I-2 U 38/18 – EOT-II-Spritze

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2962

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 22. August 2019, Az. I-2 U 38/18

Vorinstanz: 12 O 133/16

  1. I.
    Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Oktober 2017 verkündete
    Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Urteilsausspruch zu Ziffer II. (Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 1.141,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2016) entfällt.
  2. II.
    Die Anschlussberufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil wird
    zurückgewiesen.
  3. III.
    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
  4. IV.
    Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, letzteres in der aufrechterhaltenen Fassung, sind vorläufig vollstreckbar.
  5. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 65.300,– EUR abzuwenden, falls nicht der Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  6. V.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
  7. VI.
    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 65.300,– EUR
    festgesetzt.
  8. Gründe:
  9. I.
    Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe, Unterlassung von Werbeaussagen und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
  10. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und die Kontrolle der Einhaltung von Regeln des lauteren Wettbewerbs gehören. Mitglieder sind u.a. der Bundesverband Deutscher Versandapotheken, ein Apothekerverein, Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerkammern sowie Unternehmen der Heilmittelbranche und der Heilwesensbranche. Dem Kläger gehören Ärzte, Heilpraktiker und Kliniken an.
  11. Die Beklagte, bei der es sich um ein Tochterunternehmen der B AG handelt, ist ein Unternehmen aus dem Bereich der Medizintechnik. Sie stellt eine so genannte EOT-II-Spritze her, die der Aufbereitung eines „Autologen Konditionierten Serums“ (abgekürzt: ACS) dient, welches auch als „Orthokin-Serum“ bezeichnet wird. Das Serum ist kein Fertigarzneimittel und unterliegt deshalb keiner Zulassungspflicht.
  12. Das „Autologe Konditionierte Serum“ und die „EOT-II-Spritze“ werden in der so genannten Orthokin-Therapie verwendet. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, das zur Behandlung von Arthrose und Rückenschmerzen eingesetzt und bei dem eine aus Eigenblut hergestellte Individualrezeptur verabreicht wird. Für die „Orthokin-Therapie“ wird zunächst Blut des Patienten mit einer Spezialspritze – nämlich der „EOT-II-Spritze“ – abgenommen, die oberflächenbehandelte Glasperlen enthält. Während einer mehrstündigen Inkubationszeit sollen in Interaktion mit der Oberfläche der Glaskügelchen die Blutmonozyten zu vermehrter Produktion des Interleukin-1 Rezeptorantagonisten (IL-1 Ra) anregen, einem körpereigenen Hemmstoff des entzündungsfördernden Interleukin-1 (IL-1). Interleukine gehören zu den Zytokinen, einer großen Gruppe von Zellbotenstoffen, die für die Regulation von Entzündungsprozessen bedeutsam sind. Nach Inkubation wird durch weitere Aufbereitung im Labor ein Serum gewonnen, das mit IL-1 Ra angereichert sein soll. Dieses Serum wird dem Patienten wieder eingespritzt, z.B. in ein arthritisches Gelenk. Die Therapie zielt darauf, in dem arthritischen Gelenk eine entzündungshemmende, schmerzlindernde und knorpelschützende Wirkung mittels des Schutzproteins IL-1 Ra zu erreichen. Die Therapie, die von dem Orthopäden Prof. Dr. med. C „erfunden“ wurde, wird zwischenzeitlich von rund 500 Therapeuten in Deutschland angeboten. Die
    Erstattungsfähigkeit der Behandlung durch die Krankenkassen ist nicht anerkannt; es handelt sich um eine so genannte IGeL-Leistung, d.h. um eine vom Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse selbst zu zahlende Leistung.
