4a O 157/10 – Papierbehälter-Verpackungsmaterial

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1775

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Dezember 2011, Az. 4a O 157/10

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 164 XXX B1 (Klagepatent) in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 25.01.2000 unter Inanspruchnahme von drei japanischen Prioritäten vom 27., 28. und 29.01.1999 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 20.01.2010 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von verschiedenen Seiten – darunter der Beklagten zu 1) – Einspruch beim EPA eingelegt, über den bislang noch nicht entschieden wurde.

Das Klagepatent bezieht sich auf ein mehrschichtiges Verpackungsmaterial für Papierbehälter. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache englisch ist, lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:

Verpackungsmaterial, das wenigstens Verbundschichten aus einer aus thermoplastischem Material bestehenden äußersten Schicht, einer Papiersubstratschicht, einer Sperrschicht und einer aus thermoplastischem Material bestehenden innersten Schicht umfasst und die Verbundschichten in obiger Reihenfolge laminiert enthält,
dadurch gekennzeichnet, dass die aus thermoplastischem Material bestehende innerste Schicht durch ein Extrusionslaminierungsverfahren laminiert ist und wenigstens ein lineares Polyethylen niedriger Dichte enthält, das eine enge Molmassenverteilung aufweist, und die aus thermoplastischem Material bestehende innerste Schicht die Eigenschaftsparameter einer durchschnittlichen Dichte von 0,900 – 0,915, eines Peakschmelzpunkts von 88 – 103 °C, eines Schmelzflussindex von 5 – 20, eines Schwellverhältnisses (SR) von 1,4 – 1,6 und einer Schichtdicke von 20 – 50 µm aufweist.

Die nachstehende Abbildung stammt aus dem Klagepatent und gibt ein Beispiel eines Verpackungsmaterials gemäß der Erfindung schematisch wieder.
Die Beklagte zu 1) ist die in der Schweiz ansässige Tochtergesellschaft der in China ansässigen Beklagten zu 2). Letztere liefert über die Beklagte zu 1) Verpackungsmaterial für Befüllungs- und Verpackungsfertigungslinien (angegriffene Ausführungsform) an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, darunter auch Material für 250 ml und 1.000 ml Packungen an die A eG. Dieses Verpackungsmaterial besteht aus Verbundschichten. Die innerste Schicht wiederum besteht aus thermoplastischem Material, das sich zu 70 % aus MLLDPE („metallocene linear low-density polyethylene“) des Typs B der C Company und zu 30 % aus LDPE („low-density polyethylene“) des D der E, LTD, zusammensetzt. Das Material B ist insbesondere für die Extrusionslaminierung geeignet, mit der die innerste Schicht laminiert wird. Die Dichte des thermoplastischen Materials der innersten Schicht liegt bei ungefähr 0,911 [g/cm³]. Die Schichtdicke beträgt im Mittel 23 μm und zusammen mit der Klebstoffschicht 29 μm.

Die Klägerin behauptet, sie habe die in den Milchpackungen verwendeten Verpackungslaminate selbst und durch fremde Labore untersuchen lassen. Diese hätten eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatentanspruchs nachgewiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, habe das thermoplastische Material wie bei der angegriffenen Ausführungsform mehrere Peak-Schmelzpunkte, komme es für die patentgemäße Benutzung allein auf einen Schmelzpunkt an. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs und der Beschreibung des Klagepatents, sondern auch bei der gebotenen funktionalen Betrachtung. Die drei Peak-Schmelzpunkte der innersten Schicht der angegriffenen Ausführungsform habe der TÜV Süd/China mit ungefähr 101, 116 und 124 °C ermittelt. Die Werte stimmten mit Untersuchungen der Klägerin und der Beklagten weitgehend überein.
Für die Bestimmung des Schmelzflussindex sei von den Vorgaben des im Klagepatent angegebenen JIS-Standard auszugehen. Demnach sei eine Nennlast von 2,16 kg bei 190° C erforderlich. Auch im Stand der Technik werde so verfahren. Unter diesen Parametern ergebe sich ein Schmelzflussindex von 12,5 (g/ 10 min), den sie – die Klägerin – anhand von Messungen an fertigen Verpackungslaminaten der angegriffenen Ausführungsform durchgeführt habe. Dieser ergebe sich aber auch bei Betrachtung der Schmelzflussindizes der einzelnen Bestandteile des Polymers.
Ebenso sei nach der Beschreibung des Klagepatents der JIS-Standard mit den zuvor genannten Parametern für die Bestimmung des Schwellverhältnisses maßgeblich. Dieses sei nach der Formel SR = ds/d0 zu berechnen. Unter diesen Voraussetzungen habe sie – die Klägerin – ein Schwellverhältnis von 1,50 ermittelt und anhand der fertigen Packungen von 1,14 bis 1,46, wobei hier die Messung nicht nach dem JIS-Standard habe durchgeführt werden können. Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als rechtsbeständig erweisen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland

