4c O 21/21 – Schleifvorrichtung 2

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3226

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 02. Juni 2022, Az. 4c O 21/21

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. eine Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers, umfassend:
  4. – einen zylindrischen Vorrichtungskörper;
    – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe, die an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers angeordnet sind und wobei jede Scheibe mit einem Achszapfen fest verbunden ist, welcher über ein Kugellager drehbar innerhalb des Vorrichtungskörpers gelagert ist, sodass, wenn der Vorrichtungskörper entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben relativ zu dem Vorrichtungskörper drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe angelegt ist und der Vorrichtungskörper, vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe aufgrund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift, ,
  5. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  6. 2. eine Vorrichtung zum Schleifen und / oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers, umfassend:
  7. – einen zylindrischen Vorrichtungskörper,
    – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe, die an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers angeordnet sind und wobei jede Scheibe mit einem Achszapfen fest verbunden ist, welcher über ein Kugellager drehbar innerhalb des Vorrichtungskörpers gelagert ist, sodass, wenn der Vorrichtungskörper entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben relativ zu dem Vorrichtungskörper drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeugs an die erste Scheibe angelegt ist und der Vorrichtungskörper, vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe auf Grund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift, wobei sich die erste Scheibe zur Stirnseite hin einseitig verjüngt und an der Stirnseite eine vollflächig ebene und kreisförmige Schleiffläche mit Diamant als erstes Schleifmittel umfasst, wobei die zweite Scheibe sich zur Stirnseite hin einseitig verjüngt, zum Entgraten des Schneidwerkzeuges ausgebildet ist und an der Stirnseite eine Schleiffläche mit wenigstens einer Vertiefung aufweist, wobei die erste Scheibe und die zweite Scheibe jeweils einen umlaufenden Gummiring aufweisen, um eine einfache und leise Laufbewegung der Scheiben beim Ziehen des Vorrichtungskörpers über die Oberfläche zu erhalten,
  8. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  9. 3. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I.1. und 2. bezeichneten Handlungen seit dem 11. März 2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
  10. a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und/oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  11. wobei die Auskünfte in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln sind,
  12. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, höchst hilfsweise Zollpapiere) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  13. 4. der Klägerin in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. und 2. bezeichneten Handlungen seit dem 11. April 2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
  14. a. der Herstellungsmenge und -zeiten,
    b. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzern, wobei die entsprechenden Einkaufsbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind,
    c. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei die entsprechenden Einkaufsbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind,
    d. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    e. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    f. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  15. wobei die Aufstellung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist und
  16. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  17. 5. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer I.1. und 2. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten;
  18. 6. die unter Ziffer I.1. und 2. bezeichneten, seit dem 11. März 2021 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse den gewerblichen Abnehmern gegenüber unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom …, Aktenzeichen …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  19. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. und 2. bezeichneten, seit dem 11.04.2021 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  20. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  21. IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  22. V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; hinsichtlich Ziff. I.1, I.2., I.5. und I.6 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- Euro, hinsichtlich Ziff. I.3. und I.4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- Euro und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  23. Tatbestand
  24. Die Klägerin verfolgt aus Gebrauchsmusterrecht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung.
  25. Die Klägerin ist Inhaberin des Deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2017 XXX 377 U1 (Anlage KB 1, im Folgenden: Klagegebrauchsmuster), welches aus der Europäischen Patentanmeldung EP 3 XXX 928 A2 (EP 17 XXX 1311.4) abgezweigt wurde. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 31. Juli 2017 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 05. August 2016 (DE XXX) angemeldet und am 28. Januar 2021 im Register eingetragen. Die Eintragung wurde am 11. März 2021 bekannt gemacht. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Über den seitens der Beklagten mit Schriftsatz vom 10. Februar 2022 eingelegten Löschungsantrag (Anlage B5) ist bisher nicht entschieden worden.
  26. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeugs.
  27. Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet:
  28. „Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers umfassend: – einen zylindrischen Vorrichtungskörper (2); – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe (4, 5), die an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers (2) angeordnet und jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper (2) drehbar gelagerten Achse (3) verbunden sind, sodass, wenn der Vorrichtungskörper (2) entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben (4, 5) relativ zu dem Vorrichtungskörper (3) drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe (4) zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe (4) angelegt ist und der Vorrichtungskörper (2), vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe (4) aufgrund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift.“
  29. Anspruch 36 hat nachfolgenden Wortlaut:
    „Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers umfassend:
    – einen zylindrischen Vorrichtungskörper (2);
    – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe (4, 5), die an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers (2) angeordnet und jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper (2) drehbar gelagerten Achse (3) verbunden sind, sodass, wenn der Vorrichtungskörper (2) entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben (4, 5) relativ zu dem Vorrichtungskörper (2) drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe (4) zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe (4) angelegt ist und der Vorrichtungskörper M, vorzugsweise händisch, über die Oberfläche verjüngt und an der Stirnseite eine vollflächig ebene und kreisförmige Schleiffläche mit Diamant als erstes Schleifmittel umfasst, wobei die zweite Scheibe (5) sich zur Stirnseite hin einseitig verjüngt, zum Entgraten des Schneidwerkzeuges ausgebildet ist und an der Stirnseite eine Schleiffläche mit wenigstens einer Vertiefung aufweist, wobei die erste Scheibe (4) und die zweite Scheibe (5)jeweils einen umlaufenden Gummiring (6, 7) aufweisen, um eine einfache und leise Laufbewegung der Scheiben (4, 5) beim Ziehen des Vorrichtungskörpers (2) über die Oberfläche zu erhalten.“
  30. Nachfolgende Figuren 1 und 2 sind der Klagegebrauchsmusterschrift entnommen und erläutern die Erfindung. Figur 1 zeigt dabei eine Seitenansicht der erfindungsgemäßen Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren und Figur 2 eine perspektivische Ansicht der in Fig. 1 dargestellten erfindungsgemäßen Vorrichtung:
  31. Bei der Klägerin handelt es sich um einen Familienbetrieb, der auf die Entwicklung und Herstellung von Schleifgeräten für Schneidwerkzeuge und entsprechendes Zubehör spezialisiert ist. Gegenstand des Produktportfolios ist insbesondere ein Rollschleifer, der eine einfache und zuverlässige Möglichkeit zum Schleifen von beispielsweise Küchenmessern bietet.
