4c O 36/13 – Ubichinon Qn

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2176

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Januar 2014, Az. 4c O 36/13

Rechtsmittelinstanz: 2 U 8/14

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland
Ubichinon Qn oder Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
wie es insbesondere die von den Beklagten unter dem Namen „B“ vertriebenen Mittel zur ergänzenden bilanzierten Diät betrifft,
2. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter Ziff. I. 1 begangenen Handlungen seit dem 7. Dezember 2001 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der ab dem 1. September 2008 belieferten Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betrieblichen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Fall von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
f) sowie ab dem 17. September 2005 der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
3. nur die Beklagte zu 1): die im Besitz oder Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I.1 zu vernichten;
4. nur die Beklagte zu 1): die von ihr ab dem 30. April 2006 in den Verkehr gebrachten und noch im Umlauf befindlichen Produkte gemäß Ziff. I Nr. 1 zurückzurufen und aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem diejenigen, denen durch die Beklagten oder mit ihrer Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 150 XXX B1 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse unterbreitet wird und für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises beziehungsweise eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird.
5. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.667,60 € zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. I. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 17. September 2005 entstanden ist.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die in Ziff. I Nr. 1 bezeichneten Handlungen zwischen dem 7. Dezember 2001 und dem 16. September 2005 zu zahlen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagten jeweils zu 50%.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe 125.000,- Eur und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

VI. Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d:

