Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Juni 2010, Az. 4b O 74/09
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft im Falle der beklagten an dem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Anstrichmittel-Zufuhrsysteme für Anstrichroboter, wobei das jeweilige System umfasst eine auf einem Vorrichtungshalter am äußeren Ende eines Roboterarms angebrachte Anstrichmittel-Sprüheinrichtung und eine Anpasseinrichtungseinheit zum Anbringen auf dem Roboterarm nahe bei oder in direktem Kontakt mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung,
dadurch gekennzeichnet, dass es umfasst
– erste und zweite Zufuhrleitung zum Zuführen eines ersten und eines zweiten Anstrich-Fluids zur Anpasseinrichtung,
– eine dritte Zufuhrleitung zum Zuführen eines Reinigungsfluids zur Anpasseinrichtung
und dass die Anpasseinrichtung aufweist
– einen ersten Einlasskanal, welcher mit der ersten Zufuhrleitung verbunden ist,
– einen zweiten Einlasskanal, welcher mit der zweiten Zufuhrleitung verbunden ist,
– einen dritten Einlasskanal, welcher mit der dritten Zufuhrleitung verbunden ist,
– einen Auslasskanal, welcher mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung verbunden ist,
– erste Ventilmittel zum Verbinden des ersten Einlasskanals mit dem Auslasskanal,
– zweite Ventilmittel zum Verbinden des zweiten Einlasskanals mit dem Auslasskanal,
– dritte Ventilmittel zum Verbinden des dritten Einlasskanals mit dem Auslasskanal,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des EP 0 833 XXX herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 17. August 2002 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses sowie unter Angabe
1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und diesen ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
III. Die Beklagte wird verurteilt,
1. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter vorstehend I. beschriebenen Vorrichtungen zu vernichten;
2. die vorstehend zu I. beschriebenen, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 0 833 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung etwaiger Entgelte sowie die Übernahme der notwendigen Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundener Zoll- und Lagerkosten zugesagt wird und endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 22. August 1998 entstanden ist und zukünftig entstehen wird.
V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VI. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ein Achtzehntel und die Beklagte siebzehn Achtzehntel.
VII. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 EUR, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
VIII. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des Europäischen Patents 0 833 XXX (Anlage L 1, im Folgenden: Klagepatent), das am 15. Mai 1996 unter Inanspruchnahme einer schwedischen Priorität vom 22. Juni 1995 (SE 9592XXX) angemeldet, und das am 8. April 1998 veröffentlicht wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 17. Juli 2002 bekannt gemacht. Eine deutsche Übersetzung des in englischer Verfahrenssprache angemeldeten Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 696 22 XXX T2 (Anlage L 2) geführt. Das Klagepatent betrifft einen Lackierroboter mit einem System zur Lackzufuhr. Am 17. April 2003 hat die Beklagte Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents eingelegt (Anlage B 1), über den die Einspruchsabteilung noch nicht entschieden, hinsichtlich dessen sie aber am 21. Februar 2007 einen Bescheid (Anlage B 3, in deutscher Übersetzung Anlage B 4) erlassen hat.
Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
„1. Anstrichmittel-Zufuhrsystem für einen Anstrichroboter (1), wobei das jeweilige System umfasst eine auf einem Vorrichtungshalter am äußeren Ende eines Roboterarms (3) angebrachte Anstrichmittel-Sprüheinrichtung (2) und eine Anpasseinrichtungseinheit (6) zum Anbringen auf dem Roboterarm nahe bei oder in direktem Kontakt mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung,
dadurch gekennzeichnet, dass es umfasst
– erste und zweite Zufuhrleitung (15, 16) zum Zuführen eines ersten und eines zweiten Anstrich-Fluids zur Anpasseinrichtung,
– eine dritte Zufuhrleitung (18) zum Zuführen eines Reinigungsfluids zur Anpasseinrichtung
und dass die Anpasseinrichtung aufweist
– einen ersten Einlasskanal (15a), welcher mit der ersten Zufuhrleitung verbunden ist,
– einen zweiten Einlasskanal (16a), welcher mit der zweiten Zufuhrleitung verbunden ist,
– einen dritten Einlasskanal (18a), welcher mit der dritten Zufuhrleitung verbunden ist,
– einen Auslasskanal (19), welcher mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung verbunden ist,
– erste Ventilmittel (11) zum Verbinden des ersten Einlasskanals mit dem Auslasskanal,
– zweite Ventilmittel (12) zum Verbinden des zweiten Einlasskanals mit dem Auslasskanal,
– dritte Ventilmittel (13) zum Verbinden des dritten Einlasskanals mit dem Auslasskanal.“
Nachstehend verkleinert wiedergegebene Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:
Figur 2 stellt einen klagepatentgemäßen Anstrichroboter schematisch dar. Figur 3 zeigt eine schematische Zeichnung einer Anpasseinrichtung mit Mischeinheit.