  32. Das Unternehmen der Beklagten importiert Produkte, welche anschließend im Versandhandel und über das Teleshopping vertrieben werden. Eines der durch sie vertriebenen Produkte mit der Bezeichnung „XXX“ ist eine Vorrichtung zum Schleifen von Schneidwerkzeugen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Zur Veranschaulichung wird nachfolgend ein Lichtbild eingeblendet (entnommen der Klageschrift und mit Hervorhebungen durch die Klägerin):
  33. Die Beklagte bewirbt und bietet die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Website unter www.XXX.net an (vgl. Anlage KB 5). Anhand eines Videos wird dort auch die Funktionsweise gezeigt.
  34. Im Rahmen einer Messepräsentation auf der A im September 2019 stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte ein Produkt präsentierte, welches ihrem eigenen Rollschleifer, insbesondere in der technischen Funktionsweise, sehr ähnlich kam. Im Sommer 2020 war die angegriffene Ausführungsform auf dem deutschen Markt erhältlich und die Klägerin führte im November 2020 einen Testkauf durch (vgl. Anlage KB 7). Diesem Testkauf lag eine Anleitung zur Benutzung der angegriffenen Ausführungsform bei (vgl. Anlage KB 8). Auszugsweise enthält sie nachfolgende Zeichnung (entnommen der Klageschrift):
  35. Zwischen den Parteien ist vor der Kammer außerdem ein Parallelverfahren anhängig, welches unter dem Az. 4c O 10/21 geführt wird und auf das Europäische Patent EP 3 XXX 928 B1 der Klägerin gestützt ist.
  36. Die Klägerin meint, die angegriffene Ausführungsform würde wortsinngemäßen unmittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagegebrauchsmusters machen. Das Klagegebrauchsmuster verlange nicht, dass eine erfindungsgemäße Vorrichtung nur eine durch den Vorrichtungskörper verlaufende Achse aufweise. Die numerische Anzahl möglicher Achsen lasse das Klagegebrauchsmuster vielmehr offen. Maßgeblich sei nur die Anordnung der Scheiben an je einem der beiden axialen Enden der Vorrichtung und derart, dass sie mit einer drehbar gelagerten Achse verbunden seien und dadurch relativ zum Vorrichtungskörper beweglich sind. Hierfür sei eine gemeinsame durchgehende Achse nicht erforderlich.
  37. Jedenfalls, hilfsweise, würde die angegriffene Ausführungsform mit äquivalenten Mitteln das Klagegebrauchsmuster verletzen. Die Austauschmittel (jeweils mit einer der Scheiben verbundenen drehbar gelagerten Achsen) seien gleichwirkend und würden problemlos das Ziel der Erfindung erreichen; bei der angegriffenen Ausführungsform sei eine Drehbewegung der Scheibe relativ zum Vorrichtungskörper möglich. Für den Fachmann habe es zudem nahegelegen, statt einer Achse zwei einzelne Achsen zur Lagerung der Scheiben vorzusehen. Diese Konstruktionsweise stehe der erfindungsgemäßen Lehre als gleichwertig gegenüber. Bei der Verwirklichung der angestrebten Relativbewegung lasse sich kein Unterschied feststellen.
  38. Das Klagegebrauchsmuster sei schutzfähig; es sei weder unzulässig erweitert, noch fehle ihm die Erfindungshöhe. Der Rechtsstreit sei daher auch nicht auszusetzen, weil sich das Klagegebrauchsmuster im Löschungsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
  39. Die Kläger beantragt,
  40. die Beklagte zu verurteilen,
  41. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  42. 1. eine Vorrichtung zum Schleifen und / oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers, umfassend:
    – einen zylindrischen Vorrichtungskörper;
    – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe, die an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers angeordnet und jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper drehbar gelagerten Achse verbunden sind, sodass, wenn der Vorrichtungskörper entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben relativ zu dem Vorrichtungskörper drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe angelegt ist und der Vorrichtungskörper, vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe aufgrund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift,
  43. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
  44. 2. eine Vorrichtung zum Schleifen und / oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers, umfassend:
    – einen zylindrischen Vorrichtungskörper,
    – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe, die an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers angeordnet und jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper drehbar gelagerten Achse verbunden sind, sodass, wenn der Vorrichtungskörper entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben relativ zu dem Vorrichtungskörper drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeugs an die erste Scheibe angelegt ist und der Vorrichtungskörper, vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe auf Grund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift, wobei sich die erste Scheibe zur Stirnseite hin einseitig verjüngt und an der Stirnseite eine vollflächig ebene und kreisförmige Schleiffläche mit Diamant als erstes Schleifmittel umfasst, wobei die zweite Scheibe sich zur Stirnseite hin einseitig verjüngt, zum Entgraten des Schneidwerkzeuges ausgebildet ist und an der Stirnseite eine Schleiffläche mit wenigstens einer Vertiefung aufweist, wobei die erste Scheibe und die zweite Scheibe jeweils einen umlaufenden Gummiring aufweisen, um eine einfache und leise Laufbewegung der Scheiben beim Ziehen des Vorrichtungskörpers über die Oberfläche zu erhalten,
  45. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  46. und hilfsweise zu Ziff. 1. und 2. Ziff. I.1 und Ziff. I.2. wie erkannt und im Übrigen zu erkennen, wie geschehen.
  47. Die Beklagte beantragt,
  48. die Klage abzuweisen,
    hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung über den Löschungsantrag der Beklagten auszusetzen.
  49. Sie ist der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform die erfindungsgemäße Lehre nicht verwirkliche. Das Klagegebrauchsmuster erfordere eine den Vorrichtungskörper durchsetzende Achse, an deren einen Ende die eine und an dem anderen Ende die andere Scheibe angebracht seien. Die angegriffene Ausführungsform sei dagegen so konstruiert, dass sie an jeder Stirnseite einen Hohlraum aufweise, in welchem drehfest ein Kugellager eingesetzt sei. Wiederum mit dessen drehbarem Innenring sei drehfest ein Zapfen eingebracht, der einstückig mit der anliegenden Scheibe ausgebildet sei. Eine den Vorrichtungskörper durchsetzende Achse gebe es danach nicht. Daher sei zugleich möglich, die beiden Kugellager unabhängig voneinander zu drehen.
