4c O 73/13 – Scheiben-Nabenverbindung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2217

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. März 2014, Az. 4c O 73/13

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist,

zu unterlassen

Bremsscheiben, die im inneren Umfangsbereich Abstützelemente aufweisen, welche radial nach innen vorstehen, und Zwischenelemente, die derart ausgestaltet sind, dass Nocken einer Nabe in die Zwischenelemente eingreifen können, um eine Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken der Nabe auf die Abstützelemente der Scheibe zu übertragen und die Zwischenelemente in die Abstützelemente eingreifen und in Umfangsrichtung formschlüssig an den Abstützelementen abgestützt sind und die Nocken mit den Zwischenelementen form- und kraftschlüssig verbunden sind,

geeignet für eine Scheiben-/Nabenverbindung für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen zur Verbindung der Bremsscheibe mit der Nabe, die am äußeren Umfangsbereich Nocken aufweist, die radial nach außen vorstehen,

Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11. Juli 2001 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 11. August 2001 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger sowie der nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtenden Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 11. August 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.130,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2013 zu zahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR. Im Falle einer teilweisen Vollstreckung ist das Urteil hinsichtlich der Verurteilung zu Auskunft und Rechungslegung (Ziffern I.2. und I.3.), Zahlung von 13.130,00 EUR nebst Zinsen (Ziffer III.) und wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR.

V. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

TATBESTAND

Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 0 864 XXX (Anlage PBP 1, im Folgenden: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 30. November 1995 (DE 19544XXX) am 12. November 1996 angemeldet und für das der Hinweis auf die Patenterteilung am 11. Juli 2001 veröffentlicht wurde. Das Klagepatent betrifft eine Scheiben-Nabenverbindung, insbesondere für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen. Die Beklagte hat das Klagepatent mit Schriftsatz vom 29. August 2013 (Anlage B 4) durch Erhebung der Nichtigkeitsklage angegriffen, über welche noch nicht entschieden ist.

Die Ansprüche 1 bis 3 sowie 6 des Klagepatents lauten in ihrer erteilten Fassung:

„1. Scheiben-/Nabenverbindung (1) zur Verbindung einer Bremsscheibe (2) mit einer Nabe (3), insbesondere für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen, wobei
a) die Bremsscheibe (2) im inneren Umfangsbereich Abstützelemente (7) aufweist, die radial nach innen vorstehen,
b) die Nabe (3) am äußeren Umfangsbereich Nocken (8) aufweist, die radial nach außen vorstehen, und wobei
c) Zwischenelemente (9) zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken (8) der Nabe (3) auf die Abstützelemente (7) der Scheibe (2) derart ausgestaltet sind, dass die Nocken (8) der Nabe (3) in die Zwischenelemente (9) eingreifen.

2. Scheiben-/Nabenverbindung nach Anspruch 1‚ dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenelemente (9) in die Abstützelemente (7) eingreifen und in Umfangsrichtung formschlüssig an den Abstützelementen (7) abgestützt sind.

3. Scheiben-/Nabenverbindung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Nocken (8) mit den Zwischenelementen (7) form- und/oder kraftschlüssig verbunden sind.

6. Scheiben-/Nabenverbindung nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenelemente (9) eine im wesentlichen U-förmige Gestalt aufweisen.“

Im parallelen Nichtigkeitsverfahren verteidigt die Klägerin mit ihrem Hauptantrag gemäß Schriftsatz vom 3. Dezember 2013 (Anlage PBP 13) den Hauptanspruch 1 des Klagepatents eingeschränkt wie folgt:

„1. Scheiben-/Nabenverbindung (1) zur Verbindung einer Bremsscheibe (2) mit einer Nabe (3) für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen, wobei
a) die Bremsscheibe (2) im inneren Umfangsbereich Abstützelemente (7) aufweist, die radial nach innen vorstehen,
b) die Nabe (3) am äußeren Umfangsbereich Nocken (8) aufweist, die radial nach außen vorstehen, und wobei
c) Zwischenelemente (9) zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken (8) der Nabe (3) auf die Abstützelemente (7) der Scheibe (2) derart ausgestaltet sind, dass die Nocken (8) der Nabe (3) in die Zwischenelemente (9) eingreifen.“

Die Unteransprüche, insbesondere die Unteransprüche 2, 3 und 6, verteidigt die Klägerin mit ihrem Hauptantrag uneingeschränkt. In einem ersten Hilfsantrag im Nichtigkeitsverfahren verteidigt die Klägerin das Klagepatent weiter eingeschränkt in einer Kombination des (im Hauptantrag eingeschränkt verteidigten) Hauptanspruchs 1 mit den (im Hauptantrag uneingeschränkt verteidigten) Unteransprüchen 2 und 3.