Verpackungsmaterial, das wenigstens Verbundschichten aus einer aus thermoplastischem Material bestehenden äußersten Schicht, einer Papiersubstratschicht, einer Sperrschicht und einer aus thermoplastischem Material bestehenden innersten Schicht umfasst und die Verbundschichten in obiger Reihenfolge laminiert enthält,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei dem die aus thermoplastischem Material bestehende innerste Schicht durch ein Extrusionslaminierungsverfahren laminiert ist und wenigstens ein lineares Polyethylen niedriger Dichte enthält, das eine enge Molmassenverteilung aufweist, und die aus thermoplastischem Material bestehende innerste Schicht die Eigenschaftsparameter einer durchschnittlichen Dichte von 0,900 bis 0,915, eines Peakschmelzpunkts zwischen 88 und 103 °C, eines Schmelzflussindex von 5 bis 20, eines Schwellverhältnisses (SR) von 1,4 bis 1,6 und einer Schichtdicke von 20 bis 50 µm aufweist;

2. ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.02.2010 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege (Kopien) in Form von Rechnungen oder Lieferscheinen für die Angaben unter lit. a), insbesondere unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 20.02.2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

hilfsweise ihre im Falle des Unterliegens nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, wobei die Sicherheitsleistung auch in Form einer in der Europäischen Gemeinschaft als Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erfolgen kann.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Europäischen Patentamts laufenden Einspruchsverfahrens gegen das europäische Patent EP 1 164 XXX B1 auszusetzen,

hilfsweise ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaft er-bracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Klägerin beantragt,

den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagten bestreiten den Erwerb der von der Klägerin untersuchten Probe, die Analyse und deren Ergebnisse mit Nichtwissen. Sie bestreiten ebenfalls mit Nichtwissen, dass es sich bei dem untersuchten Verpackungsmaterial um solches aus ihrer Herstellung handele.
Weiterhin sind die Beklagten der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht wortsinngemäß verletzt. Im Klagepatent sei der Begriff „Spitzenschmelzpunkt“ mangels Festlegung der Messbedingungen nicht hinreichend definiert. Der Fachmann verstehe darunter die Temperatur, oberhalb derer das Material vollständig aus dem festen in den flüssigen Zustand übergehe. Weise ein Polymer mehrere (Spitzen-)Schmelzpunkte auf, sei daher der höchste maßgeblich. Dies ergebe sich auch aus dem Klagepatent. Das in der angegriffenen Ausführungsform verwendete Material habe drei Schmelzpunkte, von denen der höchste 124 °C habe.
Der Begriff Schmelzflussindex werde im Klagepatent ebenfalls nicht definiert und sei von der Schmelzflussrate zu unterscheiden. Selbst wenn man von der Schmelzflussrate ausginge und den in der Klagepatentschrift erwähnten JIS Standard heranzöge, seien wesentliche Testparameter nicht eindeutig. Untersuchungen der angegriffenen Ausführungsform seitens der Beklagten seien unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt worden. Es hätten sich Schmelzflussraten ergeben, die außerhalb des erfinderischen Bereichs gelegen hätten.
Auch für das im Klagepatentanspruch geforderte Schwellverhältnis gebe es zahlreiche Bedingungen, um dieses zu messen. Ein Standard existiere nicht. Selbst wenn man auf den JIS Standard zurückgreife, fehlten eindeutige Messbedingungen. Insbesondere sei unklar, mit welcher Nennlast das Polymer extrudiert und in welchem Zeitpunkt der Strangdurchmesser gemessen werden solle. Es gebe sogar zwei verschiedene Formeln, das Schwellverhältnis zu berechnen. Die Klagepatentschrift gebe dazu nichts her. Die Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform seitens der Beklagten unter verschiedenen Bedingungen habe auch bei Anwendung der Formel SR = ds/d0 kein Schwellverhältnis im erfinderischen Bereich ergeben. Untersuchungen an der Universität Erlangen-Nürnberg unter den Bedingungen des JIS Standard hätten ein Schwellverhältnis von 1,22 beziehungsweise 1,23 ergeben.
Im Übrigen meinen die Beklagten, dass sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Es gehe über den Inhalt der Anmeldung in seiner ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und beruhe daher auf einer unzulässigen Erweiterung. Darüber hinaus sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Schließlich sei die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung weder neu, noch beruhe sie auf erfinderischer Tätigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 nicht wortsinngemäß Gebrauch.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 Verpackungsmaterial für Papierbehälter, die zum Befüllen der Verpackung mit flüssigen Nahrungsmitteln geeignet sind. Regelmäßig haben diese Behälter eine Ziegelsteinform mit giebelförmigem oberem Teil. Dabei ist das kontinuierliche Verpackungsmaterial in seiner Längsrichtung gesiegelt und zu einer Schlauchform geformt. Produkte wie Fruchtsaft, Tee oder flüssige Molkereiprodukte werden in dieses schlauchförmige Verpackungsmaterial verpackt. Eine Querversiegelung wird in der Querrichtung jeweils für ein vorbestimmtes Intervall ausgebildet und das Verpackungsmaterial erhält eine Polsterform oder Kissengestalt. Anschließend wird das Verpackungsmaterial entlang dieses Querversiegelungsbereichs abgeschnitten und durch Falten einer Faltlinie in die endgültige Form eines Ziegelsteins, einer Mehrfachsäule, einer Sechskantsäule oder eines Tetraeders gebracht. Ebenso ist es möglich, einen längsgesiegelten Rohling in der vorbestimmten Form zu schneiden und, nachdem der Boden versiegelt wurde, durch die obere Öffnung mit flüssigem Nahrungsmittel zu befüllen und den oberen Teil der Verpackung anschließend zu versiegeln. Dabei wird ein Längssiegelungsabschnitt in den Papierbehältern mit der innersten Schicht oder der äußersten Schicht einer anderen Seite heißgesiegelt. Gleiches gilt für die innerste Schicht, die dem Quersiegelungsabschnitt entspricht.

