Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Mai 2003, Az. 4a O 122/03
I.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 2. April 2003 – 4a 0 122/03 – wird bestätigt.
II.
Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des am 2. Februar 1981 unter Inanspruchnahme von 4 US-amerikanischen Prioritäten vom 4. Februar und 5. August 1980 unter anderem für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland angemeldeten europäischen Patents 0 033 538 (Anlage EVK1, nachfolgend: Ursprungspatent), dessen Anmeldung am 12. August 1981 und dessen Erteilung am 27. November 1985 veröffentlicht wurde.
Das Ursprungspatent betrifft bestimmte chemische Stoffe und Verfahren zu deren Herstellung. In seinem Anspruch 10 ist ein mit dem internationalen Freinamen RR bekannter Arzeimittelwirkstoff unter Schutz gestellt, durch den die körpereigene Synthese von Cholesterin gehemmt wird und sich der Cholesterinspiegel senken lässt.
Zu dem Ursprungspatent wurde der Antragstellerin mit Beschluss vom 1. Februar 1995 vom Deutschen Patentamt unter der Registernummer 193 75 002 für den Wirkstoff RR ein auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränktes, am 6. Mai 2003 endendes ergänzendes Schutzzertifikat (Anlage EVK3, nachfolgend: Streitschutzrecht) erteilt.
Wegen Verletzung des in Kraft stehenden Streitschutzrechtes nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch.
Der Cholesterin-Synthesehemmer RR wird von der Antragstellerin und deren Tochtergesellschaften unter der Marke Y und von einer Lizenznehmerin der Antragstellerin unter der Marke E2 weltweit vertrieben.
Nach einem Bericht der B-Zeitung vom 26. März 2003 (Anlage EVK15) beträgt der weltweite Jahresumsatz an Y 6 Milliarden US $. Nach dem unter der Marke T2 angebotenen Arzneimittelwirkstoff TT, dessen Schutzrechtsablauf gegenwärtig nicht abzusehen ist, handelt es sich um das im Jahr 2001 am zweithäufigsten verkaufte lipidsenkende Mittel.
Zur Einführung nachahmender Fertigarzneimittel (sog. Generika) bewilligte die Antragstellerin der I AG und der RtR GmbH an dem Streitschutzrecht seit dem Februar 2003 bestehende „early-entry“-Lizenzen.
Über den Ablauf des Streitschutzrechtes sind die angesprochenen Fachkreise spätestens seit dem 14. März 2003 informiert.
So heißt es in einem Beitrag der unter diesem Datum veröffentlichten März-Ausgabe der Fachzeitschrift S-Zeitung (Anlage EVK5) unter anderem:
„RR (Y u.a.) generisch- Kosten sparen, Therapie verbessern
Im Mai läuft auch in Deutschland das Patent des Cholesterin-Synthese (CSE)-Hemmers RR (Y u.a.) ab, im Juni das von L. (M.). Bei einem Gesamtvolumen von mehr als 1,4 Milliarden Euro (Apothekenabgabepreise) für CSE-Hemmer gerät ein beträchtliches Marktsegment in Bewegung. RR ist mit 415 Millionen (Mio.) Euro Jahresumsatz bezogen auf die Marktbedeutung hinter TT (T2) der zweitwichtigste CSE-Hemmer, was die Absicherung des klinischen Nutzens betrifft jedoch der wichtigste.
Auf der Basis von Lizenzverträgen ist RR schon jetzt vor Patentablauf („early-entry“) von I/RtR (K.L) -je nach Packungsgröße – 27% bis 43% unter den Preisen von G./E2 eingeführt worden. RR-Präparate anderer Hersteller werden ab Mai zusätzlich für Wettbewerb sorgen…
Nur drei der fünf angebotenen CSE-Hemmer (RR, Pravastatin und L.) sind in randomisierten kontrollierten Langzeitstudien mit „harten“ klinischen Endpunkten wie Herzinfarkte geprüft. RR und Pravastatin wirken bei Patienten mit manifesten atherosklerotischen Erkrankungen nachweislich lebensverlängernd…
RR kommt eine Sonderstellung zu, da es in der größten randomisierten Interventionsstudie, der 2002 veröffentlichten Heart Protection Study (HPS), nicht nur das Risiko koronarer Ereignisse verringert, sondern auch die Gefahr ischämischer Schlaganfälle und peripherer revaskularisierender Eingriffe …
Durch komplette Umstellung von G./E2 auf die neuen Nachfolgeprodukte lassen sich die Behandlungskosten um jährlich 155 Mio. Euro senken.
