I – 2 U 23/19 – Bauelemente zur Wärmedämmung IV

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2964

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 26. September 2019, Az. I – 2 U 23/19

Vorinstanz: 4c O 7/19

  1. I. Die Berufung gegen das am 23. Mai 2019 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
  2. II. Die Verfügungsbeklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist in Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von 250.000,- € leistet.
  4. IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,- € festgesetzt.
  5. Gründe:
  6. I.
  7. Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
  8. II.
    Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nachdem die Verfügungsklägerin sowohl das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs als auch eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht hat, begegnet der Erlass der durch die Verfügungsklägerin begehrten einstweiligen Verfügung keinen Bedenken.
  9. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in dem Messeauftritt der Verfügungsbeklagten auf der Messe „Bau 2019“ in München ein patentverletzendes Angebot des tragenden Wärmedämmelementes „ISOPRO“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) gesehen. Da die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Verfügungspatents (deutscher Teil des EP 1 225 XXX XX) Gebrauch macht, stehen der Verfügungsklägerin unter dem Gesichtspunkt des patentverletzenden Anbietens und im Hinblick auf die übrigen, aus dem Tenor ersichtlichen Benutzungshandlungen aufgrund der durch das patentverletzende Angebot begründeten Erstbegehungsgefahr gegen die Verfügungsbeklagten Unterlassungsansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zu. Zudem sind die Verfügungsbeklagten gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 140a Abs. 1, 140b Abs. 1, 3 und 7 PatG auch zur Herausgabe der angegriffenen Ausführungsform an einen Gerichtsvollzieher sowie zur Auskunftserteilung über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform verpflichtet.
  10. Vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Aufrechterhaltung des Verfügungspatents (vgl. Anlage EV 12) ist auch der Rechtsbestand des dem einstweiligen Verfügungsverfahren zugrunde liegenden Patents hinreichend gesichert. Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten vermag keine hinreichenden Zweifel hieran zu begründen. Nachdem auch eine Abwägung der Interessen der Parteien zu Gunsten der Patentinhaberin ausfällt, besteht für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Senat kein Anlass.
  11. Im Einzelnen:
  12. 1.
    Das Verfügungspatent betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung.
  13. Derartige Bauelemente werden beispielsweise zwischen einem Balkon und der zugehörigen Geschossdecke eingebaut, um in diesem Bereich weitestgehend eine Kältebrücke zu vermeiden. Für die nötige Übertragung der auftretenden Zug-, Quer- und Druckkräfte sorgen Bewehrungsstäbe, die an beide Gebäudeteile, also an den Balkon und an die Geschossdecke, unter Durchquerung des Isolierungskörpers angeschlossen sind. Die im Stand der Technik bekannten Lösungen setzen dabei auf Bewehrungselemente aus Edelstahl. Dadurch wird ein hinreichender Schutz vor Korrosion gewährleistet. Außerdem besitzt dieses Material gute Wärmedämmeigenschaften. Der Einsatz von Edelstahl-Bewehrungsstäben verursacht jedoch hohe Kosten, vor allem wenn es, wie bei Druckelementen, zur Erzielung einer ausreichenden Tragfähigkeit des Einsatzes von Bewährungselementen mit relativ großen Querschnitten bedarf (Abs. [0002]).
  14. Aufgrund dieser Nachteile werden im Stand der Technik bereits Alternativlösungen diskutiert. So schlagen die DE 34 26 XXA sowie die DE-A 31 16 XXB Druckelemente aus Ortbeton vor, die sich nicht nur durch eine hohe Korrosionsbeständigkeit, sondern auch durch einen günstigen Preis auszeichnen. Allerdings besitzen solche Betondruckelemente vergleichsweise schlechte Wärmedämmeigenschaften (Abs. [0003]).
  15. Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Verfügungspatent die Aufgabe zu Grunde, ein Bauelement zur Wärmedämmung zur Verfügung zu stellen, welches einfacher und vor allem deutlich günstiger herzustellen ist und das zusätzlich verbesserte Gebrauchseigenschaften aufweist (Abs. [0004]).