Nachstehend verkleinert wiedergegebene Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand eines Ausführungsbeispiels:

Figur 1 ist eine Draufsicht auf das Ausführungsbeispiel einer klagepatentgemäßen Vorrichtung; die Figuren 2 und 4 sind jeweils Schnittansichten derselben Vorrichtungen. Figur 3 ist eine Ausschnittsvergrößerung aus der Schnittansicht nach Figur 2.

Die Beklagte bietet an und vertreibt Bremsscheiben mit passenden Zwischenelementen in zwei verschiedenen Ausgestaltungen, nämlich unter der Artikelnummer 106.XXX-60A (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 1) und unter der Artikelnummer 106.XXX-80A (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 2).

Mit Anwaltsschreiben vom 5. Dezember 2012 (Anlage PBP 11) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen einer Verletzung des Klagepatents und zugleich einer Verletzung des ebenfalls ihr gehörenden deutschen Patents DE 199 18 XXX B4 (im Folgenden: DE ‘XXX) ab. Hierauf antwortete die Beklagte ihrerseits mit Anwaltsschreiben vom 18. Januar 2013 (Anlage PBP 12), in welchem sie eine Schutzrechtsverletzung im Hinblick auf das Klagepatent deswegen in Abrede stellte, weil das Klagepatent offensichtlich nicht rechtsbeständig sei. Im Hinblick auf die DE ‘XXX verpflichtete sich die Beklagte in dem genannten anwaltlichen Schreiben „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“ zur Unterlassung und zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 EUR. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich auf, den Kostenersatz bis spätestens zum 20. Januar 2013 zu leisten.

Die Klägerin meint, Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen seien nicht berechtigt, diese als Austauschteile in Scheibenbremsen einzusetzen.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Klagepatent werde sich im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen.

Die Klägerin macht das Klagepatent im Umfang des ersten Hilfsantrages im Nichtigkeitsverfahrens, also in einer Kombination des Hauptanspruchs 1 mit den Unteransprüchen 2 und 3 geltend und beantragt,

im Wesentlichen zu erkennen wie beantragt, wobei die Klägerin die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 13.528,00 EUR beantragt und ferner die Verletzung von Unteranspruch 6 im Wege eines „insbesondere“-Antrages geltend macht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent (Deutsches Patent DE 59 607 XXX als nationaler Teil des Europäischen Patents EP 0 864 XXX B1) gemäß § 148 ZPO auszusetzen.

Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die angegriffenen Ausführungsformen dazu bestimmt und geeignet sind, in Bremsen verwendet zu werden, die von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Sie wendet aber ein, die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen seien berechtigt, diese Vorrichtungen als Ersatz für Verschleißteile zu verwenden. Durch die Lieferung der Originalvorrichtungen durch die Klägerin seien deren Patentrechte an diesen Vorrichtungen erschöpft.

Ferner meint die Beklagte, das Klagepatent werde sich auch in seiner eingeschränkt verteidigten Fassung als nicht rechtsbeständig erweisen. Dessen technische Lehre werde durch die US 5,274,XXX (Anlage PE 3 zu Anlage B 4, in deutscher Übersetzung als Anlage B 6) ebenso wie durch die US 4,469,XXX (Anlage PE 4 zu Anlage B 4, in deutscher Übersetzung als Anlage B 8) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der als Schadensersatz geltend gemachten Abmahnkosten begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten aus Art. 64 EPÜ, §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Scheiben-/Nabenverbindung, insbesondere für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen.

Aus dem Stand der Technik sind Scheiben-/Nabenverbindungen für Scheibenbremsen für Kraftfahrzeuge bekannt, welche entweder einstückig – wie beispielsweise in der DE 34 41 304 voroffenbart – oder zweistückig ausgeführt werden. Dabei ist bekannt, dass einteilige Konstruktionen Dehnungs- und Rißprobleme aufgrund starker Erhitzung ausbilden und sich deswegen vor allem für leichtere Kraftfahrzeuge eignen. Aufgrund des Bedarfs nach Scheiben-/Nabenverbindungen für die zunehmend auch in schweren Nutzfahrzeugen eingesetzten Scheibenbremsen ist es ferner vorbekannt, für solche Bremsen vorzugswürdig zweiteilige Scheiben-/Nabenverbindungen zu verwenden. So offenbart die WO 93/14947 eine derartige zweiteilige Scheiben-/Nabenverbindung, wobei diese Voroffenbarung das aus der DE 34 41 304 vorbekannte technische Prinzip einer einteiligen Vorrichtung auf eine zweiteilige überträgt. Hieran kritisiert das Klagepatent es als nachteilig, dass die nach dieser Voroffenbarung gestaltete Bremsscheibe nur zu recht hohen Kosten gefertigt werden kann.