…“
In dem bereits genannten Beitrag der B-Zeitung vom 26. März 2003 (Anlage EVK15) wird berichtet:
„Deutschlands Ärzte können sich auf etwas gefasst machen. …
Es geht um zwölf Millionen Rezepte, auf denen bislang immer „Y“ stand – das macht 400 Mio. € Umsatz jährlich. Y ist ein Cholesterinsenker, der am 15. März in Deutschland Konkurrenz bekommen hat von billigen Nachahmerprodukten – so genannte Generika. Ab dem 6. Mai werden 20 Generikahersteller eine Kopie des erfolgreichen Medikaments anbieten.
…“
Die Antragsgegnerin, der in Deutschland führende Anbieter von Generika, beabsichtigt ein Präparat mit dem Arzneimittelwirkstoff RR nach Ablauf des Streitschutzrechtes auf dem deutschen Markt in den Verkehr zu bringen.
Am 12. März 2003 ließ sie in dem Fachblatt V-Zeitung eine Anzeige (Anlage EVK10) veröffentlichen, in der es heißt:
„17%
Bis zu 17% kann das Serum-Cholesterin durch eine pektinreiche Ernährung gesenkt werden.
50g Pektin /Tag (in vier bis sechs grünen Äpfeln enthalten) reichen schon aus.
In wenigen Wochen kommt der Cholesterinsenker von P33.
Haben Sie Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie an ####@##.##“
In der V-Zeitung vom 21./22. März 2003 ließ die Antragsgegnerin folgende Anzeige (Anlage EVK11) veröffentlichen:
„20%
20% der Koronarerkrankten sind Raucher. Rauchen trägt zu einem erhöhten Cholesterinspiegel bei.
In Kürze kann Ihnen unserer Cholesterinsenker helfen.“
Weiter heißt es in der V-Zeitung vom 24. März 2003 (Anlage EVK12):
„21%
Um 21% senkt eine cholesterinsenkende Therapie die Gesamtmortalität.
In wenigen Wochen unterstützt Sie dabei unser Cholesterinsenker.“
Schließlich wurde in der V-Zeitung vom 10. April 2003 (Anlage EVK22) folgende Anzeige der Antragsgegnerin veröffentlicht:
„65%
65% der Allgemeinärzte präferieren P33 deutlich gegenüber anderen Arzneimittelherstellern.
Ab 7. Mai können Sie auch unseren
Cholesterinsenker nutzen.
Wegen der weiteren Aufmachung dieser Anzeigen wird auf die hierzu von der Antragstellerin als Anlagen EVK10 bis EVK12 und EVK22 in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Zeitschriftenausschnitte verwiesen.
Unter Hinweis auf ihr bis zum 6. Mai 2003 in Kraft stehendes Streitschutzrecht forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 12. März 2003 (Anlage AG1) wegen der am gleichen Tag in der V-Zeitung veröffentlichten Anzeige (Anlage EVK10) zur Abgabe einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Diese Aufforderung wies die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14. März 2003 (Anlage EVK14) zurück.
Die Antragstellerin sieht in den zuvor dargelegten Anzeigen eine unberechtigte Benutzung des Streitschutzrechtes.
Sie macht geltend, aufgrund der Presseberichterstattung und der von ihren „early-entry“-Lizenznehmern geschalteten Werbung stehe es für die angesprochenen Verkehrskreise außer Zweifel, dass es sich bei dem von der Antragsgegnerin angekündigten Cholesterinsenker um ein Generikum zum Arzneimittelwirkstoff RR handele.
Auf einen am 27. März 2003 bei Gericht eingegangenen Antrag ist es der Antragsgegnerin durch Beschluss der Kammer vom 2. April 2003 untersagt worden, ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff RR anzubieten mit dem Hinweis, dass in wenigen Wochen ihr Cholesterinsenker erhältlich sei.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 10. April 2003 Widerspruch eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
den Widerspruch der Antragsgegnerin zurückzuweisen
und
die einstweilige Verfügung vom 2. April 2003 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 2. April 2003 aufzuheben
und
den Antrag der Antragstellerin vom 27. März 2003 zurückzuweisen.