  13. Die „Orthokin-Therapie“ ist in der Wissenschaft umstritten. Die Behandlungsmethode ist Gegenstand wissenschaftlicher Studien sowie von Berichten und Diskussionsbeiträgen in Fachzeitschriften. Diesbezüglich wird auf die Feststellungen des Landgerichts im Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
  14. Nachdem die Beklagte im Jahre 2014 in der sich aus der Anlage K 3 ergebenden Weise auf ihrer Internetseite www.D.de in der dortigen Rubrik „Patienten“ u.a. mit den Aussagen „schmerzlindernd“, „entzündungshemmend“ und „die Orthokin-Therapie… kann angewendet werden bei Arthrosen folgender Gelenke: (…)“ geworben hatte, mahnte der Kläger sie mit Schreiben vom 06.01.2014 (Anlage K 4) ab. Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 13.01.2014 (Anlage K 24a, Bl. 99 ff. GA) eine auf den 13.01.2014 datierte Unterlassungserklärung (Anlage K 24; Bl. 89-90 GA), die der Kläger mit Schreiben vom 23.01.2014 (Anlage K 25, Bl. 91-92 GA) u.a. deshalb zurückwies, weil sie auf Aussagen auf der Internetseite D.de beschränkt war. Die Beklagte gab daraufhin eine dem Kläger mit anwaltlichem Begleitschreiben vom 29.01.2014 (Anlage K 5) übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 29.01.2014 ab, die der Kläger mit Schreiben vom 31.01.2014 (Anlage K 26, Bl. 102 GA) annahm. Mit der Unterlassungserklärung verpflichtete sich die Beklagte, es ab dem 29.01.2014 zu unterlassen
  15. „folgende Aussagen zur Orthokin-Therapie und/oder zum Orthokin-Serum:
  16. (1) „Das Orthokin®-Therapiesystem ist eine einzigartige Möglichkeit, Arthrose und Rückenschmerzen […] zu behandeln.“
    (2) „Schmerzlindernd“
    (3) „Entzündungshemmend“
    (4) „Arthrose kann durch die Orthokin®-Therapie wirkungsvoll gelindert und der Abbau des Knorpels verzögert werden.“
    (5) „Knorpelschützend“
    (6) „Der Gelenkschmerz lässt in vielen Fällen vier bis zwölf Wochen nach der Behandlung deutlich nach […]“
    (7) „[…] die Gelenkfunktion verbessert sich.“
    (8) „Der Gelenkknorpel wird positiv beeinflusst.“
    (9) „Die Orthokin-Therapie […] kann angewandt werden bei Arthrosen folgender Gelenke:
  17. – Kniegelenke
    – Hüftgelenke
    – Sprunggelenke
    – Schultergelenke
    – Hand- und Fingergrundgelenke
    – Zehengrundgelenke
    – Gelenke der Wirbelsäule
  18. (10) „Rückenschmerzen effektiv behandeln“
    (11) „[…] lindert die Schmerzen nachhaltig […]“
    (12) „[…] stoppt die Entzündung der Nerven“; und
    (13) „[…] deutliche Besserung der Rückenschmerzen […]“,
  19. wie sie am 6. Januar 2014 auf www.D.de, in der Sektion „Patienten“, abrufbar waren, im Internet öffentlich zugänglich zu machen, wenn und soweit diese werblichen Aussagen auch von Personen abgerufen werden können, die nicht zum Handel und/oder zur Anwendung befugt sind, insbesondere Patienten, es sei denn, es handelt sich um Aussagen, die sich ausschließlich auf die getreue Wiedergabe der Verpackungsinformationen und/oder der wörtlichen und vollständigen Wiedergabe der Packungsbeilage beschränken und/oder die die von der zuständigen Behörde genehmigte Zusammenfassung der Merkmale von Orthokin wortgetreu und vollständig wiedergeben.“
  20. Anfang 2016 warb die Beklagte im Internet unter der Adresse „www.B.com“ in der aus den von der Klägerin als Anlage K 6 vorgelegten Screenshots vom 19.01.2016 ersichtlichen Art und Weise. An mehreren Stellen hieß es dort:
  21. „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN.“
  22. Ferner fanden sich dort unter anderem folgende Angaben:
  23. „… Die Anwendung der EOT®II-Spritze erfolgt im Rahmen einer nicht-operativen Behandlung bei Arthrose und Gelenkbeschwerden. Durch das patentierte Verfahren wird mit der EOT®II-Spritze im Labor durch den behandelnden Arzt autologes konditioniertes Serum (kurz ACS) hergestellt.“
  24. „BEI ARTHROSE UND GELENKPROBLEMEN“
  25. „ENTZÜNDUNGSHEMMEND, WACHSTUMSFÖRDERND – SO WIRD DAS BLUT AUFBEREITET.“
  26. „Die EOT®II-Spritze wird von Orthopäden im Rahmen der konservativen
    Therapie folgender Krankheitsbilder eingesetzt:
  27. • Arthrosebedingte Gelenkschmerzen
    • Rückenschmerzen
    • Sehnen- und Muskelschmerzen“
  28. Wegen des genauen Inhalts und der weiteren Einzelheiten der Werbung der Beklagten wird auf die Anlage K 6 (Anlage zum LG-Urteil) verwiesen.
  29. Der Kläger forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 22.01.2016 (Anlage K 7) wegen dieser Werbung im Hinblick auf die Angaben „Schmerz lindern“, „Bei Arthrose“ und „Entzündungshemmend“ zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 15.300,- EUR sowie zur Abgabe einer neuerlichen, mit einer Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch mit einer Mindesthöhe von je 10.000,- EUR besicherten Unterlassungserklärung auf. Mit eigenem Schreiben vom selben Tag (Anlage K 8) mahnte er die Beklagte ferner wegen weiterer Äußerungen, nämlich wegen der Angaben „Heilung fördern“, „Bei… Gelenkproblemen“, „mit dem Anwendungsgebiet Rückenschmerzen“ und „mit dem Anwendungsgebiet Sehnen- und Muskelschmerzen“ ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Beide Aufforderungen wies die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 05.02.2016 (Anlagen K 9 und K 10) zurück.