Im Klagepatent wird ausgeführt, dass im Stand der Technik durch Hochdruckverfahren gewonnenes Polyethylen niedriger Dichte („Low Density Polyethylene“ – LDPE) als Bestandteil von Verpackungslaminat für herkömmliche Papierverpackungsbehälterprodukte bekannt sei und tatsächlich weit verbreitet verwendet werde. In der Klagepatentschrift wird als nachteilig beschrieben, dass die niedrige Molekülkomponente des LDPE in der innersten Schicht des Verbundmaterials mit der Zeit in den Nahrungsmittelinhalt im Papierbehälter ausblute. Dadurch bestehe bei Nahrungsmitteln, die über einen langen Zeitraum haltbar seien, die Gefahr, dass sich der Geschmack des Inhalts ändern könne. Darüber hinaus setze das Ethylen-Alpha-Coplymer, das durch die Verwendung eines Ziegler-Katalysators gewonnen werde, eine hohe Versiegelungstemperatur voraus, so dass die Verarbeitbarkeit gering sei. Werde ein Gleitmittel hinzugegeben, um diese zu verbessern, werde das Gleitmittel in den Nahrungsmittelinhalt ausbluten und den Geschmack verringern.

Im Stand der Technik – etwa in der JP 62-78059A oder der JP 60-99647A – werde laut Klagepatentschrift weiterhin die Verwendung von linearem Polyethylen niedriger Dichte („Linear Low Density Polythylene“ – LLDPE) für die innerste Schicht des Verpackungsmaterials vorgeschlagen. LLDPE sei hervorragend geeignet hinsichtlich Stoßhärte, Zugfestigkeit, Kaltsprödigkeit und -brüchigkeit, Heißsiegelungsintensität, Heißfaltleistung und anderer Anforderungen. Da aber beim LLDPE die Ausgangstemperatur beim Heißsiegeln im Vergleich zu LDPE, EVA oder einem Ionomer einigermaßen hoch sei, könne LLDPE hinsichtlich Umwandlungs- beziehungsweise Verarbeitungseigenschaften unterlegen sein.

In der Klagepatentschrift wird weiterhin ausgeführt, dass im Stand der Technik unter anderem in den JP 7-148895A, JP 8-337237A, JP 9-29868A, JP 9-52299A, JP 9-76435A, JP 0-142455A, JP 9-86537A, JP 9-76375A zudem die Verwendung von Papierbehältern vorgeschlagen werde, deren innerste Schicht aus Ethylen-Alpha-Olefin-Copolymer, dem so genannten Metallocen-PE („Metallocene LLDPE“ – mLLDPE), bestehe. Dieses werde durch den Metallocen-Katalysator polymerisiert. Es sei beispielsweise aus der WO 93/Nr. 08221, 44 Magazin „Plastic“ Nr. 1, 39 Magazin „Chemistry Ecconomy“ Nr. 9 oder 44 Magazin „Plastic“ Nr. 10 bekannt, dass Metallocen-PE gut für einen Gesundheitseffekt sei und auf einen Behälter aufgebracht oder angewandt werden könne, weil das Metallocen-PE eine Niedrigtemperatur-Siegelungsfähigkeit, die Film- beziehungsweise Folienverarbeitbarkeit und eine enge Molmassenverteilung habe. In der Klagepatentschrift wird jedoch als nachteilig beschrieben, dass Metallocen-PE trotz der Niedrigtemperatur-Siegelungsfähigkeit nicht notwendigerweise ein geringeres Ausbluten des Inhalts in dem Papierbehälter bewirke, der durch eine Hitze- oder Wärmeversiegelung erhalten worden sei. Ebenso zeigten sich die vorteilhaften Eigenschaften nicht bei im Extrusionsverfahren gewonnen Laminaten, die aber für eine Herstellung eines Verpackungsmaterials erforderlich seien.

