4a O 22/13 – Behälterverschlussstopfen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2267

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. September 2014, Az. 4a O 22/13

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

TATBESTAND

Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 1 467 XXX B2 (Anlage MB 4, in deutscher Übersetzung der Schrift DE 603 15 XXX T3 als Anlage MB 5; im Folgenden: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 17. Januar 2002 (US 47XXX) und einer britischen Priorität vom 18. November 2001 (GB 0226XXX) am 15. Januar 2003 international angemeldet und als solche am 31. Juli 2003 veröffentlicht wurde. Durch das Europäische Patentamt wurde die insoweit nationalisierte Anmeldung am 20. Oktober 2004 veröffentlicht und die Erteilung des Klagepatents am 15. August 2007 veröffentlicht. Das nach einem Beschränkungsverfahren geänderte Klagepatent wurde am 31. August 2011 veröffentlicht und betrifft einen Behälterverschlussstopfen. Den durch die Beklagte gegen das Klagepatent am 15. Mai 2008 erhobenen Einspruch hat das Europäische Patentamt (im Folgenden: EPA) mit Entscheidung vom 17. Februar 2010 (Anlage B 01) zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 7. August 2013 hat die Beklagte das Klagepatent angegriffen durch Erhebung der Nichtigkeitsklage, über die noch nicht entschieden ist.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet in englischer Verfahrenssprache:

„A container closure plug formed with:
i) a cylindrical sidewall (3) having an external helical screw thread;
ii) a circumferentially enlarged rim (4);
iii) an annular gasket seat (64) immediately under the plug rim (4); and,
iv) a continuous circumferential radially outwardly extending gasket retaining lip (61) below the plug gasket seat (64);
characterised in that
v) the gasket seat (64) flares radially outwardly and upwardly directly from the root (63) of gasket retaining lip (61) to meet the plug rim (4).“

In deutscher Übersetzung lautet Anspruch 1 des Klagepatents:

„Behälterverschlussstopfen, der mit Folgendem ausgebildet ist:
i) einer zylindrischen Seitenwand (3) mit einem spiralförmigen Außenschraubengewinde (7);
ii) einem umlaufenden vergrößerten Stopfenrand (4);
iii) einem ringförmigen Stopfendichtungssitz (64) unmittelbar unter dem Stopfenrand (4); und
iv) einer durchgehenden, umlaufenden, sich radial nach außen erstreckenden Dichtungshaltelippe (61) unter dem Stopfendichtungssitz (64);
dadurch gekennzeichnet, dass
v) sich der Dichtungssitz (64) direkt vom Fuß (63) der Dichtungshaltelippe (61) ausgehend radial nach außen und oben aufweitet, um auf den Stopfenrand (4) zu treffen.“

Nachfolgend verkleinert wiedergegebene Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und illustrieren dessen technische Lehre anhand von Ausführungsbeispielen:

Figur 5 ist eine teilweise geschnittene Detailansicht eines Stopfens aus Metall, Figur 6 zeigt eine ähnliche Ansicht eines solchen Stopfens mit einer Dichtung. Figur 7 zeigt die teilweise geschnittene Ansicht eines in eine Behälteröffnung eingeschraubten Plastikstopfens und Figur 8 ist eine ähnliche Ansicht dieses Stopfens, der allerdings teilweise herausgeschraubt ist.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Behälterverschlussstopfen unter der Typenbezeichnung „A B 11/11“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), wobei sie für Bezieher in der Bundesrepublik Deutschland ein Warenlager im Inland betreibt. Muster der angegriffenen Ausführungsform sind als Anlage MB 8 (Stopfen als solcher) durch die Klägerin und als Anlage B 14 (in ein Gewinde eingefügter und sektoral freigelegter Stopfen) durch die Beklagte zur Gerichtsakte gereicht.

