4b O 34/09 – Coriolis-Strömungsmesser

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1451

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. Mai 2010, Az. 4b O 34/09

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu 1. zu vollstrecken ist, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,

a) Messelektroniken für einen Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau, die geeignet sind, intrinsisch sicher zu sein, wobei die genannten Messelektroniken umfassen:

– Betriebsschaltung;
– einen Signalverstärker, in dem die genannte Betriebsschaltung konfiguriert ist;
– eine Stromversorgung, die geeignet ist, Strom an die genannte Messelektronik und den genannten Signalverstärker zu liefern,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen die genannten Messelektroniken weiterhin umfassen:

– ein Host-System, das von dem genannten Signalverstärker entfernt ist, in dem die Betriebsschaltung konfiguriert ist;
– in denen der genannte Signalverstärker Strom von der genannten Stromversorgung des genannten entfernten Host-Systems über eine erste Leitung und eine zweite Leitung empfängt;
– in denen die genannte Betriebsschaltung in dem genannten Signalverstärker ein Betriebssignal in Reaktion auf den genannten Strom, der von der genannten Stromversorgung empfangen wird, erzeugt und das genannte Betriebssignal an einen Treiber gibt, der an zumindest einem Kanal des genannten Strömungsmessers befestigt ist;
– Aufnahmesignalverstärkungsschaltung in dem genannten Signalverstärker, die Eingangssignale von einem ersten Aufnahmesensor und einem zweiten Aufnahmesensor empfängt, die an dem genannten zumindest einem Kanal befestigt sind, und die in Reaktion darauf Informationen erzeugt, die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den genannten zumindest einen Kanal strömt, wobei der genannte Signalverstärker Ausgangssignale an das genannte entfernte Host-System übermittelt, die die genannten Materialinformationen enthalten;
– Schutzschaltung auf der Host-Seite in dem genannten Signalverstärker, die verhindert, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker den genannten Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker mit dem genannten entfernten Host-System verbinden; und
– Strömungsmesser-Aufbau-Schutzschaltung in dem genannten Signalverstärker, die es verhindert, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von der genannten Schaltung in den genannten Signalverstärker Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker mit dem genannten Treiber und dem genannten ersten Aufnahmesensor und dem genannten zweiten Aufnahmesensor des genannten Coriolis-Strömungsmessers verbinden;

b) Coriolis-Strömungsmesser an nicht zur Benutzung des Patentes EP 1 221 XXX B1 = DE 600 35 XXX T2 Berechtigte anzubieten oder zu liefern, die geeignet sind für ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau, das geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein und das die Schritte umfasst:

– Erzeugen von Informationen, die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den genannten Coriolis-Strömungsmesser strömt, aus Eingangssignalen;
– Empfangen eines Stroms von einer Stromversorgung in einem Signalverstärker in einem entfernten Host-System, das von dem genannten Signalverstärker entfernt ist, über eine erste Leitung und eine zweite Leitung;
– Verhindern, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von einer Schaltung des genannten Signalverstärkers der ersten Leitung und der zweiten Leitung zugeführt wird;
– Erzeugen eines Betriebssignals aus dem genannten empfangenen Strom unter Verwendung einer Betriebsschaltung in dem genannten Signalverstärker;
– Eingeben des genannten Betriebssignals in einen Treiber, der an zumindest einem Kanal des genannten Coriolis-Strömungsmessers befestigt ist;
– Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von der genannten Betriebsschaltung Leitungen zugeführt wird, die mit dem genannten Treiber verbunden sind;
– Empfangen der genannten Eingangssignale durch eine Aufnahmesignalverstärkungsschaltung von einem ersten Aufnahmesensor und einem zweiten Aufnahmesensor, die an dem zumindest einen Kanal des genannten Coriolis-Strömungsmessers befestigt sind;
– Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von der genannten Aufnahmesignalverstärkungsschaltung Leitungen zugeführt wird, die den genannten zweiten Aufnahmesensor mit der genannten Aufnahmesignalverstärkungsschaltung verbinden;
– Übermitteln von Ausgangssignalen, die die genannten Informationen enthalten, an das genannte entfernte Host-System; und
– Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes Leitungen zugeführt wird, die die genannte Aufnahmesignalverstärkungsschaltung mit dem genannten entfernten Host-System verbinden;

2. der Klägerin für die Zeit ab dem 1. September 2007 Auskunft über die Herkunft, den Vertriebsweg der vorstehend zu Ziffer I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, unter Angabe der Namen und Anschriften der Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber;

3. der Klägerin über den Umfang der zu Ziffer I.1. bezeichneten und seit dem 1. September 2007 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses unter Beifügung der Rechnungen, unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten, der Mengen der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b) der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten und vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger im Zusammenhang mit einer bestimmten Lieferung oder einem bestimmten Angebot in der Aufstellung enthalten ist,

4. – nur die Beklagte zu 1. – die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter vorstehend Ziffer I.1.a) beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 1. September 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

VI. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 5.000.000,00 vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 1 221 XXX (Anlage K 1, deutsche Übersetzung Anlage K 2, nachfolgend Klagepatent), welches am 26. September 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der US 419XXX vom 15. Oktober 1999 angemeldet und am 10. Juli 2002 offengelegt wurde. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 1. August 2007 veröffentlicht. Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft und wird bei dem deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer 600 35 XXX geführt.