Die Beklagte stellt her und vertreibt ein Anstrichrobotersystem unter der Bezeichnung A (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Der konstruktive Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist ersichtlich aus einem Prospekt der Beklagten, welchen einer ihrer Geschäftsführer bei einer Vortragsveranstaltung am X und X in B verteilt hat (Anlage L 5), sowie aus den Abbildungen in einer Vorlage („Präsentation“) für einen Vortrag, den der Geschäftsführer der Beklagten am X und X in C hielt. Nachstehend sind einige der Abbildungen aus diesen Unterlagen verkleinert wiedergegeben, wie sie von der Klägerin mit Bezeichnungen versehen und schriftsätzlich vorgelegt wurden:
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere sei deren Anpassungseinrichtung in direktem Kontakt mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung angebracht. Auch verfüge die angegriffene Ausführungsform über eine erste und zweite Zufuhrleitung zum Zuführen eines ersten und eines zweiten Anstrichfluids zur Anpasseinrichtung.
Die Klägerin beantragt nunmehr, nachdem sie in mündlicher Verhandlung vom 27. Mai 2010 sowohl den Rückruf- und Entfernungs- als auch den Veröffentlichungsanspruch modifiziert hat,
die Beklagte im zuerkannten Umfange zu verurteilen,
sowie darüber hinaus
der Klägerin die Befugnis zuzusprechen, das Urteil auf Kosten der Beklagten öffentlich bis zu drei Mal innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils in den zwei Fachzeitschriften „D“ und „E“ bekannt zu machen, wobei die optische Gestaltung (Fettdruck, Hervorhebungen, Gliederungsebenen etc.) der Klägerin überlassen bleibt, soweit der Text nicht mehr als eine halbe Zeitungsseite umfasst.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise: den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch der Beklagten gegen das Klagepatent auszusetzen.
Die Beklagte bestreitet, das Klagepatent zu verletzen. Sie ist der Auffassung, das Klagepatent lehre, dass Anpasseinrichtungseinheit und Anstrichmittel-Sprüheinrichtung zwei unterschiedliche Einheiten sein müssten. Daran fehle es bei der angegriffenen Ausführungsform, da dort diese beiden Elemente in einem einheitlichen Bauteil integriert seien. Auch mache die angegriffene Ausführungsform deshalb keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents, weil sie – was unstreitig ist – sechs Zuführleitungen für Farbe aufweist.
Ferner beruft sich die Beklagte auf ein privates Vorbenutzungsrecht. Sie selber habe im Jahre 1988 im Rahmen eines Projekts mit der Bezeichnung „F“ eine die technische Lehre des Klagepatents verwirklichende Lackiervorrichtung an die G AG geliefert. Diese Vorrichtung habe ein Umschaltventil mit der Identifizierungsnummer „XXX“ umfasst, dessen konstruktiver Aufbau aus der als Entgegenhaltung E2 im Einspruchsverfahren vorgelegten technischen Anleitung ersichtlich sei.
Schließlich wendet die Beklagte ein, das Klagepatent werde sich im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen. Die Vorbenutzung der technischen Lehre des Klagepatents im Projekt „F“ sei eine offenkundige gewesen. Auch werde die technische Lehre des Klagepatents in neuheitsschädlicher Weise durch die prioritätsälteren Druckschriften US 3,201,046 (Anlage B 10, in deutscher Übersetzung als Anlage B 10a, im Einspruchsverfahren eingeführt als Entgegenhaltung E8) und EP-A-0 450 877 (als deutsches Übersetzung DE 691 04 761 T2 in Anlagenkonvolut B 7 enthalten, im Einspruchsverfahren eingeführt als Entgegenhaltung E9) vorweggenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und bis auf den Veröffentlichungsanspruch begründet. Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Einspruchsverfahren auszusetzen.
A.