Die Klägerin behauptet, sie habe das Muster gemäß Anlage MB 8 am 17. Februar 2013 durch Testkauf erworben, und zwar habe der Zeuge C, ein Kollege des Zeugen D, den Testkauf auf Weisung des Zeugen E durchgeführt. Der Zeuge C habe ein mit der angegriffenen Ausführungsform ausgerüstetes Spundfass, hergestellt durch die Fa. F G GmbH, bei der Fa. H e.k. gekauft und sodann auf das Firmengelände der deutschen Niederlassung der Klägerin verbracht, wo Fotografien angefertigt worden seien. Das Muster der angegriffenen Ausführungsform sei sodann in die Niederlande zur Klägerin übersandt worden und von dort an den Klägervertreter, dort eingehend am 29. März 2012. Der Klägervertreter habe das Muster schließlich am 3. April 2012 an den Zeugen E versandt, der sodann die Messungen veranlasst habe, welche Grundlage des Gutachtens des Privatgutachters Prof. Dr. I vom 26.07.2012 (Anlage MB 11) seien.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Hiernach sei eine radial sich nach außen erstreckende Dichtungshaltelippe bereits dann anzunehmen, wenn die Dichtungshaltelippe als ein separates Element ausgeführt sei und sich gegenüber dem Fuß des Stopfendichtungssitzes nach außen erstrecke. Auch sei es nicht erforderlich, dass die Lippe eine gleichförmige und ringförmig durchgehende Oberfläche ausbilde. Das lasse sich insbesondere nicht aus dem Stand der Technik herleiten, den das Klagepatent in Bezug nimmt. Ferner sei es nicht erforderlich, dass die Kontur des Stopfendichtungssitzes von dessen Fuß zum Stopfenrand linear geradlinig verlaufe.

Außerdem meint die Klägerin, das Klagepatent sei rechtsbeständig. Jedenfalls sei der Verletzungsrechtsstreit deswegen nicht bis zur Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren auszusetzen, weil die Nichtigkeitsklage alleine auf Entgegenhaltungen gestützt werde, die bereits im Einspruchsverfahren gegenständlich gewesen seien, ohne dem Einspruch zum Erfolg zu verhelfen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es im Inland zu unterlassen, Behälterverschlussstopfen anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wenn diese umfassen:

eine zylindrische Seitenwand (3) mit einem spiralförmigen Außenschraubengewinde (7);
einen umlaufenden vergrößerten Stopfenrand (4);
einen ringförmigen Stopfendichtungssitz (64) unmittelbar unter dem Stopfenrand (4);
eine durchgehende, umlaufende, sich radial nach außen erstreckende Dichtungshaltelippe (61) unter dem Stopfendichtungssitz (64)
und sich der Stopfendichtungssitz (64) direkt vom Fuß (63) der Dichtungshaltelippe (61) ausgehend radial nach außen und oben aufweitet, um den Stopfenrand (4) zu treffen;

II. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer 1. der Beklagten Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist;

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 17. Dezember 2007 durch die Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und noch entsteht;

IV. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin gegliedert nach Kalendervierteljahren schriftlich in geordneter Form Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 17. Dezember 2007 begangen hat und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen (unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine) mit

aa) Liefermengen, Zeiten und Preisen,

bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen, wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

cc) den Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote) mit

aa) Angebotsmengen, Zeiten und Preisen,

bb) Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen, wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer,

cc) den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der nach den einzelnen Faktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,

d) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, jeweils mit der Anzahl der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

V. die Beklagte zu verurteilen, die sich im Inland in ihrem Eigentum oder ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Ausführungsformen gemäß Ziffer I. an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

VI. die Beklagte zu verurteilen, die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 17. Dezember 2007 in den Besitz Dritter gelangten und dort befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 467 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;

VII. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.208,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Beklagten für den Fall einer Verurteilung nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, auch ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin;

weiter hilfsweise: das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Bundespatentgericht rechtshängigen Nichtigkeitsverfahrens gegen das Klagepatent EP 1 467 XXX B3 auszusetzen.

Die Beklagte meint, die angegriffene Ausführungsform falle nicht in den Schutzbereich des Klagepatents. Nach dessen technischer Lehre müsse die Dichtungshaltelippe als separates Element derart ausgestaltet sein, dass sie zum einen durch ihre Oberfläche der Dichtung an jedem Punkt hinreichende mechanische Unterstützung biete, damit sich die Dichtung nicht am Innengewinde der Behälteröffnung verfängt oder aufwindet. Zweitens, und daraus folgend, müsse die Dichtungshaltelippe so dimensioniert sein, dass sie nicht nur gegenüber dem Stopfendichtungssitz, sondern auch gegenüber dem Durchmesser des Gewindekerns am Stopfen vorsteht, denn nur so würde verhindert, dass das Gewinde gegenüber der Dichtung freiliegt. Eine direkte Aufweitung des Stopfendichtungssitzes von dessen Fuß zum Stopfenrand hin erfordere eine radiale, also geradlinige Kontur.

Ferner ist die Beklagte der Auffassung, das Klagepatent werde sich im parallelen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, zumal unter Zugrundelegung der von der Klägerin im Verletzungsverfahren vertretenen Auslegung. Diese Auslegung stehe im Widerspruch zu derjenigen, welche die Klägerin im vorangegangenen Einspruchsverfahren vertreten habe, was rechtsmissbräuchlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Rechnungslegung, Vernichtung sowie Rückruf und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB mangels feststellbarer Verletzung des Klagepatents nicht zu.