Das Klagepatent betrifft einen eigensicheren Signalgestalter für Coriolisdurchflussmesser. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Patentansprüche 1 und 13 haben folgenden Wortlaut:

„Messelektronik (20) für einen Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau (5), die geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein, wobei die genannte Messelektronik (20) umfasst:
Betriebsschaltung (210); einen Signalverstärker (201), in dem die genannte Betriebsschaltung konfiguriert ist; eine Stromversorgung, die geeignet ist, Strom an die genannte Messelektronik und den genannten Signalverstärker zu liefern; dadurch gekennzeichnet, dass die genannte Messelektronik weiterhin umfasst: ein Host-System (200), das von dem genannten Signalverstärker entfernt ist, in dem die Betriebsschaltung konfiguriert ist; in der der genannte Signalverstärker (201) Strom von der genannten Stromversorgung (230) des genannten entfernten Host-Systems (200) über eine erste Leitung (211) und eine zweite Leitung (212) empfängt; in der die genannte Betriebsschaltung (210) in dem genannten Signalverstärker (201) ein Betriebssignal in Reaktion auf den genannten Strom, der von der genannten Stromversorgung empfangen wird, erzeugt und das genannte Betriebssignal an einen Treiber (104) gibt, der an zumindest einem Kanal (103A-103B) des genannten Coriolis-Strömungsmessers befestigt ist; Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220) in dem genannten Signalverstärker (201), die Eingangssignale von einem ersten Aufnahmesensor (105) und einem zweiten Aufnahmesensor (105‘) empfängt, die an dem genannten zumindest einen Kanal (103A-103B) befestigt sind, die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den genannten zumindest einen Kanal (103A-103B) strömt, wobei der genannte Signalverstärker Ausgangssignale an das genannte entfernte Host-System (200) übermittelt, die die genannten Materialinformationen enthalten; Schutzschaltung auf der Host-Seite (320) in dem genannten Signalverstärker (201), die verhindert, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwert von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker (201) den genannten Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker (201) mit dem genannten entfernten Host-System (200) verbinden; und Strömungsmesse-Aufbau-Schutzschaltung (330) in dem genannten Signalverstärker (201), die es verhindert, dass Strom oberhalb des oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwerts von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker (201) Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker (201) mit dem genannten Treiber (104) und dem genannten ersten Aufnahmesensor (105) und dem genannten zweiten Aufnahmesensor (105‘) des genannten Coriolis-Strömungsmessers verbinden.“ (Anspruch 1)

„Ein Verfahren zum Verarbeiten von Signalen für einen Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau (5), das geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein, und das den Schritt umfasst:
Erzeugen von Informationen, die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den genannten Coriolis-Strömungsmesser strömt, aus Eingangssignalen;
dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Verfahren die Schritte einschließt;
Empfangen eines Stroms von einer Stromversorgung (230) in einem Signalverstärker (201) in einem entfernten Host-System (200), das von dem genannten Signalverstärker (201) entfernt ist, über eine erste Leitung (211) und eine zweite Leitung (212);
Verhindern, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von einer Schaltung des genannten Signalverstärkers (201) der ersten Leitung (211) und der zweiten Leitung (212) zugeführt wird;
Erzeugen eines Betriebssignals aus dem genannten empfangenen Strom unter Verwendung einer Betriebsschaltung in dem genannten Signalverstärker (201);
Eingeben des genannten Betriebssignals in einen Treiber (104), der an zumindest einem Kanal (103A – 103B) des genannten Coriolis-Strömungsmessers befestigt ist;
Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von der genannten Betriebsschaltung (210) Leitungen (341 – 342) zugeführt wird, die mit dem genannten Treiber (104) verbunden sind;
Empfangen der genannten Eingangssignale durch eine Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220) von einem ersten Aufnahmesensor (105) und einem zweiten Aufnahmesensor (105‘), die an dem zumindest einen Kanal (103A – 103B) des genannten Coriolis-Strömungsmessers befestigt sind;
Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von der genannten Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220) Leitungen zugeführt wird, die den genannten ersten Aufnahmesensor (105) und den genannten zweiten Aufnahmesensor (105‘) mit der genannten Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220) verbinden;
Übermitteln von Ausgangssignalen, die die genannten Informationen enthalten, an das genannte entfernte Host-System (200); und
Verhindern, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes Leitungen (221) zugeführt wird, die die genannte Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220) mit dem genannten entfernten Host-System (200) verbinden.“ (Anspruch 13)

Nachfolgend wiedergegeben sind die Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift, welche bevorzugte Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Gegenstandes zeigen. Figur 1 zeigt einen Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau und eine Messelektronik, Figur 2 ein Blockdiagramm der Messelektronik und Figur 3 weitere Details der Messelektronik.

Die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) bis zum 21. September 2009 war, wobei wiederum die Beklagten zu 3) und 4) Geschäftsführer der Beklagten zu 2) sind/waren und seit dem 21. September 2009 auch der Beklagten zu 1) sind, stellt her und vertreibt Coriolis-Strömungsmessgeräte. Die Klägerin erwarb Messgeräte der Beklagten und ließ ein solches im Januar/Februar 2009 untersuchen. Es handelt sich hierbei um ein Gerät mit der Typenbezeichnung „A“ mit dem „B“, „C“ und „D“.