Die Klage ist zulässig. Es steht der hinreichenden Bestimmtheit der erhobenen Klageanträge nicht entgegen, dass zur Bestimmung der streitgegenständlichen angegriffenen Ausführungsform der Wortlaut des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents wiedergegeben wird. Wird, wie im vorliegenden Rechtsstreit, eine wortsinngemäße Patentverletzung geltend gemacht, ist es hinreichend bestimmt, den Klageantrag hinsichtlich der Patentverletzung nach dem Wortlaut des als verletzt geltend gemachten Patentanspruchs zu formulieren. Die in höchstrichterlicher Rechtsprechung im Hinblick auf einen Einzelfall insoweit geäußerten Bedenken (vgl. BGH GRUR 2005, 569 – Blasfolienherstellung) vermag die Kammer nicht zu teilen. Dem Erfordernis, einen vollstreckbaren Wortlaut des Titels zu schaffen, wird die Orientierung am Anspruchswortlaut im Ergebnis besser gerecht, als etwaige Bemühungen, die angegriffene Ausführungsform konkret zu beschreiben: Eine etwaiges Unterlassungsgebot bezöge sich nicht nur auf die im Erkenntnisverfahren konkret streitgegenständliche und angegriffene Ausführungsform, sondern darüber hinaus auch auf solche Ausführungsformen, welche den Kern des Unterlassungsgebots treffen; auch wegen solcher „kerngleicher“ Ausführungsformen wäre aus dem Titel zu vollstrecken. Eine praxisgerechte Abgrenzung der Reichweite des Unterlassungsgebots wird dabei allein durch den Rückbezug auf den Anspruchswortlaut erreicht, denn der umfasst diejenigen Merkmale, welche die technische Lehre des Klagepatents ausmachen und schließt solche Merkmale aus, die außerhalb der Erfindungsmerkmale stehen und deshalb – würden sie in den Verbotstenor aufgenommen – die Reichweite des Unterlassungstitels in ungerechtfertigter Weise einschränken würden. Da die Prüfung, ob eine im Vollstreckungsverfahren angegriffene Ausführungsform dem Anspruchswortlaut unterfällt, gemäß § 890 Abs. 1 ZPO dem Prozessgericht obliegt, kann der dem Anspruchswortlaut folgende Tenor anhand der Entscheidungsgründe ausgelegt werden (Kühnen / Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl. Rn. 615; Kühnen, GRUR 2006, 180).
B.
Die Klage ist überwiegend, nämlich bis auf den geltend gemachten Veröffentlichungsanspruch begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus dem Vertriebsweg sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 EPÜ, §§ 9, 139, 140a Abs. 1 und 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Einen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung gemäß Art. 64 EPÜ, § 140e PatG hat die Klägerin jedoch nicht, da sie das insoweit erforderliche berechtigte Interesse nicht dargetan hat.
I.
Das Klagepatent betrifft Anstrich- und Lackierroboter, die für ein Wechseln zwischen unterschiedlichen Farben oder die Verwendung von Zwei-Komponenten-Anstrichmitteln und -lacken ausgestattet sind.
Wie das Klagepatent in seinen einleitenden Passagen ausführt, ist es bei vielen Anwendungen von Anstrichrobotern – etwa beim Kraftfahrzeug-Lackieren – wünschenswert, die Farbe schnell wechseln zu können. Beim Farbwechselvorgang muss das Zuführvolumen zwischen einer Farb-Wechsel-Ausstattung und der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung vom zuvor verwendeten Anstrichmittel entleert und mit einer Reinigungsflüssigkeit gereinigt werden, bevor neues Anstrichmittel zugeführt werden kann. Das zu entleerende Volumen wird größtenteils aus den Zuführleitungen gebildet. Bei anderen Anwendungen werden Zwei-Komponenten-Anstrichmittel verwendet, die unmittelbar vor der Anwendung gemischt werden. Nach dem Anwendungszyklus muss das mit gemischtem Anstrichmittel gefüllte Zuführvolumen schnell entleert und mit einer Reinigungsflüssigkeit gereinigt werden, damit nicht die schnell reagierenden Zwei-Komponenten-Anstrichmittel auszuhärten beginnen, was eine Reinigung erschwert.
Im Stand der Technik sind Anstrichroboter bekannt, bei denen sich die Farbwechsel-Ausstattung oder die Zwei-Komponenten-Mischausstattung im unteren Teil des Roboters befindet, um kurze Zufuhrentfernungen sicherzustellen, ohne mit der Farbwechseleinrichtung die Präzision des Roboterarms zu stören. Ferner zeigt das Klagepatent das technische Problem auf, dass beim Farbwechsel und bei Zwei-Komponenten-Anwendungen die sich ansammelnden Volumen an Abfall-Anstrichmittel wegen ihrer Umweltauswirkungen und wegen der Kosten ein Problem bilden.
Aus der GB-A-2149323 ist ein gattungsgemäßes Anstrichmittel-System bekannt, das eine Anpasseinrichtung bzw. einen Adapter mit einem Fluid-Einlasskanal zum Zuführen von Anstrich-Fluid umfasst.
Vor diesem technischen Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, herkömmliche Anstrichroboter mit Farbwechsel-Ausstattung oder mit einer Anpasseinrichtung zur Anwendung von Zwei-Komponenten-Anstrichmitteln zu verbessern.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
Anstrichmittel-Zufuhrsystem für einen Anstrichroboter (1), wobei das jeweilige System umfasst
1. eine auf einem Vorrichtungshalter am äußeren Ende eines Roboterarms (3) angebrachte Anstrichmittel-Sprüheinrichtung (2)
2. und eine Anpasseinrichtungseinheit (6) zum Anbringen auf dem Roboterarm nahe bei oder in direktem Kontakt mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung (2),
dadurch gekennzeichnet, dass es umfasst
3. eine erste und zweite Zufuhrleitung (15, 16) zum Zuführen eines ersten und eines zweiten Anstrich-Fluids zur Anpasseinrichtung (6),
4. eine dritte Zufuhrleitung (18) zum Zuführen eines Reinigungsfluids zur Anpasseinrichtung (6),
5. und dass die Anpasseinrichtung aufweist
5.1 einen ersten Einlasskanal (15a), welcher mit der ersten Zufuhrleitung (15) verbunden ist,
5.2 einen zweiten Einlasskanal (16a), welcher mit der zweiten Zufuhrleitung (16) verbunden ist,
5.3 einen dritten Einlasskanal (18a), welcher mit der dritten Zufuhrleitung (18) verbunden ist,
5.4 einen Auslasskanal (19), welcher mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung verbunden (2) ist,
5.5. erste Ventilmittel (11) zum Verbinden des ersten Einlasskanals (15a) mit dem Auslasskanal (19),
5.6 zweite Ventilmittel (12) zum Verbinden des zweiten Einlasskanals (16a) mit dem Auslasskanal (19),
5.7 dritte Ventilmittel (13) zum Verbinden des dritten Einlasskanals mit dem Auslasskanal (19).
