Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. September 2014, Az. 4b O 35/14
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es zu unterlassen,
Schutzvorrichtungen für Haare, insbesondere von wenigstens schulterlangen Haaren,
umfassend ein viereckiges Schutzteil, welches in eine Schlauchform verformbar ist, um die innerhalb des Schlauches befindlichen Haare zu schützen,
und ein Verbindungselement, um das Schutzteil an den Haaren zu befestigen,
wobei das Verbindungselement ein elastisches Material umfasst und lösbar mit dem Schutzteil verbunden ist,
und wobei das Schutzteil eine Durchbrechung aufweist, die eine Öse umfasst, vorzugsweise eine metallische Öse, mittels welcher das Verbindungselement mit dem Schutzteil verbunden ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
2. an die Klägerin 1.641,96 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2014 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2009 010 XXX (Klagegebrauchsmuster, Anlage K1), das die Bezeichnung „Schutzvorrichtung für Haare“ trägt. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung sowie Erstattung vorprozessualer Abmahnkosten in Anspruch.
Das Klagegebrauchsmuster wurde am 29.07.2009 angemeldet und am 01.10.2009 im Patentblatt eingetragen. Am 05.11.2009 wurde der Hinweis auf die Eintragung veröffentlicht. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Die Beklagte hat gegen das Klagegebrauchsmuster am 27.06.2014 einen Löschungsantrag eingereicht, über den noch nicht entschieden ist.
Die in diesem Rechtsstreit maßgeblichen Ansprüche 1 bis 5 des Klagegebrauchsmusters, die die Klägerin mit ihrem Klageantrag in Kombination geltend macht, lauten wie folgt:
1. Schutzvorrichtung (1) für Haare, insbesondere von wenigstens schulterlangen Haaren, umfassend ein viereckiges Schutzteil (2), welches in eine Schlauchform verformbar ist, um die innerhalb des Schlauches befindlichen Haare zu schützen und einem Verbindungselement (3), um das Schutzteil (2) an den Haaren zu befestigen.
2. Schutzvorrichtung (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Verbindungselement (3) lösbar mit dem Schutzteil (2) verbunden ist.
3. Schutzvorrichtung (1) nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Schutzteil (2) eine Durchbrechung (4) aufweist, mittels welcher das Verbindungselement (3) mit dem Schutzteil (2) verbunden ist.
4. Schutzvorrichtung (1) nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Durchbrechung (4) eine Öse (5) umfasst, vorzugsweise eine metallische Öse (5).
5. Schutzvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Verbindungselement (3) ein elastisches Material umfasst.
Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 des Klagegebrauchsmusters) zeigt die schematische Darstellung einer erfindungsgemäßen Schutzvorrichtung für Haare.
Im Rahmen der am 16.08.2013 durchgeführten „A Motorradtage“ bot Herr B im Namen der Beklagten Schutzvorrichtungen für Haare (angegriffene Ausführungsform) zum Verkauf an. Die angegriffenen Haarschoner weisen eine trapezförmige Form auf und sind aus Leder angefertigt. An den beiden Längsseiten befinden sich jeweils 5 Druckköpfe. An einer Stirnseite ist eine metallische Öse befestigt, durch welche ein Haargummi gezogen ist.
Die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform lässt sich den nachfolgenden Abbildungen entnehmen, die der Anlage K4 entnommen sind.
Die Klägerin sieht in dem Angebot und Vertrieb der vorbezeichneten Haarschoner eine unmittelbare wortsinngemäße Verletzung des Klagegebrauchsmusters. Daher mahnte sie die Beklagte durch patentanwaltliches Schreiben vom 29.10.2013 (Anlage K2) ab und forderte sie u.a. zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Für dieses Schreiben macht sie Patentanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 € geltend, die sich aus einer 1,3 Geschäftsgebühr auf der Grundlage eines Streitwerts von 50.000,00 € und einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer zusammensetzen. Unter Fristsetzung bis zum 27.03.2013 ließ die Klägerin die Beklagte durch rechtsanwaltliches Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage K3) erneut abmahnen und zur Erstattung der entstandenen Patentanwaltskosten auffordern.
Die Klägerin beantragt,
zu erkennen wie geschehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Erledigung des gegen den Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters (DE 20 2009 010 XXX) anhängigen Löschungsverfahrens auszusetzen.