Die Beklagte zu 1) erhob mit Datum vom 2. September 2009 Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie den Vernichtungsanspruch zu Ziffer I.4. gegenüber den Geschäftsführern unter Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen

sowie den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage betreffend das auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 1 221 XXX auszusetzen.

Sie meinen, dass das Klagepatent sich nach Durchführung der Nichtigkeitsklage als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Zum einen stehe druckschriftlicher Stand der Technik der Neuheit der Erfindung entgegen. Zum anderen sei der Gegenstand der Erfindung offenkundig vorbenutzt. Im Übrigen sei der Gegenstand der Erfindung nicht erfinderisch.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die im Einzelnen geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Art. 64 Abs. 2 EPÜ, §§ 9, 10, 139, 140a, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft eine Messelektronik für einen Coriolis-Strömungsmesser. Insbesondere bezieht sich die Erfindung auf eine Messelektronik, die einen Signalverstärker besitzt, der von einem Host-System entfernt ist und geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein. Die Erfindung bezieht sich desweiteren auf eine Messelektronik, die einen Signalverstärker besitzt, der es ermöglicht, das herkömmliche 2- oder 4-Leitungs-Kabel dazu verwendet werden, Strom an einen Coriolis-Strömungsmesser zu liefern.

Zum Hintergrund der Erfindung führt das Klagepatent aus, dass es bekannt ist, Coriolis-Effekt-Massenströmungsmesser zu verwenden, um den Massenstrom und andere Informationen in Bezug auf Materialien, die durch eine Rohrleitung fließen, zu messen. Diese Strömungsmesser haben eine oder mehrere Strömungsrohre mit einer gebogenen oder geraden Konfiguration. Jede Strömungsrohrkonfiguration in einem Coriolis-Massenstrommesser weist einen Satz von natürlichen Vibrationsmodi auf, die von einer einfach gebogenen torsionsartigen, radialen oder gekoppelten Art sein können. Jedes Strömungsrohr wird angeregt, in Resonanz mit einer dieser natürlichen Modi zu oszillieren. Die natürlichen Vibrationsmodi von vibrierenden, materialgefüllten Systemen werden teilweise durch die kombinierte Masse der Strömungsröhren definiert. Material strömt von einer verbundenen Rohrleitung auf der Eingangsseite des Strömungsmessers in den Strömungsmesser hinein. Das Material wird dann durch das Strömungsrohr oder die Strömungsröhren geleitet und verlässt den Strömungsmesser zu einer Rohrleitung hin, die auf der Ausgangsseite angeschlossen ist. Ein Treiber legt eine Schwingungskraft an der Strömungsröhre an. Die Kraft veranlasst die Strömungsröhre dazu zu oszillieren. Wenn es kein Material gibt, welches den Strömungsmesser durchströmt, oszillieren alle Punkte entlang einer Strömungsröhre mit einer im Wesentlichen identischen Phase. Wenn ein Material anfängt die Strömungsröhre zu durchströmen, bewirken Coriolis-Beschleunigungen, dass jeder Punkt entlang der Strömungsröhre in Bezug auf andere Punkte entlang der Strömungsröhre eine andere Phase aufweist. Die Phase auf der Eingangsseite der Strömungsröhre bleibt hinter dem Treiber zurück, während die Phase auf der Ausgangsseite dem Treiber vorangeht. Sensoren bei zwei unterschiedlichen Punkten auf der Strömungsröhre erzeugen sinusförmige Signale, die die Bewegung des Strömungsrohres an den zwei Punkten darstellen. Eine Phasendifferenz der zwei Signale, die von den Sensoren empfangen werden, wird in Zeiteinheiten errechnet. Die Phasendifferenz zwischen den zwei Sensorsignalen ist zu der Massenstromrate des Materials proportional, das durch die Strömungsröhre oder die Strömungsröhren strömt.

Als problematisch schildert es das Klagepatent, dass ein 9-Leitungs-Kabel verwendet werden muss, um die Messelektronik an einen benachbarten Strömungsmesser-Aufbau anzuschließen. Dabei schließt die Messelektronik sämtliche Schaltungen ein, die notwendig sind, um Betriebssignale und Verarbeitungssignale von den Sensoren zu erzeugen, und ein Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau schließt zumindest eine Strömungsröhre, einen befestigten Treiber und Sensoren ein, die zum Messen der Oszillation des Strömungsrohres notwendig sind. Das 9-Leitungs-Kabel für das Anschließen der Messelektronik an den Strömungsmesser-Aufbau schließt zwei Leitungen ein, die die Messelektronik an den Treiber anschließen, zwei Leitungen, die die Messelektronik an eine erste Aufnahme anschließen, zwei Leitungen, die die Messelektronik an eine zweite Aufnahme anschließen und drei Leitungen für das Anschließen der Messelektronik an einen Temperaturfühler ein.