Ferner führt das Klagepatent aus, dass bei Nutzfahrzeugen für die Scheiben-/Nabenverbindung bekanntermaßen nur ein knapper Bauraum zur Verfügung steht, weswegen zweiteilige Scheiben-/Nabenverbindungen idealiter nicht mehr Bauraum beanspruchen sollten als einteilige.

Als nächstkommenden Stand der Technik würdigt das Klagepatent die DE 34 36 729, welche eine Scheiben-/Nabenverbindung in der Weise offenbart, dass die Bremsscheibe am inneren Umfangsbereich halbkreisartige Bohrungen aufweist und die Nabe an ihrem Außenumfang ebenfalls halbkreisartige Bohrungen, wobei die Bohrungen an Scheibe und Nabe so angeordnet sind, dass sie sich bei der Befestigung der Scheibe auf der Nabe jeweils gegenüberliegen, so dass die Ausnehmungen zusammen jeweils eine kreisförmige Ausnehmung bilden, in welche mit Schrauben und Scheiben gesicherte Hülsen eingesetzt werden. Das Klagepatent anerkennt, dass hierdurch Überbeanspruchungen durch den Temperaturunterschied zwischen Nabe und Scheibe ausgeschlossen werden, kritisiert aber, dass nach dieser Voroffenbarung die Scheibe recht kompliziert zu montieren und die Lösung kaum zur Übertragung der bei schnelleren Nutzfahrzeugen auftretenden hohen Bremskräfte geeignet ist.

Das Klagepatent formuliert es vor diesem technischen Hintergrund als Aufgabe (Abschnitt [0005]), eine auch bei beengtem Bauraum einfach montierbare Naben/Scheibenverbindung für eine sichere Kraftübertragung zwischen Nabe und Scheibe zu schaffen.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in der vorliegend geltend gemachten Kombination des eingeschränkt verteidigten Hauptanspruchs 1 mit den Unteransprüchen 2 und 3 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Scheiben-/Nabenverbindung (1) zur Verbindung einer Bremsscheibe (2) mit einer Nabe (3) für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen mit
a) einer Bremsscheibe (2),
b) einer Nabe (3),
c) Zwischenelementen (9);

2. die Bremsscheibe (2) weist im inneren Umfangsbereich Abstützelemente (7) auf, die radial nach innen vorstehen;

3. die Nabe (3) weist am äußeren Umfangsbereich Nocken (8) auf, die radial nach außen vorstehen;

4. die Zwischenelemente (9)
a) sind zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken (8) der Nabe (3) auf die Abstützelemente (7) der Scheibe (2) ausgestaltet;
b) die Nocken (8) der Nabe (3) greifen in die Zwischenelemente (9) ein;
c) die Zwischenelemente (9) greifen in die Abstützelemente (7) ein und sind in Umfangsrichtung an den Abstützelementen (7) abgestützt;
d) die Nocken (9) sind mit den Zwischenelementen (9) form- und kraftschlüssig verbunden.

II.

Zwischen den Parteien steht – zu Recht – außer Streit, dass Bremsen, in welche die beiden angegriffenen Ausführungsformen bestimmungsgemäß eingesetzt werden, jeweils sämtliche Merkmale des Klagepatents verwirklichen.

III.

Die Beklagte hat demnach durch das Anbieten und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent mittelbar verletzt.

1.
Aus diesem Grunde ist die Beklagte gemäß Art. 64 EPGÜ, §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Patentbenutzung verpflichtet.

a)
Wiederum zu Recht steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen Mittel sind, die sich auf ein wesentliches Element der technischen Lehre des Klagepatents beziehen, und dass es der Beklagten bewusst und es im Übrigen aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents verwendet zu werden.

b)
Die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung berechtigt, die angegriffenen Ausführungsformen als Ersatz für verschlissene Bremsscheiben und zugehörige Zwischenelemente in von der Klägerin in Verkehr gebrachten Bremsen zu verwenden. Durch das Inverkehrbringen ihrer Erzeugnisse, welche von der technischen Lehre das Klagepatents Gebrauch machen und welche auch Bremsscheiben und Zwischenelemente umfassen, hat sich das Patentrecht der Klägerin an den Bremsscheiben und Zwischenelementen nicht erschöpft.