  16. Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
  17. 1. Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude (A) und einem vorkragenden Außenteil (B).
  18. 2. Das Bauelement besteht aus einem dazwischen [also zwischen den zwei Bauteilen] zu verlegenden Isolierkörper (32) mit zumindest integrierten Druckelementen (33a, 33b).
  19. 3. Die Druckelemente (33a, 33b)
  20. 3.1. verlaufen im eingebauten Zustand des Bauelementes im Wesentlichen horizontal und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch;
  21. 3.2. sind jeweils an beide Bauteile (A, B) anschließbar;
  22. 3.3. sind jeweils aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform (40) hergestellt.
  23. 3.3.1. Die verlorene Gießform (40) ist zusammen mit dem Betondruckelement (33a, 33b) in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements.
  24. Den Kern der Erfindung bilden somit die in den Isolierkörper (32) des Bauelements integrierten Druckelemente (33a, 33b). Hinsichtlich deren konstruktiver Gestaltung legt sich Patentanspruch 1 dahingehend fest, dass sie im eingebauten Zustand des Bauelements im Wesentlichen horizontal (und damit letztlich parallel zum Boden) und quer zur im Wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurch verlaufen, wie dies beispielhaft in Figur 5 gezeigt wird (Merkmal 3.1.). Zudem sollen die Druckelemente jeweils an beide Bauteile (A, B) anschließbar sein (Merkmal 3.2.). Wie genau diese anspruchsgemäß geforderte Anschließbarkeit realisiert wird, überlässt Patentanspruch 1 dem Fachmann, einem Dipl.-Bauingenieur (FH) der Fachrichtung Konstruktiver Ingenieurbau mit Spezialkenntnissen in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Bauelementen im Massivbaubereich (so auch BPatG, Anlage EV 12, S. 7 Mitte). Soweit in der Verfügungspatentschrift die Anbringung von Kontaktprofilen (5, 6, 25, 26, 43, 44) zur Druckkrafteinleitung und/oder -ausleitung angesprochen wird (Unteransprüche 3 bis 7 sowie 11; Sp. 2 Z. 10 – 27; Sp. 3, Z. 2 – 12; Sp. 4, Z. Z. 23 – 33 und 47 – 57; Sp. 5, Z. 11 – 16, 25 – 30 und 35 f.), handelt es sich dabei um eine bevorzugte Ausgestaltung des beanspruchten Bauelements, auf welche die Erfindung nicht reduziert werden darf. Für eine Verwirklichung der unter Schutz gestellten technischen Lehre ist das Vorhandensein derartiger Kontaktprofile keine Bedingung. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr lediglich eine – wie auch immer ausgestaltete – Anschlussmöglichkeit der Druckelemente an die beiden Bauteile (A, B).
  25. Diese Anforderungen an die Ausgestaltung der Druckelemente lässt Patentanspruch 1 jedoch nicht genügen, sondern verlangt weiter, dass die Druckelemente jeweils aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform (40) hergestellt worden sind, wobei die verlorene Gießform zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements ist.
  26. Bei der Erschließung des Sinngehalts dieses Merkmals darf der Fachmann zunächst nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich bei Patentanspruch 1 um einen Vorrichtungs- und keinen Verfahrensanspruch handelt (so schon OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2011, Az.: I-2 U 3/11, BeckRS 2011, 26945). Unter Schutz gestellt ist kein Verfahren zur Herstellung der Betondruckelemente bzw. eines Bauelements. Soweit Patentanspruch 1 auf das die Betondruckelemente betreffende Herstellungsverfahren rekurriert, dient dies ausschließlich der Charakterisierung des Bauelements im „fertigen“ Zustand, das heißt, nachdem die Betondruckelemente in das Bauelement eingesetzt wurden.