Als nachteilig beschreibt es das Klagepatent, dass 9-Leitungs-Kabel kundenspezifisch sind und daher kostspielig zu produzieren sind. Die Kosten für ein 9-Leitungs-Kabel stellen ein besonderes Problem dar, wenn der Benutzer von einem Coriolis-Strömungsmesser es wünscht, die Messelektronik zu einem Steuerbereich entfernt von dem Strömungsmesser-Aufbau zu bewegen. Das 9-Leitungs-Kabel muss über die gesamte Länge zwischen der Messelektronik und dem Strömungsmesser installiert werden. Die Kosten für solche 9-Leitungs-Kabel erhöhen sich stark, wenn sich der Abstand zwischen der Messelektronik und dem Strömungsmesser erhöht. Es wäre daher ein besonderer Vorteil, wenn ein herkömmliches 2-Leitungs- oder 4-Leitungs-Kabel, das verhältnismäßig kostengünstig und einfach verfügbar ist, verwendet werden könnte, um die Messelektronik an den Strömungsmesser anzuschließen.

Als weiteres Problem sieht es das Klagepatent, wenn die Messelektronik in einer explosiven Umgebung verwendet wird, die ein flüchtiges Material enthält. Eine explosive Umgebung ist danach ein System, das ein flüchtiges Material einschließt, das entzündet werden kann, wenn ein Funken, übermäßige Wärme oder eine übermäßige Energie in die Umgebung eingeführt wird. Eine Weise, in der die Messelektronik sicher betrieben werden kann, besteht darin, die Messelektronik mit einem explosionssicheren Gehäuse zu umgeben. Ein explosionssicheres Gehäuse ist ein Gehäuse, das so entworfen ist, dass gewährleistet ist, dass ein Funken oder übermäßige Wärme von innerhalb des Gehäuses nicht das flüchtige Material in der Umgebung außerhalb des Gehäuses entzündet.

Zum Stand der Technik zu diesem Problem führt das Klagepatent aus, dass es bekannt ist, um eine Vorrichtung explosionssicher auszubilden, Verfahren einschließlich einer Verkapselung, Druckregulierung und flammenfester Eindämmung zu verwenden. Jedes der oben genannten Verfahren umgibt eine Vorrichtung, um das flüchtige Material daran zu hindern, mit der Vorrichtung in Kontakt zu treten, wo erhitzte Oberflächen der Vorrichtung oder Funken von einem Schalkreis in der Vorrichtung eine Zündung des Materials verursachen können. Wenn ein Material innerhalb einer Einschließung zündet, müssen irgendwelche Spalte oder Öffnungen in der Einschließung einen Flammenweg einer genügenden Länge zur Verfügung stellen, um das Material abzukühlen, wenn das Material aus der Einschließung entweicht. Das Abkühlen des heißen Materials verhindert, dass das heiße Material das flüchtige Material außerhalb der Einschließung entzündet.

Das Klagepatent sieht es daher erstrebenswert an, die Messelektronik intrinsisch sicher auszubilden. Eine intrinsisch sichere Vorrichtung ist eine Vorrichtung, die ausschließlich Schaltungen aufweist, die unterhalb von einem bestimmten niederenergetischen Niveau arbeiten. Durch das Arbeiten unterhalb von einem bestimmten Energieniveau kann die Erzeugung eines Funkens und hinreichender Wärme verhindert werden, und es kann eine Explosion, selbst wenn die Vorrichtung fehlerhaft ist, vermieden werden. Das Energieniveau, das notwendig ist, um eine Vorrichtung intrinsisch sicher auszubilden, wird durch die Aufsichtsbehörden wie CENELEC in Europa bestimmt.

Die Erfindung hat es sich vor diesem Stand der Technik zur Aufgabe gemacht, die genannten Probleme zu lösen. Hierzu schlägt das Klagepatent in seinem für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor entsprechend der von der Klägerin als Anlage K 4 überreichten Merkmalsgliederung:

(1) Messelektronik (20) für einen Coriolis-Strömungsmesser-Aufbau (5),

(1.1) die geeignet ist, intrinsisch sicher zu sein,

(1.2) wobei die genannte Messelektronik (20) umfasst:

(2) Betriebsschaltung (210);

(3) einen Signalverstärker (201), in dem die genannte Betriebsschaltung konfiguriert ist;

(4) eine Stromversorgung, die geeignet ist, Strom an die genannte Messelektronik und den genannten Signalverstärker zu liefern;

(5) die genannte Messelektronik weiter umfasst:

(6) ein Host-System (200),

(6.1) das Host-System ist von dem genannten Signalverstärker entfernt, in dem die Betriebsschaltung konfiguriert ist;

(7) in der Messelektronik empfängt der genannte Signalverstärker (201) Strom von der genannten Stromversorgung (230) des genannten entfernten Host-Systems (200)

(7.1) über eine erste Leitung (211)

(7.2) und eine zweite Leitung (212);

(8) in der Messelektronik erzeugt die genannte Betriebsschaltung (210) in dem genannten Signalverstärker (201) ein Betriebssignal in Reaktion auf den genannten Strom, der von der genannten Stromversorgung empfangen wird,

(8.1) und gibt das genannte Betriebssignal an einen Treiber (104),

(8.2) der Treiber ist zumindest an einem Kanal (103A – 103B) des genannten Coriolis-Strömungsmessers befestigt;