aa)
Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung, welcher sich die Kammer anschließt, ist es dem Erwerber einer in den Schutzbereich eines Patents fallenden Vorrichtung zwar gestattet, die Vorrichtung nicht nur zu gebrauchen, sondern auch die üblichen Maßnahmen zur Inbetriebnahme, Pflege und Ausbesserung zu ergreifen, während es grundsätzlich eine Verletzungshandlung darstellt, eine solche Vorrichtung, wenn sie nicht mehr funktionsfähig ist, erneut herzustellen, und sei es durch den Austausch von Verschleißteilen (OLG Karlsruhe GRUR-RR 2004, 97 – Bremsbeläge; vgl. insgesamt die Darstellung von Schulte / Rinken / Kühnen, Komm. z. PatG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 49). Die hiernach zulässige bloße Reparatur der Vorrichtung einerseits ist von der unzulässigen Neuherstellung andererseits unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften, Wirkungen und Vorteile der patentgemäßen technischen Lehre danach abzugrenzen, ob die getroffenen Maßnahmen des Benutzers die Identität des bereits in Verkehr gebrachten Erzeugnisses wahren, oder ob sie einer Neuschaffung eines patentgemäßen Erzeugnisses gleichkommen (BGH GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 185 – Nespressokapseln). Die schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der technischen Lehre seines Schutzrechts auf der einen Seite sind hierbei gegen die Interessen des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des Erzeugnisses auf der anderen Seite abzuwägen.

Wenn die vom Benutzer oder Abnehmer vorgenommene Maßnahme darin besteht, einen Teil der Vorrichtung auszutauschen, und wenn eine solche Maßnahme im Laufe der zu erwartenden und gewöhnlichen Lebensdauer der Gesamtvorrichtung üblich ist, kann dies grundsätzlich als eine übliche Erhaltungsmaßnahme angesehen werden, welche die Identität der Vorrichtung nicht berührt und deshalb als Teil des bloßen Gebrauchs eines Gegenstandes, an dem sich die Rechte des Patentinhaber erschöpft haben, beurteilt werden. Etwas anderes muss aber gelten, wenn gerade im ausgetauschten Verschleißteil die technischen Wirkungen der patentgemäßen Lehre in Erscheinung treten, weil speziell dieses Teil die technischen Vorteile gemäß der Lehre des Patents vermittelt oder weil nach der technischen Lehre des Patents die Funktionsweise oder Lebensdauer des Verschleißteils beeinflusst wird (BGH GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; GRUR 2006, 837 – Laufkranz; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 185 – Nespressokapseln).

bb)
Nach diesen Maßstäben lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen berechtigt sind, diese als Ersatz für Verschleißteile in Bremsen einzubauen, welche in den Schutzbereich des Klagepatents fallen und welche von der Klägerin in Verkehr gebracht worden sind. Nach der technischen Lehre des Klagepatents gelingt die als technische Aufgabe herausgestellte sichere Kraftübertragung zwischen Nabe und Bremsscheibe gerade dadurch, dass das Drehmoment von den Abstützelementen der Bremsscheibe (Merkmal 2) auf die Nocken der Nabe (Merkmal 3) übertragen wird, nämlich vermittelt durch die Zwischenelemente, die dafür ausgestaltetet sind, das Drehmoment zu übertragen (Merkmal 4.a)), indem die Nocken in diese Zwischenelemente und diese wiederum in die Abstützelemente eingreifen (Merkmale 4.b) und 4.c)). Dieser technische Vorteil beruht in erheblicher Weise auf der patentgemäßen Ausgestaltung der Bremsscheibe – nämlich: deren Abstützelementen – und der Zwischenelemente. Die angegriffenen Ausführungsformen sind – unstreitig – so ausgestaltet, dass zwischen ihnen und der Nabe eine Übertragung des Drehmoments klagepatentgemäß möglich ist.

Damit geht die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen auch über eine bloße Kompatibilität zur Ausgestaltung der Nabe hinaus. Das Klagepatent erfordert nicht nur, dass Zwischenelemente und Bremsscheibe mit der Nabe kompatibel sind, also „auf sie passen“, sondern dass die Ausgestaltung von Zwischenelementen und Bremsscheibe einerseits und Nabe andererseits so miteinander korrespondiert, dass beide Teilnehmer an der Drehmoment-Übertragung miteinander zusammenwirken, und dass dies durch eine räumlich-körperliche Ausgestaltung erreicht wird, die den weiteren als technische Aufgabe herausgestellten Vorteil bringt, dass nämlich trotz eines zweiteiligen Aufbaus der Naben-/Scheibeverbindung nicht mehr Bauraum beansprucht wird als bei einem einteiligen Aufbau.

Der Austausch der abgenutzten Bremsschreiben nebst Zwischenelementen durch den Einbau der angegriffenen Ausführungsformen in solchen Bremsen, welche von der Klägerin in Verkehr gebracht worden sind, ist daher normativ als Neuherstellung eines klagepatengemäßen Erzeugnisses zu bewerten und nicht als bloße Reparaturhandlung, die ein zulässiger Gebrauch des einmal in Verkehr gebrachten klagepatentgemäßen Gegenstands wäre.

Auf die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2014 vertretene Auffassung, jedenfalls an den bloßen Bremsscheiben ohne Zwischenelemente sei Erschöpfung eingetreten, kommt es vorliegend nicht an, weil die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig sowohl Bremsscheiben als auch Zwischenelemente umfassen und der Klageantrag nur auf diese Kombination von Bremsscheiben und Zwischenelementen gerichtet ist.