I.

Das Klagepatent betrifft einen verbesserten Behälterverschlussstopfen.

Wie das Klagepatent einleitend erläutert, ist es üblich, Behältnisse mit Spender- und/oder Füllöffnungen zu versehen, welche ein in einen Dichtungsbereich ohne Gewinde aufgehendes Innenschraubengewinde aufweisen, und die so gestalteten Öffnungen mit einem Verschlussstopfen mit Außengewinde und einer Dichtung zu verschließen, so dass der Stopfen mit der Öffnung verschraubt im Eingriff steht und die Stopfendichtung fest gegen den Dichtungsbereich ohne Gewinde heruntergezogen werden kann.

Als nachteilig an diesen vorbekannten Stopfen haben sich zwei Effekte erwiesen. Zum einen kann es vorkommen, dass beim Einschrauben des Stopfens mit dem erforderlichen Drehmoment die Stopfendichtung zwischen dem Auslauf des Innengewindes der Öffnung und dem Stopfen eingeklemmt wird und sodann, wenn der Stopfen wieder aus dem Gewinde heraus bewegt wird, auf dem Öffnungs-Innengewinde festgehalten und dadurch vom Sitz auf dem Stopfen entfernt wird. Zum anderen kann der Effekt auftreten, dass sich die Dichtung beim Drehen des Stopfens aus ihrem Dichtungssitz heraus krümmt, weil sich das Material der Dichtung beim Drehen des Stopfens anhäuft und eine Schleife ausbildet. Dabei kann die Dichtung beschädigt werden oder wenigstens eine Leckage-Öffnung ausbilden.

Zur Verhinderung dieser Effekte offenbart die zum Stand der Technik gehörende US 2,906,XXX („J“) einen Stopfen mit einem abnehmenden Gewinde, das sich um die untere Kante des Dichtungssitzes fortsetzt und als Teilbarriere oberhalb des üblichen Stopfengewindes wirkt. Diese Gestaltung kritisiert das Klagepatent als unzureichend gegen den erstgenannten Effekt der „Erfassung“ der Dichtung durch das Innengewinde.

Ferner erwähnt das Klagepatent als Stand der Technik die US 4,768,XXX („K“), die einen Verschlusstopfen mit einer Dichtungshaltelippe offenbart, die eine gleichförmige, sich nach oben erstreckende Oberfläche, eine konstante radiale Erstreckung mit einer axial kleineren als radial äußeren Erstreckung des Außengewindes und einen zylindrischen Dichtungssitz aufweist. Ebenso erwähnt das Klagepatent die DE 202 15 XXX U („L“), die eine Dichtung mit halbrundem Sitz lehrt. Diese beiden Dokumente würdigt das Klagepatent jeweils nicht als nachteilhaft.

Vor diesem technischen Hintergrund formuliert es das Klagepatent als Aufgabe, einen Verschlusstopfen bereitzustellen, der die bei derlei Verschlussstopfen bekannten Probleme löst und der außerdem einen Bereich von Behälteröffnungen abedeckt.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit den folgenden Merkmalen vor:

M1 Behälterverschlussstopfen, umfassend

M2 eine zylindrische Seitenwand (3) mit einem spiralförmigen Außenschraubengewinde (7);

M3 einem umlaufenden vergrößerten Stopfenrand (4);

M4 einem ringförmigen Stopfendichtungssitz (64) unmittelbar unter dem Stopfenrand (4);

M5 einer durchgehenden, umlaufenden sich radial nach außen erstreckenden Dichtungshaltelippe (61) unter dem Stopfendichtungssitz (64)

dadurch gekennzeichnet, dass

M6 sich der Stopfendichtungssitz (64) direkt vom Fuß (63) der Dichtungshaltelippe (61) ausgehend radial nach außen und oben aufweitet, um den Stopfenrand (4) zu treffen.

II.

Zwischen den Parteien steht – zu Recht – alleine im Streit, ob die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents gemäß den Merkmalen M5 und M6 Gebrauch macht. Dass die angegriffene Ausführungsform die beiden streitigen Merkmale verwirklicht, lässt sich indes nicht feststellen.