  50. Eine äquivalente Verletzung des Klagegebrauchsmusters liege ebenso wenig vor. Die vom Klagegebrauchsmuster beanspruchte eine Achse solle den Gleichlauf der beiden Scheiben sicherstellen. Derlei könnten zwei Achsen indes nicht bewirken.
  51. Das Klagegebrauchsmuster sei löschungsreif. Es sei gegenüber der Anmeldeschrift EP 3 XXX 928 A2 (Anlage B3) unzulässig erweitert worden. Ferner fehle es ihm an Erfindungshöhe; die GB XXXA (Anlage B 3; im Folgenden auch: B3) in Kombination mit der DE 297 XXX 326 U 1 (Anlage B4; im Folgenden auch: B4) würden die erfindungsgemäße Lehre nahe legen. Daher sei der Rechtsstreit jedenfalls auch mangels Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters auszusetzen
  52. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
  53. Entscheidungsgründe
  54. A.
    Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
  55. I.
    Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren sowie dem Entgraten und/oder Abziehen eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers (Abs. [0001]).
  56. Aus dem Stand der Technik sind, wie das Klagegebrauchsmuster in Abs. [0002] erläutert, Vorrichtungen zum Schleifen und/oder Polieren sowie dem Entgraten und/oder Abziehen eines Schneidwerkzeuges bekannt. Schleifmittel konnten dabei auf Blöcke oder runde ggf. auch eckige Kanten aufgebracht sein. Dabei musste zum Schleifen eines Schneidwerkzeuges der Bediener dieses in einer Hand halten und in der anderen Hand das zu schleifende bzw. polierende Schneidwerkzeug. Die Vorrichtung muss dann von dem Bedienerüber die Schneide des zu schleifenden bzw. polierenden Schneidwerkezeuges gezogen werden.
  57. Hieran kritisiert es das Klagegebrauchsmuster als nachteilig (vgl. Abs. [0003]), dass möglichst immer der gleiche Winkel zwischen der Schneide und dem Schneidwerkzeug gehalten werden sollte, um ein gutes Schleifergebnis zu erzielen. Genau dies ist aber schwierig, wenn sowohl das Schneidwerkzeug als auch das Schleifwerkzeug von dem Bediener quasi frei in der Luft gehalten werden müssen und somit eine hohe Geschicklichkeit des Bedieners gefragt ist.
  58. Das Klagegebrauchsmuster stellt sich daher die Aufgabe, eine Vorrichtung vorzuschlagen, die einfach zu bedienen ist und darüber hinaus eine erhöhte Schleifwirkung aufweist (Abs. [0004]).
  59. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster eine Vorrichtung nach Anspruch 1 mit nachfolgenden Merkmalen vor:
  60. 1. Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers.
    2. Die Vorrichtung umfasst:
    2.1 einen zylindrischen Vorrichtungskörper (2),
    2.2 eine erste und eine zweite Scheibe (4, 5).
    3. Die eine erste und die eine zweite Scheibe (4, 5)
    3.1 sind im Wesentlichen kreisrund,
    3.2 sind an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers (2) angeordnet und jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper (2) drehbar gelagerten Achse (3) verbunden, sodass,
    3.2.1 wenn der Vorrichtungskörper (2) entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben (4, 5) relativ zu dem Vorrichtungskörper (2) drehen bzw. rotieren.
    4. Zumindest die erste Scheibe (4) ist zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe (4) angelegt ist und der Vorrichtungskörper (2), vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe (4) aufgrund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift.
  61. SchutzaAnspruch 36 schlägt eine Vorrichtung mit nachfolgenden Merkmalen vor:
  62. 1. Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers.
    2. Die Vorrichtung umfasst:
    2.1 einen zylindrischen Vorrichtungskörper (2),
    2.2 eine erste und eine zweite Scheibe (4, 5).
    3. Die eine erste und die eine zweite Scheibe (4, 5)
    3.1 sind im Wesentlichen kreisrund,
    3.2 sind an unterschiedlichen axialen Enden des Vorrichtungskörpers (2) angeordnet und jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper (2) drehbar gelagerten Achse (3) verbunden, sodass,
    3.2.1 wenn der Vorrichtungskörper (2) entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben (4, 5) relativ zu dem Vorrichtungskörper (3) drehen bzw. rotieren,
    3.3 weisen jeweils einen umlaufenden Gummiring (6, 7) auf, um eine einfache und leise Laufbewegung der Scheiben (4, 5) beim Ziehen des Vorrichtungskörpers (2) über die Oberfläche zu erhalten.
    4. Zumindest die erste Scheibe (4) ist zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen, dass, wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe (4) angelegt ist und der Vorrichtungskörper (2), vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe (4) aufgrund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift.
    5. Die erste Scheibe (4)
    5.1 verjüngt sich zur Stirnseite hin einseitig,
    5.2 umfasst an der Stirnseite eine vollflächig ebene und kreisförmige Schleiffläche mit Diamant als erstes Schleifmittel.
    6. Die zweite Scheibe (5)
    6.1 verjüngt sich zur Stirnseite hin einseitig,
    6.2 ist zum Entgraten des Schneidwerkzeugs ausgebildet,
    6.3 weist an der Stirnseite eine Schleiffläche mit wenigstens einer Vertiefung auf.
  63. II.
    Zu recht steht zwischen den Parteien allein die Verwirklichung des Merkmals 3.2 in Streit, weshalb es keiner Ausführungen zu den übrigen Merkmalen bedarf. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen anhand des Anspruchs 1. Sie gelten hinsichtlich des Verständnisses des Merkmals 3.2 in Anspruch 36 aber in gleicher Weise.
  64. Die Verwirklichung dieses Merkmals mit äquivalenten Mitteln vermag die Kammer festzustellen, indes keine wortsinngemäße Verletzung.
  65. 1.
    Eine wortsinngemäße Verwirklichung des Klagegebrauchsmusters liegt nicht vor.
  66. a.
    Das Klagegebrauchsmuster stellt eine Vorrichtung unter Schutz, mithilfe derer Schneidwerkzeuge wie Haushaltsmesser geschliffen und/oder poliert werden können (Merkmal 1). Die einzelnen Vorrichtungsbestandteile werden in den Merkmalen 2 bis 6 näher beschrieben. Danach setzt sich die Vorrichtung aus einem zylindrischen Vorrichtungskörper sowie einer ersten und einer zweiten Scheibe zusammen. Dabei erläutert die Merkmalsgruppe 3 sowohl Ausgestaltung (kreisrund) als auch Anordnung der ersten und zweiten Scheibe im Verhältnis zum Vorrichtungskörper. Merkmal 3.2.1 konkretisiert in der Folge, dass durch diese Anordnung eine Rotation/Drehung der zwei Scheiben relativ zum Vorrichtungskörper ermöglicht werden soll, wenn der Vorrichtungskörper seinerseits bewegt wird.