2.
Die Beklagte schuldet wegen der Patentverletzung Schadensersatz.

a)
Sie trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Als Fachunternehmen hätte sie bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents an die Klägerin schuldet sie daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG.

b)
Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.

c)
Als bereits jetzt bezifferbaren Schadensposten schuldet die Beklagte den Ersatz der Kosten, welche die Klägerin vorgerichtlich für die Abmahnung der Beklagten aus dem Klagepatent und der DE ‘XXX mit Anwaltsschreiben vom 5. Dezember 2012 (Anlage PBP 11) aufgewandt hat.

aa)
Weil die Beklagte das Klagepatent gemäß den obigen Ausführungen verletzt hat, insbesondere ihre Abnehmer nicht zur Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen als Ersatzteile berechtigt waren, durfte sich die Klägerin herausgefordert fühlen, ihre Rechte aus dem Klagepatent im Wege einer Abmahnung geltend zu machen und hierfür rechts- und patentanwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Insoweit ergibt sich ein Ersatzanspruch für die Mandatierung eines Rechts- und eines Patentanwalts mit jeweils einer Vergütung in Höhe einer 1,5 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 500.000,00 EUR. Dieser Gegenstandswert entspricht dem im vorliegenden Verfahren festgesetzten Streitwert für die Geltendmachung von Verletzungsansprüchen aus dem Klagepatent.

bb)
Für die im selben Schreiben durchgeführte Abmahnung aus der DE ‘XXX ergibt sich außerdem ein Ersatzanspruch für die Mandatierung eines Rechts- und eines Patentanwalts mit jeweils einer Vergütung einer 1,5 Gebühr aus einem Gegenstandwert von 100.000,00 EUR. Über den Ersatz von Abmahnkosten aus der DE ‘XXX ist in dieser Höhe eine Einigung zwischen den Parteien zustande gekommen. Die Beklagte hat sich im Anwaltsschreiben vom 18. Januar 2013 (Anlage PBP 12) zu diesem Ersatz „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“ verpflichtet. In dieser Erklärung ist das Angebot einer entsprechenden Einigung zu sehen, die auch eine Einigung über den Ersatz von Abmahnkosten umfasst, welches die Klägerin – unstreitig – angenommen hat. Dass die Erklärung der Beklagten aus dem objektiven Empfängerhorizont der Klägerin als ein Angebot zum Vertragsschluss zu verstehen war, welches die Klägerin annehmen konnte, ergibt sich aus den Gesamtumständen. Die Erklärung selber ist wegen des Wortlauts „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“ zwar nicht eindeutig, weil der erste Teil dieser Erklärung der Annahme eines Rechtsbindungsbindungswillens entgegensteht, während der zweite Teil einen Rechtsbindungswillen gerade belegt. Indes ist das genannte Anwaltsschreiben der Beklagten hinsichtlich der DE ‘XXX als eine Unterwerfungserklärung zu verstehen, mithilfe derer die Beklagte eine Inanspruchnahme aus diesem Schutzrecht vermeiden wollte. Die Erklärung der Beklagten musste die Klägerin daher in der Weise verstehen, dass die Beklagte, um eine Wiederholungsgefahr zu beseitigen und eine gerichtliche Inanspruchnahme zu verhindern, ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags unterbreiten und damit ein Angebot für eine Einigung über die Erstattung der Abmahnkosten machen wollte. Gegen ein Verständnis in der Weise, dass die Beklagte sich rechtlich nicht binden wollte, spricht ihr deutliches Interesse, eine gerichtliche Inanspruchnahme aus der DE ‘XXX sicher vermeiden zu wollen, was nur durch den Abschluss eines Unterlassungsvertrages einschließlich Einigung zur Kostentragung geschehen konnte.

cc)
Ein Ersatzanspruch auf Grundlage eines Gegenstandswertes von insgesamt 1.000.000,00 EUR (für das Klagepatent und für die DE ‘XXX) ist indes nicht anzuerkennen. Dass auch das weitere mit der Abmahnung geltend gemachte Schutzrecht, die DE ‘XXX verletzt ist, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Sie hat auf eine Würdigung dieses Schutzrechts und Diskussion seines Schutzbereichs verzichtet, und sich auf die bloße Behauptung beschränkt, als weiteres Merkmal weise die DE ‘XXX im Vergleich zum Klagepatgent lediglich die Vorgabe auf, dass die Zwischenelemente V-förmig gefaltet sein müssten, was bei der angegriffenen Ausführungsform 1 der Fall sei. Das genügt für die Darlegung einer Patentverletzung nicht. Es ist nicht ersichtlich, was eine V-förmige Faltung des Zwischenelements im Sinne der DE ‘XXX bedeutet, und warum eine solche Ausgestaltung bei der angegriffenen Ausführungsform 1 (in deren damaliger Ausgestaltung) anzunehmen (gewesen) sei. Das in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2014 vertretene Argument der Klägerin, sie mache sich insoweit das Vorbringen der Beklagten zu eigen, greift nicht durch. Die Behauptung einer Patentverletzung betrifft eine Rechtstatsache, die zwischen den Parteien nicht wie eine reine Tatsachenbehauptung unstreitig gestellt werden kann. Vielmehr hätte es der Klägerin oblegen, Tatsachen darzulegen, die eine Subsumtion unter die – von der Klägerin auszulegenden – Merkmale der DE ‘XXX erlaubt hätten.