II.
Zwischen den Parteien steht – zu Recht – die Verwirklichung sämtlicher Merkmale mit Ausnahme der Merkmale 2. und 3. durch die angegriffene Ausführungsform außer Streit. Aber auch die Verwirklichung dieser streitigen Merkmale lässt sich feststellen.
1.
Die Anpasseinrichtungseinheit der angegriffenen Ausführungsform ist in Verwirklichung von Merkmal 2. in direktem Kontakt mit der Anstrichmittel-Sprüheinrichtung auf dem Roboterarm angebracht. Dieses Merkmal in dieser Alternative ist aus fachmännischer Sicht in der Weise zu verstehen, dass Anpasseinrichtungseinheit und Anstrichmittel-Sprüheinrichtung als zwei Elemente der klagepatentgemäßen Vorrichtung ausgeführt sind, welche räumlich in dem Sinne direkt aneinander grenzen, dass sich zwischen ihnen keinerlei räumlicher Abstand befindet. Hingegen kann der Fachmann weder den Ansprüchen noch der Beschreibung des Klagepatents einen Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass diese beiden funktionalen Elemente konstruktiv in getrennten Bauteilen ausgeführt werden müssen. Zur konkreten Konstruktionsweise macht das Klagepatent insoweit keine Angaben. Der Schutzbereich kann aus fachmännischer Sicht daher nicht auf eine Ausführung beschränkt werden, bei der die Anpasseinrichtungseinheit und die Anstrichmittel-Sprüheinrichtung als diskrete, voneinander baulich getrennte Bauteile ausgeführt sind.
Im Gegenteil entnimmt der Fachmann der Abgrenzung des Klagepatents gegenüber dem kritisierten Stand der Technik, dass es nach der technischen Lehre des Klagepatents darauf ankommt, das Totvolumen zu verringern, welches durch die Zufuhrleitungen zwischen einer Wechselausstattung (wie der Anpasseinrichtungseinheit) und der Sprüheinrichtung gebildet wird (Anlage L 2, Seite 1, Zeile 14 f.). Je kürzer der Zufuhrweg zwischen diesen Elementen ist, desto geringer ist das Totvolumen und desto besser kann die klagepatentgemäße Aufgabe erfüllt werden, eine gegenüber dem Stand der Technik verbesserte Anstrichvorrichtung zur Verfügung zu stellen. Bei einer konstruktiven Ausführung von Anpasseinrichtungseinheit und Sprüheinrichtung in einem einzigen Bauteil ist der Zuführweg zwischen Elemente in denkbar größtem Maße verkürzt.
Der Auffassung der Beklagten, wonach es der technischen Lehre des Klagepatents widerspreche, wenn – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – Anpasseinrichtungseinheit und Anstrichmittel-Sprüheinrichtung in einem einzigen Bauteil integriert sind, kann demgegenüber nicht gefolgt werden. Auch eine solche integrierte Bauweise führt zu einer Vorrichtung, bei welcher die beiden Elemente in voneinander abgrenzbarer Weise vorliegen, und bei der sie in direktem Kontakt zueinander, nämlich: ineinander liegend ausgeführt sind. Bei der angegriffenen Ausführungsform liegt die Anpasseinrichtungseinheit radial zwischen den zur Sprüheinrichtung gehörenden Elementen. Sie wird nämlich von deren axialem Ansatz in radialer Richtung nach außen hin vollständig umfasst und in radialer Richtung nach innen von dem ebenfalls zur Sprüheinrichtung gehörenden Anstrichmittelkanal durchdrungen. Gleichwohl ist die Anpasseinrichtungseinheit von der Sprüheinrichtung abgrenzbar: Sie endet in radialer Richtung nach innen hin dort, wo sich der Anstrichmittelkanal öffnet, und in radialer Richtung nach außen hin an der Hülle, in welche die zur Anpasseinrichtungseinheit gehörenden Ventile eingesetzt sind.