1.
Die Auslegung der beiden streitigen Merkmale M5 und M6 steht insofern in direktem technischem Zusammenhang als die durch M5 beanspruchte Dichtungshaltelippe als ein Element einen Fuß (63) aufweist, der wiederum gemäß Merkmal M6 Anknüpfungspunkt für die Beanspruchung der Gestaltung des Stopfendichtungssitzes ist. In diesem Sinne ist die Auslegung beider Merkmale maßgeblich dafür, ob die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents verwirklicht.

a)
Merkmal M5 ist in der Weise auszulegen, dass die insoweit beanspruchte Dichtungshaltelippe erstens sich axial weiter erstreckt als der Fuß des Stopfendichtungssitzes, also der in axialer Richtung am weitesten innen gelegene Punkt des Stopfendichtungssitzes; und zweitens dahin gehend, dass die Dichtungshaltelippe ein aus jeder Drehstellung des Stopfens betrachtet vom Außengewinde unterscheidbares Element bildet und dass sie drittens sich geschlossen rings um den Umfang des Stopfens erstreckt. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass sich die Dichtungshaltelippe in axialer Richtung mindestens über die axiale Erstreckung des Gewindekerndurchmessers hinaus erstreckt.

Der Wortlaut des gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ den Schutzbereich bestimmenden Anspruchs des Klagepatents besteht, soweit Merkmal 5 betroffen ist, ausschließlich aus räumlich-körperlichen Angaben zur klagepatentgemäßen Gestaltung der Dichtungshaltelippe. Diese soll unterhalb des Stopfendichtungssitzes angeordnet und in einer Weise gestaltet sein, die den attributivischen Angaben „durchgehend“, „umlaufend“ und „radial sich nach außen erstreckend“ entsprechen. Aus diesen Angaben folgt zum einen, dass die Dichtungshaltelippe ein von allen anderen Elementen des klagepatentgemäßen Stopfens unterscheidbares Element bildet. Aus dem Gesamtzusammenhang des – gegliedert formulierten – Anspruchswortlauts insgesamt folgt nämlich der Aufbau des Stopfens aus seinen verschiedenen Elementen: Der Stopfenrand gemäß Merkmal M3 befindet sich nach Merkmal M4 unmittelbar oberhalb des Stopfendichtungssitzes; dieser wiederum befindet sich gemäß Merkmal M5 oberhalb der darunter befindlichen Dichtungshaltelippe. Für das in Merkmal M2 beanspruchte spiralförmige Außengewinde kann demnach nur eine Positionierung unterhalb der Dichtungshaltelippe in Betracht kommen, so dass sich die Dichtungshaltelippe zwischen dem Stopfendichtungssitz einerseits und dem Gewinde andererseits befinden muss. Deshalb, und weil der Anspruch im Übrigen eine Positionierung aller Elemente lehrt, muss es sich bei der Dichtungshaltelippe um ein in seiner Position und damit als separates Element erkennbares Element handeln.

Ferner folgt aus dem Wortlaut der räumlich-körperlichen Angaben in Merkmal M5, dass nach der technischen Lehre des Klagepatents gewisse Maßnahmen getroffen werden, um durch die Gestaltung der Dichtungshaltelippe einen gesicherten Sitz der Dichtung zu gewährleisten, nicht aber, dass die Gestaltung der Dichtungshaltelippe zwingend das höchste Maß an Sicherheit für den Sitz der Dichtung gewährleisten muss. Außerdem fehlt es an Angaben zur Dimensionierung der einzelnen strukturellen Elemente der Dichtungshaltelippe. Weder ist beansprucht die Funktion der Dichtungshaltelippe, ein Verfangen oder Aufwinden der Dichtung im Gewinde zu verhindern, noch eine Dimensionierung der Dichtungshaltelippe im Vergleich zur Dimension anderer struktureller Elemente wie des Gewindekerns oder des Gewindeaußenmaßes. Zwar ist für den Fachmann ersichtlich, dass ein größerer Durchmesser der Dichtungshaltelippe besser zur Erreichung des klagepatentgemäßen Erfolges beiträgt als ein kleinerer. Indes wird – erstens – die entsprechende Funktion der Dichtungshaltelippe und die damit einhergehende Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik im Klagepatent selber in der allgemeinen Darstellung einer beispielhaften Ausgestaltung eines patentgemäßen Stopfens beschrieben (Absatz [0013]). Zweitens enthält das Klagepatent keine Angabe dazu, wie sich die Dimensionierung der Dichtungshaltelippe zu derjenigen des Gewindekerns verhalten soll. In den Unteransprüchen 3 und 4 sind lediglich Gestaltungen beansprucht bei denen die Dimensionierung der Dichtungshaltelippe zu derjenigen des Gewindes ins Verhältnis gesetzt wird.