In der Klagepatentschrift wird weiter ausgeführt, dass es bei konventionellem Verpackungsmaterial eines Papierbehälters für flüssige Nahrungsmittel schwierig sei, eine gute Abdichtung durch das Füll-Verpackungsverfahren zu erhalten, da das Verpackungsmaterial unter der Oberfläche eines flüssigen Nahrungsmittel abgedichtet werde, das Nahrungsmittel dort sicher verbleibe und die Oberfläche verunreinigt sei. Darüber hinaus änderten sich die Temperaturbedingungen beim Füllen und Verpacken des Nahrungsmittels, da es regelmäßig verschiedene Qualitäten und Eigenschaften hinsichtlich der Temperatur aufweise und die Temperatur zudem durch hohe Versiegelungstemperaturen beeinflusst werde. Da aber das Hitze- beziehungsweise Wärmeanhaftungsharz im bislang bekannten Verpackungsmaterial nicht zwingend die Abdichteigenschaften eines großen Temperaturbereichs aufweise, werde die Temperatur des einzufüllenden Nahrungsmittels beeinflusst und keine gute Abdichtung erhalten.

Zudem wird in der Klagepatentschrift an dem konventionellen thermoplastischen Polymer für Mehrfachzwecke für Abdichtungen als nachteilig angesehen, dass diese thermoplastische Materialschicht schmelzen könne und ein feines Loch, ein Schäumen oder eine Blasenbildung in einzelnen Schichten des Laminats entstehen könne. Dadurch nehme die Abdichtungsfestigkeit merklich ab und flüssiger Inhalt könne gegebenenfalls austreten. Die Verwendung einer dickeren Schicht, um dies zu verhindern, sei jedoch mit höheren Kosten verbunden.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, Verpackungsmaterial für Papierbehälter für ein Einfüllen und Verpacken von flüssigem Nahrungsmittel anzubieten, bei dem das Verpackungsmaterial eine gute Leistung in den Extrusions-Laminier-Eigenschaften und den Umwandlungseigenschaften aufweist, welche bei der Herstellung von Verpackungsmaterial erforderlich sind, bei dem das Verpackungsmaterial leicht hergestellt und rasch heißversiegelt werden kann, bei dem die Abdichtung fester beziehungsweise stärker gemacht ist, bei dem die gute Abdichtung erhalten wird, ohne von der Temperatur des eingefüllten beziehungsweise einzufüllenden Inhalts beeinflusst zu werden, und bei dem das Verpackungsmaterial eine nicht-verderbliche oder eine Qualitäts-Konservierbarkeit aufweist. Außerdem soll das Verpackungsmaterial für Papierbehälter geboten werden, bei dem kein feines Loch, kein Schäumen und keine Blasenbildung in irgendeiner Schicht aus thermoplastischem Material während des Abdichtens auftritt, jedoch eine Abdichtfestigkeit beziehungsweise -stärke erhalten werden kann, kein flüssiger Inhalt austritt und der Papierbehälter mit niedrigen Kosten hergestellt werden kann.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

Verpackungsmaterial,
1. das wenigstens Verbundschichten aus
1.1 einer aus thermoplastischem Material bestehenden äußersten Schicht,
1.2 einer Papiersubstratschicht,
1.3 einer Sperrschicht und
1.4 einer aus thermoplastischem Material bestehenden innersten Schicht umfasst; und
2. das die Verbundschichten in obiger Reihenfolge laminiert enthält;
3. die aus thermoplastischem Material bestehende innerste Schicht
3.1 ist durch ein Extrusionslaminierungsverfahren laminiert und
3.2 enthält wenigstens ein lineares Polyethylen niedriger Dichte, das eine enge Molmassenverteilung aufweist, und
3.3 weist die Eigenschaftsparameter auf
3.3.1 einer durchschnittlichen Dichte von 0,900 bis 0,915,
3.3.2 eines Peakschmelzpunkts von 88 bis 103 °C,
3.3.3 eines Schmelzflussindex von 5 bis 20,
3.3.4 eines Schwellverhältnisses (SR) von 1,4 bis 1,6 und
3.3.5 einer Schichtdicke von 20 – 50 µm.
II.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht nicht die Lehre des Klagepatentanspruchs 1, weil der Peakschmelzpunkt der angegriffenen Ausführungsform nicht im beanspruchten Bereich liegt (Merkmal 3.3.2).