Auch der Einwand der Beklagten, das Klagepatent differenziere sprachlich zwischen der Angabe „am äußeren Ende eines Roboterarms“ als Position der Sprüheinrichtung einerseits und der Angabe „auf dem Roboterarm“ als Position der Anpasseinrichtungseinheit, weswegen diese beiden Elemente an jeweils anderen Stellen des Roboterarms positioniert und daher als konstruktiv getrennte Bauteile ausgeführt sein müssten, greift im Ergebnis nicht durch. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, von dem abzuweichen das Klagepatent aus fachmännischer Sicht auch insoweit keinen Anlass bietet, kann ein am äußeren Ende des Roboterarms angebrachtes Element zugleich auf dem Roboterarm angebracht sein. Die Angabe „auf dem Roboterarm“ ist weiter gefasst als die Angabe „am äußeren Ende des Roboterarms“ und umfasst diese engere Angabe. Überdies verweist die Klägerin zu Recht auf das in Figur 2 des Klagepatents gezeigte Ausführungsbeispiel, für das nicht ersichtlich ist, dass es nicht eine klagepatentgemäße Vorrichtung zeigen würde. Dort ist erkennbar, dass die Anpassungseinrichtungseinheit (6) zum Ende des Roboterarms (3) hin angebracht ist, mithin an dessen Ende. Dementsprechend erläutert das Klagepatent dieses Ausführungsbeispiel in der Weise (Anlage L 2, Seite 2, Zeilen 22 bis 25), dass eine durch eine Anbringung der Anpasseinrichtungseinheit am äußeren Ende des Roboter Arms dessen Bewegung nicht gestört und seine Präzision nicht beeinträchtig wird.
Die Klägerin ist auch nicht aufgrund ihrer Darlegungen im Einspruchsverfahren daran gehindert, die angegriffene Ausführungsform als klagepatentverletzend anzugreifen. Zwar hat die Klägerin im Einspruchsverfahren die Auffassung vertreten, das Klagepatent stelle in Abgrenzung zum Stand der Technik eine Vorrichtung unter Schutz, bei der die Adaptereinheit, also die Anpassungseinrichtungseinheit (6) als separates Bauteil ausgebildet ist (Schriftsatz der Klägerin im Einspruchsverfahren vom 25. Juni 2008, Seite 6 bei Rn. 15, vorgelegt als Anlage L 13). Durch diese Äußerung ist die Klägerin nicht daran gehindert im vorliegenden Verletzungsrechtstreit eine integrierte Bauweise von Anpasseinrichtungseinheit und Sprüheinrichtung als Verwirklichung von Merkmal 2. anzugreifen. Zum einen kann zwar die Partei eines Patentverletzungsstreits nach Treu und Glauben, nämlich unter Beachtung des allgemeinen Grundsatzes des Verbots treuwidrigen Handelns daran gehindert sein, eine konkrete Ausführungsform anzugreifen, in Ansehung derer er in einem parallelen, zwischen den identischen Parteien des Verletzungsrechtsstreits geführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren erklärt hat, er betrachte diese Ausführungsform als nicht vom begehrten Schutz des angegriffenen und zugleich im Verletzungsrechtsstreit geltend gemachten Schutzrecht umfasst (BGH GRUR 2006, 923, 926 Rn. 25 – Luftabscheider für Milchsammelanlage; ähnlich bereits BGH NJW 1997, 3377 – Weichvorrichtung II; GRUR 1993, 886 – Weichvorrichtung I). Vorliegend hat die Klägerin sich zwar einem Einspruchsverfahren geäußert, an dem die Beklagte als Einspruchsführerin beteiligt ist. Die Klägerin hat allerdings nicht in einer ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten erweckenden Weise geäußert, sie halt die konkrete, im hiesigen Verletzungsrechtsstreit angegriffene Ausführungsform für nicht vom Schutz des Klagepatents umfasst. Ihre Äußerung bezog sich vielmehr ersichtlich allein auf die Würdigung des Standes der Technik, ohne dass diese Abgrenzung in Ansehung der angegriffenen Ausführungsform vorgenommen wurde. Zum anderen ist bei der angegriffenen Ausführungsform durchaus ein separates Bauteil vorhanden. Wie oben ausgeführt ist die Anpasseinrichtungseinheit bei der angegriffenen Ausführungsform zwar in der dargestellten Weise in die Farbsprüheinrichtung integriert. Gleichwohl bilden Anpasseinrichtungseinheit und Farbsprüheinrichtungseinheit jeweils ein abgrenzbares und in diesem Sinne separates Bauteil.
2.