Sie wendet ein, die angegriffenen Zeitungsanzeigen seien nicht darauf gerichtet, den hierin angekündigten Cholesterinsenker während der Restlaufzeit des Streitschutzrechtes herzustellen oder in den Verkehr zu bringen. Aus den Anzeigen seien Informationen, wie beispielsweise zur Produktbezeichnung, Darreichungsform, Dosierung, Indikation, Packungsgröße und zum Verkaufspreis nicht zu ersehen. Für eine Bestellung des Cholesterinsenkers vor Ablauf des Streitschutzrechtes seien die in den Anzeigen enthaltenen Informationen nicht ausreichend. Solche vorzeitigen Bestellungen seien von ihr -der Antragsgegnerin- auch nicht intendiert.
Hilfsweise macht die Antragsgegnerin geltend, wenn den angesprochenen Verkehrskreisen durch die einschlägige Presseberichterstattung ohnehin bekannt sei, dass mit Ablauf des Streitschutzrechtes entsprechende Generika auf dem Markt vertrieben würden, könne ihre Ankündigung, ein solches Generikum anbieten zu wollen, keine Verletzung des Streitschutzrechtes darstellen.
Die Antragstellerin tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der nach den §§ 936, 940, 924 Abs. 1 ZPO statthafte Widerspruch hat keinen Erfolg.
Das Widerspruchsvorbringen der Antragsgegnerin gibt keinen Anlass, die Beschlussverfügung vom 2. April 2003 aufzuheben.
Der Antragsgegnerin ist es zu Recht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes untersagt worden, Anzeigen mit dem dort beschriebenen Inhalt zu veröffentlichen.
Nach dem § 940 ZPO kann eine einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn sie unter anderem zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
I.
Die Antragsgegnerin ist nach den §§ 9 Nr. 1, 14, 16a, 139 Abs. 1 PatG gegenüber der Antragstellerin dazu verpflichtet, eine Veröffentlichung von Anzeigen mit dem angegriffenen Inhalt zu unterlassen. Ungeachtet dessen, dass der dort angekündigte Cholesterinsenker den angesprochenen Fachkreisen erst nach Ablauf des Streitschutzrechtes zur Verfügung gestellt werden soll, stellen die Anzeigen einen widerrechtlichen Eingriff in das der Antragstellerin zustehende Ausschließlichkeitsrecht dar.
Nach dem § 9 Nr. 1 PatG, der gemäß § 16a Abs. 2 PatG auch für ergänzende Schutzzertifikate gilt, haben entsprechende Schutzrechte die Wirkung, dass es einem Dritten ohne die Zustimmung des Schutzrechtsinhabers unter anderem verboten ist, ein Erzeugnis, das Gegenstand des Schutzrechtes ist, anzubieten.
Die Benutzungshandlung des Anbietens im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG ist nicht auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches beschränkt (BGH, GRUR 1962, 86 -Fischereifahrzeug). Als patentverletzendes Anbieten ist vielmehr jede Handlung anzusehen, die Dritte dazu anregen soll, ein Erzeugnis oder ein Verfahren zum Eigentum oder zur Benutzung zu erwerben (Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 PatG, Rz. 42). Dies setzt nicht voraus, dass der angebotene Gegenstand bereits fertig vorhanden ist (BGH, GRUR 1960, 423, 425 -Kreuzbodenventilsäcke; BGH, GRUR 1969, 35 -Europareise).
Wie das Landgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 5. Juni 2001 (InstGE 1, 19, 21f. -Antihistamine) ausgeführt hat, stellt auch das Anbieten eines Gegenstandes, der erst nach Ablauf eines Schutzrechtes hergestellt und/oder geliefert werden soll, eine Verletzungshandlung im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG dar. Nach der Gesetzesfassung ist das Anbieten nicht als bloße Vorbereitungshandlung für eine Schutzrechtsverletzung durch Herstellen oder Vertreiben ausge-staltet, sondern als selbstständige, gleichwertig neben die anderen Handlungsformen tretende Benutzungsart konzipiert. Darauf, ob der Gegenstand im Anschluss an das Angebot tatsächlich hergestellt oder vertrieben wird, kommt es daher für die Frage, ob ein Angebot vorliegt, nicht an. Hiervon ausgehend kann es erst recht keine Rolle spielen, ob die Herstellung oder Lieferung, wenn sie gleichwohl erfolgt, ihrerseits schutzrechtsverletzend ist oder schutzrechtsfrei geschieht. Selbst wenn dem Angebot keine Lieferung nachfolgt, ändert dies nichts an dem bereits verwirklichten Tatbestand, dass das Erzeugnis schutzrechtsverletzend angeboten worden ist.