dd)
Der Ersatzanspruch der Klägerin bemisst sich unter Zugrundelegung einer 1,5 Gebühr somit hinsichtlich des Klagepatents aus einem Gegenstandswert in Höhe von 500.000,00 EUR und hinsichtlich der DE ‘XXX aus einen Gegenstandwert in Höhe von 100.000,00 EUR. Diese beiden Ersatzansprüche sind zu kumulieren, weil sie sich aus unterschiedlichen Rechtsgründen ergeben, nämlich derjenige aus dem Klagepatent als gesetzlicher Schadensersatzanspruch und derjenige aus der DE ‘XXX als vertraglicher Anspruch.

Demnach sind für das Klagepatent Abmahnkosten in Höhe von 9.028,00 EUR zu ersetzen (nämlich Rechts- und Patentanwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 500.000,00 EUR auf Grundlage der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Vergütungswerte nach § 13 Abs. 1 und Anlage 2 RVG mit einem Gebührensatz von 1,5, zuzüglich einer Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR, also 2 x (2.996,00 EUR x 1,5 + 20,00 EUR) = 9.028,00 EUR) und zusätzlich für die DE ‘XXX Abmahnkosten in Höhe von 4.102,00 EUR (nämlich nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 EUR, also 2 x (1.354,00 EUR x 1,5 + 20,00 EUR) = 4.102,00 EUR) . Im Übrigen, also in Höhe von 398,00 EUR ist der Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten unbegründet. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich als Anspruch auf Verzugszinsen aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

3.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz und die ihr zustehende angemessene Entschädigung zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Beklagte außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg).

IV.

Nach dem Sach- und Streitstand besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des europäischen Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

1.
Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die Entscheidung des für die Entscheidung über den Verletzungsvorwurfs zuständigen Gerichts über eine (hilfsweise) beantragte Aussetzung des Verletzungsverfahrens bis zu einer Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren ist deshalb eine Prognoseentscheidung. Das zur Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung berufene Organ, das im Gegensatz zum Verletzungsgericht technisch fachkundig besetzt ist, ist nicht an eine Einschätzung des Verletzungsgerichts zum Rechtsbestand des Klagepatents gebunden. Indes muss, soll die Aussetzung dem vor dem oder parallel zum Verletzungsprozess erhobenen Einspruch bzw. der entsprechenden Nichtigkeitsklage nicht regelmäßig eine hemmende Wirkung zukommen, das Verletzungsgericht die gegen den Rechtsbestand des Klagepatents vorgebrachten Entgegenhaltungen darauf prüfen, ob sie – allein aus der Perspektive des Verletzungsgerichts – einen Widerruf bzw. eine Vernichtung des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (sofern nicht das das prozessuale Verhalten der Klägerin in anderer Hinsicht ihre Interessen eindeutig hinter diejenigen der Beklagten zurücktreten lässt). Für die Prüfung einer als neuheitsschädlich eingewandten druckschriftlichen Entgegenhaltung bedeutet dies, dass das Verletzungsgericht aus diesem Grunde nur dann zu einer Aussetzung des Rechtsstreits gelangen kann, wenn es die Vorwegnahme sämtlicher Merkmale deshalb für wahrscheinlich hält, weil es selber imstande ist, eine Vorwegnahme bejahen zu können, ohne dass dem erhebliche Zweifel entgegenstünden. Sofern neuer, im Erteilungsverfahren oder in einem früheren, erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigter Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist eine Aussetzung bereits dann nicht gerechtfertigt, sofern sich für eine Bejahung der Erfindungshöhe zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen, welche sodann durch das technisch und wissenschaftlich fachkundig besetzte Entscheidungsorgan im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren möglicherweise validiert werden.