Die Klägerin stellt her und vertreibt unter anderem Nahrungsergänzungsmittel sowie diätetische Lebensmittel. Sie ist eingetragene Inhaberin des Europäischen Patents EP 1 150 XXX B1 (Anlage CBH 1, im folgenden: „Klagepatent“) betreffend die Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Migräneschmerzen. Das Klagepatent wurde am 9. Februar 2000 angemeldet, die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 7. November 2001, der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 17. August 2005 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.
Der vorliegend maßgebliche Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
„Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.“
Die Beklagte zu 1) vertreibt unter der Marke „A“ spezialisierte Mikronährstoff-Kombinationen zur gezielten Nahrungsergänzung. Die Beklagte zu 2) ist die Komplementärin der Beklagten zu 1); der Beklagte zu 3) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 2).
Unter den Marken „B®“ und „B® Classic“ bietet die Beklagte zu 1) Produkte zur diätischen Behandlung von Migräne an (im folgenden „angegriffene Ausführungsformen“). Sie bewirbt die Produkte, die in Kapselform eingenommen werden, unter anderem im Internet auf den von ihr betriebenen Seiten www.A.de (Anlage CBH 3) und www.C-C.de. „B®“ und „B® Classic“ sind keine zulassungspflichtigen Arzneimittel, sondern rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Die Webseite www.A.de nennt eine empfohlene Tagesdosierung und weist darauf hin, dass die Einnahme von B® unter ärztlicher Aufsicht erfolgen solle.
Gemäß der Angaben der Beklagten zu 1) auf der von ihr betriebenen Webseite www.C-C.de enthält „B®“ Magnesiumoxid, Vitamin B2 (Riboflavin) und das Coenzym Q10 sowie weitere Vitamine und Mineralstoffe, während „B® Classic“ Magnesiumcitrat und Riboflavin enthält (Anlage CBH 4). Coenzym Q-10 ist dabei „hoch dosiert“ enthalten.
Ebenfalls von der Beklagten zu 1) betrieben wird die Webseite www.D-E.de, von der Auszüge als Anlage CBH 6 zu den Gerichtsakten gelangt sind. Dort wird auf eine in der Fachzeitschrift „F 2011“ veröffentlichte Studie Bezug genommen. Ergebnis der Studie sei gewesen, dass schon nach einer vierwöchigen Einnahme von B® eine Verringerung der Migränetage, Migränedauer und Migräneintensität sowie des Verbrauches von Schmerzmitteln festgestellt werden konnte. Dargestellt werden außerdem Erfahrungsberichte von Migränepatienten, die B® eingenommen hätten. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Webseitenwww.C-C.de, www.A.de und www.D-E.de wird auf die Anlagen CBH 3, 4 und 6 verwiesen.
Die Klägerin hat die Beklagten wegen einer Verletzung des Klagepatents durch ihre Patentanwälte mit Schreiben vom 30. September 2009 abmahnen lassen, wofür Gebühren in Höhe von 2.667,60 € entstanden sind.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent. Dass es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht um „Arzneimittel“ im arzneimittelrechtlichen Sinne handele, sei unerheblich, weil das Merkmal „Arzneimittel“ im Sinne des Klagepatentanspruchs 1 untechnisch und nicht im Sinne der formalrechtlichen arzneimittelrechtlichen Definition ausgelegt werden müsse. Hilfweise beruft sich die Klägerin auf eine äquivalente Patentverletzung durch die angegriffenen Produkte der Beklagten zu 1).
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass das von der Beklagten zu 1) vertriebene Produkt „B® Classic“ kein Ubichinon Q10 enthält. Die Klägerin hat daraufhin erklärt, ihre Klage nur noch gegen das angegriffene Produkt „B®“ richten zu wollen und ihre Klage in Bezug auf das Produkt „B® Classic“ mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Nachdem sie in der mündlichen Verhandlung zudem die Klage hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen und den Unterlassungsantrag sowie den Antrag auf Rückruf modifiziert hat, beantragt die Klägerin nunmehr noch,
zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent nicht, weil sie keine Arzneimittel, sondern diätetische Lebensmittel seien. Zudem dienten sie – anders als nach ihrer Meinung vom Klagepatent vorausgesetzt – nicht der Behandlung akuter Migräneschmerzen. Das angegriffene Produkt „B®“ diene der Behebung von Defiziten der Ernährung bei Migränekranken, beinhalte aber keinen arzneilichen Zweck. Das gelte auch dann, wenn mittelbar über den Ausgleich der ernährungsbedingten Defizite im Einzelfall eine Besserung der Migräne eintreten sollte. Da „B®“ keine pharmakologische Wirkung entfalte und auch nicht in seiner Form und Aufmachung einem Arzneimittel ähnele, handele es sich bei dem Produkt nicht um ein Arzneimittel zur Behandlung von Schmerzen.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine „untechnische“ Verwendung des Begriffs „Arzneimittel“ berufen, weil dem Fachmann bereits zum Prioritätszeitpunkt die Unterscheidung zwischen einem Arzneimittel, einem diätetischen Lebensmittel und einem Nahrungsergänzungsmittel bekannt gewesen sei.
Darüber hinaus erkenne der Fachmann, dass die Prophylaxe der angegriffenen Ausführungsformen auf einer Kombination aller Inhaltsstoffe beruhe, so dass die Verwendung von Ubichinon Q10 als Teil der Kombination auch aus diesem Grund nicht das klägerische Patent verletze.
Des weiteren werde von der Lehre des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform auch deshalb kein Gebrauch gemacht, weil eine Kapsel B® lediglich 37,5 mg enthält, in der Klagepatentschrift jedoch eine wesentlich höhere Dosierung – Einzeldosis bis zu 1.000 mg – genannt werde.
Schließlich habe die Verwendung von Ubichinon Q10 in Lebensmitteln zum Prioritätszeitpunkt zum freien Stand der Technik gehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Klägerin stehen die nach teilweiser Änderung der Klageanträge und teilweiser Klagerücknahme noch geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Erstattung der Abhmahnkosten gegen die Beklagten und gegen die Beklagte zu 1) darüber hinaus auf Feststellung der Entschädigungspflicht, Vernichtung und Rückruf zu.

Das nach der teilweisen Klagerücknahme nunmehr allein noch angegriffene Produkt „B®“ der Beklagten zu 1) verletzt das Klagepatent wortsinngemäß.