(9) die genannte Messelektronik umfasst weiter Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220),

(9.1) in dem genannten Signalverstärker (201),

(9.2) die Eingangssignale von einem ersten Aufnahmesender (105) empfängt

(9.3) und Eingangssignale von einem zweiten Aufnahmesensor (105‘) empfängt,

(9.4) die Aufnahmesensoren sind an dem genannten zumindest einem Kanal (103A – 103B) befestigt,

(9.5) die Aufnahmesignalverstärkungsschaltung (220) erzeugt in Reaktion darauf Informationen, die die Eigenschaften eines Materials anzeigen, das durch den genannten mindestens einen Kanal (103A – 103 B) strömt,

(9.6) wobei der genannte Signalverstärker Ausgangssignale an das genannte entfernte Host-System (200) übermittelt, die die genannten Materialinformationen enthalten;

(10) die Messelektronik umfasst weiterhin eine Schutzschaltung auf der Host-Seite (320) in dem genannten Signalverstärker (201),

(10.1) die Schutzschaltung verhindert, dass ein Strom oberhalb eines intrinsischen Sicherheitsschwellwert von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker (201) der genannten Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker (201) mit dem genannten entfernten Host-System (200) verbinden;

(11) die genannte Messelektronik umfasst weiterhin eine Strömungsmesser-Aufbau-Schutzschaltung (330) in dem genannten Signalverstärker (201),

(11.1) die Schutzschaltung verhindert es, dass Strom oberhalb des genannten intrinsischen Sicherheitsschwellwertes von der genannten Schaltung in dem genannten Signalverstärker (201) Leitungen zugeführt wird, die den genannten Signalverstärker (201) mit dem genannten Treiber (104) und dem genannten ersten Aufnahmesensor (105) und dem genannten zweiten Aufnahmesensor (105‘) des genannten Coriolis-Strömungsmessers verbinden.

Wie die Klägerin ausgeführt hat, und was von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde, lösen die Merkmale 6 bis 9 das Problem der Verwendung eines 9-Leitungs-Kabels, während die Merkmale 10 und 11 die Ausgestaltung als intrinsisch sicher beschreiben.

Zwischen den Parteien unstreitig macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre nach den Patentansprüchen 1 und 13 Gebrauch.

II.
Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Beklagten trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätten sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schulden die Beklagten daher Ersatz des Schaden, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG.

Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte haben, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, sind die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Beklagte außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg).

Der Anspruch der Klägerin auf Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse folgt aus § 140a Abs. 1 PatG, der Anspruch auf Auskunft aus § 140b PatG.

Eine Einschränkung der tenorierten Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2) kam nicht in Betracht. Diese ist zwar zum 21. September 2009 als persönlich haftende Gesellschafterinton17
der Beklagten zu 1) ausgeschieden. Die Beklagten haben jedoch nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) keine mit der tenorierten Patentverletzung im Zusammenhang stehenden Handlungen mehr vornimmt.

III.
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des europäischen Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen. Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die Entscheidung des für die Entscheidung über den Verletzungsvorwurfs zuständigen Gerichts über eine (hilfsweise) beantragte Aussetzung des Verletzungsverfahrens bis zu einer Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren ist deshalb eine Prognoseentscheidung. Das zur Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung berufene Organ, das im Gegensatz zum Verletzungsgericht technisch fachkundig besetzt ist, ist nicht an eine Einschätzung des Verletzungsgerichts zum Rechtsbestand des Klagepatents gebunden. Indes muss, soll die Aussetzung dem vor dem oder parallel zum Verletzungsprozess erhobenen Einspruch bzw. der entsprechenden Nichtigkeitsklage nicht regelmäßig eine hemmende Wirkung zukommen, das Verletzungsgericht die gegen den Rechtsbestand des Klagepatents vorgebrachten Entgegenhaltungen darauf prüfen, ob sie einen Widerruf bzw. eine Vernichtung des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (sofern nicht das das prozessuale Verhalten der Klägerin in anderer Hinsicht ihre Interessen eindeutig hinter diejenigen der Beklagten zurücktreten lässt). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik, im Erteilungsverfahren oder in einem früheren, erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigt worden ist oder neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich für eine Bejahung der Erfindungshöhe jedoch zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Gemessen an diesem Maßstab ist eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht gerechtfertigt.

Eine hinreichend sichere Prognoseentscheidung, wonach die Vernichtung des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich ist, lässt sich – derzeit – nicht treffen. Hiergegen spricht bereits, worauf die Klägerin verwiesen hat, dass die Beklagte zu 1) ihr Vorbringen zu einer möglichen offenkundigen Vorbenutzung durch die Firma E (E) erst mit Schriftsatz vom 5. März 2010 erhoben hat, obwohl ihr – wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn F ergibt – die Geräte schon am 28. August 2009 übergeben worden sind, sie diesen Tatbestand mithin schon zu einem früheren Zeitpunkt geltend machen konnte, zumal die in Anlage NK 16 vorgelegten Untersuchungen nicht an den Geräte nach Anlage NK 14 und 15 vorgenommen wurden, sondern an einem Gerät der Firma G. Entsprechend spricht bereits dieses prozessuale Verhalten gegen eine Aussetzung.