Dies gilt unbeschadet der Rechtsprechung, wonach ein Angebot im Sinne von § 9 Nr. 1 PatG die alsbaldige Herstellung und Lieferung des Erzeugnisses durch einen hierauf eingerichteten Betrieb des Anbietenden zum Gegenstand haben muss (BGH, GRUR 1960, 423, 425 -Kreuzbodenventil-säcke). Gefordert wird hiernach lediglich die allgemeine Fähigkeit des Anbietenden zur Herstellung und Lieferung, nicht aber, dass nach dem Angebot der angebotene Gegenstand tatsächlich in jedem Einzelfall hergestellt und/oder geliefert wird. Mit dem Erfordernis einer generellen Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft sollen lediglich solche Angebote als schutzrechtsverletzend ausgeschlossen werden, die von vornherein nicht ernst gemeint sein können, weil dem Anbietenden die Voraussetzungen dafür fehlen, sein mit dem Angebot zum Ausdruck gebrachtes Erbieten in die Tat umzusetzen. Wollte man das Anbieten weiter einschränkend immer nur dann als schutzrechtsverletzend ansehen, wenn es auch zur Herstellung oder Lieferung des angebotenen Gegenstandes führt, würde die Verletzungsform des Anbietens entgegen der gesetzgeberischen Absicht zu einer bloßen Vorbereitungshandlung für die Benutzungsarten des Herstellens und Vertreibens herabgesetzt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die angegriffenen Anzeigen einen unberechtigten Eigriff in das der Antragstellerin nach den §§ 9 Nr. 1, 16a PatG zustehende Ausschließlichkeitsrecht dar.
Für die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich um Ärzte, Apotheker und Pharmahändler bzw. -vertreter handelt, steht es außer Zweifel, dass es sich bei dem dort angekündigten Cholesterinsenker um ein Generikum handelt, das von dem Streitschutzrecht wortlautgemäßen Gebrauch macht. Dies wird von der Antragsgegnerin zutreffend nicht in Abrede gestellt und ergibt sich im Übrigen aus der einschlägigen Fachpresse, in der den Fachkreisen ein Ablauf des Streitschutzrechtes zum 6. Mai 2003 und ein hieran zwischen den Herstellern entsprechender Generika anschließender Wettbewerb angekündigt worden ist. Wenn die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund dieser Presseberichterstattung ankündigt, in Kürze einen Cholesterinsenker in den Verkehr bringen zu wollen und den Zeitpunkt des Inverkehrbringens in ihrer Anzeige vom 10. April 2003 (Anlage EVK22) auf den 7. Mai 2003, folglich den Ablauf des Streitschutzrechtes konkretisiert, so ist es den angesprochenen Verkehrskreisen klar, dass es sich hierbei um ein Generikum zu dem Streitschutzrecht handeln wird. Ein anderes Verständnis erschließt sich nicht aus dem Beitrag in der Zeitschrift X-Tele vom 14. März 2003 in dem es heißt, dass neben dem Streitschutzrecht im Juni der für das lipidsenkende Mittel L. (M.) bestehende Patentschutz auslaufen wird. Ein Ablaufen der Schutzzeit für L. werden die angesprochenen Fachkreise schon deshalb nicht mit den angegriffenen Anzeigen in Verbindung bringen, weil es weniger zeitnah zu den Anzeigen erfolgen wird, als das Ende des Streitschutzrechtes. Wie die Antragstellerin durch mehrere zur Gerichtsakte gereichte Publikationen nachgewiesen hat, handelt es sich bei L. im Übrigen um einen Arzneimittelwirkstoff, dessen wirtschaftliche und pharmazeutische Bedeutung weit hinter dem Streitschutzrecht zurücksteht. Nach dem Arzneimittelverordnungsreport 2002 (Anlage EVK18) lagen die im Übrigen deutlich rückläufigen Umsätze mit M. etwa 75% unter denjenigen, die mit dem Streitschutzrecht erwirtschaftet worden sind. Folgerichtig ist die Presseberichterstattung zur Einführung entsprechender Generika nahezu ausnahmslos auf das Streitschutzrecht gerichtet. L. (M.) wird lediglich beiläufig erwähnt. Zu diesem Arzeimittelwirkstoff heißt es in einem Bericht der V-Zeitung vom 19. März 2003 (Anlage EVK7), es habe sich um den ersten Treffer zur Hemmung der Cholesterin-Biosynthese. Wie in dem Bericht weiter ausgeführt wird, ist mit dem Streitschutzrecht erstmals nachgewiesen worden, das ein CSE-Hemmer Leben rettet. Nach der Einführung von dem Streitschutzrecht entsprechenden Generika würden Experten einen weiteren Schub für die kardiovaskuläre Prävention erwarten.