1.
Gegenstand des Klagepatentanspruchs ist ein Verpackungsmaterial, das aus mehreren Verbundschichten besteht. Dabei enthält die technische Lehre im Wesentlichen Anforderungen an die Beschaffenheit der innersten, aus einem thermoplastischen Material bestehenden Schicht. Unter anderem soll die innerste Schicht durch ein Extrusionslaminierungsverfahren laminiert sein und aus wenigstens einem linearen Polyethylen niedriger Dichte bestehen, das eine enge Molmassenverteilung aufweist. Dabei soll die Schicht die in der Merkmalsgruppe 3.3 näher beschriebenen Eigenschaftsparameter aufweisen. Unter anderem soll das Verpackungsmaterial nach der Lehre des Klagepatentanspruchs mit einer innersten Schicht versehen sein, die einen Peakschmelzpunkt von 88 bis 103 °C aufweist.

a)
Wie der Peakschmelzpunkt zu bestimmen ist, wird im Klagepatentanspruch nicht ausdrücklich vorgegeben, lässt sich aber bereits aus dem dem maßgeblichen Durchschnittsfachmann geläufigen Begriff „Peakschmelzpunkt“ ableiten.

Da der Phasenübergang vom festen in den flüssigen Zustand bei Polymeren in der Regel nicht vollständig bei einer Temperatur stattfindet, sondern sich über einen Temperaturbereich erstreckt, besteht ein Mittel zur Bestimmung des Schmelzpunktes eines Materials darin, die Energie zu messen, die das Material bei seiner Erwärmung aufnimmt. Zum Übergang von der festen in die flüssige Phase benötigt das Material über die normale Erwärmungsenergie hinaus zusätzliche Energie. Diese erhöhte Energieaufnahme ist bei einer entsprechenden Messung an dem relativ starken Anstieg der Kurve zu erkennen. Der Scheitelpunkt der Kurve kennzeichnet hierbei die Temperatur der größten Energieaufnahme des zu erwärmenden Materials. Diese Temperatur wird auch als „Peak Melting Point“ oder Schmelzpunkt des Materials bezeichnet. Die Methode zur Messung der von dem Material aufgenommenen Energie ist regelmäßig die Differentialscankalorimetrie beziehungsweise die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC).

Auch die beiden Parteien sind sich darüber einig, dass die DSC grundsätzlich eine geeignete Methode darstellt, den Peakschmelzpunkt eines Polymers zu bestimmen. Darüber hinaus wird die DSC in der Klagepatentschrift wiederholt im Rahmen der allgemeinen Beschreibung und in den Ausführungsbeispielen zur Bestimmung des Peakschmelzpunkts genannt (vgl. bspw. Abs. [0023], [0046], [0099], [0101] bis [0104]; Textstellen ohne Bezugsangaben stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K 1 bzw. K 2). Auch wenn sich diese Textstellen nicht konkret auf die Lehre des Klagepatentanspruchs und die zugehörigen Ausführungsbeispiele beziehen, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass das Klagepatent die DSC im Fall des Klagepatentanspruchs nicht als geeignete Methode zur Bestimmung eines Peakschmelzpunktes ansehen sollte.

Soweit die Beklagten einwenden, der Begriff Peakschmelzpunkt sei nicht hinreichend definiert, da in Abhängigkeit von der Wahl der Messparameter, beispielsweise bei unterschiedlichen Temperaturerhöhungsraten, die DSC für dasselbe Material zu unterschiedlichen Ergebnisse komme, spricht dies nicht gegen die Anwendung der DSC zur Bestimmung des Peakschmelzpunkts. Eine Unklarheit im Ausdruck kann lediglich Anlass bieten, der betreffenden Angabe im Patentanspruch einen beschränkten Sinngehalt bis hin zum engstmöglichen sinnvollen Verständnis zuzuweisen, wenn anders der im Protokoll über die Auslegung des Art. 69 EPÜ enthaltenen Vorgabe, bei der Patentauslegung auch ausreichende Rechtssicherheit für Dritte zu wahren, nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen ist die Erteilung des Klagepatents mit dem hier maßgeblichen Klagepatentanspruch so lange als gegeben hinzunehmen, als der betreffende Patentanspruch nicht widerrufen oder für nichtig erklärt ist (BGH GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine).

Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass der Fachmann in der Lage ist, eine DSC unter Bedingungen durchzuführen, die weitgehend reproduzierbare Ergebnisse für die Bestimmung des Peakschmelzpunkts ergeben. Hinweise dafür erhält er beispielsweise aus dem von der American Society for Testing and Materials (ASTM) veröffentlichen Industriestandard D 3418-97, in dem die Durchführung einer DSC detailliert beschrieben ist. Soweit danach noch immer Unsicherheiten hinsichtlich der Messbedingungen bestehen, nimmt das Klagepatent dies in Kauf. Da der Klagepatentanspruch für den Peakschmelzpunkt einen Temperaturbereich von 88 bis 103 °C und nicht einen exakten Wert bestimmt, führen abweichende Messergebnisse ohnehin nicht unmittelbar zu Unsicherheiten, ob der Peakschmelzpunkt nun erreicht ist oder nicht.