  67. Dabei versteht das Klagegebrauchsmuster unter der Verbindung der ersten und zweiten Scheibe jeweils mit einer in dem Vorrichtungskörper drehbar gelagerten Achse, dass von einer zur anderen Stirnseite im Inneren des Vorrichtungskörpers ein durchgehendes Element verläuft, mit dem beide Scheiben verbunden sind, und welches eine Rotation der Scheiben unabhängig von dem Vorrichtungskörper im Übrigen ermöglicht.
  68. Der Wortlaut lässt hinsichtlich der Ausgestaltung einer Achse, also einem seiner rein-philologischen Bedeutung nach stabförmigem Bauteil, im Vorrichtungskörper keinen eindeutigen Schluss zu. Zum einen spricht er von „einer Achse“, was durch die Benutzung der Singularform als numerische Angabe zu verstehen sein kann. Zum anderen kann die Verwendung des Wortes „jeweils“ einen Anhaltspunkt auf zwei Achsen darstellen, indem jeder Scheibe auch je eine Achse im Vorrichtungskörper zugeordnet wird. Dieses Verständnis findet allerdings keine weitere Stütze in der Klagegebrauchsmusterbeschreibung.
  69. Vielmehr unterstützt die Klagegebrauchsmusterbeschreibung ein Verständnis, wonach eine erfindungsgemäße Vorrichtung eine durchgehende Achse im Körperinneren aufweist. Zudem macht sie deutlich, dass der Begriff „jeweils“ auf die Scheiben bezogen ist und danach jede der beiden Scheiben mit einer Achse verbunden sein soll. Dass jeder Scheibe auch je eine Achse zugewiesen werden sollte, ist indes nicht zu erkennen.
  70. So formuliert zunächst Abs. [0007] als Teil der allgemeinen Beschreibung:
  71. „Erfindungsgemäß wird also eine Vorrichtung vorgeschlagen, die jeweils eine Scheibe rechts und links eines im Wesentlichen zylinderförmigen Vorrichtungskörpers aufweist, wobei die beiden Scheiben über eine im Inneren des Vorrichtungskörpers gelagerte Achse lösbar verbunden sind und die Achse relativ zu dem Vorrichtungskörper rotierbar ist […]“.
  72. Dieser Beschreibungsstelle ist durch Verwendung des bestimmten Artikels und der Singularform ein Hinweis auf eine einzige durchgehende Achse zu entnehmen. Auch spricht Abs. [0010] an mehreren Stellen von nur einer Achse:
  73. „Eine vorteilhafte Weiterbildung der Erfindung sieht vor, dass die erste und/oder die zweite Scheibe lösbar mit der Achse verbunden sind, so dass diese austauschbar ist bzw. sind.
    […]
    so dass die erste und/oder die zweite Scheibe mit der Achse lösbar verschraubbar ist bzw. sind.“
  74. Unterstützung in dem Verständnis der durchgehenden Achse findet der Fachmann auch in den besonderen Beschreibungsstellen. So formuliert Abs. [0016]:
  75. „In dem Vorrichtungskörper 2 ist eine relativ zu dem Vorrichtungskörper 2 drehbar gelagerte Achse 3 ausgebildet. Die Achse 3 verläuft von der Stirnseite zu einer der Stirnseite abgewandten Seite im Inneren des Vorrichtungskörpers 2 und ist in ihren beiden Enden so ausgebildet, dass jeweils eine Scheibe 4, 5 lösbar anbringbar ist.“
  76. Durch die Formulierung am Ende „dass jeweils eine Scheibe lösbar anbringbar ist“ wird zugleich deutlich, dass „jeweils“ auf die Scheiben und nicht auf die Achse bezogen ist und das Verhältnis der Scheiben zu der Achse beschrieben wird.
  77. Die folgenden Beschreibungsstellen in Abs. [0017] und [0018] greifen diese Formulierung jeweils am Ende auf:
  78. „[…] wobei eine Scheibe 4 an der ersten Stirnseite und die andere Scheibe 5 an der der Stirnseite abgewandten Seite des Vorrichtungskörpers 2 mit der Achse 3 lösbar verbunden sind.“
  79. „[…] Um einen besonders schnellen und einfachen Austausch der Scheiben zu ermöglichen, ist vorzugsweise an jeder Scheibe ein angedrehter Gewindebolzen 11, 12 ausgebildet, über den sich die jeweilige Scheibe 4, 5 an der Achse 3 lösbar anbringen lässt. Die Erfindung ist dabei nicht darauf beschränkt, dass beide Scheiben 4, 5 lösbar mit der Achse 3, bspw. über den jeweiligen Gewindebolzen 11, 12, verbindbar sind. So ist es ebenfalls denkbar, dass eine der beiden Scheiben fest und lediglich die andere der beiden Scheiben lösbar mit der Achse verbunden ist.“
  80. Die Ausführungsbeispiele lassen zwar Abwandlungen einer erfindungsgemäßen Vorrichtung zu und vermögen daher nicht, den Anspruchsgegenstand einzuschränken. Sie geben allerdings sämtlich nur Änderungen an den Scheiben bzw. deren Befestigung zu erkennen und nicht an der Achse selbst, sodass auch diese Beschreibungsstellen das erläuterte Verständnis unterstützen.
  81. Schließlich folgt auch aus der Beschreibung der Drehung/Rotation der Scheibe(n), dass eine durchgehende Achse für beide Scheiben beansprucht ist. Insbesondere Abs. [0024] erläutert dazu:
  82. „Um eine einfache und leise Laufbewegung der beiden Scheiben beim Ziehen des Vorrichtungskörpers 2 über die Oberfläche zu erhalten, umfassen die beiden Scheiben jeweils einen umlaufenden Gummiring 6, 7.“
  83. Das Klagegebrauchsmuster beschreibt hier eine einheitliche Bewegung der ersten und der zweiten Scheibe und führt daneben immer nur zu einer Relativbewegung der Scheiben zum Vorrichtungskörper aus. Erläutert wird lediglich ihre gemeinsame relative Drehung zum Vorrichtungskörper. Derlei ist aber nur bei einer durchgängigen Achse möglich. Das Klagepatent gibt so auch an keiner anderen Stelle zu erkennen, dass sich die Scheiben relativ zueinander bewegen könnten, was aber die unmittelbare Folge von separaten Achsen wäre. Der Fachmann erkennt zudem, dass die Achse dem Bestreben der erfindungsgemäßen Lehre Rechnung trägt, eine einfach zu bedienende Vorrichtung bereitzustellen. Der Benutzer der Vorrichtung hält nur den Vorrichtungskörper (gestützt auf einer Oberfläche) in den Händen und muss kein besonderes Geschick für den Schleifvorgang mehr aufbringen, da die durchgehende Achse für einen gleichmäßigen Lauf der Scheibe sorgt.