I.
Das Klagepatent betrifft Ubichinon Qn zur Behandlung von Migräneschmerzen.
Zum Stand der Technik gibt das Klagepatent einführend an, dass Ubichinone – prenylierte Chinone – in der Tier- und Pflanzenwelt weit verbreitet sind. Es handelt sich um Derivate von 2,3-Dimethoxy-5-methyl-1,4-benzochinon, die in Sechsstellung linear verknüpfte Isopreneinheiten aufweisen. Je nach Anzahl der Isopreneinheiten werden die Ubichinone als Q-1, Q-2, Q-3 u.s.w bezeichnet. Bei den meisten Säugetieren einschließlich des Menschen überwiegt Q-10. Ubichinone dienen als Elektronenüberträger in der Atmungskette und sind beteiligt an der zyklischen Oxidation und Reduktion von Substraten im Zitronensäurezyklus. Ubichinone Qn sind Voraussetzung für die Energieversorgung aller Zellen. Der oxidative Stress, der unter anderem durch hohen Sauerstoffverbrauch entsteht, löst Schäden an den Membranen von Mitchondrien und Zellen aus, die zu akuten oder degenerativen Störungen des Nervensystems führen. Das Nervensystem hat einen sehr hohen Energiebedarf für die Signalübertragung durch Membranpotentialaufbau, Ionenkanalsteuerung sowie durch Neuropeptid- und Neurotransmitter-Vesikelbildung.
Des weiteren erläutert das Klagepatent, dass mit Ubichinon Qn-Vorstufen Verbindungen bezeichnet werden, die im Körper zu Ubichinon Qn umgewandelt werden. Dies sind zum einen die Ubihydrochinone, die mit den Ubichinonen im Gleichgewicht stehen sowie einfache Ester der Ubihydrochinone mit kurzkettigen Carbonsäuren mit 1-10 C-Atomen, beispielsweise Essigsäure-, Propionsäure oder Buttersäureester. Diese Vorstufen werden nach der Applikation in die entsprechenden Ubichinone umgewandelt.
Das Klagepatent führt aus, bisher sei Ubichinon Q10 (auch Coenzym Q-10 genannt) in der Therapie von Herzerkrankungen verwendet worden. Überraschenderweise sei nun gefunden worden, dass Ubichinon Qn und Ubichinon-Qn-Vorstufen zur Behandlung von Schmerzen verwendet werden und somit auch in Verfahren zur Herstellung von Mitteln zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt werden könnten. Insbesondere ließen sich Schmerzen behandeln, die durch Störung der Reizleitung in den Nerven verursacht werden und/oder in unangemessenen Verhältnis zur äußeren Ursache stehen. Dies seien Schmerzen, bei denen entweder kein äußerer Anlass besteht oder bei einem nur geringen Anlass und oxidativen Stresszuständen der Nerven ein überhöhtes Signal entsteht. Bevorzugt werde hierzu Ubichinon Q-10 verwendet, da dies das Haupt-Ubichinon beim Menschen ist.
Es ließen sich die erfindungsgemäß zu verwendenden Substanzen auch zur Behandlung von Schmerzen einsetzen, die durch Migräne verursacht werden. Die Behandlung könne durch Applikation in oraler, parenteraler, lokaler, inhalativer oder intranasaler Form erfolgen. Dabei habe sich gezeigt, dass Migräne auch mit hohen Dosen Q-10 bei oraler Applikation nur sehr eingeschränkt behandelt werden könne. Bei Anwendung in Form von Mund- und Nasensprays genügten jedoch schon kleine Mengen zur schnellen und effektiven Beseitigung von Migräneschmerzen. Gute Ergebnisse seien bereits bei Dosen von etwa 20 mg erzielt worden. Prinzipiell könne die Einzeldosis bis zu 1.000 mg betragen. Entscheidend sei, dass genügende Mengen der Ubichinone bzw. der Ubichinon-Vorstufen an den Ort kommen, an dem die durch Störungen der Signalübertragung des Nervensystems verursachten Schmerzen ihren Ursprung haben.
Vor diesem Hintergrund formuliert das Klagepatent in seinem Anspruch 1 die folgende Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen:
1. Verwendung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.