1.
Es erscheint nach dem Vorbringen der Beklagten nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die technische Lehre des Klagepatents in allen Merkmalen neuheitsschädlich vorweggenommen wird.

Die Beklagten machen insoweit geltend, dass die Anlagen NK 1 bis NK 3 der Lehre nach dem Klagepatent neuheitsschädlich entgegen stehen würden. Es handelt sich hierbei um Prospekte aus der Firmengruppe E (E). Anlage NK 1 ist eine Produktinformation zu einem m-point-Massendurchflussmessgerät, Anlage NK 2 eine Montage- und Betriebsanleitung zu einem Massedurchflussgerät und Anlage NK 3 ein Prospekt der Firma G, welche entgegen § 184 GVG nur in englischer Sprache vorgelegt wurde. Ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die beiden Druckschriften vor der Priorität des Klagepatentes der Öffentlichkeit zugänglich waren, vermag die Kammer nicht mit der hinreichenden Sicherheit festzustellen, dass die Druckschriften NK 1 und NK 2 jede für sich betrachtet und auch in Kombination, welche im Rahmen der Begutachtung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die Merkmale 10 und 11 des Patentanspruches 1 offenbaren.

Die Beklagten machen mit Verweis darauf, dass sich aus den Unterlagen ergebe, dass das Problem des 9-Meter-Kabels gelöst sei und das Gerät auch intrinsisch sicher sei, ohne Erfolg geltend, dass die Offenbarung der Druckschriften der Lehre nach dem Klagepatent neuheitsschädlich entgegen stehen würde. Zwar kann den Anlagen NK 1 und NK 2 entnommen werden, dass die Ex-Version des Massendurchflussmessers m-point für die Speisung des Messaufnehmers vom Messumformer eine Zweileiterverbindung verwendet mit einer Leitungslänge bis max. 1000 m (vgl. Anlage NK 1 Seite 2 mittlere Spalte vorletzter Absatz, Seite 5 linke Spalte). Auf der letzten Seite der Anlage NK 1 ist unter der Überschrift „Ex-Version (Zone 1)“ auch von einer eigensicheren Speisung die Rede für den Einsatz im explosionsgefährdeten Bereich. Gleiches ergibt sich aus der Anlage NK 2. Auch dort ist auf Seite 2 oben von einer 2-Draht-Leitung zwischen Messaufnehmer und Messumformer mit einer Kabellänge von bis zu 1000 m die Rede. Auch wird der Einsatz in Ex Zone 1 angesprochen, d.h. eine Verwendung im explosionsgefährdeten Bereich.

Damit mögen zwar die im Klagepatent angesprochenen Probleme gelöst worden sein. Ob dies anhand der insbesondere in den Merkmalen 10 bis 11 (intrinsisch sicher) vorgeschlagenen strukturellen Maßnahmen erfolgt, vermag die Kammer nicht in einer dafür erforderlichen sicheren Prognoseentscheidung zu erkennen. Die Beklagten haben zu dem Problem der intrinsischen Sicherheit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Fachmann aus der Kapazitätsangabe auf Seite 8 unter Ziffer 5.2.1.2 der Anlage NK 2, „415 nF“ entnehme (“mitlese“), dass er zwingend die Elektronik beidseitig sichern müsse, damit die Energie nicht abfließen kann. Eine entsprechende Sicherung würde der Fachmann dann, wie in der Abbildung 4 des in der mündlichen Verhandlung überreichten DIN-A 3-Blattes gezeigt, durch Schutzschaltungen S1 und S2 in der Vorrotelektronik bewerkstelligen. Die Klägerin hat dies in Abrede gestellt. Dies mag der Fall sein. Die Kammer sieht sich nicht in der Lage die Richtigkeit dieser lediglich pauschalen Behauptung zu beurteilen, da die Beklagten zur Begründung ihrer Behauptung keine näheren Tatsachen vorgetragen haben. Insbesondere wurden keine Dokumente vorgelegt aus denen sich ergeben könnte, dass die Verhinderung des Abfließens größerer Strommengen durch einen Fachmann stets durch Schutzschaltungen, hier im speziellen im Signalverstärker, bewerkstelligt wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf Grund des Umstandes, dass – wie in der Anlage NK 1, Seite 2 mittlere Spalte genannt – die Speisung vom H eigensicher über die Zweileiterverbindung erfolgt. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien bereits streitig, ob das Gerät m-point selbst eigensicher ausgestaltet ist oder lediglich eine eigensichere Speisung erfolgt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Messaufnehmer I wie in den Anlagen NK 1 und 2 beschrieben, eigensicher ausgestaltet ist, vermag die Kammer nicht zu erkennen, was die Klägerin in Abrede gestellt hat, dass aus dem Begriff „eigensicher“ wie er in den Anlagen NK 1 und NK 2 verwendet wird, auf bestimmte strukturelle Merkmale geschlossen werden kann, hier Schutzschaltungen im Signalverstärker. Dieser Begriff kann lediglich als Hinweis auf eine durch weiter zu definierende bauliche Maßnahmen zu erreichende Eigenschaft gesehen werden. Die konkret in den Merkmalen 10 und 11 genannten Schutzschaltungen werden hierdurch jedoch nicht unweigerlich erfüllt. Die Klägerin macht insoweit zu Recht geltend, dass in den vorgelegten Dokumenten die Absicht geäußert wird, das Host-System in einer nicht weiter beschriebenen Art und Weise eigensicher zu speisen. Auch geht der genaue Aufbau der einzelnen Komponenten aus den zitierten Dokumenten nicht hervor. Insbesondere ist keiner der Druckschriften zu entnehmen, dass die Messelektronik sowohl eine im Signalverstärker auf der Host-Seite vorgesehene Schutzschaltung als auch eine im Signalverstärker auf der Coriolis-Strömungsmesser-Seite vorgesehene Schutzschaltung aufweist.