  84. Hiergegen spricht auch nicht Abs. [0026], welcher mittels eines Pfeilzeichens die Zugbewegung der Vorrichtung beschreibt und ausführt, dass „eine Drehbewegung der ersten Scheibe stattfindet“. Dass nur die erste Scheibe erläutert wird, ergibt sich aus dem Kontext dieser Beschreibungsstelle, die nur einen ersten Arbeitsschritt in den Blick nimmt. Für diesen ist eine Bewegung der ersten Scheibe ausreichend. Dies lässt aber nicht den Gegenschluss zu, dass sich die zweite Scheibe nicht auch bewegen würde.
  85. Ein anderes Verständnis der Achse, wonach jeweils eine am rechten bzw. linken Ende des Vorrichtungskörpers angeordnet sein könnte, folgt ebenso wenig aus der Anspruchssystematik. Merkmal 3.2.1 beschreibt dabei diejenige Folge („sodass“), die mit der in Merkmal 3.2 geschützten Anordnung von Scheiben und Achse bewirkt werden soll. Es soll eine Drehung/Rotation der zwei Scheiben relativ zu dem Vorrichtungskörper erfolgen. Dies lässt jedoch keinen Schluss auf mehrere im Körperinneren verlaufende Achsen zu, sondern ist gleichermaßen durch eine sich durchgehend erstreckende Achse realisierbar.
  86. Die Figuren des Klagegebrauchsmusters wiederum bekräftigen das erläuterte Verständnis, weil ihnen beiden eine durchgängig ausgestaltete Achse zu entnehmen ist.
  87. Auch technisch-funktionale Erwägungen unterstützen das erörterte Verständnis. Die Achse sorgt dafür, dass sich die Scheiben relativ zum Vorrichtungskörper drehen können Der Benutzer kann die Vorrichtung in der Hand halten und bewegen, ohne auf eine bestimmte Positionierung weder des Schleifwerkzeugs noch der Vorrichtung achten zu müssen. Die Relativbewegung der Scheiben stellt ein gutes Schleifergebnis sicher.
  88. b.
    Ausgehend von vorstehendem Verständnis verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht. Denn ihrem unstreitigen Aufbau nach verfügt die angegriffene Ausführungsform an jeder Stirnseite über ein Kugellager, welche in ihrem Inneren drehfest mit der ersten bzw. zweiten Scheibe verbunden sind. Die beiden Kugellager sind nicht miteinander verbunden und stellen damit keine Achse im Sinne des Klagegebrauchsmusters dar. Nachstehende Abbildung aus der Replik nebst Beschriftungen der Klägerin veranschaulicht diesen Aufbau der angegriffenen Ausführungsform für eine axiale Seite:
  89. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des Klagegebrauchsmusters mit äquivalenten Mitteln.
  90. a.
    Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fachmann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGH, GRUR 1988, 896 – Ionenanalyse; BGH, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; BGH, GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr; vgl. Loth/Loth, 2. Aufl. 2017, GebrMG, § 12a, Rn. 375). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGH, GRUR 1989, 205 – Schwermetalloxidationskatalysator; BGH, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; BGH, GRUR 1993, 886, 889 – Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, dass sie (1.) das der Erfindung zugrundeliegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu BGH, GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH, GRUR 2002, 519 –Schneidmesser II, Rn. 35, juris; Kühnen, a.a.O., Kap. A., Rn. 120 ff.). Da sich der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters nach denselben Grundsätzen bestimmt wie der eines Patents, gelten diese Voraussetzungen der Äquivalenz gleichermaßen im Gebrauchsmusterrecht. Denn § 12a GebrMG entspricht § 14 PatG bzw. Art. 69 Abs. 1 EPÜ (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 9045, Rn. 73 – Roller).
  91. b.
    Diese Voraussetzungen sind durch die beiden mit Achszapfen in Kugellagern an den axialen Enden der angegriffenen Ausführungsform befestigten Scheiben erfüllt.
  92. aa.
    Gleichwirkung meint, dass das abgewandelte Mittel die gleiche vom Schutzrecht erstrebte Wirkung zur Lösung des technischen Problems entfaltet. Dabei ist die geschützte Vorrichtung als Ganzes zu betrachten. Entscheidend ist, welche Wirkung das Merkmal im Gesamtzusammenhang der Erfindung hat (Kühnen, a.a.O., Kap. A, Rn. 147 ff). Diese Wirkungen müssen in der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Danach ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Diese Gesamtheit repräsentiert die patentierte Lösung und stellt deshalb die für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung dar. Nur so ist gewährleistet, dass trotz Abwandlung bei einem oder mehreren Merkmalen lediglich solche Ausgestaltungen vom Schutzbereich des Patentanspruchs umfasst werden, bei denen der mit der geschützten Erfindung verfolgte Sinn beibehalten ist. Als gleichwirkend kann eine Ausführungsform dann angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 6714 – Hubsäule m.w.N.).
  93. Die erfindungsgemäße Lehre will sowohl eine einfache Bedienung als auch eine erhöhte Schleifwirkung zur Verfügung stellen. In Abgrenzung zu vorbekannten Vorrichtungen sollte dies insbesondere dadurch ermöglicht werden, dass die Vorrichtung statt in der Luft gehalten werden zu müssen, über eine Oberfläche geführt werden kann, wobei das zu schleifende Schneidwerkzeug konstant und in einem gleichmäßigen Winkel an dem Schleifmittel anliegt. Dieser Vorteil wird insbesondere erzielt, indem die Scheiben als Schleifmittel drehbar gelagert sind und deren Bewegung unabhängig vom Vorrichtungskörper ausgestaltet ist. Dies bewirkt, dass der Benutzer während des gesamten Schleifvorgangs den Vorrichtungskörper, der auf eine Oberfläche abgestützt ist, festhalten kann, ohne zwischendurch die Position seiner Hand verändern zu müssen. Die Handhabe einer erfindungsgemäßen Vorrichtung ist damit gelingsicher und einfach.