b)
Die Beklagten haben weiterhin darauf hingewiesen, dass ein Polymer mehrere Peakschmelzpunkte haben kann, wenn es eine Mischung aus mehreren Polymeren darstellt oder mehrere Gruppen von Molekülen unterschiedlicher (Kristall-)Struktur aufweist. Dies wirft – mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform – die Frage auf, ob der Begriff Peakschmelzpunkt im Klagepatentanspruch nur den höchsten von mehreren Peakschmelzpunkten des verwendeten Polyethylens meint oder ob es ausreicht, wenn lediglich einer von mehreren Peakschmelzpunkten in den patentgemäßen Bereich fällt. Die Klägerin hat zunächst die zweite Auffassung vertreten und sich dafür auf den Wortlaut des Klagepatentanspruchs und die Beschreibung des Klagepatents gestützt. In der mündlichen Verhandlung hat sie dann unter Verweis auf eine eidesstattliche Versicherung von Dr. F G (Anlage K 10, in deutscher Übersetzung als Anlage K 10a) ausgeführt, dass es dem Klagepatent um die Temperatur gehe, bei der die Versiegelung beginnen könne. Demnach käme es bei mehreren Peakschmelzpunkten auf den niedrigsten an. Diese Auffassung vermag die Kammer nicht zu teilen. Der Fachmann wird stattdessen bei mehreren Peakschmelzpunkten davon ausgehen, dass jedenfalls der höchste im beanspruchten Temperaturbereich liegen muss.

Was den Wortlaut des Klagepatentanspruchs betrifft, ist dieser nicht eindeutig. Die Wendung „88-103 degree C of a peak melting point“ (Hervorhebung seitens des Gerichts) lässt in der maßgeblichen englischen Originalfassung nicht zwingend den Schluss zu, es komme lediglich darauf an, dass überhaupt ein Peakschmelzpunkt im geforderten Temperaturbereich liegt. Es ist ebenso möglich, dass das Klagepatent von vornherein unter dem Peakschmelzpunkt eines Materials immer den höchsten beziehungsweise den niedrigsten Peakschmelzpunkt versteht, selbst wenn das Material mehrere Peakschmelzpunkte haben sollte. Der Eigenschaftsparameter „eines Peakschmelzpunktes von 88 bis 103 °C“ meint dann genau diesen höchsten oder niedrigsten Peakschmelzpunkt.

Beide Parteien berufen sich für ihre Auffassung weiterhin auf ein Ausführungsbeispiel in der Klagepatentschrift. Dazu heißt es in der maßgeblichen englischen Originalfassung

„Furthermore, the inside thermoplastic material layer has the properties parameter of average density of 0.910-0.930 (preferably 0.922-0.927), the peak melting point of 115 degrees C or more by the differential scanning calorimetry, the melt flow index of 5-15 (preferably 9-11), and swelling ratio of 1.3-1.8 (preferably 1.45-1.55, more preferably about 1.5). Regarding the peak melting point by the differential scanning calorimetry, in case of one peak, exceeding 115 degree C of the peak melting point and 0.920 or more of average density are required, and if it is two or more peaks, 0,915 or more of average density and exceeds 115 degrees C of peak melting points for one of those peaks are required.“ (Abs. [0046])

und in der deutschen Übersetzung

„Darüber hinaus weist die innen liegende Schicht aus thermoplastischem Material die Eigenschaftsparameter einer durchschnittlichen Dichte von 0,910-0,930 (vorzugsweise 0,922-0,927), des Peakschmelzpunkts von 115 °C oder mehr, gemessen mittels DSC, des Schmelzflussindex von 5-15 (vorzugsweise 9-11) und eines Schwellverhältnisses von 1,3-1,8 (vorzugsweise 1,45-1,55, besonders bevorzugt etwa 1,5) auf. Hinsichtlich des mittels DSC gemessenen Peakschmelzpunkts sind im Fall eines Peaks ein Überschreiten von 115 °C des Peakschmelzpunkt und 0,920 oder mehr einer durchschnittlichen Dichte erforderlich, und wenn es zwei oder mehr Peaks gibt, sind 0,915 oder mehr einer durchschnittlichen Dichte und ein Überschreiten von 115 °C der Peakschmelzpunkte für einen dieser Peaks erforderlich.“ (Abs. [0046])

Es ist anhand der Eigenschaftsparameter, die von den im Klagepatentanspruch genannten Parametern abweichen, sofort ersichtlich, dass die zitierte Textstelle kein Ausführungsbeispiel betrifft, das der Lehre des Klagepatentanspruchs entspricht. Die Anweisung, bei mehreren Peakschmelzpunkten für ein Überschreiten der genannten Temperatur von 115 °C auf einen beliebigen von mehreren Peakschmelzpunkt abzustellen, lässt sich daher nicht ohne weiteres auf den Klagepatentanspruch übertragen, zumal es für die Lehre des Klagepatentanspruchs nicht auf ein Überschreiten einer bestimmten Temperatur ankommt, sondern auf die Einhaltung eines Temperaturbereichs. Noch weniger lässt sich die Textstelle für die Auffassung fruchtbar machen, es komme auf den niedrigsten Peakschmelzpunkt an. Allerdings wird deutlich, dass dem Klagepatent durchaus Fälle bekannt sind, in denen es mehrere Peakschmelzpunkte geben kann. Dies ist beispielsweise auch für die in der Klagepatentschrift aufgeführten Beispiele (vgl. Abs. [0080] ff) anzunehmen, soweit dort für die innerste Schicht eine Mischung aus mLLDPE und dem durch einen Hochdruckprozess gewonnenen LDPE verwendet wird. Gleichwohl wird im Klagepatent für diese Mischung immer nur ein Peakschmelzpunkt angegeben (vgl. Abs. [0080] ff). Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das Klagepatent in diesen Beispielen – wenn schon ein Peakschmelzpunkt angegeben wird – nicht den höchsten, sondern einen beliebigen, gegebenenfalls auch den niedrigsten von mehreren Peakschmelzpunkten benennt.