2.
Vorliegend ist ein anderer Prüfungsmaßstab des Aussetzungsantrags auch nicht deshalb geboten, weil die Klägerin das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren nur in beschränktem Umfang verteidigt. Auch in der Fassung seiner beschränkten Verteidigung wird das Klagepatent vollständig vom ursprünglichen Erteilungsakt getragen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdn 1598ff.). Die Beschränkung besteht nämlich darin, die Verwendbarkeit der patentgemäßen Vorrichtungen auf Nutzfahrzeuge zu beschränken, was in der erteilten Fassung aber bereits durch einen insbesondere-Zusatz angelegt ist.

Ebenso wenig ergibt sich ein anderer Prüfungsmaßstab daraus, dass die Klägerin vorliegend eine Kombination des Hauptanspruchs 1 mit den Unteransprüchen 2 und 3 geltend macht. Diese Unteransprüche sind ebenso wie der Hauptanspruch geprüft und erteilt worden.

3.
Nach diesem Maßstab ist eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht geboten.

a)
Die Vorwegnahme sämtlicher Merkmale durch die US 5,274,XXX (Entgegenhaltung PE 3, in deutscher Übersetzung als Anlage B 6; im Folgenden US ‘XXX) lässt sich nicht mit einer solchen Sicherheit annehmen, dass eine entsprechende Prognose zur Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren über erhebliche Zweifel erhaben wäre.

Eine Voroffenbarung des Merkmals 4.d) durch die US ‘XXX lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Dieses Merkmal, gemäß dem die Nocken mit den Zwischenelementen form- und kraftschlüssig verbunden sein müssen, ist in der Weise auszulegen, dass die Nocken im Sinne von Merkmal 4.b) mit so wenig Spiel in die Zwischenelemente eingreifen, dass sowohl ein Form- als auch ein Kraftschluss besteht. Nur auf diese Weise besteht eine Verbindung zwischen Nocken und Zwischenelementen, die zugleich einen Formschluss und einen Kraftschluss zwischen beiden Elementen bewirkt. Eine technische Lehre, nach der ein größerer Spielraum besteht, so dass der Form- und Kraftschluss je nach Ausgangslage von Bremsscheibe und Nabe zueinander erst zustande kommt, wenn die Nabe sich um einen gewissen Winkel verdreht hat, nimmt dieses Merkmal daher nicht vorweg. Die Voraussetzung eines gleichzeitigen Form- und Kraftschlusses muss jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt während des Bremsvorgangs erfüllt sein (vgl. Klagepatent, Spalte 2, Zeilen 44 bis 48).

Die US ‘XXX hingegen offenbart gerade eine Ausgestaltung, bei der zwar Nocken („splines 8“) in die Aussparungen („openings 21“) von Zwischenelementen („annular drive inserts 20“) hineinragen. Nocken und Zwischenelemente sind nach der technischen Lehre der US ‘XXX jedoch beabstandet voneinander, so dass sie nicht in jeder relativen Lage von Nabe und Scheibe zueinander miteinander in Berührung stehen. Dies geht aus der Figur 2 der US ‘XXX hervor, die sichtbare Abstände von Nocke und Zwischenelementen zeigt. Auch folgt die Notwendigkeit eines solchen Spiels daraus, dass nach der technischen Lehre der US ‘XXX jedes Zwischenelement („annular drive insert 20“) jeweils drehbar in der Ausnehmung der Bremsscheibe („recess 16“) gelagert ist (Anlage B 6, Seite 1, rechte Spalte, Z. 54f. und linke Spalte, Z. 57 bis 59). Diese Drehbarkeit ermöglicht es gemäß der US ‘XXX gerade, das Drehmoment nicht schlagartig von der Nabe auf die Bremsscheibe zu übertragen, sondern eine gewisse Verdrehung von Bremsscheibe und Nabe zueinander zuzulassen, ehe das Drehmoment vollständig übertragen wird. Voraussetzung dieser Drehbarkeit ist aber, dass, anders als vom Klagepatent in Merkmal 4.d) vorgegeben, ein Spielraum zwischen den Nocken und den jeweiligen Zwischenelementen besteht, zumindest in Umfangsrichtung, weil sich sonst das nach der Lehre der US ‘XXX ringförmige Element nicht verdrehen könnte, sondern von der Nocke, von der es vollständig ausgefüllt würde, unmittelbar mitgenommen würde. Wenn aber bei der Ausgestaltung gemäß der US ‘XXX die Nocken auf der in Umfangsrichtung einen Seite der Zwischenelemente anliegen, ist das Spiel der Nocken zur anderen Seite der Zwischenelemente hin sogar vergrößert. Aus diesen beiden Überlegungen ergibt sich eine erhebliche Ungewissheit, ob die US ‘XXX einen Formschluss zwischen Nocken und Zwischenelementen offenbart.

