4b O 84/10 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1579

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. November 2010, Az. 4b O 84/10

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.075,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. September 2008 zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 5% und die Beklagte zu 95% mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts entstanden sind. Diese trägt die Klägerin ganz.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 4236,88 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eine Patent- und Rechtsanwälte GbR und geht aus abgetretenem Recht vor. Zedentin ist die A GmbH aus B, die von der Beklagten ein Schreiben – datiert auf den 28. Mai 2008 – erhielt, in dem sie sich auf das Patent DE 195 43 XXX (im Folgenden: Klagepatent) berief, welches ein Tiereinstreu, ein Verfahren zu seiner Herstellung und die Verwendung eines Verdickungsmittels hierfür betrifft und der Zedentin vorwarf, ein identisches Tiereinstreu mit dem Produkt „C“ zu vertreiben. Sie gab sich als Inhaberin des genannten Patents aus und forderte die Zedentin auf, das von ihr vertriebene Tiereinstreu nicht mehr zu vertreiben und eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Zudem enthielt das Schreiben folgenden Passus:

„Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir beabsichtigen unsere Schutzrechte wahrzunehmen und zu verteidigen. Jeglichen Schaden, …, werden wir gegebenenfalls gerichtlich gegen Sie geltend machen.

Gerne sind wir zu einem gemeinsamen Gespräch bereit. Bitte kommen Sie auf uns zu.“

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Zu dem Zeitpunkt des Schreibens war Herr D im Patentregister als Inhaber eingetragen. Materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents war die Beklagte.
Das Klagepatent, welches am 21. November 1995 angemeldet und deren Eintragung am 10. April 1997 veröffentlicht wurde, steht in Kraft. Gegen das Patent ist vor dem Bundesgerichtshof ein Berufungsverfahren anhängig, über das noch nicht entschieden wurde. Erstinstanzlich wurde das Klagepatent vom Bundespatentgericht widerrufen.

Mit Schreiben – erstellt durch die Klägerin – vom 13. Juni 2008 trat die Zedentin der Aufforderung der Beklagten entgegen und erhob insbesondere Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents.

Die Klägerin stellte für das Schreiben am 13. Juni 2008 der Zedentin 4.236,88 € in Rechnung. Die Rechnung wurde nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 € berechnet. Diesen Betrag forderte die Zedentin mit Schreiben vom 4. August 2008 von der Beklagten und trat sodann die Forderung am 15. September 2008 an die Klägerin ab. Eine weitere anwaltliche Aufforderung vom 20. Oktober 2010 blieb erfolglos.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Zedentin zu Unrecht aus dem Klagepatent verwarnt worden sei. Das Klagepatent sei weder rechtsbeständig noch sei die Beklagte berechtigt gewesen, aus dem Klagepatent vorzugehen, da sie nicht als Inhaberin im Patentregister eingetragen gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.236,88 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 03.09.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Schreiben keine Schutzrechtsverwarnung darstelle, sondern eine Berechtigungsanfrage. Im Übrigen verletze die Zedentin das Klagepatent, welches rechtsbeständig sei. Als materiell-rechtliche Inhaberin des Klagepatents sei sie berechtigt gewesen, die Zedentin abzumahnen.

Die Klägerin hat Klage vor dem Amtsgericht Minden erhoben. Durch Beschluss vom 12. April 2010 hat sich das Amtsgericht Minden auf Antrag für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und die Sache an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I.
Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten in Höhe von 4.075,00 € gegen die Beklagte nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Im Falle der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung liegt ein zielgerichteter, rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB vor (Palandt-Sprau, BGB, 67. Auflage, § 823, Rn. 132).
Die Beklagte hat die Zedentin unberechtigt aus dem Klagepatent verwarnt, da sie im Zeitpunkt der Verwarnung nicht aktiv legitimiert war.

Das Schreiben der Beklagten an die Zedentin vom 28. Mai 2008 stellt eine Schutzrechtsverwarnung dar. Der Inhalt geht über eine bloße Berechtigungsanfrage hinaus. Eine Verwarnung ist ein eindeutiges, ernsthaftes und endgültig geäußertes Verlangen, die Benutzung eines genannten Patents zu unterlassen (BGH, GRUR 1997, 896 (897) – Mecki-Igel III; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 4, Rn. 10.169). Auch hier hat die Beklagte in dem Schreiben vom 28. Mai 2008 ernsthaft zum Ausdruck gebracht, dass sie der Zedentin die Benutzung des Klagepatents untersagt und gegebenenfalls ihre Rechte gerichtlich durchsetzen wird. Zwar hat die Beklagte der Zedentin auch Gesprächsbereitschaft signalisiert. Dies weicht aber nicht die Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit des Unterlassungsverlangens auf, da sie hiermit lediglich signalisiert hat, dass sie zu einer außergerichtlichen Lösung bereit ist, im Ergebnis aber an ihrem Unterlassungsbegehren festhält. Hiermit kommt nicht zum Ausdruck, dass sie ergebnisoffen mit der Zedentin zu einem Meinungsaustausch bereit gewesen ist.

