4b O 80/02 – Kunststoffrohr

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 116

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Dezember 2002, Az. 4b O 80/03

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.900,– EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 39 03 436 (Klagepatent, Anlage K 1), dessen Erteilung am 2. Februar 1995 veröffentlicht wurde. Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von der H AG Nichtigkeitsklage (Anlage B 7) beim Bundespatentgericht erhoben. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffrohren. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Verfahren zur Herstellung von Kunststoffrohren, insbesondere für Fußbodenheizungsanlagen und für die Trinkwasserversorgung, die aus einem Polyethylengrundkörper, einer auf den Außenumfang dieses Grundkörpers aufgebrachten Haftvermittlerschicht und auf dieser aufgebrachten Sauerstoffsperrschicht aufgebaut sind, wobei nach der Extrusion des Grundkörpers und der Beschichtung mit Haftvermittler und Sauerstoffsperrschicht das fertige, aus mehreren Schichten bestehende Kunststoffrohr einer Elektronenstrahlvernetzung unterworfen wird, so dass ein im wesentlichen homogenes vernetztes Rohr entsteht, welches neben dem Polyethylengrundkörper aus den Materialien PE‑HD bzw. PE‑MD mit den funktionellen Gruppen PE­‑ter‑Polymer bzw. PE‑Copolymer mit einer Sauerstoffsperre aus Ethylen-Vinylalkohol besteht.“

Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „Cxxx“ ein Kunststoffrohr, das für Fußbodenheizungen verwendet wird und von dem die Klägerin als Anlage K 5 ein Originalmuster zur Akte gereicht hat. Das Kunststoffrohr weist drei Schichten auf, nämlich einen Grundkörper aus Polyethylen, eine sauerstoffundurchlässige äußere Schicht aus Ethylen‑Vinylalkohol und eine diese beiden Schichten verbindende Haftvermittlungsschicht. Die nachfolgend wiedergegebenen, von der Klägerin stammenden Schnittbildzeichnungen (Anlage K 7) veranschaulichen den Schichtaufbau.

Als Haftvermittler verwendet die Beklagte das Produkt ADMER NF 468 E., ein lineares Low Density Polyethylen (L-LDPE), das mit Maleinsäureanhydrid gepfropft ist und es dadurch bei der Herstellung ermöglicht, eine chemische Bindung zwischen dem Polyethylengrundkörper und der Sauerstoffsperrschicht aus Ethylen-Vinylalkohol herzustellen. Bei der Herstellung des Rohres werden sämtliche Schichten einer Elektronenstrahlenvernetzung unterzogen.

Die Klägerin sieht durch Herstellung und Vertrieb des vorbezeichneten Kunststoffrohres ihre Rechte aus dem Klagepatent als verletzt an und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend: Wie der Fachmann insbesondere den Darlegungen der Klagepatentschrift zum Ausführungsbeispiel (Spalte 3, Zeilen 30 ff.) entnehmen könne, soll der Grundkörper aus Polyethylen hoher (PE-HD) oder mittlerer (PE-MD) Dichte bestehen. Der Haftvermittler könne demgegenüber auch auf Grundlage eines Polyethylens niedriger Dichte (PE‑LD), wie es bei dem von der Beklagten verwendeten Produkt ADMER NF 486 E. der Fall sei, gebildet werden. Dem Fachmann sei klar, dass unabhängig von der Dichte an Polyethylen die erfindungsgemäßen funktionellen Gruppen angelagert werden können, um so ein Polymerisationsprodukt (PE-ter-Polymer bzw. PE-Copolymer), also ein modifiziertes Polyethylen bestehend aus Polyethylen mit den angelagerten funktionellen Gruppen zu erhalten, welche in der Lage sind, mit der Sauerstoffsperrschicht eine chemische Haftverbindung einzugehen. Mangels technischer Notwendigkeit habe der Fachmann demgemäß keinen Anlass, die technische Lehre des Klagepatents dahingehend zu verstehen, die Haftvermittlerschicht müsse aus den Materialien PE-HD bzw. PE-MD bestehen. Die gegenteilige, erst im Rahmen des Erteilungsverfahrens eingefügte Äußerung in der Patentbeschreibung (Spalte 2, Zeilen 53 – 57) stelle keine konforme Beschreibung der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre dar. Dies sei für den Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und mit Rücksicht auf das Ausführungsbeispiel der Klagepatentschrift offenkundig.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– € ‑ ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

a) ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffrohren, insbesondere für Fußbodenheizungsanlagen und für die Trinkwasserversorgung, die aus einem Polyethylen-grundkörper, einer auf dem Außenumfang dieses Grundkörpers aufgebrachten Haftvermittlerschicht und auf diese aufgebrachten Sauerstoffsperrschicht aufgebaut sind,

anzuwenden,

bei dem nach der Extrusion des Grundkörpers und der Beschichtung mit Haftvermittler und Sauerstoffsperrschicht das fertige, aus mehreren Schichten bestehende Kunststoffrohr einer Elektronenstrahlvernetzung unterworfen wird, so dass ein im wesentlichen homogenes vernetztes Rohr entsteht, welches neben dem Polyethylengrundkörper aus den Materialien PE‑HD bzw. PE‑MD mit den funktionellen Gruppen PE-ter-Polymer bzw. PE‑Copolymer mit einer Sauerstoffsperrschicht aus Ethylen‑Vinylalkohol besteht;

b) nach dem unter a) beschriebenen Verfahren unmittelbar hergestellte Kunststoffrohre anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. ihr Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 2. März 1995 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, ‑zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, ‑zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 2. März 1995 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte bestreitet den Patentverletzungsvorwurf unter Hinweis darauf, dass ein Haftvermittler mit niedriger Dichte (PE-LD) wie das von ihr verwendete ADMER NF 468 E. der Lehre des Klagepatents nicht unterfalle. Dass der Grundkörper aus einem Polyethylen höherer Dichte bestehe, sei nicht ausreichend. Auch sei ihr nicht bekannt, dass das Pfropfen von Polyethylen niedriger Dichte mit Maleinsäureanhydrid die Bildung einer erfindungsgemäßen funktionellen Gruppen PE-Copolymer bzw. PE-ter-Polymer zur Folge habe.

Jedenfalls werde sich das Klagepatent – so meint die Beklagte – im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass zumindest der hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag gerechtfertigt sei.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz nicht zu, da das angegriffene Herstellungsverfahren von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch macht.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffrohren, die insbesondere für Fußbodenheizungsanlagen und für die Trinkwasserversorgung eingesetzt werden können.

Nach den einleitenden Darlegungen der Klagepatentschrift besteht insbesondere bei Fußbodenheizungsanlagen das Bedürfnis, die Rohre mit einer Sauerstoffsperre zu beschichten, um eine Sauerstoffdiffusion in das Heizungswasser zu verhindern, da eine solche Diffusion zur Korrosion der Metallteile der Heizungsanlage führen würde. Eine Sauerstoffsperre kann z.B. durch die Beschichtung des Rohres mit Ethylen-Vinylalkohol (EVOH) erreicht werden.

Aus dem Stand der Technik (GB 1 141 670, Anlage B 1) ist es bekannt, zur Herstellung von Kunststoffrohren einen Extruder zu verwenden, der es erlaubt, mehrere koaxiale Schichten auf ein Rohr aufzubringen. Die Klagepatentschrift verweist außerdem auf die EP 02 80 066 (Anlage B2), nach der vorbekannt ist, ein Kunststoffrohr aus drei Schichten aufzubauen, wobei die innere Schicht aus einem Polyolefin besteht und den Grundkörper bildet und zusätzlich eine Sauerstoffsperrschicht sowie eine Haftvermittlerschicht vorgesehen sind. Durch gemeinsames Extrudieren aller drei Schichten werden diese miteinander verbunden. Weiter ist aus der DE 3 50 349 (Anlage B3) ein Verfahren vorbekannt, bei dem eine sauerstoff- und feuchtigkeitsundurchlässige Sperrschichtfolie durch Koextrusion einer Schicht eines Basismaterials, einer Klebemittelschicht und einer Schicht aus einem Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer hergestellt wird. Außerdem zählt zum Stand der Technik das in der DE 33 10 294 (Anlage B4) offenbarte Verfahren, ein Verbundrohr mittels eines chemischen Vernetzungsverfahrens als Ganzes zu vernetzen. Nachteilig ist hieran allerdings, dass eine Kontaminierung des Endprodukts mit chemischen Zersetzungsrückständen nicht ausgeschlossen werden kann.