Auch Merkmal 3., gemäß dem das Anstrichmittel-Zufuhrsystem über eine erste und zweite Zufuhrleitung zum Zuführen eines ersten und zweiten Anstrich-Fluids zur Anpasseinrichtung verfügen muss, ist durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. Dies ist dahin auszulegen, dass klagepatentgemäß wenigstens zwei Zuführleitungen vorhanden sein müssen. Dies folgt aus fachmännischer Sicht erstens daraus, dass der Anspruch insoweit die Angabe „umfasst“ beinhaltet und nicht etwa den Begriff „besteht aus“. Der Fachmann erkennt, dass die hierdurch bezeichneten Elemente mindestens vorhanden sein müssen, dass sie aber keine abschließende Aufzählung der Elemente der klagepatentgemäßen Vorrichtung darstellen. Zweitens lehrt Unteranspruch 6 des Klagepatents eine Viel-Farben-Wechseleinrichtung (9) als klagepatentgemäß. Wird diese in einem Arbeitszyklus mit mehr als einer Farbe verwendet, müssen zwangsläufig mehr als zwei Farbzuführleitung vorhanden sein, nämlich mindestens zwei für die Viel-Farben-Zuführung des aktuellen Zyklus und (mindestens) zwei weitere, die zuvor eine Viel-Farben-Zuführung gewährleistet haben und die im aktuellen Zyklus gerade entleert und gereinigt werden. Demnach ist die technische Lehre des Klagepatents nicht darauf beschränkt eine Vorrichtung mit höchstens zwei Zuführleitungen in Anspruch zu nehmen. Die angegriffene Ausführungsform, welche mit insgesamt sechs Zuführleitungen ausgeführt ist, verwirklicht demnach Merkmal 3.
III.
Aus der Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform ergeben sich die klageweise geltend gemachten Rechtsfolgen.
1.
Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, aufgrund eines privaten Vorbenutzungsrechts gemäß § 12 PatG zur Vornahme der Benutzungshandlungen berechtigt zu sein. Die Gewährung eines solchen Vorbenutzungsrechts bezweckt den Schutz des redlich erworbenen gewerblichen oder wirtschaftlichen Besitzstandes des Vorbenutzers. Es soll auf diese Weise die unbillige Zerstörung in berechtigter Ausübung geschaffener wirtschaftlicher Werte verhindern (Benkard / Rogge, PatG, 10. Aufl., § 12 Rn. 2). Aus diesem Grund ist das private Vorbenutzungsrecht sachlich auf diejenige Benutzungsweise und/oder Ausführungsform beschränkt, die der Begünstigte tatsächlich benutzt (oder zu deren alsbaldiger Benutzung er die erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat; Abweichungen der angegriffenen von der vorbenutzten Ausführungsform sind nur bedeutungslos, wenn sie außerhalb des Erfindungsgedankens des Klagepatents liegen (Benkard / Rogge, a.a.O., § 12 Rn. 22).
Hiernach überschreitet die Beklagte jedenfalls ein privates Vorbenutzungsrecht, sollte sie ein solches durch Vorbenutzung denn tatsächlich erworben haben. Unstreitig war die von der Beklagten geltend gemachte Vorbenutzung im Rahmen des Projekts „F“ in der Weise gestaltet, dass dort die Anpasseinrichtungseinheit nicht baulich integriert innerhalb der Sprüheinrichtung, nämlich so wie oben unter II.1. dargestellt, ausgeführt war. Vielmehr befand sich bei der angeblich vorbenutzen Anlage die Anpasseinrichtungseinheit lediglich nahe bei der Sprüheinrichtung. Indem die Beklagte von einer Anspruchsalternative zur anderen übergegangen ist, bewegt sie sich außerhalb eines etwaigen privaten Vorbenutzungsrechts. Dieses begründet aus den dargelegten Erwägungen kein Recht, die technische Lehre des Klagepatents insgesamt zu benutzen, sondern lediglich die Berechtigung, die konkrete vorbenutzte Ausführungsform weiterhin zu benutzen. Dass diese Abweichung zur angegriffenen Ausführungsform den Erfindungsgedanken des Klagepatents berührt, ist insoweit ohne Belang. Das Klagepatent nimmt zwar die beiden Konstruktionsmöglichkeiten als Alternativen in den Anspruch auf, es erachtet demnach die Abweichung aber als so erheblich, dass es einer ausdrücklichen Inanspruchnahme beider Alternativen bedarf. Zudem wird durch die Abweichung der beiden Alternativen voneinander der Verbindungsweg zwischen Anpasseinrichtungseinheit und Sprüheinrichtung verändert. Dies hat, wie oben unter II.1. ausgeführt, Auswirkungen darauf, ob und in welcher Weise die technische Aufgabe des Klagepatents erfüllt werden kann.
Da es demnach nicht darauf ankommt, ob die Beklagte die technische Lehre des Klagepatents tatsächlich durch die genannte Anlage vorbenutzt hat, ist der insoweit angebotene Zeugenbeweis nicht zu erheben.
2.
Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Hinsichtlich der Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rn. 783).
Aufgrund der widerrechtlichen Benutzung des Klagepatents ist die Beklagte schließlich gemäß Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 und 3 PatG verpflichtet, die Exemplare der angegriffenen Ausführungsform zu vernichten oder auf eigene Kosten vernichten zu lassen, sowie diese Exemplare, sofern sie seit dem 1. September 2008 in die Vertriebswege gelangt sind, zurückzurufen und endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen.