Sie ist der Auffassung, der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters werde durch das deutsche Gebrauchsmuster DE 20 2006 017 XXX neuheitsschädlich vorweggenommen. Jedenfalls mangele es an einem erfinderischen Schritt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2014 verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Unterlassung sowie Erstattung der vorprozessual entstandenen Patentanwaltskosten gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GebrMG. Das Klagegebrauchsmuster ist schutzfähig und die Beklagte macht mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von dem in den Schutzansprüchen 1 bis 5 zum Ausdruck kommenden Gegenstand des Klagegebrauchsmusters unrechtmäßig Gebrauch.
I.
Die dem Klagegebrauchsmuster zugrunde liegende Erfindung betrifft eine Schutzvorrichtung für Haare, insbesondere von wenigstens schulterlangen Haaren (Anlage K1, Abs. [0001]).
Derartige Schutzvorrichtungen dienen dazu, Störungen durch ins Gesicht fallende Haare zu vermeiden, eine Gefährdung für den Benutzer von Maschinen auszuschließen und ein Verwirbeln oder Verfilzen von unter dem Helm herausragenden Haaren während des Motorradfahrens zu minimieren (Anlage K1, Abs. [0003]).
Im Stand der Technik waren ausweislich der Klagegebrauchsmusterschrift Haarnetze oder Sturmhauben bekannt, die jedoch insofern nachteilig gewesen sein sollen, als die Haare während des Tragens herausrutschen konnten und der Träger aufgrund der Schutzvorrichtung schwitzte (Anlage K1 Abs. [0002]).
Dem Klagegebrauchsmuster liegt die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Schutzvorrichtung für Haare bereitzustellen, welche das Herausrutschen der Haare aus der Schutzvorrichtung und das Schwitzen unter der Schutzvorrichtung während des Tragens vermeidet.
Zur Lösung sieht das Klagegebrauchsmuster in den vorliegend in Kombination geltend gemachten Schutzansprüchen 1 bis 5 eine Schutzvorrichtung für Haare mit folgenden Merkmalen vor:
Schutzvorrichtung für Haare, insbesondere von wenigstens schulterlangen Haaren, umfassend
1. Ein viereckiges Schutzteil
a. Das viereckige Schutzteil ist in eine Schlauchform verformbar, um die innerhalb des Schlauchs befindlichen Haare zu schützen.
b. Das Schutzteil weist eine Durchbrechung auf.
aa. Die Durchbrechung umfasst eine Öse, vorzugsweise eine metallische Öse.
bb. Mittels der Durchbrechung ist das Verbindungselement mit dem Schutzteil verbunden.
2. Ein Verbindungselement
a. Das Verbindungselement umfasst ein elastisches Material.
b. Das Verbindungselement ist lösbar mit dem Schutzteil verbunden.
c. Das Verbindungselement hat den Zweck, das Schutzteil an den Haaren zu befestigen.
Die erfindungsgemäße Schutzvorrichtung zeichnet sich dadurch aus, dass das Schutzteil mittels des Verbindungselements mit den Haaren des Benutzers der Schutzvorrichtung verbunden ist und diese schlauchförmig umschließt. Dadurch schränkt das Schutzteil die Bewegungsfreiheit der Haare ein, ohne dass es den Kopf des Benutzers bedecken muss. Auf diese Weise wird ein Schwitzen durch Tragen der Schutzvorrichtung vermieden, während zugleich sichergestellt wird, dass weder die Haare aus dem Schutzteil herausrutschen können, noch das Schutzteil selbst verrutscht. Dabei sind die Haare durch die schlauchförmige Gestaltung des Schutzteils vor äußeren Einflüssen geschützt (Anlage K1, Abs. [0005]). In der im Begriff des „Schutzteils“ enthaltenen Funktionsangabe liegt dabei zugleich die konstruktive Vorgabe, dass das Schutzteil in seiner räumlich-körperlichen Gestaltung so ausgebildet sein muss, dass es geeignet ist, etwa schulterlange Haare jedenfalls zu einem großen Teil zu bedecken und solchermaßen vor äußeren Einwirkungen zu schützen.
II.
Das Klagegebrauchsmuster ist schutzfähig. Insbesondere ist der Gegenstand der geltend gemachten Anspruchskombination (Schutzansprüche 1 bis 5 des Klagegebrauchsmusters) im Sinne des § 3 Abs. 1 GebrMG neu gegenüber dem deutschen Gebrauchsmuster DE 20 2006 017 XXX (Anlage B1, nachfolgend: DE ‚XXX) und beruht auf einem erfinderischen Schritt.
1.
Die DE ‚XXX offenbart einen Haarschmuck, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein handelsübliches Haargummi mittels „Umkehrschleife“ durch zwei Löcher am Haarschmuck lösbar verbunden ist. Veranschaulicht wird dies anhand der nachfolgend eingeblendeten Figur 4 der DE ‚XXX, die ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung zeigt.