Einem Eingriff in das der Antragstellerin zustehende Ausschließlichkeitsrecht steht nicht entgegen, dass der in den angegriffenen Anzeigen beworbene Cholesterinsenker nicht näher, beispielsweise hinsichtlich seines Arzneimittelnamens, seiner Darreichungsform, Dosierung, Packungsgröße, Indikation und seines Verkaufspreises individualisiert wird. Abgesehen davon, dass sie den angesprochenen Verkehrskreisen solche Angaben mit ihren Mitteilungen zu der am 1. Mai 2003 für den Pharmabereich veröffentlichten Lauer-Taxe (Anlage EVK24) vor Ablauf des Streitschutzrechtes zugänglich gemacht hat, rechtfertigt bereits die Ankündigung der auf dem Gebiet des Vertriebs von Generika führenden Antragsgegnerin, sie wolle mit dem Ablauf des Streitschutzrechtes ein cholesterinsenkendes Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff RR in den Verkehr bringen, die Annahme, dass Apotheken und Pharmagroßhändler zumindest davon absehen werden, größere Bestellungen bei der Antragstellerin und deren Lizenznehmerin aufzugeben. Sie werden statt dessen dazu neigen, ihre Vorräte nur noch in dem Maße zu ergänzen, wie dies voraussichtlich erforderlich ist, um bis zum Ablauf des Streitschutzrechtes und der sodann bestehenden Verfügbarkeit des angekündigten preiswerteren Generikums lieferbereit zu bleiben. Eventuelle Unklarheiten zu dem angekündigten Cholesterinsenker vermögen sie durch Rückfragen bei ihrem Pharmazulieferer oder direkt bei der Antragsgegnerin aufzuklären. Solchen Rückfragen werden ihnen in der Anzeige vom 12. März 2003 (Anlage EVK10) unter Angabe einer e-mail-Adresse nahegelegt.
Durch die bereits während der Schutzrechtslaufzeit von der Antragsgegnerin veröffentlichten Angebotsanzeigen wird daher spürbar in die ausschließlichen Verwertungsrechte der Antragstellerin eingegriffen, und zwar unbeschadet der Ankündigung, den Cholesterinsenker erst nach Ablauf des Streitschutzrechtes in den Verkehr bringen zu wollen. Derartiges ist mit der Belohnungsfunktion des Patents und des ergänzenden Schutzzertifikates für den Erfinder nicht zu vereinbaren.
Dies gilt unbeschadet der von der Antragstellerin zugunsten der I AG und der RtR GmbH an dem Streitpatent bewilligten „early-entry“-Lizenzen. Durch die Vergabe dieser Lizenzen hat die Antragstellerin die ihr aus dem Streitpatent zustehenden Rechte nicht aufgegeben. Es gehört zu dem Wesen gewerblicher Schutzrechte, dass es allein Sache des Schutzrechtsinhabers ist, zu bestimmen, ob und in welchem Umfang es Dritten erlaubt ist, von dem Gegenstand des Schutzrechtes Gebrauch zu machen.
II.
Den ihr nach den §§ 9 Nr. 1, 16a, 139 Abs. 1 PatG zustehenden Anspruch kann die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen, § 940 ZPO. Die bei der Prüfung des Eilbedürfnisses vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den Belangen der Antragstellerin als Schutzrechtsinhaberin und denen der Antragsgegnerin, die sich im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einem ihre wirtschaftliche Betätigung nachhaltig beeinträchtigenden Unterlassungsverlangen gegenüber sieht, hat schon deshalb zugunsten der Antragstellerin auszufallen, weil der Rechtsbestand des Streitschutzrechtes unstreitig ist, der Verletzungstatbestand von der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht nicht in Abrede gestellt wird, die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen hinreichend sicher zu beurteilen sind und das Streitschutzrecht kurz vor seinem Erlöschen durch Zeitablauf steht. In einer solchen Situation kann der bestehende Unterlassungsanspruch gerichtlich sinnvoll nur noch in einem Eilverfahren geltend gemacht werden, wohingegen eine Verweisung der Antragstellerin auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens einer dem Art. 19 Abs. 4 GG widersprechenden Verweigerung effektiven Rechtsschutzes gleichkommen würde.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Der Streitwert beträgt 2 Mio. Euro.
N3 L O