Technisch ist die Angabe eines Peakschmelzpunkts nur dann sinnvoll, wenn mit ihr der höchste Peakschmelzpunkt bezeichnet wird, bei dem das gesamte Material aufgeschmolzen ist. Andernfalls hat die Angabe eines beliebigen Peakschmelzpunkts für den Fachmann keinen Informationsgehalt, da sich ihr nicht entnehmen lässt, bei welcher Temperatur sämtliche Anteile des thermoplastischen Materials schmelzen und zur Versiegelung beitragen. Dies bestätigt beispielsweise auch das von den Beklagten vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. H (Anlage FBD 13). Entsprechend wird auch für Copolymere im Allgemeinen nur der höchste Peakschmelzpunkt angegeben, so etwa im Datenblatt für mLLDPE des Typs B von C (Anlage FBD 1), in dem lediglich 124 °C als DSC-Schmelzpunkt angegeben ist, oder im Datenblatt für das in der Klagepatentschrift (Abs. [0048]) erwähnte mLLDPE mit dem Markennamen „Affinity“ von C (Anlage FBD 6), in dem ein Peakschmelzpunkt von 98 °C angegeben ist. Die Angabe des (höchsten) Peakschmelzpunktes dient damit der Charakterisierung eines konkreten thermoplastischen Materials in der Weise, dass der Fachmann weiß, bei welcher Temperatur das Material aufzuschmelzen beginnt.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Auslegung des Begriffs Peakschmelzpunkt bei der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung. In den Peakschmelzpunkten des für die innerste Schicht verwendeten Materials spiegeln sich zugleich seine Versiegelungseigenschaften wieder. Liegt der höchste Peakschmelzpunkt niedrig, kann das gesamte Material bereits bei niedrigen Temperaturen zu einem frühen Zeitpunkt für die Versiegelung der Längs- und Querseiten der Verpackungen vollständig verwendet werden. Anders verhält es sich, wenn die verschiedenen Peakschmelzpunkte über einen breiten Temperaturbereich verteilt sind und für den höchsten Peakschmelzpunkt höhere Temperaturen erforderlich sind. Bei niedrigen Versiegelungstemperaturen nimmt dann allenfalls ein Teil des Materials an der Versiegelung teil. Vor diesem Hintergrund erschließt sich dem Fachmann bei der Lektüre der Beschreibung des Klagepatents, dass es für den im Klagepatentanspruch genannten Peakschmelzpunkt im Falle mehrerer Peakschmelzpunkte auf den höchsten ankommt.

In der Klagepatentschrift wird an den aus dem Stand der Technik bekannten Materialien kritisiert, dass die Versiegelungstemperatur von Ethylen-Alpha-Olefin-Copolymer und LLDPE hoch sei und mit schlechteren Verarbeitungseigenschaften einher gehe (Abs. [0005] und [0006]). Das mLLDPE habe zwar eine Niedrigtemperatur-Siegelungsfähigkeit, die aber ein Ausbluten des Inhalts im Papierbehälter nicht verringere oder gar verhindere (Abs. [0007]). Wenn das Klagepatent vor diesem Hintergrund ein Verpackungsmaterial anbieten will, dass rasch heiß-versiegelt werden kann (Abs. [0015]), setzt dies voraus, dass die Peakschmelzpunkte der innersten Schicht insgesamt niedrig sind, mithin der höchste Peakschmelzpunkt innerhalb des vom Klagepatentanspruch geforderten Bereichs liegt, damit bereits bei niedrigen Temperaturen das gesamte Material in die Versiegelung einbezogen werden kann. Es kommt dem Klagepatent entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur auf einen möglichst frühen Beginn der Versiegelung an. Dafür gibt es in der Klagepatentschrift keine Anhaltspunkte. Dort ist keine Rede davon, einen frühen Beginn der Versiegelung zu ermöglichen oder ein „Fenster“ für die Verarbeitung zu öffnen. Vielmehr wird überhaupt eine möglichst rasche Versiegelung angestrebt. Dies wird nur erreicht, wenn bereits der höchste Peakschmelzpunkt im patentgemäßen Bereich liegt.