  27. Auch wenn Merkmal 3.3.1. davon spricht, dass die verlorene Gießform zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements ist, erschließt sich mit Blick auf die Merkmalsgruppe 3.3. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung, dass eine zweiteilige technische Gestaltung, die ausschließlich aus dem Isolierkörper und dem Betondruckelement besteht, nicht vom Schutzbereich des Verfügungspatents erfasst sein kann. Vielmehr ist die Gießform (mit dem Betondruckelement) in das Bauelement eingesetzt. Zwar wird sie durch das Einsetzen wie in Merkmal 3.3.1. a.E. angesprochen Bestandteil des Bauelements. Dies macht jedoch nicht ihr Vorhandensein entbehrlich. Da die verlorene Gießform zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt sein soll, ist klar, dass es sich bei ihr um ein selbstständiges Bauteil handelt. Sie ist nicht mit dem Isolierkörper identisch (so auch BPatG, Anlage EV 12, S. 8). Gefordert ist vielmehr ein dreiteiliger Aufbau, bestehend aus Isolierkörper, verlorener Gießform und Betondruckelement.
  28. Der Sinn dieser Anordnung erschließt sich dem Fachmann mit Blick auf die Absätze [0006] und [0008] der Verfügungspatentbeschreibung, wo es heißt:
  29. „Nach Anspruch 1 wird insbesondere vorgeschlagen, dass die Druckelemente aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellt sind. Demnach empfiehlt es sich, gegossene Betondruckelemente zu verwenden, da sich diese in nahezu beliebige Formen mit noch vergrößerter Variantenvielfalt bringen lassen, so dass das Betondruckelement wirklich an alle Anforderungen angepasst werden kann.“
  30. […]
  31. „Ein wesentlicher Vorteil der durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform hergestellten Betondruckelemente liegt darin, dass man die Betondruckelemente zusammen mit der Gießform in das Bauteil einbauen kann, so eine allseitige Gleitsschicht für das Betondruckelement mitliefert bzw. miteingebaut, die dafür sorgt, dass das erfindungsgemäße Betondruckelement etwaigen Relativbewegungen der angrenzenden Betonbauteile problemlos und „gleitend“ folgen kann; dies führt zu dem wichtigen Vorteil, dass solche Relativbewegungen nicht mehr mit erheblichen Geräuschentwicklungen verbunden sind, die bei Verwendung bisher üblicher Druckelemente durch die Haftreibung zwischen dem Druckelement und dem angrenzenden Betonbauteil nicht zu verhindern waren.“
  32. (Unterstreichungen hinzugefügt)
  33. Indem das Betondruckelement gegossen wird, kann es somit in jede beliebige Form gebracht werden. Hierfür reicht es zunächst erst einmal, den Beton in eine Form zu gießen, bei der es sich etwa auch um den Isolierkörper handeln kann. Der Isolierkörper fungiert bei einer solchen Gestaltung selbst als Form, so dass das Betondruckelement optimal an ihn angepasst ist. Bereits ein solches Vorgehen ermöglicht die Bereitstellung eines Betondruckelements mit optimal aufeinander abgestimmten Bestandteilen, dem Isolierkörper und dem Betondruckelement. Nicht erreichen lässt sich jedoch der zweite, vorstehend angesprochene, mit der Erfindung angestrebte Vorteil: Dadurch, dass die Gießform zusammen mit dem Betondruckelement in das Bauelement eingesetzt wird, findet eine Entkopplung des Betondruck- und des Bauelements statt. Zwischen beiden findet sich nunmehr die verlorene Gießform, die nach der Beschreibung des Verfügungspatents als Gleitschicht fungiert. Dem kann sie jedoch nur dann gerecht werden, wenn sie, nachdem sie in das Bauelement eingesetzt wurde (und dadurch Bestandteil des Bauelements wird), auch tatsächlich noch vorhanden ist. Eine lediglich zweiteilige Gestaltung, bestehend aus Isolierkörper und Betondruckelement, wird durch das Verfügungspatent somit nicht unter Schutz gestellt. Erfindungsgemäß darf der Isolierkörper daher nicht mit der verlorenen Gießform identisch sein (so auch BPatG, S. 8, Mitte).