II.
1.
Der Klagepatentanspruch setzt voraus, dass die Verwendung von Ubichinon Qn oder Qn-Vorstufen „zur Herstellung eines Arzneimittels“ erfolgt. Anspruch 1 des Klagepatents ist ein sog. „Schweizer Anspruch“, der neben der Verwendung auch die Herstellung umfasst (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2013, Az. 2 U 54/11 – Cistus incanus). Der Klagepatentanspruch setzt weiter voraus, dass der Einsatzzweck des Arzneimittels die Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, ist. Der Klagepatentanspruch vermittelt keinen absoluten Sachschutz, sondern stellt ein Verwendungspatent dar, wobei die geschützte Verwendung nicht im bloßen Gebrauch von Ubichinon Qn oder Qn-Vorstufen besteht, sondern darin, die Zusammensetzung zudem für den speziellen Einsatzzweck, nämlich die Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden, zu gebrauchen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a)
Bei der angegriffenen Ausführungsform, dem Produkt „B®“ der Beklagten zu 1) handelt es sich um ein „Arzneimittel“ im Sinne der Klagepatentschrift.
Die Tatsache, dass es sich bei „B®“ nicht um Arzneimittel im arzneimittelrechtlichen Sinne handelt, sondern um ein Lebensmittel, das für eine besondere Ernährung bestimmt ist (§ 1 Abs. 1 DiätV), steht einer Verwirklichung des Merkmals „Arzneimittel“ im Sinne des Klagepatents nicht entgegen. Denn der in der Klagepatentschrift verwendete Begriff „Arzneimittel“ setzt nicht voraus, dass am Ende der patentierten Verwendung ein Arzneimittel im arzneimittelrechtlichen Sinne steht. Das Merkmal „Arzneimittel“ ist dahingehend weit auszulegen, dass es jedes Mittel erfasst, das zur Erreichung eines gesundheitsfördernden Zwecks benutzt wird. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wort- und Sachzusammenhang der Klagepatentschrift, als auch aus technischer Sicht des Durchschnittsfachmanns.
Der Wortlaut der Klagepatentschrift gibt keinen Hinweis darauf, dass das Klagepatent nur solche Mittel erfassen soll, die als Arzneimittel im arzneimittelrechtlichen Sinne gelten – in Abgrenzung zu „Lebensmitteln“, zu denen diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel zählen. Denn das Erfordernis einer arzneimittelrechtlichen Zulassung des patentgemäßen Mittels wird in der Klagepatentschrift nicht erwähnt, auch wird kein Bezug auf arzneimittelrechtliche oder andere regulatorische Vorschriften genommen. Vielmehr wird in der zur Auslegung des Patents gem. Art. 69 EPÜ heranzuziehenden Beschreibung des Patents der Begriff „Mittel“ [0003] und gerade nicht „Arzneimittel“ verwendet.
Auch in technischer Hinsicht ergibt sich für den Fachmann anhand der Klagepatentschrift nicht, dass er den Begriff „Arzneimittel“ im Sinne der regulatorischen Bedeutung als ein Mittel mit arzneimittelrechtlicher Zulassung zu verstehen hat. Denn die dem Patent zugrundeliegende technische Erfindung ist die – überraschende – Entdeckung, dass Ubichinon Qn bzw. Ubichinon Qn-Vorstufen zur Behandlung von Schmerzen verwendet werden können. Ob bzw. dass die Verabreichung bzw. die Verwendung von Ubichinon-Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen im Geltungsgebiet des Klagepatents bestimmten regulatorischen Zulassungen / Erlaubnissen bedarf, dazu verhält sich die Patentschrift gerade nicht. Es fällt auch nicht in den Sinn und Zweck des Patents, das einen Verwendungsanspruch schützt, hierüber Regelungen zu treffen, weil sich das Erfordernis einer regulatorischen, arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht nach dem Patentrecht richtet, sondern dies anhand anderer, außerhalb des Patentrechts liegender Regelungen zu beurteilen ist.
Gemäß dieser Auslegung stellt „B®“ ein Arzneimittel im Sinne der Klagepatentschrift dar. Denn es ist unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform von den Beklagten als gesundheitsförderndes Mittel beworben und von Migränepatienten als solches benutzt wird.
Schließlich geben die Beklagten der angegriffenen Ausführungsform auch den Anschein, ein Produkt mit einem arzneilichen Zweck im weiteren Sinne darzustellen. Denn die Beklagte zu 1) vertreibt die angegriffene Ausführungsform exklusiv über Apotheken, gibt dem betroffenen Migränepatienten eine Dosierungsempfehlung und empfiehlt die Verwendung unter ärztlicher Aufsicht.
b)
Die angegriffene Ausführungsform erfüllt auch den in der Klagepatentschrift (alleinig) vorgesehenen, medizinischen Einsatzzweck, die Behandlung von Schmerzen, die durch Migräne verursacht werden.
Die Beklagte zu 1) selbst bewirbt ihr Produkt „B®“ mit dem Einsatzzweck „Migräne“ und Schmerzen, die durch Migräne hervorgerufen werden. Auf den von ihr betriebenen Webseiten www.A (Auszug Anlage CBH 3) und www.C-C.de (Auszug Anlage CBH 4) führt die Beklagte zu 1) aus, dass ihr Produkt „B®“ zunächst allgemein zur Behandlung der Migräne eingesetzt werde.
Da unter dem Begriff „Migräne“ sowohl aus laienhafter, als auch aus medizinischer Sicht in erster Linie starker Kopfschmerz – ggf. zusammen mit weiteren gesundheitlichen Einschränkungen, z.B. Lichtempfindlichkeit, Übelkeit etc. – zu verstehen ist, erschließt sich für den Leser und Patienten, dass „B®“ bei migräneartigen Kopfschmerzen verwendet werden soll und bei Migräne-Schmerzen Linderung bereiten und damit einem medizinischen bzw. arzneilichen Zweck dienen soll.
Die weiteren Produktbeschreibungen der Beklagten in Bezug auf „B®“ lassen aus Sicht des Empfängers und Patienten darüber hinaus auch den Schluss zu, dass B® – jedenfalls auch – zur akuten Schmerzbehandlung eingesetzt werden kann und soll und somit auch eine pharmakologische Wirkung entfaltet.
Auf der Webseite www.D-E.de (Auszug Anlage CBH 6) der Beklagten zu 1) wird explizit ausgeführt, dass durch die Einnahme der angegriffenen Ausführungsform eine Verringerung der Migränetage, Migränedauer und Migräneintensität sowie des Verbrauchs von Schmerzmitteln festgestellt werden konnte. Sie wirbt weiter damit, dass es zu einer Verminderung der Migränedauer und der Schmerzintensität gekommen sei und 54% weniger Kopfschmerzmittel zur Akutbehandlung eingenommen werden mussten. Diese Aussagen können nur so verstanden werden, dass die angegriffenen Produkte jedenfalls auch auf die Verringerung der Migräneschmerzen abzielen. Wenn von einer Verringerung der „Migränetage“ und der „Migräneintensität“ die Rede ist, kann dies zwar auch bedeuten, dass mit der Migräne ggf. in Zusammenhang stehende weitere gesundheitliche Einschränkungen wie Übelkeit oder Lichtempfindlichkeit etc. abnehmen, in erster Linie ist dies jedoch dahingehend zu verstehen, dass der für den Patienten im Vordergrund stehender, quälender Migräne-Kopfschmerz gelindert wird.
Die Aussagen der Beklagten zu 1) auf ihren Webseiten, insbesondere der Webseite www.D-E.de (Auszug Anlage CBH 6) können von Lesern und Patienten mit Migräne nicht lediglich dahingehend verstanden werden, dass „B®“ nur dann Linderung bereitet, wenn es über einen gewissen, längeren Zeitraum eingenommen und sich ein bestimmter Spiegel von Ubichinon-Qn oder Ubichinon-Qn-Vorstufen im Blut gebildet hat, wenn der Migräneanfall eintritt. Diese Dosierungs- und Wirkungsweise wird von der Beklagten zu 1) auf ihren Webseiten gerade nicht dargelegt und vorausgesetzt. Vielmehr nimmt die Beklagte zu 1) auf ihrer Webseite www.D-E.de ausdrücklich Bezug auf den „Erfahrungsbericht“ einer „Sonja R.“, die angibt, dass es ihr schon „nach der Einnahme von drei Kapseln“ „B®“ deutlich besser gegangen sei, während sie zuvor trotz Einnahme von Schmerzmitteln die „Schmerzen nicht mehr in den Griff“ bekommen habe. Diese Aussage, die sich die Beklagte zu 1) zu eigen macht, um die angegriffene Ausführungsform zu bewerben, wird aus dem Empfängerhorizont des Lesers dahingehend verstanden, dass schon nach kurzer Einnahmedauer und damit im Rahmen einer Akutbehandlung des sich meist über mehrere Stunden oder sogar Tage anhaltenden Migräneanfalls eine Linderung der akuten Beschwerden – zu denen bei Migräne in erster Linie der Kopfschmerz gehört – eintritt.