Eine neuheitsschädliche Vorwegnahme der Lehre des Klagepatentes, insbesondere der Merkmale 10 und 11, jeweils durch die Anlagen NK 1 und NK 2 kann daher durch die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit bejaht werden.

b)
Auch im Hinblick auf die von den Beklagten vorgebrachte offenkundige Vorbenutzung ist eine Aussetzung des Rechtsstreits schon deshalb nicht angezeigt, weil sich im Rahmen der gebotenen Prognoseentscheidung zumindest vernünftige Argumente für die Verneinung einer offenkundigen Vorbenutzung finden lassen.

Die Beklagten machen insoweit geltend, dass von der Firma E ein J an zum K-Konzern gehörende Firmen geliefert worden seien. Danach habe ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1) von der L GmbH, die rechtlich selbständige Zentralwerkstatt für die K-Produktionsstätte, am 28. August 2009 ein m-point Massendurchflussgerät mit der Typenbezeichnung M als auch zwei Messumformer mit der Typenbezeichnung N erhalten. Das m-point Massendurchflussgerät habe die Fabr. Nr. XXX und ist mit dem Datum XXX versehen. Die beiden Messumformer haben die Fabr. Nr. XXX bzw. XXX; sie sind mit dem Datum XXX und XXX versehen. Von diesen Geräten legten die Beklagten Photographien in den Anlagen NK 9 bis NK 13 vor. Nähere Untersuchungen dieser Geräte, insbesondere von deren „Innenleben“, wie dies die Beklagten erst in den Anlagen NK 14 ff. für ein Gerät mit der Bezeichnung O vorgelegt haben, wurden zu diesen Geräten nicht vorgelegt, so dass nicht beurteilt werden kann, ob diese Geräte den Gegenstand der Lehre nach dem Klagepatent offenbaren.

Eine nähere Untersuchung erfolgte durch die Beklagten erst anhand eines von der G Inc. in den USA vertriebenen Gerätes O. Hierbei soll es sich, wie die Beklagten vorgetragen haben und was von der Klägerin in Abrede gestellt wurde, um ein m-point-Gerät handeln, was jedoch von G unter einer eigenen Produktbezeichnung, nämlich O vertrieben worden sei. Photographien des Gerätes wurden als Anlage NK 14 und 15 vorgelegt. Als Anlage NK 16 legten die Beklagten eine Untersuchung dieses Gerätes durch Herrn Dr. P vor. Dieser ist Leiter des hier relevanten Entwicklungsbereiches der Beklagten zu 1).

Es ist bereits nicht zu erkennen, wann das Gerät nach Anlage NK 14 und 15 auf den Markt gekommen ist. Eine Datumsangabe, sollte man diese für ausreichend erachten, wie bei den Geräten nach Anlage NK 8 bis NK 13 ist nicht zu sehen, so dass es bereits eines Nachweises der Zugänglichkeit vor Priorität fehlt.

Auch ist die Offenkundigkeit der Vorbenutzung, eine Zugänglichkeit vor Priorität des Klagepatentes unterstellt, nicht zu erkennen. Eine Benutzung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG und des Art. 54 Abs. 2 EPÜ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn die Handlung geeignet war, das Wesen der Erfindung einer beliebigen Zahl von Personen kundbar zu machen. Eine Erfindung ist für Dritte auf Grund einer Benutzung zugänglich, wenn die Erfindung aus der Benutzung erkennbar war und Dritte die Benutzung wahrnehmen und auf Grund der Kenntnisnahme der Erfindung erkennen konnten. Erzeugnisse werden durch die Benutzung nicht nur in ihrer Existenz, sondern auch mit ihrer durch einen Fachmanns feststellbaren Beschaffenheit offenbart. Die Benutzung eines Erzeugnisses macht daher nicht nur den Stoff als solchen, sondern auch seine Struktur und Zusammensetzung zugänglich, wenn der Fachmann diese feststellen kann, und zwar ohne unzumutbaren Aufwand. Vermittelt die Benutzung selbst nicht die in ihr enthaltene Lehre, kann diese vielmehr nur durch eine Untersuchung festgestellt werden, so bedarf es einer Gelegenheit, eines Anlasses dazu (vgl. BGH GRUR 66, 484 – Pfennigabsatz; 56, 73 – Kalifornia-Schuhe). So kann zwar grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass analysierbare Erzeugnisse, die ohne Angabe ihrer Struktur auf dem Markt sind, auch analysiert werden, weil eben Dritte sich dafür interessieren. Wenn aber jeglicher Grund für eine Untersuchung der unbekannten Zusammensetzung eines Produkts fehlt, dann ist seine Zusammensetzung ausnahmsweise nicht zugänglich gemacht (vgl. Moufang in Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. § 3 Rdnr. 56 f. m.w.N.).