Physikalische Vernetzungsverfahren kommen ohne Chemikalien aus und vermeiden daher den vorbezeichneten Nachteil. Den Darlegungen der Klagepatentschrift zufolge wird in der Praxis als physikalisches Vernetzungsverfahren bislang nur die sog. Elektronenstrahlvernetzung durchgeführt. Bei diesem Vernetzungsverfahren ist insbesondere die hohe Gleichmäßigkeit des Vernetzungsgrades und die niedrige Temperatur, die die vorteilhafte Struktur des Rohres bei der Vernetzung erhält, vorteilhaft. Wird der Polyethylengrundkörper allerdings erst nach der Durchführung des Vernetzungsverfahrens beschichtet, kann der vorbezeichnete Vorteil teilweise zunichte gemacht werden, da beim Beschichten das vernetzte Polyethylenrohr erneut aufgeheizt wird, wodurch Veränderungen in der Molekülstruktur des Rohres auftreten können. Ein Verfahren, bei dem zunächst der Grundkörper vernetzt wird und sodann die Beschichtung aufgebracht wird, ist zudem arbeits- und zeitaufwendig und mit erheblichen Kosten verbunden an, da eine Vielzahl von Verfahrensschritten durchgeführt werden müssen.

Trotz der vorbezeichneten Nachteile ist nach der Patentbeschreibung die Elektronenstrahlvernetzung im Stand der Technik bisher nur auf den Rohrgrundkörper angewandt worden. Dies hat seine Ursache darin, dass die Vernetzung eines Polyethylenrohres mit dem Entstehen von Wasserstoff verbunden ist. Sofern sich auf dem Polyethylenrohr eine weitere Schicht – beispielsweise eine Haftvermittlerschicht – befindet, bildet der austretende Wasserstoff Bläschen, welche zu einer inhomogenen Verbindung der äußeren Schicht auf dem Basisrohr führt und die Gefahr der Ablösung der auf dem Grundkörper angebrachten Schichten begründet.

Ausgehend davon liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, das Verfahren so zu führen, dass trotz des austretenden Wasserstoffs ein homogenes, mit einer Sauerstoffsperrschicht versehenes Kunststoffrohr entsteht. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Verfahren zur Herstellung von Kunststoffrohren, insbesondere für Fußbodenheizungsanlagen und für Trinkwasserversorgung

(2) Die Kunststoffrohre bestehen aus:

(2.1) einem Polyethylengrundkörper,

(2.2) einer auf dem Außenumfang dieses Grundkörpers aufgebrachten Haftvermittlerschicht und

(2.3) einer auf dieser aufgebrachten Sauerstoffsperrschicht.

(3) Das Verfahren umfasst:

(3.1) Extrusion des Grundkörpers,

(3.2) anschließende Beschichtung mit Haftvermittler und Sauerstoffsperrschicht,

(3.3) das aus mehreren Schichten bestehende Kunststoffrohr wird einer Elektronenstrahlvernetzung unterworfen.

(3.4) Hierbei entsteht ein

(3.4.1) im wesentlichen homogenes vernetztes Rohr,

(3.4.2) welches neben dem Polyethylen-grundkörper aus den Materialien PE-HD bzw. PE-MD mit den funktionellen Gruppen PE-ter-Polymer bzw. PE-Copolymer mit einer Sauerstoffsperre aus Ethylen-Vinylalkohol besteht.