c)
Die angegriffene Ausführungsform fällt auch nicht deshalb aus dem Schutzbereich des Klagepatents, weil sie eine Kombination des Coenzyms Q10 mit Magnesium, Vitamin B2 (Riboflavin), B-Vitamine, Zink und Selen beinhaltet.
Das Klagepatent setzt nicht voraus, dass Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen als isolierte Wirkstoffe zur Behandlung von Migräneschmerzen verwendet werden. Weder im Anspruch, noch in der zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung findet der Fachmann einen Hinweis darauf, dass die gewünschte, erfindungsgemäße Wirkung – die Behandlung/Linderung von Migräneschmerzen – nur dann eintritt, wenn Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen isoliert eingenommen werden. Auch aus technischer Sicht ergibt sich für den Fachmann gerade nicht, dass nur eine isolierte Anwendung dem gewünschten Einsatzzweck dient. Vielmehr spricht aus Sicht des Fachmanns gerade nichts dagegen, auch eine Kombination von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen mit anderen Substanzen oder Wirkstoffen zu verwenden (z.B. weil man sich davon eine weitergehende Wirkung erhofft, die auch andere Migränesymptome lindert), solange und sofern die in der Klagepatentschrift beschriebene Zweck-Erreichung – Linderung des Migräneschmerzes durch das Verabreichen von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen – erreicht wird.
Eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform scheidet auch nicht deshalb aus, weil „B®“ lediglich 37,5 mg Ubichinon Q10 enthält. Das Klagepatent setzt eine bestimmte (Einzel-)Dosierung von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen nicht voraus. Eine bestimmte Dosierung / Konzentration von Ubichinon Qn oder Ubichinon Qn-Vorstufen wird in den Ansprüchen ausdrücklich nicht vorausgesetzt. Die Beschreibung (Absatz [0007]) enthält ebenfalls keine zwingende oder empfohlene Konzentrationsangabe, sondern beschreibt lediglich, dass gute Ergebnisse bei einer Anwendung in Form von Mund- oder Nasensprays bereits bei Dosen von etwa 20 mg Coenzym Q10 erzielt worden seien. In Absatz [0011] verweist die Klagepatentschrift darauf, dass die Einzeldosis „prinzipiell“ bis zu 1.000 mg betragen könne. Selbst wenn man diese in der Patentbeschreibung genannten Werte als vorausgesetzte Mindest- und Höchstdosierung verstehen wollte, fällt die angegriffene Ausführungsform mit einer Konzentration pro Kapsel von 37,5 mg in diesen Dosierungsrahmen.
Schließlich ist auch der Einwand der Beklagten, die Verwendung von Ubichinon Q10 in Lebensmitteln habe zum Prioritätszeitpunkt zum freien Stand der Technik gehört, unbeachtlich. Denn die Beklagten haben die Neuheit der dem Klagepatent zugrundeliegenden Erfindung nicht mit dem entsprechenden Rechtsbehelf angegriffen.