Auch aus der gebotenen funktionsorientierten Auslegung folgt nicht, anders als die Beklagte es vertritt, dass die Angabe einer „sich radial nach außen erstreckenden Dichtungshaltelippe“ auf den Gewindekern als Bezugspunkt eines Vergleich der Dimensionierung zu beziehen, so dass sich ebenso wenig die Notwendigkeit ergibt, die Dichtungshaltelippe mit einer größeren radialen Erstreckung als den Gewindekern zu gestalten. Die Behauptung der Beklagten, nur eine Dichtungshaltelippe, die über den Gewindekern hinausrage, könne zum klagepatentgemäßen technischen Erfolg führen, kann ebenso wenig zu einer anderen Auslegung führen. Erfüllt eine Vorrichtung alle räumlich-körperlichen Merkmale, die ein Patent für die Gestaltung der Vorrichtung beansprucht, kommt es nicht darauf an, ob die Vorrichtung die vom Patent gelehrten oder behaupteten technischen Wirkungen Erfolge ganz oder teilweise erzielt oder aber verfehlt (BGH GRUR 1997, 436, 441f. – Befestigungsvorrichtung; Schulte / Rinken / Kühnen, § 14 Rdn. 68).

Für die außerdem von der Beklagten behauptete zwingende Notwendigkeit, die Dichtungshaltelippe mit einem größeren Durchmesser als dem des Gewindekerns und zudem mit einer gleichmäßigen Oberfläche zu gestalten, liefern weder Beschreibung und Zeichnung des Klagepatents noch der vom Klagepatent gewürdigte Stand der Technik Anhaltspunkte. Soweit die Beklagte geltend macht, das Erfordernis eines gleichförmigen Verlaufs der Dichtungshaltelippe ergebe sich unter Berücksichtigung der Schrift US 4,768,XXX / M (Anlage B 04, in deutscher Übersetzung als Anlage B 4a), kann dem deshalb nicht gefolgt werden, weil die Offenbarung dieses Dokuments durch das Klagepatent nicht erkennbar in der Weise in Bezug genommen wird, dass dessen technische Lehre zur Grundlage und damit zum Bestandteil der technischen Lehre des Klagepatents werden soll.

b)
Diese Auslegung des Merkmals M5 ist zugleich bei der Auslegung des Merkmals M6 zu berücksichtigen. Der Begriff der Dichtungshaltelippe ist in beiden Merkmalen enthalten und bildet damit das begriffliche Scharnier zwischen den insoweit beanspruchten technischen Aspekten. Der Fuß der in Merkmal M5 in ihrer räumlichen Erstreckung gelehrten Dichtungshaltelippe ist der Ausgangspunkt der Kontur, mit welcher Merkmal M6 die klagepatentgemäße räumliche Form des Stopfendichtungssitzes beschreibt und beansprucht.

Die Auslegung des Merkmals M6 steht zwischen den Parteien im Streit hinsichtlich der Angabe „radial“ zum Verlauf der Aufweitung der Kontur des Stopfendichtungssitzes von dessen Fuß in Richtung des Stopfenrandes. Die Auslegung ist insoweit in der Weise vorzunehmen, dass die genannte Kontur dann klagepatentgemäß direkt verläuft, wenn sich der Stopfendurchmesser auf der Strecke zwischen dem Fuß des Stopfendichtungssitzes und dem Stopfenrand ständig vergrößert, also weder stagniert noch sich verringert. Hingegen ist nicht gefordert, dass die Kontur der Aufweitung in Form einer Linie, nämlich einem Strahl ausgehend vom Fuß des Stopfendichtungssitzes entspricht.

Dies folgt aus dem Anspruchswortlaut, der innerhalb von Merkmal M6 vorschreibt, dass sich der Stopfendichtungssitz auf der genannten Strecke nach außen und direkt aufweitet. Demnach muss die Aufweitung – erstens – eine Vergrößerung der Erstreckung nach außen bedeuten und muss – zweitens – diese Vergrößerung über die Strecke hinweg betrachten einsetzen, ohne dass zwischen den Fuß des Stopfendichtungssitzes und die Strecke, auf der die Vergrößerung eintritt, ein weiteres strukturelles Element tritt. Die Angabe „radial“ präzisiert die Vorgabe an den Verlauf der Vergrößerung. Die Vergrößerung soll rings um den Umfang des Stopfens, also radial ringsum, geschehen und nicht etwa auf einen Abschnitt des Umfangs beschränkt sein.