3.
Einen Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils gemäß § 140e PatG hat die Klägerin hingegen nicht. Sie hat nicht dargetan, ein berechtigtes Interesse daran zu haben, das Urteil auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen.
Auch wenn § 140e PatG den Zweck verfolgt, mittels der Veröffentlichung eines Urteils künftige Verletzer abzuschrecken und eine Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für den gesetzlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu erreichen, ist die Urteilsveröffentlichung nicht automatische Folge einer Schutzrechtsverletzung, sondern bedarf eines berechtigten Interesses der obsiegenden Partei an der begehrten Veröffentlichung. Es geht nicht um eine Bestrafung durch öffentliche Bloßstellung des Verletzers, sondern um die Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes durch Information (Schulte / Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 140e Rn. 9; Kühnen / Geschke, a.a.O Rn. 628; sie auch BGH GRUR 1954, 327 – Radschutz-Entscheidung). Das berechtigte Interesse macht es erforderlich, dass die Bekanntmachung des Urteils zur Beseitigung des Störungszustandes objektiv geeignet und in Anbetracht des mit der Bekanntmachung verbundenen Eingriffs in den Rechtskreis der Beklagten und eines etwaigen Aufklärungsinteresses der Öffentlichkeit notwendig ist.
Hierzu hat die Klägerin nichts vorgebracht. Weder hat sie dargetan, dass aufgrund der Verletzungshandlungen der Beklagten ein Störungszustand im Markt eingetreten ist, noch ist ersichtlich, dass ein etwaiger Störungszustand durch eine Information der Marktteilnehmer beseitigt werden könnte.
IV.
Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht in Betracht.
Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.
Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn entweder das prozessuale Verhalten der Klägerin eindeutig ihre Interessen hinter die der Beklagten zurücktreten lässt und/oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Letzteres wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der Aussetzungsantrag auf eine angebliche offenkundige Vorbenutzung gestützt ist, die nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt, sondern – wenigstens teilweise – auf Zeugenbeweis gestützt ist. Die Unvorhersehbarkeit dessen, was Zeugen im Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsverfahren aussagen, machen eine hinreichend sichere Prognose zum Ausgang dieses Verfahrens unmöglich.
Unter Anwendung diese Maßstäbe sind vorliegend die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht erfüllt.
1.
Zunächst stützt die Beklagte ihren Aussetzungsantrag auf eine offenkundige Vorbenutzung, die in denjenigen Handlungen liegen soll, welche sie auch hinsichtlich eines privaten Vorbenutzungsrechts geltend gemacht hat, also in der Lieferung einer Lackiervorrichtung unter dem Projektnamen „F“ im Jahre 1988. Ihr diesbezügliches Vorbringen stellt die Beklagte im Einspruchsverfahren – auch – unter Zeugenbeweis, wobei die Zeugen zum Beweis dafür angeboten werden, dass die gelieferte Anlage die aus den schriftlichen Entgegenhaltungen E1 und E2 ersichtlichen technischen Merkmale aufgewiesen habe. Damit ist eine offenkundige Vorbenutzung aber nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt.
Der Bescheid des EPA vom 21. Februar 2007 (Anlage B 3, in deutscher Übersetzung als Anlage B 4) enthält zwar bereits eine vorläufige Beweiswürdigung, die auf Grundlage der im Einspruchsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vorgenommen wurde. Eidesstattliche Versicherungen sind im Einspruchsverfahren auch zulässige Beweismittel gemäß Art. 117 Abs. 1 Ziff. g) EPÜ (Benkard / Schäfers, EPÜ, Art. 117 Rn. 26). Indes lässt aus diesem Bescheid nicht mit der hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit erkennen, dass ein Widerruf des Klagepatents aufgrund offenkundiger Vorbenutzung erfolgen wird. Zum einen gilt im Einspruchsverfahren gemäß Art. 114 EPÜ der Amtsermittlungsgrundsatz, so dass die Einspruchsabteilung die Zeugen auch noch vernehmen könnte. Ihre Aussagen sind auch in Ansehung der eidesstattlichen Versicherungen nicht vorhersehbar. Zum anderen sind seit dem genannten Bescheid nunmehr über drei Jahre vergangen, ohne dass – wie im Bescheid angekündigt – das Klagepatent widerrufen worden wäre. Dies spricht eher gegen die Erwartung, das EPA werde eine Einspruchsentscheidung im Sinne des Bescheides treffen.
2.
Ferner macht die Beklagte geltend die technische Lehre des Klagepatents werde durch druckschriftlichen Stand der Technik, den die Beklagte nach dem genannten Bescheid ins Einspruchsverfahren eingeführt hat, neuheitsschädlich vorweggenommen, nämlich durch die US 3,201,046 (Anlage B 10, in deutscher Übersetzung als Anlage B 10a, im Einspruchsverfahren eingeführt als Entgegenhaltung E8) und durch die EP-A-0 450 877 (als deutsches Übersetzung DE 691 04 761 T2 in Anlagenkonvolut B 7 enthalten, im Einspruchsverfahren eingeführt als Entgegenhaltung E9). Auch insoweit ist durch die Beklagte nicht dargetan, dass ein Widerruf des Klagepatents im erforderlichen Maße überwiegend wahrscheinlich ist.