III.
Aus der festgestellten Schutzrechtsverletzung ergeben sich die zuerkannten Klageansprüche.
Die Beklagten sind der Klägerin gem. § 139 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ im tenorierten Umfang zur Unterlassung ihrer Angebots- und Vertriebshandlungen verpflichtet.

Mit Rücksicht auf die bereits vorgefallenen Angebots- und Vertriebshandlungen haften die Beklagten der Klägerin gemäß § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ, auf Schadensersatz. Sie haben schuldhaft gehandelt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass sie das Klagepatent verletzt, § 276 BGB. Die Haftung der Beklagten zu 2) und die persönliche Haftung des Beklagten zu 3) für die Klageansprüche ergibt sich daraus, dass sie als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) deren Handeln im Geschäftsverkehr zu bestimmen haben. Ihnen oblag es deshalb als eigene Pflicht, Vorsorge dafür zu treffen, dass es bei der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten zu 1) nicht zu einer Verletzung fremder (insbesondere technischer) Schutzrechte kommt. Sollte der Beklagte zu 3) zu dieser Prüfung nicht in der Lage gewesen sein, so hatte er vor Aufnahme der betreffenden Geschäftstätigkeit (hier: dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform) eine sachkundige Prüfung nach entgegenstehenden Rechten Dritter entweder durch geeignetes eigenes Personal oder durch externe Sachkundige (z.B. einen in Verletzungssachen erfahrenen Patentanwalt) zu veranlassen. Jedenfalls aus diesem Gesichtspunkt trifft deswegen auch ihn eine eigene Verantwortlichkeit und ein zumindest fahrlässiges Verschulden.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) gem. § 33 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ zudem ein Anspruch auf angemessene Entschädigung im Zeitraum vom 7. Dezember 2001 (ein Monat nach Offenlegung der Anmeldung) bis 16. September 2005 zu.

Die genaue Höhe des durch die Patentverletzung verursachten Schadens bei der Klägerin steht derzeit noch nicht fest. Die Klägerin hat deshalb ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung der Beklagten und die Entschädigungspflicht der Beklagten zu 1) zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch und den Entschädigungsanspruch beziffern zu können, schulden die Beklagten im zuerkannten Umfang Auskunft und Rechnungslegung (§ 140b PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ, §§ 242, 259 BGB).
Hinsichtlich der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger), und zwar auch ohne einen entsprechenden (Hilfs-) Antrag der Beklagten von Amts wegen (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rdnr. 1192).
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 1) auch Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf gem. § 140a Abs. 1, Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG.
Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.667,60 €, die für die patentanwaltliche Abmahnung der Beklagten mit Schreiben vom 30. September 2009 angefallen sind, zu. Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist Teil des Schadensersatzanspruchs.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.