  34. Nichts gesagt ist damit allerdings zum Material der verlorenen Gießform sowie dazu, wie die verlorene Gießform in das Bauelement eingesetzt ist. Zu Letzterem finden sich weder in den Patentansprüchen noch in der Verfügungspatentbeschreibung Hinweise. Es ist somit dem Fachmann überlassen zu entscheiden, wie er die verlorene Gießform in das Bauelement einsetzt, so dass diese Bestandteil des Bauelements wird. Im Hinblick auf das Material der verlorenen Gießform entnimmt der Fachmann Unteranspruch 2 sowie Sp. 2, 43 – 50 der Klagepatentbeschreibung, dass die Gießform aus Kunststoff ausgestaltet sein kann. Bei einer solchen Gestaltung ergibt sich somit ein dreiteiliger Materialaufbau des Bauelements: Beton (Betondruckelemente), Kunststoff (verlorene Gießform) und Isoliermaterial (Isolierkörper). Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel. Es dient der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens und erlaubt mit diesem Inhalt grundsätzlich keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGHZ 160, 204, 210 = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2007, 778, 779, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2008, 779, 783 – Mehrgangnabe; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.01.2011, Az.: I-2 U 92/09; Urt. v. 11.02.2016, Az.: I-2 U 19/15, BeckRS 2016, 9689 = NJOZ 2016, 1014, 1019). Dieser lässt das Material der verlorenen Gießform offen und stellt sie demnach in das Belieben des Fachmanns. Insbesondere finden sich weder im Patentanspruch noch in der Verfügungspatentbeschreibung Hinweise darauf, dass das Material der verlorenen Gießform nicht mit dem Material des Isolierkörpers identisch sein darf. Ebenso wenig schließt es Patentanspruch 1 aus, die verlorene Gießform aus verschiedenen Materialien zusammenzusetzen, solange am Ende ein dreiteiliges, aus Betondruckelement, verlorener Gießform und Isoliermaterial bestehendes Bauteil vorhanden ist, unabhängig davon, wie genau die verlorene Gießform und das Isoliermaterial miteinander verbunden sind.
  35. 2.
    Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ausgehend von einem solchen Verständnis des Verfügungspatents eine unmittelbar wortsinngemäße Verwirklichung sämtlicher Merkmale des streitgegenständlichen Patentanspruchs 1 durch die angegriffene Ausführungsform bejaht. Die Verfügungsbeklagte hat nach den im Berufungsverfahren unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Landgerichts auf der Messe „Bau 2019“ einen Protoyp der angegriffenen Ausführungsform ausgestellt und dort mit einer Verfügbarkeit ab 2019 geworben. Ein solcher Messeauftritt stellt ein patentverletzendes Anbieten dar (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2017, 477 – Vakuumgestütztes Behandlungssystem; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.03.2018, Az.: I-2 U 22/17, BeckRS 2018, 6558; Urt. v. 05.07.2018, Az.: I- 2 U 41/17, BeckRS 2018, 23974; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 287 f.). Somit stehen der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten – hinsichtlich der übrigen, aus dem Tenor ersichtlichen Benutzungshandlungen unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr – Unterlassungsansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zu. Davon ausgehend hat das Landgericht der Verfügungsklägerin auch Ansprüche auf Herausgabe der angegriffenen Ausführungsform an einen Gerichtsvollzieher (zur Vorbereitung einer späteren Sequestration) sowie auf Auskunftserteilung über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform zuerkannt, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 140a Abs. 1, 140b Abs. 1, 3 und 7 PatG. Nachdem sich die Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren ausschließlich gegen die durch das Landgericht vertretene Auslegung des Verfügungspatents und die darauf aufbauende Verletzungsprüfung, nicht aber gegen die Ausführungen zur Verletzungshandlung wenden, wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen, die sich der Senat zu eigen macht.