Das erfindungsgemäße Verfahren sieht also vor, dass zunächst das Rohr komplett hergestellt wird, wobei auf dem unvernetzten Polyethylengrundkörper ein Haftvermittler und eine Sauerstoffsperre aufgebracht wird. Dieses Halbfertigprodukt wird dann mittels Elektronenstrahlvernetzung vernetzt. Den Ausführungen der Klagepatentschrift zufolge hat sich überraschenderweise herausgestellt, dass beim erfindungsgemäßen Verfahren eine schädliche Bläschenbildung nicht mehr auftritt. Die erfindungsgemäße Mischung führt offenbar dazu, dass der Wasserstoff den Kunststoff nicht mehr durchdringen kann und durch den Rohrinnenraum abgeführt wird. Die Verbindung zwischen der Sauerstoffsperrschicht und dem Basisrohr wird dabei so homogen, dass man den Herstellungsvorgang praktisch als abgeschlossen betrachten kann.

II.

Das angegriffene Verfahren macht von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Es fehlt an einer Verwirklichung des Merkmals 3.4.2, nach dem bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ein Rohr entsteht,

welches neben dem Polyethylengrundkörper aus den Materialien PE‑HD bzw. PE‑MD mit den funktionellen Gruppen PE-ter-Polymer bzw. PE‑Copolymer mit einer Sauerstoffsperre aus Ethylen-Vinyl-alkohol besteht.

Bei der angegriffenen Ausführungsform besteht der Rohrgrundkörper zwar unstreitig aus Polyethylen und wird als Sauerstoffsperre Ethylen-Vinylalkohol eingesetzt; die Beklagte verwendet jedoch keinen erfindungsgemäßen Haftvermittler.

Bei dem beanstandeten Rohr wird das Produkt ADMER NF 468 E. als Haftvermittler verwendet. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Form eines PE-LD (Low Density Polyethylen). Merkmal 3.4.2 verlangt jedoch, dass der Haftvermittler aus den Materialien PE-HD oder PE-MD bestehen muss. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die im Patentanspruch genannte Materialauswahl von PE-HD bzw. PE-MD nicht (lediglich) auf den Grundkörper, sondern (auch) auf den Haftvermittler zu beziehen.

Gegen die Auslegung der Klägerin lässt sich insoweit bereits der Anspruchswortlaut heranziehen, welcher bezogen auf den dreischichtigen Rohraufbau bestehend aus Grundkörper, Haftvermittlerschicht und Sauerstoffsperrschicht (vgl. Merkmal 2) naheliegend dahingehend zu lesen ist, dass infolge des erfindungsgemäßen Verfahrens – trotz der drei Schichten – ein homogen vernetztes Rohr entsteht, wobei das Rohr neben dem aus Polyethylen gebildeten Grundkörper besteht aus den Materialien PE-HD bzw. PE-MD mit den funktionellen Gruppen PE-ter-Polymer bzw. PE‑Copolymer – als Haftvermittler – sowie aus einer Sauerstoffsperre aus Ethylen-Vinylalkohol. Denn kommt gerade den vorbezeichneten funktionellen Gruppen die Haftvermittlungsfunktion zur Sauerstoffsperre zu, bringt für den Fachmann die Wendung, dass die Materialien PE-HD bzw. PE‑MD mit den funktionellen Gruppen ausgestattet sind, unzweifelhaft zum Ausdruck, dass PE-HD bzw. PE-MD Basis für die Haftvermittlung sein soll.

Dem steht nicht entgegen, dass PE-ter-Polymer bzw. PE-Copolymer nach dem Vorbringen der Klägerin aus Sicht des Fachmanns lediglich das Polymerisationsprodukt bestehend aus Polyethylen und den angelagerten funktionellen Gruppen für die Haftvermittlung zur Sauerstoffsperrschicht bezeichnen. Denn selbst unter Berücksichtigung dessen sind die funktionellen Gruppen den Materialien PE-HD bzw. PE-MD zugeordnet, so dass der Fachmann die Bezeichnung PE-ter-Polymer bzw. PE-Copolymer lediglich als Hinweis auf das Polymerisationsprodukt infolge der Anlagerung begreifen wird.