  94. Diese Vorteile werden durch die angegriffene Ausführungsform und deren seitliche Ausgestaltung mit je einem Kugellager, mit welchem über einen Achszapfen pro Seite je eine Scheibe verbunden ist, realisiert. Denn die Kugellager machen eine Relativbewegung der Scheiben zum Vorrichtungskörper möglich und dienen zugleich als Befestigungsmöglichkeit der Scheiben. Für den Benutzer macht es in der Handhabe der Vorrichtung keinen Unterschied, ob im Inneren des Vorrichtungskörpers eine Achse verläuft oder seitlich je ein Kugellager montiert ist. Ohne Relevanz für die Frage der Gleichwirkung ist schließlich, ob es bei der angegriffenen Ausführungsform zu einem „Eiern“ kommen kann. Denn das Erzielen einer zu 100% gleichen Wirkung eines Merkmals ist schon nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass insgesamt die von der Erfindung als obligatorisch angestrebten Vorteile erreicht werden. Jede einzelne Wirkung muss nur im praktisch noch erheblichen Maße festzustellen sein (vgl. BGH, GRUR 2015, 361 – Kochgefäß). Derlei vermag die Kammer für die angegriffene Ausführungsform festzustellen, da die Beklagte keine tatsächlichen Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht hat, wonach ein Schleifergebnis mit der angegriffenen Ausführungsform nicht zufriedenstellend wäre. Vielmehr stellt sie in ihrer Bewerbung der angegriffenen Ausführungsform sogar „ein gleichermaßen perfektes Ergebnis“ heraus (vgl. Replik S. 8, Bl. 104 GA).
  95. bb.
    Der Fachmann konnte das bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandene abgewandelte Mittel auch ohne erfinderisches Zutun auffinden.
  96. Bei der Würdigung des Klagegebrauchsmusters erkennt der Fachmann, dass die drehbar gelagerte Achse der Verbindung der Scheiben mit dem Vorrichtungskörper dient. Wie im Detail diese Verbindung hergestellt wird, ist in das Belieben des Fachmanns gestellt, weil keine konkreten Verbindungsmittel aufgeführt werden. Der erste und zweite Gewindebolzen sind erst Gegenstand eines Unteranspruchs. Hierzu erhält der Fachmann zudem etwa aus abs. [0019] den Hinweis, dass unterschiedliche Verbindungsarten (lösbar bzw. fest) denkbar sind. In diesem Zuge eine Achse gewissermaßen aufzuspalten und an/in je an einem axialen Ende einen Mechanismus vorzusehen, der der Befestigung der Scheiben sowie der relativen Rotation dient, ist Teil seines Fachwissens. Es bedarf daher keiner Aufklärung, ob der Fachmann Kenntnisse aus dem Bereich des Fahrzeugbaus heranziehen würde bei der Frage, wie eine Schleifvorrichtung ausgestaltet werden könnte. Jedenfalls dürften überhaupt einem Maschinenbauer Achsen und Kugellager bekannt sein und auch, dass sie gegeneinander ausgetauscht werden könnten.
  97. cc.
    Nach dem Gleichwertigkeitserfordernis ist notwendig, dass diejenigen Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Es ist mithin nicht ausreichend, dass der Fachmann auf Grund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich seine Überlegungen am Patentanspruch orientieren. Die notwendige Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk). Insoweit ist zwischen solchen Merkmalen zu unterscheiden, die aus Sicht des Fachmanns „stellvertretend“ für ein bestimmtes Wirkprinzip stehen und solchen, die sich überhaupt nur auf die dem Wortsinn entsprechende Weise umsetzen lassen, weil jede Abweichung sich in diametralen Widerspruch zu der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters setzt. Eine Verwirklichung der Klagegebrauchsmustergemäßen Lehre kommt nur in erstgenannter Fallgruppe in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 7737 – Abstreifeinheit). Diese Unterscheidung trägt der einem Klagegebrauchsmuster zugrunde liegenden Erfindung in besonderer Weise Rechnung, weil dessen Anweisungen und die einzusetzenden Mittel unmittelbar berücksichtigt werden und nicht abstrahiert werden, wodurch der Fokus nicht mehr auf der eigentlichen Erfindung läge.
  98. Die Austauschmittel in der angegriffenen Ausführungsform sind danach gleichwertig zu der erfindungsgemäß vorgesehenen Achse. Die Lehre des Klagegebrauchsmusters weist den Fachmann an, seitlich am Vorrichtungskörper und im Verhältnis zu diesem rotierbare Scheiben zum Schleifen vorzusehen. Indem das Klagegebrauchsmuster dabei auch eine im Vorrichtungskörper angeordnete Achse abstellt, wird indes kein exklusives Wirkprinzip beschrieben, welches nur unter Verwendung dieses Vorrichtungsteils realisiert werden kann. Vielmehr steht die Achse stellvertretend für ein Vorrichtungsteil überhaupt, welches eine unabhängige Relativbewegung der axialen Scheiben ermöglicht. Die technische Lehre ist indes nicht auf eine Achse beschränkt.
    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass bei separat gelagerten Scheiben ein „Eiern“ einer Scheibe oder das Fahren von Schleifkurven eintreten könnte. Das Klagegebrauchsmuster hat diese Aspekte bei der Auswahl der Achse überhaupt nicht zugrunde gelegt. Die Klagegebrauchsmusterbeschreibung gibt für diese Annahme keine Anhaltspunkte. Auch aus technischen Erwägungen kommt es auf den möglicherweise durch eine Achse sichergestellten Gleichlauf der Schleifscheiben nicht an. Denn an keiner Stelle beschreibt das Klagegebrauchsmuster, dass zeitgleich sowohl die erste als auch die zweite Scheibe benutzt werden sollen. Vielmehr sollen die beiden Scheiben nacheinander zur Anwendung kommen (vgl. Abs. [0026] f.). Dass sich hierbei ein ungleichmäßiger Lauf auf ein Schleif-/Polierergebnis nachteilig auswirken könnte, ist indes nicht zu erkennen.