Diese Auslegung stützt sich zum einen auf den Zusammenhang, in dem das Klagepatent den Begriff „radial“ gebraucht. Der Verlauf der Kontur des Stopfendichtungssitzes ist durch die weiteren in Merkmal M6 enthaltenen Angaben dadurch charakterisiert, dass sich der Stopfendichtungssitz aufweitet, dass die Aufweitung vom Fuß der Dichtungshaltelippe ausgeht, und dass sie nach außen und nach oben geschieht. Wäre der Sinngehalt des Begriffs „radial“ darauf beschränkt, eine Aufweitung von innen nach außen zu beschreiben, so wäre die Angabe redundant, da die Aufweitung nach außen schon vorgegeben ist. Zum anderen ergibt sich dieses Verständnis der Angabe „radial“ aus der funktionsorientierten Auslegung: Eine Aufweitung gleichmäßig rund um den Umfang des Stopfens gewährleistet in allen Richtungen des Stopfens eine gleichmäßige Abstützung der Dichtung. Würde sich der Stopfen hingegen nur in eine Richtung von seinem Zentrum weg aufweiten, wäre nicht gewährleistet, dass die Dichtung rund um den Stopfen fest ansitzt.

Der engeren Auslegung der Beklagten, wonach „radial“ als „strahlenförmig“ zu verstehen sein und daher nur ein gerader Verlauf der Kontur klagepatentgemäß sein soll, kann sich die Kammer nicht anschließen. Erstens würde das voraussetzen, dass der Fachmann erkennen könnte, an welchem Punkt der Radius, also der Strahl, dem die Kontur folgen soll, klagepatentgemäß zu bestimmen ist. Die Beklagte meint, dieser Punkt sei der Fuß der Dichtungshaltelippe. Das Klagepatent bietet aber nirgends einen Anhaltspunkt dafür, dass es klagepatentgemäß darauf ankommen soll, dass der Fuß des Stopfendichtungssitzes Teil von dessen sich aufweitender Kontur sein soll. Zweitens widerspricht das von der Beklagten vertretene Verständnis des Begriffs „radial“ dem Gebrauch dieses Begriffs im Klagepatent im Übrigen. Das Klagepatent verwendet die relative Positions- oder Richtungsbezeichnung „radial“ stets mit Bezug auf den Mittelpunkt des im Wesentlichen zylindrisch ausgebildeten Zylinderstopfens. Drittens entspricht das Verständnis der Beklagten nicht der Auslegung durch das EPA bei seiner Einspruchsentscheidung: Dort wird zwar (Anlage B 1, Seite 6, entspr. Bl. 4, Absatz 7) unter Bezug auf Figur 6 des Prioritätsdokuments des Klagepatents ausgeführt, der Fachmann erkenne in dieser Figur eine gerade Linie vom Fuß des Dichtungssitzes hin zum Stopfenrand und sehe darin die Beanspruchung einer Aufweitung direkt vom Fuß der Lippe hinreichend voroffenbart. Damit hat die Einspruchsabteilung aber, im Kontext der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung, nur festgestellt, dass eine solche Gestaltung mit einem linearen Verlauf der Kontur durch den Fuß des Dichtungssitzes hindurch der Maßgabe des Merkmals M6 entspricht.

2.
Gemäß dieser Auslegung der streitigen Merkmal M5 und M6 lässt sich deren Verwirklichung durch die angegriffene Ausführungsform bereits auf Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht feststellen.

a)
Die Klägerin macht geltend, die Kontur der angegriffenen Ausführungsform, nämlich des Musters gemäß Anlage MB 8 entspreche der Darstellung im nachfolgenden verkleinert wiedergegebenen Diagramm (Anlage MB 10):

Auf der Grundlage dieses klägerischen Vorbringens lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform durch ihre räumlich-körperliche Gestaltung sowohl Merkmal M5 als auch Merkmal M6 verwirklicht. Anderen Vortrag zur Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform hat die Klägerin nicht gehalten, so dass es nicht darauf ankommt, ob und in welcher Weise die Klägerin die Darstellung gemäß der oben wiedergegebenen Anlage MB 10 anhand der angegriffenen Ausführungsform gewonnen hat. Ausgehend von dieser Darstellung lässt sich der insoweit entscheidende Fuß der Dichtungshaltelippe als Punkt der Kontur der angegriffenen Ausführungsform nicht in der Weise bestimmen, dass er Ausgangspunkt für die Kontur sowohl einer Dichtungshaltelippe gemäß Merkmal M5 als auch eines Stopfendichtungssitzes gemäß Merkmal M6 wäre.