Das Verständnis der Klägerin, die in Merkmal 3.4.2 genannten funktionellen Gruppen seien nur auf die bezeichneten Polymerisationsprodukte zu beziehen, wird der Fachmann jedenfalls aber mit Rücksicht auf die Ausführungen der Klagepatentschrift in Spalte 2, Zeilen 53 – 57 verwerfen, wo es heißt:

„Auf den unvernetzten Polyethylengrundkörper wird ein Haftvermittler aus den Materialien PE-HD bzw. PE-MD mit den funktionellen Gruppen PE‑ter-primär“ – gemeint ist ersichtlich PE-ter-Polymer – „bzw. PE‑Copolymer und eine Sauerstoffsperre aus Ethylen-Vinylalkohol aufgebracht.“

Diese im Rahmen der allgemeinen Patentbeschreibung gemachten Ausführungen bestätigen unzweideutig die eingangs erläuterte Auslegung des Anspruchswortlauts. Eine fehlerhafte Umschreibung der in Patentanspruch 1 niedergelegten Lehre lässt sich dementsprechend entgegen der Ansicht der Klägerin nicht feststellen. Dass die Beschreibungsstelle in den Anmeldeunterlagen noch nicht vorhanden war, ist unbeachtlich. Zum einen handelt es sich bei den Anmeldeunterlagen um kein bei der Schutzbereichsbestimmung zu berücksichtigendes Auslegungsmaterial und zum anderen lässt sich das nachträgliche Einfügen der Beschreibungsstelle auch als Indiz dafür bewerten, dass im Erteilungsverfahren die Notwendigkeit gesehen wurde, ausdrücklich klarzustellen, woraus der erfindungsgemäße Haftvermittler besteht.

Die Klägerin kann sich zum Beleg der von ihr vertretenen Ansicht, dass nur der Grundkörper, nicht aber auch die Haftvermittlerschicht aus PE-HD bzw. PE-MD bestehen muss, nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Beschreibungsstelle zum Ausführungsbeispiel (Spalte 3, Zeilen 26 – 29) berufen, in welcher ausgeführt wird:

„Das Rohr, welches aus den Materialien PE-HD bzw. PE-MD mit den funktionellen Gruppen PE-ter-Polymer bzw. PE-Copolymer mit einer Sauerstoffsperre … besteht, wird in einem Extruder … hergestellt.“

Auch diese Formulierung zieht nicht in Zweifel, dass den Materialien PE‑HD bzw. PE-MD die funktionellen Gruppen zugeordnet sind. Darüber hinaus ist die Stelle lediglich geeignet zu belegen, dass neben dem Haftvermittler der Grundkörper des Rohres ebenfalls aus PE-HD bzw. PE-MD bestehen kann.

Schließlich lässt sich auch aus der technischen Funktion des Einsatzes der Materialien PE-HD bzw. PE-MD für das erfindungsgemäße Verfahren kein Anhaltspunkt zugunsten des Standpunkts der Klägerin herleiten, der Fachmann ordne die Materialien allein dem Grundkörper und nicht (auch) dem Haftvermittler zu. Da in der Patentbeschreibung (Spalte 2, Zeilen 61 f.) lediglich pauschal ausgeführt ist, dass die „erfindungsgemäß vorgesehene Mischung“ überraschenderweise zu keiner schädlichen Bläschenbildung führt, wird sich der Fachmann mangels näherer Erläuterung des Ursachenzusammenhangs im Zweifel eng an den Wortlaut des Patentanspruchs 1 halten und sich davon abgehalten sehen, diesen abweichend von den Ausführungen in der allgemeinen Patentbeschreibung zu interpretieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 550.000,00 EUR.

Dr. R1 M Dr. I