  36. a)
    Nach dem eigenen Vortrag der Verfügungsbeklagten wird die angegriffene Ausführungsform (voraussichtlich) derart hergestellt, dass zunächst ein Isolierkörper wie aus der nachfolgenden Abbildung ersichtlich geschäumt wird:
  37. Anschließend werden in den Isolierkörper Querstäbe gesteckt und die verbleibenden Hohlräume an der Oberfläche mit Beton verfüllt. Zwar finden sich in den Ausführungen der Verfügungsbeklagten keine Ausführungen zum Einsatz von Kunststoffkappen. Das derartige Kappen zum Einsatz kommen, ergibt sich jedoch bereits unmittelbar aus der nachfolgend eingeblendeten, der erstinstanzlichen Duplik (dort S. 7) der Verfügungsbeklagten entnommenen Abbildung, die der Senat lediglich beschriftet und mit farblichen Hervorhebungen versehen hat:
    Abgesehen davon, dass die Verfügungsbeklagten den durch die Verfügungsklägerin behaupteten Einsatz von Kunststoffkappen nicht erheblich bestritten haben, erschließt sich auch ohne Weiteres mit Blick auf die vorstehend eingeblendete Abbildung, dass ein Ausgießen der Aussparungen im Isolierkörper ohne derartige Kappen bei dem durch die Verfügungsbeklagten geschilderten Verfahren nicht möglich wäre, da das Füllmaterial aus den Aussparungen austreten würde. Eine Formgebung wäre dementsprechend nicht möglich.
  38. Nach dem Aushärten des Betons wird die Vorrichtung gewendet und auf der Oberseite mit einem weiteren Isoliermaterial verbunden (verklebt) und mit einem weiteren, durch die Verfügungsbeklagte nicht näher benannten Bauteil auf der Unterseite verbunden:
  39. Davon ausgehend besteht die angegriffene Ausführungsform aus einer verlorenen, aus dem zunächst zum Einsatz kommenden Isolierkörper und den Kunststoffkappen bestehenden Gießform, die durch das Aufbringen des weiteren Isoliermaterials in das Bauelement eingesetzt ist. Dass die verlorene Gießform bei der angegriffenen Ausführungsform nicht nur aus Kunststoff in Gestalt der Kunststoffkappen, sondern auch aus Isoliermaterial besteht, führt aus dem Schutzbereich des Verfügungspatents nicht heraus. Wie bereits im Zusammenhang mit der Erläuterung des Erfindungsgegenstandes im Einzelnen ausgeführt wurde, überlässt das Verfügungspatent die Wahl des Materials der verlorenen Gießform dem Fachmann und schließt es dementsprechend nicht aus, dass die verlorene Gießform – ganz oder wie hier zumindest teilweise – aus Isoliermaterial besteht. Ebenso wenig entnimmt der Fachmann Patentanspruch 1 eine Vorgabe dazu, wie genau die verlorene Gießform in den Isolierkörper eingesetzt werden soll. Dementsprechend kann er sich auch bei einem Aufkleben weiterer Isolierkörper um ein solches Einsetzen im Sinne des Verfügungspatents handeln. Notwendig ist nur, dass die verlorene Gießform beim Endprodukt, das heißt dem Bauelement, vorhanden ist, so dass dieses letztlich aus (mindestens) drei Elementen zusammengesetzt ist: Betondruckelement, verlorene Gießform und Isolierkörper.
  40. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Dass die verlorene Gießform dort mit weiteren Isolierkörpern verbunden und damit letztlich in das Bauelement eingesetzt wird, verdeutlicht die nachfolgend eingeblendete, Seite 5 der erstinstanzlichen Replik der Verfügungsklägerin entnommenen Abbildung:
  41. In der vorstehenden Abbildung sind neben den Gießformen – farblich hervorgehoben – zusätzlich zur Abdeckplatte aus Dämmmaterial auch „Abstandsdämmstoffblöcke“ zu sehen, die sich zwischen den einzelnen Gießformen befinden. Selbst dann, wenn es sich – wie nicht – bei der Anbringung einer Abdeckung mit einer Platte aus Isoliermaterial noch nicht um ein Einsetzen im Sinne des Verfügungspatents handeln würde, sind die verlorenen Gießformen spätestens unter Einbeziehung der „Abstandsdämmstoffblöcke“ in das Bauelement eingesetzt. Denn sie sind dann von mehreren Seiten von einem (weiteren) Isolierkörper umgeben. Den Einsatz derartiger „Abstandsdämmstoffblöcke“ bei der angegriffenen Ausführungsform haben die Verfügungsbeklagten nicht erheblich in Abrede gestellt.