Ebenso zweifelhaft ist, ob die US ‘XXX einen Kraftschluss zwischen Nocken und Zwischenelementen offenbart. Ein Kraftschluss in Umfangsrichtung dürfte schon deshalb nicht offenbart sein, weil in dieser Richtung ab dem Anschlagen der Nocken an den Zwischenelementen ein Formschluss wirkt. Der Fachmann dürfte erkennen, dass ein Kraftschluss nicht dort bestehen kann, wo ein Formschluss vorliegt, welcher, anders als ein Kraftschluss, nicht durch das Überwinden einer Grenzkraft, sondern nur durch ein Auflösen des Ineinandergreifens der Formen der beteiligten Elemente aufgelöst werden kann. Ein Kraftschluss in axialer Richtung, also eine Kraft, die eine Verschiebung von Bremsscheibe und Zwischenelementen in Richtung der Drehachse verhindert, dürfte ebenso wenig offenbart sein. Ausdrückliche Hinweise auf die Wirkung eines solchen axialen Kraftschluss enthält die US ‘XXX nicht, stattdessen offenbart sie eine Ausgestaltung, bei der die Bremsscheiben und mit ihnen die Zwischenelemente durch Flansche („flanges 26“) in axialer Richtung gehalten werden (Anlage PE 3 im Nichtigkeitsverfahren, Spalte 1, Zeile 49f., entspr. Anlage B 6, Seite 1, linke Spalte, Zeilen 59 bis 61, sowie Anlage PE 3 im Nichtigkeitsverfahren, Spalte 3, Zeilen 7 bis 9, entspr. Anlage B 6, Seite 2, linke Spalte, Zeilen 1 bis 5). Eine solche Sicherung gegen axiale Verschiebung wäre, wie der Fachmann erkennen dürfte, überflüssig, wenn aufgrund ihrer Ausgestaltung Nocken und Zwischenelemente in einem Kraftschluss zueinander stünden.

b)
Es erscheint auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Klagepatent aufgrund einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme seiner technischen Lehre durch die US 4,469,XXX (Anlage PE 4 zu Anlage B 4, in deutscher Übersetzung als Anlage B 8; im Folgenden: US ‘XXX) vernichtet werden wird. Es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit vorhersagen, dass der Offenbarungsgehalt der US ‘XXX in der Weise bestimmt wird, dass er das Merkmal 4.d) umfasst.

Die US ‘XXX macht keine vollständigen Angaben dazu, wie formgenau die Nocken („splines 16“) der Nabe („torque device 14“) in die Ausnehmungen von Zwischenelementen („inserts 55“) eingreifen. Erwähnt ist lediglich, dass die obere Oberfläche („top surface“) der Zwischenelemente, also die radial nach außen weisende Fläche in Berührung mit der Ausnehmung („slot 51“) der Bremsscheibe steht, dort also kein Spielraum oder Abstand offen bleibt. Dazu, ob die seitlichen Flächen des Zwischenelements, also die in Umfangsrichtung weisenden, beabstandet oder aber spielfrei zu den entsprechenden Flanken der Nocken stehen, macht die US ‘XXX keine Angaben. Auch aus der diese Ausgestaltung zeigenden Figur der US ‘XXX lässt sich hierzu nichts ablesen. Dass aber einerseits die Berührung zwischen oberer Oberfläche und Schlitz beschrieben wird, andererseits keine Angaben zur Formgenauigkeit von Zwischenelement und Nocke in Umfangsrichtung gemacht werden, spricht aus fachmännischer Sicht gegen eine Voroffenbarung einer formschlüssigen Ausgestaltung von Nocken und Zwischenelementen durch die US ‘XXX.

Auch die Offenbarung eines Kraftschlusses zwischen Nocken und Zwischenelementen durch die US ‘XXX erscheint zweifelhaft. Wie schon bei der US ‘XXX kommt ein Kraftschluss in Umfangsrichtung kaum in Betracht, weil in dieser Wirkung ab einem gewissen Maß an Verdrehung jedenfalls ein Formschluss wirkt. Ein Kraftschluss in axialer Richtung ist durch die US ‘XXX jedenfalls nicht hinreichend deutlich offenbart: Wiederum fehlt es an einer ausdrücklichen Offenbarung eines solchen Kraftschlusses, stattdessen wird in der US ‘XXX gelehrt, dass eine Vielzahl von Rotorscheiben, also rotierenden Bremsscheiben, und mit ihnen die zugehörigen Zwischenelemente gegen eine axiale Bewegung durch einen Eingriff oder eine Verkeilung gesichert sind (Anlage PE 4 im Nichtigkeitsverfahren, Spalte 2, Zeilen 24 bis 27, entspr. Anlage B 8, Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 44 bis 52). Das Vorsehen einer solchen axialen Sicherung gegen Verschiebung spricht aus fachmännischer Sicht gegen einen Kraftschluss in axialer Richtung, der die Sicherung durch Eingriff oder Verkeilung schließlich entbehrlich machen würde.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.