Die Beklagte war aber jedenfalls zum Zeitpunkt der Verwarnung nicht aktiv legitimiert, sodass es offen bleiben kann, ob im Übrigen die Verwarnung unberechtigt war. Zum Zeitpunkt der Abmahnung war die Beklagte nicht als Inhaberin des Klagepatents im Patentregister eingetragen. Zwar hat die Eintragung lediglich deklaratorische Bedeutung. Aber nach § 30 Abs. 3 S. 2 PatG bleibt derjenige berechtigt und verpflichtet, der im Patentregister als Inhaber eingetragen ist. Sind der materiell Berechtigte und der im Patentregister Eingetragene nicht identisch, bleibt der Eingetragene unabhängig von gutem oder bösem Glauben bis zur Umschreibung gegenüber dem Patentamt, dem Bundespatentgericht, Verletzungsgerichten und Dritten der allein Befugte. Der Eingetragene kann kraft seiner formalen Legitimation über fremdes Recht verfügen (Schulte-Rudloff-Schäffer, PatG, 8. Auflage, § 30, Rn. 47). Anders als im Markenrecht, das eine entsprechende Regelung nicht kennt, kann allein der Eingetragene Inhaber aus dem Patent vorgehen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Vornahme gerichtlicher Schritte, sondern auch für die Verwarnung aus dem Schutzrecht. Gegenüber Dritten ist der Eingetragene der alleinige Befugte. Zudem kann nur derjenige gerichtliche Schritte androhen, der auch befugt ist, diese auch tatsächlich vorzunehmen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verwarnung muss die Aktivlegitimation auch bereits zum Zeitpunkt der Verwarnung vorliegen, sodass es nicht darauf ankommt, wer zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingetragener Patentinhaber ist.

Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist per se rechtswidrig (BGH GSZ, GRUR 2005, 882 (884); Palandt-Sprau, BGB, 67. Auflage, § 823, Rn. 132).

Die Beklagte handelte zudem schuldhaft. Sie wusste, dass sie zum Zeitpunkt der Verwarnung nicht als Inhaberin im Patentregister eingetragen war.

Die Zedentin hatte somit einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Verwarnung entstanden ist, insbesondere die hier geltend gemachten Kosten zur Abwehr der Abmahnung. Diesen Anspruch hat die Zedentin an die Klägerin am 15. September 2008 abgetreten.

Die Klägerin kann Rechts- und Patentanwaltskosten in Höhe von 4.075,00 € geltend machen. Dieser Betrag beruht auf einer 1,5 Geschäftsgebühr zu einem Streitwert von 100.000,00 €. Gegen den Streitwert hat die Beklagte keine Einwände erhoben. Er liegt auch für Patentstreitigkeiten im unteren Bereich der üblichen Streitwerte und ist vor dem Hintergrund des Interesses der Beklagten an der Durchsetzung des Klagepatents nicht zu beanstanden.
Eine Erstattung, die über einer 1,5 Gebühr nach Ziffer 2400 VV hinausgeht, ist hier nicht angezeigt. Zwar rechtfertigen Patent- und Gebrauchsmusterstreitigkeiten in der Regel eine Gebühr, die über die 1,3 Gebühr nach Ziffer 2400 VV hinausgeht. Da hier aber eine vergleichsweise überschaubare Technik dem Klagepatent zugrunde liegt, erscheint eine 1,5 Gebühr im Hinblick auf die Komplexität des Sachverhaltes angemessen.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt. Die kurze Verjährung des § 11 UWG ist nicht analog heranzuziehen. Es gelten die allgemeinen Verjährungsregeln nach §§ 195 ff. BGB (BGH, GRUR 1984, 820 – Intermarkt II; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Auflage, § 11, Rn. 11). Die Ansprüche aus UWG und § 823 BGB stehen selbstständig nebeneinander und nicht etwa in einem Subsidiaritätsverhältnis (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 4, Rn. 10.176), sodass die Sonderregelungen des UWG nicht ohne Weiteres auf den Anspruch nach § 823 BGB übertragbar sind.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Der erhöhte Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB greift hier nicht, da keine Entgeltforderung geltend gemacht wird. Entgeltforderungen sind nur solche, die auf Zahlung eines Entgelts für die Lieferung von Gütern und die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet sind. Schadensersatzansprüche aus Delikt gehören nicht dazu (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Auflage, § 286, Rn. 27, § 288, Rn. 8).

II.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.