In der DE ‚XXX nicht offenbart ist eine Öse, die die Löcher im Haarschmuck umfasst (Merkmal 1.b.aa. der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung). Das Haargummi wird bei dem in der DE ‚XXX gezeigten Haarschmuck vielmehr unmittelbar durch die Löcher im Haarschmuck geführt und dort mittels einer „Umkehrschleife“ befestigt.
Darüber hinaus zeigt die DE ‚XXX auch kein Schutzteil im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters (Merkmal 1). Wie oben bereits ausgeführt wurde, enthält der Begriff des Schutzteils (und ergänzend der Begriff der Schutzvorrichtung) eine konstruktive Vorgabe dahingehend, dass das Schutzteil in seiner räumlich-körperlichen Gestaltung solchermaßen ausgebildet sein muss, dass es geeignet ist, den Schutz der Haare zu gewährleisten, indem es jedenfalls einen Großteil der Haare bedeckt. Dem in der DE ‚XXX beschriebenen Schmuckteil ist demgegenüber keine derartige konstruktive Vorgabe zu entnehmen. Weder den Figuren, noch der Gebrauchsmusterbeschreibung lässt sich ein Hinweis entnehmen, dass der Haarschmuck dergestalt ausgebildet werden könnte, dass er einen Großteil von etwa schulterlangen Haaren umschließt und bedeckt.
2.
Es ist für den Fachmann nicht naheliegend, die Löcher mit einer Öse zu umfassen, um das Ausleiern der Löcher zu vermeiden. Die Gefahr des Ausleierns von Elementen wird in der DE ‚XXX durchaus gesehen, allerdings lediglich im Zusammenhang mit dem handelsüblichen Haargummi (vgl. DE ‚XXX, Abs. [0002], [0004]), das deshalb leicht austauschbar sein soll. In Bezug auf den Haarschmuck wird das Ausleiern nicht problematisiert, wohl auch, da ein Haarschmuck in der Regel leicht sein dürfte und ästhetisch ansprechend aussehen soll. Vor diesem Hintergrund ist ein Anlass für den Fachmann, die Löcher mit einer Öse zu umfassen, nicht ersichtlich. Die Ausführungen der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.09.2014 ändern an dieser Einschätzung nichts.
Nach den vorstehenden Ausführungen gibt die DE ‚XXX dem Fachmann auch keinen Anlass, den dort gezeigten Haarschmuck dergestalt auszubilden, dass er geeignet ist, dem Schutz der Haare zu dienen. Hintergrund der DE ‚XXX ist gerade nicht der Schutz der Haare, sondern deren Schmuck.
III.
Zwischen den Parteien steht zu Recht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform von dem in den Schutzansprüchen 1 bis 5 zum Ausdruck kommenden Gegenstand des Klagegebrauchsmusters unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch macht. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich.
IV.
Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagegebrauchsmusters ist, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagegebrauchsmusters berechtigt ist (§ 11 S. 2 GebrMG), rechtfertigen sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG einen Anspruch auf Unterlassung des weiteren Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform. Dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertrieben hat, steht zwischen den Parteien außer Streit. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr, dass sich in Zukunft weitere Rechtsverletzungen wiederholen werden, ergibt sich daraus, dass die Beklagte in der Vergangenheit die gebrauchsmustergeschützte Erfindung benutzt hat. Da sie hierzu nach § 11 S.2 GebrMG nicht berechtig war, ist sie zur Unterlassung verpflichtet.
2.
Weiterhin hat die Beklagte dem Grunde nach für Benutzungshandlungen seit dem 16.08.2013 Schadenersatz zu leisten, § 24 Abs. 2 S. 1 GebrMG. Die Beklagte beging die Gebrauchsmusterverletzung schuldhaft. Als Fachunternehmen hätte sie die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Gegen die Höhe der geltend gemachten Patentanwaltskosten für die Abmahnung vom 10.11.2013 bestehen keine Bedenken. Da die Klägerin nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann sie auch die Mehrwertsteuer erstattet verlangen. Die Beklagte befindet sich seit dem 28.03.2014 mit der Zahlung in Verzug und hat ab diesem Zeitpunkt gemäß § 288 Abs. 1 u. 2 BGB Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
V.
Anlass, den Rechtsstreit auszusetzen, besteht nicht. An der Rechtsbeständigkeit der geltend gemachten Kombination der Schutzansprüche 1 bis 5 des Klagegebrauchsmusters bestehen keine Zweifel (s.o.).
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.