Dies wird vor allem deutlich im Hinblick auf den Einfluss, den die Temperatur des in die Verpackung eingefüllten oder einzufüllenden Nahrungsmittels auf die Versiegelungsbedingungen und Abdichteigenschaften der innersten Schicht haben kann. In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass konventionelles Verpackungsmaterial nicht unbedingt die Abdichteigenschaften eines großen Temperaturbereichs aufweist und daher die Temperatur des Nahrungsmittels die Versiegelungsbedingungen nachteilig beeinflusst, so dass sich keine gute Abdichtung ergibt (vgl. Abs. [0013]). Umgekehrt ist der Einfluss durch das einzufüllende Nahrungsmittel auf die Versiegelungseigenschaften geringer, wenn eine Versiegelung bereits bei niedrigeren Temperaturen – mithin in einem größeren Temperaturbereich – möglich ist. Dem Klagepatent kommt es also darauf an, den Temperaturbereich des Verpackungsmaterials, in dem dieses versiegelt – und nicht nur die Versiegelung begonnen – werden kann, zu erhöhen. Das heißt, die vollständige Versiegelung darf nicht erst bei hohen Temperaturen eintreten, sondern soll bereits bei niedrigen Temperaturen möglich sein. Wenn dann die einzufüllenden Lebensmittel eine niedrige Temperatur haben und dadurch die für die Versiegelung bereitgestellte Energie aufnehmen, kann gleichwohl versiegelt werden, weil das erfindungsgemäße Material auch bei niedrigen Temperaturen versiegelt werden kann. Der Fachmann erkennt, dass es insofern darauf ankommt, dass bereits der höchste Peakschmelzpunkt in einem niedrigen Temperaturbereich liegt. Andernfalls könnte die Temperatur des eingefüllten Nahrungsmittels die Versiegelung dergestalt beeinflussen, dass die Temperaturen für den höheren Peakschmelzpunkt nicht erreicht werden und nur ein Teil des Materials zur Versiegelung beiträgt, was geringere Abdichteigenschaften zur Folge hat. Das gilt insbesondere, wenn der Materialanteil mit dem niedrigen Peakschmelzpunkt gering ist. Dies soll aber gerade verhindert werden (vgl. Abs. [0034] und [0089]).

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass für die Versiegelung nicht das gesamte thermoplastische Material aufgeschmolzen werden muss. Insofern waren sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung auch einig. Allerdings spiegelt der Peakschmelzpunkt eines Materials seine Versiegelungseigenschaften wieder. In dieser Hinsicht mag es zwar sein, dass der niedrigste Peakschmelzpunkt mit dem Beginn des Schmelzverfahrens in Verbindung gebracht wird und zu erwarten ist, dass dies mit der Fähigkeit des Polymers zusammenfallen wird, Wärmeversiegelungen zu bilden – so jedenfalls Dr. G in seiner eidesstattlichen Versicherung (Anlage K 10 bzw. K 10a). Allerdings gibt es – wie bereits ausgeführt – in der Klagepatentschrift keinen Hinweis darauf, dass es für die Lehre des Klagepatentanspruchs auf den Beginn der Versiegelung ankommen soll. Auch wenn der Fachmann ein Interesse daran hat, die Temperatur zu kennen, bei der ein Teil des Polymers zu schmelzen beginnt, hat dies im Klagepatentanspruch keinen Niederschlag gefunden. Die Klägerin verweist insoweit zur Begründung für ihre Auffassung noch auf die „Seal Initiation Temperature“, wie sie beispielsweise in dem Datenblatt für mLLDPE des Typs B von C (Anlage FBD 1) angegeben ist und die regelmäßig niedriger ist als der Schmelzpunkt des Polymers – so auch im Fall des mLLDPE des Typs B. Gleichwohl spricht diese Argumentation gerade nicht für die von der Klägerin vertretene Auslegung, denn das Klagepatent verwendet nicht den Begriff der „Seal Initiation Temperature“, sondern verweist auf den Peakschmelzpunkt.

2.
Die angegriffene Ausführungsform weist unstreitig drei Peakschmelzpunkte auf. Der höchste liegt außerhalb des beanspruchten Bereichs bei ungefähr 124 °C, was auch der Angabe im Produktdatenblatt für den Bestandteil der innersten Schicht mLLDPE des Typs B von C (Anlage FBD 1) entspricht. Damit liegt der (höchste) Peakschmelzpunkt nicht im Bereich von 88 bis 103 °C. Das Merkmal 3.3.2 wird nicht verwirklicht.

III.
Der von beiden Parteien jeweils beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren, weil es für die Entscheidung auf den entsprechenden Tatsachenvortrag – soweit vorhanden – nicht ankam.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

Streitwert: 5.000.000,00 EUR. Davon entfallen auf den Antrag zur Feststellung der gesamtschuldnerischen Pflicht zur Schadensersatzleistung 1.000.000,00 EUR.