Gemäß obiger Auslegung müsste dieser Punkt erstens so gelegen sein, dass die zu beiden Seiten anschließenden Konturen jeweils eine Aufweitung des Durchmessers der angegriffenen Ausführungsform erkennen lassen. Denn zum einen muss die Dichtungshaltelippe nach Merkmal M5 so geformt sein, dass sie sich radial nach außen erstreckt. Und zum anderen muss sich nach Merkmal M6 die Kontur des Stopfendichtungssitzes vom Fuß der Dichtungshaltlippe aus radial nach außen und oben aufweiten hin zum Stopfenrand. Mit anderen Worten müsste sich an der Kontur angegriffenen Ausführungsform im Bereich zwischen dem Gewinde und dem Stopfenrand ein Punkt ausmachen lassen, der den tiefsten Punkt innerhalb der Kontur bildet in dem Sinne, dass ausgehend von ihm nach beiden Seiten hin die Kontur sich aufweitet, der Durchmesser der angegriffenen Ausführungsform mithin zunimmt.

Zweitens müsste sich ein solcher Punkt bei umlaufender Betrachtung der angegriffenen Ausführungsform aus allen Betrachtungswinkeln ausmachen lassen. Gemäß Merkmal M5 muss die Dichtungshaltelippe umlaufend gestaltet sein, demnach also der klagepatentgemäße Stopfen auch umlaufend, aus allen Blickwinkel betrachtet, einen Fuß der Dichtungshaltelippe erkennen lassen.

Unschädlich wäre es zwar, wenn dieser „tiefste Punkt“ noch tiefer läge als der geringste Durchmesser der Gewindegänge der angegriffenen Ausführungsform. Das Klagepatent macht, wie oben ausgeführt, keine Ausführung zu den Dimensionierungen in den einzelnen Abschnitten, der Durchmesser am Fuß der Dichtungshaltelippe kann deshalb geringer sein als der geringste Durchmesser im Bereich des Gewindes. Aber auch in diesem negativen, nämlich tiefer als der Gewindekern liegenden Bereich, müsste die angegriffene Ausführungsform einen tiefsten Punkt erkennen lassen.

c)
Dies lässt sich an der Kontur der angegriffenen Ausführungsform wie in den von der Klägerin gefertigten und zur Gerichtsakte gereichten Darstellungen gezeigt nicht feststellen. Die oben verkleinert wiedergegebene Darstellung in der klägerischen Anlage MB 10 zeigt alle Konturen, die aus verschiedenen Betrachtungswinkeln an der angegriffenen Ausführungsform abgetastet worden sein sollen in einer überlagerten Ansicht. Dort lässt sich kein Bereich als Dichtungshaltelippe im dargelegten Sinne ausmachen. Der Auffassung der Klägerin, der Bereich des Gewindefreistichs bilde eine klagepatentgemäße Dichtungshaltelippe der angegriffenen Ausführungsform kann die Kammer nicht folgen. Die Klägerin hat dies dahin konkretisiert, dass sie eingeblendet in den Schriftsatz vom 10. April 2014 (dort Seite 22 = Bl. 141 GA) in der Darstellung gemäß Anlage MB 10 den Bereich markiert hat, den sie für den Gewindefreistich und damit für die Dichtungshaltelippe hält; dies ist nachstehend verkleinert wiedergegeben:

Diese Darstellung zeigt indes deshalb keinen Punkt als Fuß der Dichtungshaltelippe, weil derjenige Punkt, der links an den markierten Bereich angrenzt, nicht der Ausgangspunkt für den Stopfendichtungssitz sein kann. Die Kontur verläuft von dort ausgehend nach links nicht in erkennbarer Weise nach außen, zumal weil für einen insoweit erkennbaren Verlauf der Kontur zu fordern ist, dass er sich deutlich von Schwankungen abhebt, die auf etwaigen Ungenauigkeiten der Messung beruhen könnten. Der fragliche Konturverlauf links anschließend an den markierten Bereich ist vielmehr ein im Wesentlichen zur Längsachse der angegriffenen Ausführungsform paralleler. Über diesen Bereich hinweg stagniert also der Durchmesser der angegriffenen Ausführungsform, sie weitet sich dort nicht direkt radial in Richtung des Stopfenrandes auf. Würde der Fuß der Dichtungshaltelippe an diesem Punkt bestimmt, wäre also zwar womöglich Merkmal M5, nicht aber Merkmal M6 erfüllt. Umgekehrt wäre, würde der Punkt weiter links, nämlich am Ende des im Wesentlichen parallelen Abschnitts der Kontur, als Fuß der Dichtungshaltelippe bestimmt, zwar womöglich Merkmal M6 erfüllt, weil von dort aus nach links die Kontur ständig nach außen verläuft; indes wäre dann Merkmal M5 nicht erfüllt, weil von diesem Punkt aus rechts anschließend sich die Kontur entgegen Merkmal M5 nicht radial nach außen erstreckt.