Es ist nicht hinreichend deutlich, dass durch eine dieser beiden Druckschriften sämtliche Merkmale des Klagepatents neuheitsschädlich voroffenbart werden. Die E8 / US ‘048 (Anlage B 10 bzw. B 10a) dürfte zum einen keine Vorrichtung offenbaren, welche einen Roboterarm gemäß den Merkmalen 1. und 2. des Klagepatents umfasst. Offenbart ist lediglich (Anlage B 10a, Seite 1, Zeilen 40 bis 44) die Verwendung einer Spritzpistole und ventilgesteuerter Farbzuführungen in vollautomatischen Hochgeschwindigkeitsspritzgeräten. Das enthält keinen Hinweis darauf, ob das Spritzgerät nach Art eines Roboters programmgesteuert arbeitet, und ob es als Roboterarm ausgebildet ist, welcher einen besonders hohen Freiheitsgrad bei der Positionierung der Spritzpistole gewährleistet. Gleiches gilt für die weitere Angabe, die Spritzpistole könne auf jeder Standardspritzmaschine montiert werden (Anlage B 10a, Seite 2, Zeilen 30 bis 34), da insoweit kein Anhaltspunkt für eine programmgesteuerte Bewegung der Spritzpistole auf einem Arm ersichtlich ist. Auch die Bezugnahme auf eine in einer anderen Schrift offenbarten Spritzpistolenmontagemaschine (Anlage B 10a, Seite 7, Zeilen 31 bis 33) enthält einen solchen Anhaltspunkt nicht. Ferner ist in der E8 / US ‘048 an keiner Stelle offenbart, wie die Spritzpistole räumlich zu einer Zuführeinrichtung, also etwas einer Anpasseinrichtungseinheit gemäß Merkmal 2. positioniert sein soll. Es ist damit nicht gezeigt, dass diese beiden Elemente nahe beieinander oder in direktem Kontakt miteinander zu positionieren sind.
Auch die E9 / EP ‘877 (als deutschsprachige Fassung DE ‘761 in Anlagenkonvolut B 7) offenbart weder einen Roboterarm gemäß Merkmalen 1. und 2. des Klagepatents noch eine Positionierung einer Anpasseinrichtungseinheit und einer Sprüheinrichtung nahe beieinander oder in direktem Kontakt zueinander gemäß Merkmal 2. Die E9 / EP ‘877 lehrt lediglich (in der DE ‘761 Seite 10, Zeilen 7 bis 17), dass der Rotationszerstäuber ein Gehäuse umfasst, dass an einem Tragelement befestigt ist, welches wiederum an einem Oszillator befestigt ist. Durch die Lehre einer Anbringung an einem Oszillator ist, anders als die Beklagte im Einspruchsverfahren vorbringt, nicht die Montage auf einem Roboterarm offenbart. Wiederum kann der Fachmann nicht erkennen, ob ein Oszillator eine Vorrichtung ist, welche programmgesteuert Bewegungen eines Arms erlaubt, welcher die Sprüheinrichtung trägt. Die Beklagte bringt für ihre bloße Behauptung, ein Oszillator sei ein Lackierroboter, keinen erfolgversprechenden Beleg. In ihrem Schriftsatz vom 19. September 2008 (Anlage B 7) führt sie aus, dass Oszillatoren „bekanntlich seit mindestens 1989“ in Gestalt von frei programmierbaren Seiten- und Drehmaschinen verwendet worden seien. Diese Argumentation ist für den Beleg einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme nicht statthaft, da die Beklagte insoweit eine mosaikhafte Betrachtung des Standes der Technik anstellt, nämlich eine Kombination der E9 / EP ‘877 zusammen mit dem allgemeinen Fachwissen. Eine Schrift ist aber nur neuheitsschädlich, wenn sie aus sich heraus sämtliche Merkmale eines prioritätsälteren Schutzrechts voroffenbart (Schulte / Moufang, a.a.O, § 3 Rn. 128 m.w.N.). Überdies enthält die E9 / EP ‘877 keine Angabe zur räumlichen Zuordnung von Rotationszerstäuber und Farbwechsler zueinander. Aus dem genannten Ausführungsbeispiel dieser Schrift geht vielmehr hervor, dass bei der Montage des Rotationszerstäubers an einem Oszillator nur dieser dort montiert wird.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Eine Belastung der Beklagten mit den vollständigen Kosten des Rechtsstreits kommt nicht in Betracht, da das Teilunterliegen der Klägerin nicht geringfügig im Sinne von § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ZPO ist.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.