  42. Dass die verlorene Gießform nach der allgemeinen Beschreibung des Verfügungspatents eine allseitige Gleitschicht für das Betondruckelement mitliefern soll, bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass. Nachdem das Verfügungspatent wie ausgeführt keine zwingenden Vorgaben zum Material der Gießform enthält, obliegt es dem Fachmann, unter Berücksichtigung seines spezifischen Fachwissens Material mit einem geeigneten Reibkoeffizienten auszuwählen, um die Geräuschentwicklung wie angestrebt bei Relativbewegungen der Betonbauteile (Balkon und Hauswand/Decke) gering zu halten. Dass das bei der angegriffenen Ausführungsform zum Einsatz kommende Isoliermaterial keine geeigneten Reibkoeffizienten aufweist bzw. aufweisen kann, lässt sich weder der Verfügungspatentschrift entnehmen noch wird dies durch die Verfügungsbeklagten behauptet.
  43. Soweit sich die Verfügungsbeklagten schließlich im Rahmen der Verletzungsdiskussion darauf berufen, die angegriffene Ausführungsform werde entsprechend dem Stand der Technik hergestellt, handelt es sich dabei um nichts anderes als die Erhebung des Formsteineinwandes, für den bei einer wortsinngemäßen Patentverletzung von vornherein kein Platz ist (BGH, GRUR 1999, 914 – Kontaktfederblock; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. A, Rz. 105).
  44. Abgesehen davon unterscheidet sich die angegriffene Ausführungsform von der aus der EP 0 034 XXC (Entgegenhaltung NK 6 im Nichtigkeitsverfahren) bekannten Lösung dadurch, dass die Betonpfropfen dort direkt in den Isolierkörper (10) eingegossen sind (vgl. Unteranspruch 16). Es existiert dementsprechend ein Isolierkörper, der zugleich als Gießform fungiert. Vor diesem Hintergrund hat das Bundespatentgericht diesen Stand der Technik zu Recht nicht als neu angesehen, weil es an der Offenbarung von Betondruckelementen, die mittels Gießen unter Einsatz einer verlorenen Gießform hergestellt sind und zusammen mit dieser Gießform eingesetzt und Bestandteilen des Bauelements sind, fehlt (vgl. Anlage EV 12, S. 9). Davon unterscheidet sich die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Lösung dadurch, dass dort – wie ausgeführt – eine verlorene Gießform zum Einsatz kommt, die jedoch ihrerseits aus dem gleichen (Isolier-) Material wie der Isolierkörper, in den sie eingesetzt wird, besteht. Anders als im Stand der Technik kommt somit bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform eine verlorene Gießform zur Herstellung der Druckelemente aus Beton zum Einsatz, die zusammen mit dem Betondruckkörper in das Bauelement eingesetzt wird (vgl. zum Stand der Technik: BPatG, Anlage EV 12, S. 10 Mitte).
  45. Die im Nichtigkeitsverfahren nicht berücksichtigte, als Anlage BO3 zur Akte gereichte EP 0 933 XXD XX stellt demgegenüber bereits ein räumlich und technisch-funktional anderes Bauelement unter Schutz, nämlich einen Dämmkörper, der mit einer der Balkongröße entsprechenden Fertigteilplatte fest verbunden ist und der lediglich eine Relativbewegung zwischen dem Dämmkörper und der Hauswand/Decke, jedoch nicht zum Balkon ermöglicht. Abgesehen davon beschreibt die Schrift zwar den Einsatz einer Betonmischung beim Gießen der Fertigteilplatte im Bereich der Aussparungen (4) zur Ausbildung eines Drucklagers (vgl. Abs. [0020] und [0026]).
