunktes des Reflektorelementes.

III.
Die Kammer vermag weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 durch die angegriffenen Reflektorelemente der Beklagten festzustellen. Es fehlt an einer Verwirklichung des Merkmals 7 durch die angegriffenen Ausführungsformen. Unter einer „konstanten“ Krümmung versteht der Fachmann, dass die Radien der Segmente innerhalb einer kreisringförmigen Gruppe gleich bleiben. Vor dem Hintergrund, dass das Klagepatent ein im Wesentlichen rotationssymmetrisches Reflektorelement beansprucht (vgl. Merkmal 2), hat der Fachmann keinen Anhalt dafür, dass „konstant“ endlos als im Sinne von „gleich bleibend“ zu verstehen sei. Der Wortsinn von „konstant“ geht demnach dahin, dass sich die Segmentration in der kreisringförmigen Gruppe nicht (wesentlich) unterscheiden dürfen, mithin abgesehen von Fertigungstoleranzen gleich sind. Das belegt auch der Absatz [0046], welcher zwar die Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform betrifft, insoweit jedoch den allgemeinen technischen Lehrinhalt wiedergibt: Die Segmente der Gruppe 29e sollen einen konstanten Krümmungsradius r2 aufweisen. Auch insoweit hat der Fachmann also keinen Anlass, Radiendifferenzen zwischen den Segmenten einer Gruppe als erfindungsgemäß anzusehen, soweit diese nicht ausschließlich Fertigungstoleranzen geschuldet sind.

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Reflektorelemente mit den Modellnummern B und D fehlt es bereits an substantiiertem Sachvortrag der Klägerin zu deren konkreter Ausgestaltung. Messungen wurden diesbezüglich nicht vorgelegt. Bezüglich des im Einzelnen von der E GmbH vermessenen Reflektorelementes mit der Modellnummer C ist jedenfalls eine innerhalb jeder Gruppe von Segmenten konstante Krümmung im Sinne des Merkmals 7 nicht schlüssig vorgetragen, da die vorgelegten Messergebnisse eine solche nicht bestätigen. Vielmehr belegen die von der Klägerin vorgelegten Messergebnisse, dass die Krümmung der Segmente innerhalb einer Gruppe teilweise erheblich voneinander abweicht.

So ist etwa hinsichtlich des Krümmungsradius r1 aus der Anlage K4 (letzte Seite) in der Gruppe 2 zwischen den Schnittebenen B und C eine Differenz von 0,62 mm ersichtlich. Dies entspricht ausgehend von dem Minimalwert von 4,44 mm einer prozentualen Zunahme des Krümmungsradius r1 von 13 %. In der Gruppe 6 zeigt sich zwischen den Schnittebenen B und C eine Abweichung von 0,74 mm, was ausgehend von dem Minimalwert von 5,98 mm einer prozentualen Zunahme des Krümmungsradius r1 von 12 % entspricht. In der Gruppe 8 zeigt sich zwischen den Schnittebenen B und C gar eine Abweichung von 2,52 mm, d.h. ausgehend von dem Minimalwert von 15,6 mm eine prozentuale Zunahme des Krümmungsradius r1 von 16 %. Der Verlauf der Schnittebenen A, B und C ist anhand der Abbildung auf Seite 8 der Anlage K4 erkennbar; diese verlaufen jeweils vom Scheitelpunkt des Reflektorelementes zu seinem Rand.

Noch deutlicher werden die Abweichungen angesichts der erst in der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 vorgelegten Messergebnisse aus Anlage K7b, die den Krümmungsradius r2 betreffen. Im Gegensatz zu der ursprünglich vorgelegten Anlage K7 werden in Anlage K7b die Messergebnisse sehr viel genauer dargestellt. Der Verlauf der Schnittebenen, die mit Buchstaben von A bis M gekennzeichnet sind, ist auf Seite 3 der Anlage K7a erkennbar; sie verlaufen horizontal durch die Gruppen von Segmenten im Sinne von Merkmal 6. Die im Segmentraster vertikal übereinander angeordneten Segmente sind in Anlage K7b jeweils unter den Nummern 1 bis 30 erfasst. In der Schnittebene A ist eine Abweichung von 4,02 mm zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert des Krümmungsradius r2 feststellbar. Dies bedeutet ausgehend vom niedrigsten Wert eine prozentuale Zunahme des Krümmungsradius r2 von 18 %. In der Schnittebene E unterscheiden sich der niedrigste und der höchste Wert um 1,09 mm. Dies entspricht ausgehend vom Minimalwert einer prozentualen Zunahme des Krümmungsradius r2 von 10 %. In der Schnittebene L beträgt die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert 0,28 mm, was einer prozentualen Zunahme des Krümmungsradius r2 von 15 % entspricht. In der Schnittebene M ist ausgehend von dem niedrigsten Wert gar eine prozentuale Zunahme des Krümmungsradius r2 von 20 % feststellbar, wobei die absolute Differenz zwischen dem Minimal- und dem Maximalwert 0,19 mm beträgt.