    Schließlich ist ohne Belang, ob die Kugellager als Austauschmittel eventuell aufwändiger als die erfindungsgemäße Achse sind und sogar Vorteile gegenüber der erfindungsgemäßen Vorrichtung bieten (vgl. BGH, GRUR 2006, 399 – Rangierkatze), weil es im Belieben des Fachmanns steht, wie er eine gleichwertige Lösung ausgestaltet, solange diese den Anweisungen der technischen Lehre Rechnung trägt.
  99. III.
    Das Klagegebrauchsmuster ist schutzfähig.
  100. Die Lehre des Klagegebrauchsmusters, dessen gewerbliche Anwendbarkeit zwischen den Parteien zu Recht außer Streit steht, erfüllt die in §§ 1, 3 GebrMG für den Gebrauchsmusterschutz niedergelegten Voraussetzungen. Die die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters betreffenden Einwendungen der Beklagten bleiben ohne Erfolg. Das Klagegebrauchsmuster ist gegenüber seiner Anmeldeschrift weder unzulässig erweitert worden noch durch vorbekannten Stand der Technik nahegelegt.
  101. 1.
    Das Klagegebrauchsmuster ist nicht wegen unzulässiger Erweiterung löschungsreif, § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG.
  102. Für die Herleitung dieses Löschungsgrundes stützt sich die Beklagte auf die EP 3 XXX 928 A2 und deren ursprünglichen Anspruch 1, woraus das Klagegebrauchsmuster abgezweigt worden ist.
  103. An der Fassung der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sind die erfolgten Änderungen zu messen. Es handelt sich hierbei um die Unterlagen, die den Anmeldungsgegenstand festgelegt haben, also diejenigen, die mit dem Eintragungsantrag als Anmeldungsunterlagen eingereicht worden sind und einen Anmeldetag nach § 4a begründet haben. Mit diesen Unterlagen sind die eingetragenen Schutzansprüche bei der Prüfung einer Erweiterung zu vergleichen. Bei einem abgezweigten Gebrauchsmuster sind das die Unterlagen der Patentanmeldung, aus dem das Gebrauchsmuster abgezweigt wurde, und zwar in der Fassung, die es durch die Eintragung erhalten hat. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters darf daher weder gegenüber den Unterlagen der Patentanmeldung, noch gegenüber den eventuell davon abweichenden, eingeschränkten Eintragungsunterlagen des Gebrauchsmusters erweitert sein (vgl. BGH, GRUR 2011, 40 – Winkelmesseinrichtung; Benkard/Goebel/Engel, PatG, 11. Aufl. 2015, GebrMG § 15 Rn. 13a).
  104. Der Schutzumfang des Klagegebrauchsmusters ist gegenüber den Anmeldeunterlagen nicht in unzulässiger Weise erweitert worden.
  105. Die Anspruchsfassung in der Anmeldung hatte nachfolgenden Wortlaut:
    „Vorrichtung zum Schleifen und/oder Polieren eines Schneidwerkzeuges, vorzugsweise eines Haushaltsmessers umfassend:
  106. – einen Vorrichtungskörper (2);
    – eine in dem Vorrichtungskörper (2) drehbar gelagerte Achse (3);
    – eine erste und eine zweite im Wesentlichen kreisrunde Scheibe (4, 5), die derartig mit der drehbaren Achse (3) verbunden sind, dass wenn der Vorrichtungskörper (2) entlang einer Oberfläche, vorzugsweise einer Tischoberfläche, gezogen wird, sich die zwei Scheiben (4, 5) relativ zu dem Vorrichtungskörper (3) drehen bzw. rotieren und wobei zumindest die erste Scheibe (4) zum Schleifen ausgebildet und derartig beschaffen ist, dass wenn eine Schneide des Schneidwerkzeuges an die erste Scheibe (4) angelegt ist und der Vorrichtungskörper (2), vorzugsweise händisch, über die Oberfläche gezogen wird, die erste Scheibe (4) aufgrund der Drehung bzw. Rotation die Schneide schleift.“
  107. Bereits dieser Anspruchswortlaut macht durch die Aufzählung der einzelnen Vorrichtungsbestandteile deutlich, dass eine drehbar gelagerte Achse vorgesehen ist, mit welcher eine erste und eine zweite Scheibe zu verbinden sind. Demgemäß finden sich in der Klagegebrauchsmusterbeschreibung Passagen, die das Vorhandensein einer Achse im Vorrichtungskörper offenbaren, z.B. Spalte 2, Z. 1 ff. und Z. 47 ff.:
  108. „wobei die beiden Scheiben über eine im Inneren des Vorrichtungskörpers gelagerte Achse lösbar verbunden sind und die Achse relativ zu dem Vorrichtungskörper rotierbar ist,
  109. dass die erste und/oder zweite Scheibe lösbar mit der Achse verbunden sind, […],
    dass sowohl die erste als auch die zweite Scheibe lösbar mit der Achse verbunden sind.“
  110. Im Vergleich zu diesem Verständnis ist die Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht deshalb unzulässig erweitert, weil Merkmal 3.2 von Scheiben spricht, die „jeweils“ mit einer in dem Vorrichtungskörper drehbar gelagerten Achse verbunden sind. Dies ist – wie gezeigt – dahin zu verstehen, dass eine Achse zu implementieren ist, mit der die beiden Scheiben in Verbindung stehen. Es handelt sich gegenüber dem Anspruch in seiner ursprünglichen Fassung zwar um eine Umformulierung, mit welcher indes keine unzulässige Erweiterung des Schutzgegenstandes einhergeht.
  111. 2.
    Auch der Löschungsgrund gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 GebrMG liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor.
  112. Bei der Frage des erfinderischen Schritts ist zu prüfen, wieweit bereits der Stand der Technik Vorbilder und Anregungen für die vorgeschlagene Gestaltung bot. Nachdem die Anforderungen an die Schwelle der Schutzwürdigkeit bei Patenten und GebrM nach der Rechtsprechung des BGH identisch sind, können die zum Patentrecht entwickelten Grundsätze auch für das Gebrauchsmusterrecht übernommen werden (Loth/Stock, a.a.O., § 1, Rn. 181). Es kommt darauf an, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Das erfordert als eine erste Voraussetzung, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten fähig ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem vorhandenen zu entwickeln. Als weitere Voraussetzung für das Naheliegen einer Erfindung muss gegeben sein, dass der Fachmann Anlass hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu ist neben der Erkennbarkeit des technischen Problems Voraussetzung, dass hinreichende Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstige Anlässe für den Fachmann bestehen (BGH, GRUR 2012, 378 – Installiereinrichtung II).