  46. Es fehlt jedoch auch hier an der Offenbarung einer verlorenen Gießform, die in das Bauelement eingesetzt ist. Vielmehr fungieren die Aussparungen (4) des Dämmkörpers (1) auch bei dieser Lösung selbst als Gießform, eine separate, in das Bauelement eingesetzte (verlorene) Gießform existiert nicht. Zwar spricht Abs. [0020] davon, die Aussparungen (4) unten, etwa mit einem Klebestreifen, zu verschließen. Allein daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass es sich bei dem Verschlussmaterial um einen (weiteren) Dämmkörper handeln soll. Somit fehlt es auch hier an der Offenbarung einer verlorenen, nach dem Gießen in das Bauelement eingesetzten Gießform im Sinne des Verfügungspatents.
  47. 3.
    Der Unterlassungsanspruch kann im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden; der hierzu notwendige Verfügungsgrund liegt vor. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung wiegt das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin, ihren Unterlassungsanspruch durchzusetzen, schwerer als das Interesse der Verfügungsbeklagten, die angegriffene Ausführungsform in Deutschland anzubieten und zu vertreiben. Im Übrigen bestehen auch gegen die Zuerkennung des geltend gemachten Auskunftsanspruchs sowie des lediglich der Vorbereitung einer späteren eventuellen Vernichtung dienenden Sequestrationsanspruchs keine Bedenken.
  48. a)
    Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist unter Berücksichtigung der im Nichtigkeitsverfahren ergangenen, das Verfügungspatent im streitgegenständlichen Umfang aufrechterhaltenden Entscheidung auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Verfügungsbeklagten in dem für den Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung erforderlichen Umfang gesichert.
  49. aa)
    Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (InstGE 9, 140 = GRUR-RR 2008, 329 – Olanzapin; InstGE 12, 114 = Mitt. 2011, 193 – Harnkatheter; GRUR-RR 2011, 81 = Mitt. 2012, 178 – Gleitsattel-Scheibenbremse; Urt. v. 20.01.2011, Az.: I-2 U 92/10, BeckRS 2011, 03266; Urt. vom 24.11.2011, Az.: I-2 U 55/10, BeckRS 2011, 08596; Urt. v. 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Mitt. 2012, 415 – Adapter für Tintenpatrone; GRUR-RR 2013, 236, 239 f. – Flurpitin-Maleat; Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, GRUR-RR 2014, 240; Urt. v. 21.01.2016, Az.: I-2 U 48/15, BeckRS 2016, 03306; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18, BeckRS 2019, 14699), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungspatents im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers (Verfügungsklägers) zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist. Davon kann regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829; Urt. v. 10.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 06028; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18, BeckRS 2019, 14699; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz; a.A. OLG Braunschweig, Mitt. 2012, 410). Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es deshalb einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen.
  50. Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18, BeckRS 2019, 14699). Das Verletzungsgericht hat – ungeachtet seiner Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (OLG Düsseldorf, InstGE 8, 122 – Medizinisches Instrument; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18, BeckRS 2019, 14699) – grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18, BeckRS 2019, 14699).
  51. Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, Urt. vom 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18, BeckRS 2019, 14699). Demgegenüber ist es für den Regelfall nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene (laienhafte) Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889).
  52. bb)
    Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen ist der Rechtsbestand vorliegend, nachdem das Verfügungspatent ein mit einem umfassend und nachvollziehbaren Urteil des Bundespatentgerichts (vgl. Anlage EV 12) rechtskräftig abgeschlossenes Nichtigkeitsverfahren unbeschadet überstanden hat, hinreichend gesichert. Gründe, gleichwohl am Rechtsbestand des Verfügungspatents zu zweifeln, bestehen nicht.
  53. Mit der EP 0 034 XXC XX (NK 6) hat sich bereits das Bundespatentgericht ausführlich beschäftigt und ist mit nachvollziehbarer Begründung, die der Senat teilt, zu dem Ergebnis gelangt, die durch das Verfügungspatent unter Schutz gestellte technische Lehre werde in der Entgegenhaltung weder neuheitsschädlich offenbart noch fehle es davon ausgehend an einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere offenbart die Entgegenhaltung, wie bereits ausgeführt, keine verlorene Gießform im Sinne des Verfügungspatents.