Soweit die Klägerin demgegenüber nicht auf die Differenz zwischen den Minimal- und Maximalwerten, sondern vielmehr auf die höchste Abweichung vom Mittelwert abstellt, findet diese Vorgehensweise nach Auffassung der Kammer in der Klagepatentschrift keine Grundlage. Ungeachtet dessen sind aber auch in diesem Fall nicht nur unerhebliche Abweichungen der Oberflächenkrümmung von Segmenten derselben Gruppe feststellbar. So lassen sich der Anlage K4 im Hinblick auf den Krümmungsradius r1 Abweichungen vom Mittelwert von bis zu 8 % (Gruppe 8) entnehmen. Die Anlage K7b enthält Abweichungen vom Mittelwert von bis zu 10 % (Schnittebene M).

Wie insbesondere die Werte aus Anlage K7b zeigen, kommen besonders hohe prozentuale Abweichungen nicht etwa nur im Bereich der sehr kleinen Krümmungsradien vor, sondern sind vielmehr über das gesamte Reflektorelement hinweg feststellbar (vgl. etwa die Schnittebene A). Diese Abweichungen können nicht mehr durch Fertigungstoleranzen und Messungenauigkeiten erklärt werden. Sie führen vielmehr aus dem Schutzbereich des Klagepatentanspruchs 1 hinaus. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das im Absatz [0002] geschilderte Herstellungsverfahren die Ansicht vertritt, die hier gegebenen, erheblichen Abweichungen seien Fertigungstoleranzen geschuldet, überzeugt dies nicht. Der Anspruch 1 des Klagepatents ist ein Verrichtungsanspruch, wobei der beanspruchte Gegenstand erkennbar nicht durch eine spezifische Herstellungsweise gekennzeichnet wird. Insofern trifft es nicht zu, dass der Fachmann annehme, eine genaue Konstanz sei schon herstellungsbedingt nicht zu erzielen. Vielmehr erkennt der Fachmann, dass sich im betreffenden Stand der Technik das Erfordernis einer konstanten Krümmung der Segmente einer Gruppe gar nicht stellte, weil die Segmente im Stand der Technik eine im Wesentlichen ebene Oberfläche aufwiesen. Demgegenüber liegt der „Witz“ der Erfindung gerade darin, stattdessen gewölbte Oberflächen vorzusehen (vgl. insbesondere Absatz [0005] des Klagepatents). Soweit zur Erzielung einer konstanten Krümmung notwendig, wird der Fachmann deshalb auch die Herstellung im Vergleich zum Stand der Technik variieren.

Diese Wertung wird bestätigt durch einen Vergleich mit Merkmal 8. Insofern erkennt der Fachmann, dass die Konstanz der Krümmung nach Merkmal 7 innerhalb einer in horizontaler Schnittebene des Reflektorelementes liegenden Gruppe von Segmenten in direktem Gegensatz steht zu der in Merkmal 8 beschriebenen Veränderung der Krümmung in Richtung der vertikalen Schnittebene des Reflektorelementes. Dies führt zwingend zu der Überlegung, dass zur Verwirklichung des Merkmals 7 Abweichungen in der Krümmung jedenfalls nur in einem Maße akzeptabel sind, das weit unter dem erforderlichen Maß für eine Veränderung der Krümmung im Sinne des Merkmals 8 bleibt. Das ist bei dem Reflektorelement mit der Modellnummer C nicht der Fall.

Anhand der in Anlage K7b aufgelisteten Messergebnisse bzw. der von der Klägerin in diesem Zusammenhang errechneten Mittelwerte lässt sich folgender prozentualer Anstieg des Krümmungsradius r2 im Sinne von Merkmal 8 (ausgehend vom Scheitelbereich des Reflektorelementes bis zu seinem Rand) errechnen:

Schnittebene I Schnittebene II prozentualer Anstieg des Krümmungsradius r2 von der Schnittebene I zur Schnittebene II
M L 91 %
L K 78 %
K H 42 %
H G 49 %
G F 24 %
F E 22 %
E D 24 %
D C 20 %
C B 4 %
B A 27 %

Hiernach liegt die prozentuale Zunahme des Krümmungsradius r2 von einer Gruppe von Segmenten zur nächsten bei wenigstens 20 %, in einem Fall sogar nur bei 4 %. Vor diesem Hintergrund können die festgestellten Abweichungen von bis zu 20 % (bzw. unter Zugrundelegung von Mittelwerten von bis zu 10 %) im Hinblick auf die Krümmung der Segmente innerhalb einer Gruppe nicht mehr als „konstante Krümmung“ im Sinne des Merkmals 7 begriffen werden.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709 Satz 1 und 2, 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 500.000,- EUR festgesetzt.