d)
Auch die Markierungen, die der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2014 an einem Abdruck der Anlage MB 10 vorgenommen hat, betreffen keinen Bereich, in dem sich ein klagepatentgemäß zu bestimmender Fuß der Dichtungshaltelippe erkennen ließe. Dieser vom Klägervertreter farblich markierte Abdruck der Anlage MB 10 ist, nachträglich versehen mit Pfeilen zur besseren Erkennbarkeit, nachstehend verkleinert wiedergegeben:

Zum einen ist markiert der Bereich, in dem der Durchmesser der angegriffenen Ausführungsform kleiner ist als die kleinsten Durchmesser im Bereich des Gewindes (Bereich zwischend den beiden dicken roten, von oben kommenden Pfeilen) sowie der kleinere Bereich, in dem nach dem klägerischen Vortrag der Fuß der Dichtungshaltelippe liegen soll (Bereich, auf den der dicke rote, von unten kommende Pfeil deutet). Das ist aber eben jener Bereich, an dessen rechtem Ende ein Punkt liegt, von dem zwar nach rechts hin die Kontur nach außen zunimmt, nach links hin hingegen parallel zur Längsachse verläuft, und an dessen linkem Ende ein Punkt liegt, von dem aus umgekehrt nach links hin die Kontur nach außen zunimmt, nach rechts hin aber nur parallel zur Längsachse verläuft. Hinsichtlich des rechten Endpunkts des Bereichs wäre bei einem dort bestimmten Fuß der Dichtungshaltelippe zwar Merkmal M5, aber nicht Merkmal M6 verwirklicht; bei Wahl des rechten Punktes als Fuß der Dichtungshaltelippe wäre umgekehrt Merkmal M6, aber nicht Merkmal M5 verwirklicht.

e)
Die Darstellung der einzelnen Konturen aus verschiedenen Blickwinkeln, welche in der Anlage MB 10 übereinander gelegt sind, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreicht. Dort lässt sich zwar für wenigstens eine Darstellung womöglich annehmen, dass dort ein „tiefster Punkt“ als klagepatentgemäßer Fuß der Dichtungshaltelippe erkennbar wäre, beispielsweise bei der Darstellung, die mit der Nummer 6 versehen und die nachstehend mit einem nachträglich zur besseren Verdeutlichung eingefügten Pfeil verkleinert wiedergegeben ist:

Der Punkt, auf den der nachträglich eingefügte Pfeil deutet, könnte zwar unter Anwendung der oben dargestellten Maßstäbe als Fuß einer Dichtungshaltelippe betrachtet werden, indes lässt sich ein solcher Punkt bei mehreren Darstellungen der Kontur aus anderen Blickwinkeln nicht ausmachen. Nachstehend sind verkleinert wiedergegeben die Konturen aus den mit den Nummern 1 und 2 bezeichneten Einzeldarstellungen der Klägerin, wobei jeweils wiederum ein Pfeil zur besseren Erkennbarkeit nachträglich eingefügt ist:

Bei beiden Konturen ist, jeweils mit dem nachträglich eingefügten Pfeil bezeichnet, ein Abschnitt sichtbar, in dem die Kontur im Wesentlichen parallel zur Längsachse verläuft, so dass sich für diese Konturen ein Fuß der Dichtungshaltelippe nicht derart bestimmen lässt, dass sowohl Merkmal M5 als auch Merkmal M6 verwirklicht ist. Demnach lässt sich jedenfalls eine umlaufende Dichtungshaltelippe an der der angegriffenen Ausführungsform nicht feststellen.

f)
Schließlich ergibt sich auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten des Prof. Dr: I vom 26. Juli 2012 (Anlage MB 11) nichts, was die Feststellung einer Patentvereltzung erlaubte. Diesem Privatgutachten liegt alleine die Darstellung gemäß Anlage MB 10 zugrunde, ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform hat der Gutachter selber nicht untersucht. Dem (nur nach Aktenlage gezogenen) gegenteiligen Schluss des Privatgutachters, die angegriffene Ausführungsform weise eine klagepatentgemäße Dichtungshaltelippe kann sich die Kammer daher aus den genannten, in Ansehung der Anlage MB 10 entwickelten Gründen nicht anschließen.

III.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 14. August 2014 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.