  54. Auch der Verweis auf die EP 0 933 XXD XX steht der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes nicht entgegen. Zwar handelt es sich dabei um neuen, im Nichtigkeitsverfahren unberücksichtigt gebliebenen Stand der Technik. Zum Gegenstand eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens gemacht haben die Verfügungsbeklagten die Entgegenhaltung bisher jedoch nicht. Auch ist derzeit kein Nichtigkeitsverfahren anhängig. Die Frage der Rechtsbeständigkeit kann sich für das Verletzungsgericht jedoch grundsätzlich nur dann stellen, wenn das Schutzrecht in seinem Bestand tatsächlich angegriffen ist. Lediglich mögliche Einspruchs- und/oder Nichtigkeitsgründe, von deren Geltendmachung vor der zuständigen Behörde bzw. dem zuständigen Gericht abgesehen wird, gefährden den Rechtsbestand des Schutzrechts nicht. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Vernichtung des Schutzrechts besteht dann nicht. Vielmehr bleibt das unangefochtene Verfügungspatent ohne Einschränkung im erteilten Umfang in Kraft und gibt in eben diesem Umfang dem Schutzrechtsinhaber ein Ausschließlichkeitsrecht (vgl. Senat, GRUR-RR 2007, 219, 220 – Kleinleistungsschalter; InstGE 12, 114, 121 = Mitt. 2011, 193 – Harnkatheterset; Urt. v. 18.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 6208; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. G, Rz. 49). Etwas anderes gilt unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens, namentlich dessen Eilbedürftigkeit, lediglich dann, wenn es dem Verfügungsbeklagten bzw. Antragsgegner ausnahmsweise nicht zumutbar ist, den Rechtsbestand des Verfügungspatents bis zu dem für die Entscheidung über das Verfügungsbegehren maßgeblichen Zeitpunkt mit einem Einspruch bzw. einer Nichtigkeitsklage anzugreifen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 219, 220 – Kleinleistungsschalter). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Abgesehen davon fehlt es in der Entgegenhaltung – wie bereits ausgeführt – ohnehin an der Offenbarung einer verlorenen Gießform, so dass sie auch in der Sache keine hinreichenden Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents zu begründen vermag.
  55. b)
    Ist – wie hier – sowohl die Frage der Patentbenutzung als auch die des Bestands des Verfügungspatents im Ergebnis eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beurteilen, überwiegen grundsätzlich seine Interessen gegenüber denjenigen des Verfügungsbeklagten. Es erübrigen sich daher in einem solchen Fall in aller Regel weitere Erwägungen zur Interessenabwägung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2011, Az.: I-2 U 3/11, BeckRS 2011, 26945; Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11, BeckRS 2011, 139629; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18). Die Notwendigkeit einstweiligen Rechtschutzes kann sich deshalb im Einzelfall auch aus der eindeutigen Rechtslage als Solches ergeben (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11, BeckRS 2011, 139629; Urt. v. 04.07.2019, Az.: I-2 U 81/18).
  56. III.
  57. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  58. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.
  59. Wie auch das Landgericht hat der Senat die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach §§ 925, 936 ZPO davon abhängig gemacht, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheitsleistung erbringt, die sich aus § 945 ZPO ergebende Schadenersatzansprüche der Verfügungsgeklagten absichert. Da wegen der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Eilverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die einstweilige Verfügung im Hauptsacheverfahren als ungerechtfertigt erweist und die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten nach § 945 ZPO Schadenersatz leisten muss, kann die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung keinen geringeren Anforderungen unterliegen als die Vollstreckung eines erstinstanzlichen Urteils. In Bezug auf die Höhe der Sicherheitsleistung hat sich der Senat in Ermanglung weiterer Informationen zu möglichen Vollstreckungsschäden am Streitwert orientiert (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-Prax 2016, 240; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. G, Rz. 78).

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