  113. Nach Ansicht der Beklagten legt die GB XXXA (Anlage B3) in Kombination mit der DE 297 XXX 326 U 1 (Anlage B4) die erfindungsgemäße Lehre nahe.
  114. Die B3 als Ausgangspunkt offenbart ein Schleifinstrument mit Einspannvorrichtung (5, 6) für ein Schneidwerkzeug, wobei eine mit einer Schleifscheibe (1) und einer Abstützscheibe (4) versehene Achse (2) am vorderen Ende eines als Handgriff dienenden Schafts (3) senkrecht zu diesem drehbar montiert ist. Die Einspannvorrichtung (5, 6) besteht aus zwei gelenkig verbundenen Platten (5, 6) mit ebener Oberfläche und ist zum Einklemmen des zu bearbeitenden Schneidwerkzeugs in dem zwischen den Platten (5, 6) vorhandenen Spalt ausgebildet. Zur Veranschaulichung deren Lehre werden nachfolgend die Figuren 1 bis 3 eingeblendet:
  115. Nach Ansicht der Beklagten seien hierbei lediglich die Merkmale 2.1, 5.1 und 6.1 nicht offenbart, welche aber durch die B4 nahegelegt würden.
  116. Die B4 offenbart einen Rollschleifer mit einem zylindrischen Vorrichtungskörper und zwei endseitig daran angeordneten Schleifflächen. Die Schleifflächen sind nicht gegenüber dem Vorrichtungskörper drehbar. Die nachfolgenden Abbildungen I und II verdeutlichen die Lehre der B4:
  117. Entgegen der Ansicht der Beklagten lehrt die B4 indes keine Schleifscheiben, die sich zur Stirnseite hin einseitig verjüngen würden. Die Beklagte will dieses Merkmal aus den Figuren herleiten, insbesondere Figur 1. Die Zeichnung zeigt jedoch keinerlei Details, da sie die Vorrichtung nur in grober Gestaltung wiedergibt, so dass man ihr verlässlich keinen Hinweis auf sich verjüngende Scheiben entnehmen kann. Inwieweit derlei Ausgestaltung von Schleifscheiben zum Fachwissen gehörig wäre, vermag die Kammer mangels dahingehender Nachweise nicht zu beurteilen. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte hierzu nicht näher vorgetragen. Im Übrigen hat die Beklagte nicht vorgetragen, welchen Anlass der Fachmann zu einer Kombination der B3 mit der B4 gehabt haben könnte. Dass er Verbesserungen an der Lehre der B3 in Richtung auf die klagepatentgemäße Lehre hätte vornehmen wollen, ist nicht zu erkennen.
  118. IV.
  119. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen resultieren die folgenden Rechtsfolgen:
  120. 1.
    Da die Beklagte das Klagegebrauchsmuster widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß § 24 GebrMG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.
  121. 2.
    Die Beklagte trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagegebrauchsmusters erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagegebrauchsmusters schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 24 Abs. 2 GebrMG.
  122. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
  123. 3.
    Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, § 24b PatG, § 259 BGB i.V.m. § 242 BGB.
  124. Die Klägerin kann die geschuldeten Angaben in elektronischer Form verlangen.
  125. Angesichts der weitgehenden Digitalisierung der Geschäftswelt kann der Gläubiger des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs regelmäßig vom Schuldner verlangen, die Auskunft und Rechnungslegung in elektronisch auswertbarer Form zu erhalten. Als elektronisch auswertbare Form ist hierbei eine Form zu verstehen, bei der die Daten von einem Computer unmittelbar ausgewertet werden können. Es entspricht den heutigen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, dass die entsprechenden Daten beim Schuldner bereits digital verfügbar sind. Dementsprechend ist es ihm regelmäßig möglich und zumutbar, dem Gläubiger dasjenige elektronische Element zu überlassen, das ohnehin die Basis einer Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Papierform bildet. Der Schuldner wird hierdurch nicht belastet und dem Gläubiger wird die Verwertung der Auskünfte zum Zwecke der weiteren Rechtsverfolgung entscheidend erleichtert (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2020, 52268, Rn. 108; Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 884; BeckOK PatR/Voß, PatG, § 140b, Rn. 26).
  126. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Daten beim Schuldner tatsächlich nicht in elektronischer Form vorhanden sind und er solche elektronischen Daten erst anfertigen müsste und deshalb durch eine solche Verurteilung zusätzlich belastet wäre. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Bereits mit der Klageschrift hat die Klägerin beantragt, die Aufstellung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu erhalten. Hiergegen hat sich die Beklagte nicht gewandt. Die Kammer hat daher keinen Anlass für die Annahme, dass die streitigen Auskunftsdaten nicht auch in elektronischer Form bei der Beklagten verfügbar sind.
  127. Lediglich nicht verpflichtet ist die Beklagte, die unter Ziff. I.3 tenorierten Auskünfte neben einem Nachweis mit entsprechenden Belegen auch in Form eines geordneten Verzeichnisses zusammenzustellen. Derlei ist für den Auskunftsanspruch gem. § 24b GebrMG nicht vorgesehen.
  128. 4.
    Die Beklagte ist nach § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagegebrauchsmuster verletzenden Gegenstände verpflichtet.
  129. V.
    Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen. Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass die im Wege des Löschungsantrags vorgebrachten Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters erfolgreich verlaufen werden.
  130. Nach § 19 S. 1 GebrMG steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Verletzungsgerichts, ob es den Rechtsstreit aussetzt, wenn ein Löschungsverfahren anhängig ist. Erforderlich – aber für eine Aussetzung auch hinreichend – ist es, wenn begründete Zweifel an der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters bestehen (Benkard, a.a.O., § 19, Rn. 6 m.w.N.). Das Verletzungsgericht hat den Rechtsstreit gemäß § 19 S. 2 GebrMG auszusetzen, falls es das Gebrauchsmuster für unwirksam hält.
  131. Nach diesen Voraussetzungen besteht vorliegend kein Anlass, den Rechtsstreit auszusetzen. Aus Sicht der Kammer bestehen keine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Schutzfähigkeit verwiesen werden.
  132. B.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, Nr. 1, 709 ZPO.
  133. Streitwert: 125.000,- Euro

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