Diese Grundsätze berücksichtigend bestehen Zweifel an der Zugänglichkeit der behaupteten vorbenutzten Lehre. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, dass ein einfaches Öffnen der Schutzabdeckung des Gerätes wie in der Untersuchung durch die Beklagten in Anlage NK 16 gezeigt, die Funktionsweise der Schaltungen nicht zeigt. Erst durch ein „reverse engineering“, dessen zeitlicher Umfang zwischen den Parteien streitig ist, werden der Aufbau und die Funktion der einzelnen Schaltungen und Bauteile offenbart. Dementsprechend offenbart die Benutzung O nicht die in ihm enthaltenen Schaltungen. Für die Zugänglichkeit der Benutzung bedurfte es daher eines Anlasses von dritter Seite. Ein solcher ist nicht festzustellen. Zwar mag es, wie die Beklagten durch Vorlage einer Email des Herrn Dr. P vom 12. April 2010 in der mündlichen Verhandlung gezeigt haben, eine Vielzahl von Herstellern von Massendurchflussmessern nach dem Coriolis-Prinzip geben. Das Vorhandensein von Mitbewerbern allein kann jedoch nicht den erforderlichen Anlass begründen ein mehr oder weniger aufwendiges „reverse engineering“ vorzunehmen um den Schaltungsaufbau des behaupteten vorbenutzten Gerätes O aufzuklären. Ein Anlass zur Untersuchung kann beispielsweise eine besondere Eigenschaft des benutzten Gegenstandes sein, wie z.B. ein deutlicher Vorteil gegenüber dem Stand der Technik. Denn dann wird der Fachmann als Wettbewerber alles daran setzen, die Ursache für die Vorteile des benutzten Gegenstandes festzustellen. Einen solchen Anlass vermag die Kammer nicht zu erkennen. Es ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden, dass mit dem behaupteten vorbenutzen Massendurchflussmesser besonders günstige Eigenschaften verbunden sind, die im Stand der Technik zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt waren. Unterstellt man, dass es sich bei dem Gerät m-point und dem O um das gleiche Gerät handelt, ist nicht zu erkennen, dass aus der Angabe auf dem Gerät I (Anlage NK 9) „Anschluss an eigensicheren Stromkreis“ eine besondere Eigenschaft geschlossen werden kann, die einen Anlass für eine Untersuchung durch die Mitbewerber begründen könnte.

Aus dem in der mündlichen Verhandlung als Anlage B 5 vorgelegten „Durchfluss-Messtechnik Service-Handbuch“ kann eine offenkundige Vorbenutzung auch nicht geschlossen werden. Denn es ist nicht zu erkennen und von den Beklagten auch nicht vorgetragen worden, dass es sich hierbei um eine öffentliche Druckschrift handelt. Im Übrigen muss sich die offenkundige Vorbenutzung aus dem Erzeugnis selbst ergeben und nicht in Verbindung mit weiteren Druckschriften.

Selbst wenn man von der Offenkundigkeit der Vorbenutzung ausginge, lässt sich derzeit nicht festzustellen, dass die angeblich vorbenutzten Geräte die Merkmale 10 und 11 der obigen Merkmalsgliederung offenbaren, d.h. eine Schutzschaltung auf Host-Seite sowie im Signalverstärker aufweisen. Die Beklagten haben dies in ihrer Untersuchung nach Anlage NK 16 behauptet. Eine Schutzschaltung soll sich auf der Netzteilplatine Q (Seite 7 und 8 Anlage NK 16) befinden. Zwar mag es sich jeweils um eine Schutzschaltung handeln, es ist jedoch nicht klar, ob diese auch die in den Merkmalen 10.1 und 11.1 entsprechenden Eigenschaften aufweist. Dies wurde von den Beklagten mit Verweis auf die Seiten 7 und 8 der Anlage NK 16 lediglich behauptet. Die entsprechenden Eigenschaften können jedoch der Platine nicht angesehen werden. Die Klägerin hat die Offenbarung der Merkmale 10 und 11 bestritten und zu Recht geltend gemacht, dass die dort genannten Funktionen den Platinen nicht angesehen werden könnten. Die Durchführung einer sachverständigen Überprüfung, ob das Gerät O, welches die Beklagten untersucht haben, die behaupteten Eigenschaften aufweist, im Rahmen der Nichtigkeitsklage ist daher nicht ausgeschlossen. Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme vermag die Kammer selbstverständlich nicht vorwegzunehmen.

2.
Die Kammer vermag auch nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass Zweifel an der erfinderischen Tätigkeit der Lehre nach dem Klagepatent bestehen. Eine solche wird von den Parteien nicht ernsthaft diskutiert. Im Übrigen offenbart eine Zusammenschau der vorgelegten Dokumente jedenfalls nicht das Merkmal 11.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 i.V.m. 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme durch die Klägerin ist geringfügig.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 5.000.000,00 EUR.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 7. und 14. Mai 2010 sind verspätet und rechtfertigen weder eine andere Beurteilung noch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.