  30. Der Kläger hat vor dem Landgericht geltend gemacht:
  31. Eine Vertragsstrafe sei verwirkt, da die Äußerungen in einem dem Gegenstand des Abmahnschreibens vom 06.01.2014 vergleichbaren Kontext stünden. Bereits die damalige Abmahnung habe sich gegen die Irreführungseignung der Äußerungen gerichtet; die neuerlichen Angaben seien zu den in der Unterlassungserklärung aufgeführten kerngleich. Die Äußerungen hätten jeweils eine Behandlungsmethode zum Gegenstand. Wegen des wiederholten Verstoßes und aus den in der Anforderung angegebenen Gründen sei die Vertragsstrafe in Höhe von 15.300,– EUR angemessen festgesetzt.
  32. Wegen des bereits erfolgten Verstoßes sei die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für das neuerliche Unterlassungsverlangen erforderlich gewesen und die entstandenen Kosten seien zu erstatten. Ferner schulde die Beklagte die Kosten der Eigenabmahnung durch ihn selbst wegen der weiteren Äußerungen.
  33. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß den Ziffern 1 bis 3 ergebe sich aus der Unterlassungserklärung, hilfsweise aus Gesetz, und wegen der weiteren Äußerungen unmittelbar aus dem Gesetz. Bei den Aussagen handele es sich um konkrete Wirkauslobungen. Ein Wirksamkeitsnachweis für das Orthokin-Verfahren sei nicht erbracht. Die Humanstudien litten an schweren Mängeln, umgekehrt sei durch die kritischen Studien belegt, dass die „Orthokin-Therapie“ nicht wirksam sei und zudem die Gefahr von Nebenwirkungen bestehe. Die angegriffenen Aussagen seien irreführend. Eine signifikante und therapeutisch relevante Schmerzlinderung sei nicht gesichert, ebenso nicht die Eignung, Patienten mit Arthrose Linderung oder Heilung zu verschaffen. Es sei nicht gesichert, dass die Therapie zur Knorpelregeneration führe und/oder Schmerzlinderung verschaffe und/oder eine Operation verzichtbar mache. Es gebe auch keine allgemeine Eignung der Therapie für Gelenkprobleme. Gleiches gelte für die Angabe der Anwendungsgebiete Rückenschmerzen, Sehnen- und Muskelschmerzen.
  34. Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat geltend gemacht:
  35. Die angegriffene Darstellung im Internet sei zu der in der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung aufgeführten Werbung weder identisch noch kerngleich. Die Unterlassungserklärung habe sich auf das Verbot der Bewerbung verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb der Fachkreise (§ 10 Abs. 1 HWG) bezogen. Die nunmehr beanstandeten Aussagen seien zudem nicht in Zusammenhang mit der „Orthokin-Therapie“ oder dem „Orthokin-Serum“, sondern lediglich zur Bewerbung der „EOT-II-Spritze“ getroffen worden. Es werde lediglich auf diese Spritze Bezug genommen, welche für die Aufbereitung des Serums eingesetzt werde. Auch der Gesamtkontext der Webseite unterscheide sich von dem der früheren Internetseite.
  36. Die Wirksamkeit der „Orthokin-Therapie“ sei gut belegt. Hierauf komme es allerdings nicht an, da vorliegend lediglich das Therapieziel in allgemeiner Form beschrieben werde. Die Aussagen enthielten kein konkretes Wirkversprechen, sondern stellten in allgemeiner Weise Therapieziele und Anwendungsgebiete dar. Eine Verifizierung/Falsifizierung ihrer Äußerungen sei nicht möglich und nicht nötig. Jedenfalls sei die entzündungshemmende Wirkung der in dem Serum enthaltenen Zytokine wissenschaftlich allgemein anerkannt. Ein antragsgemäßes Verbot würde den vom Gesetzgeber intendierten Therapiepluralismus auch im Hinblick auf Methoden außerhalb der Schulmedizin beschneiden.
  37. Durch Urteil vom 18.10.2017 hat das Landgericht dem Klagebegehren entsprochen und in der Sache wie folgt erkannt:
  38. „Die Beklagte wird verurteilt,
  39. I.
    an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe von 15.300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2016 zu zahlen,
  40. II.
    an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 1.141,90 EUR nebst Zinsen in
    Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2016 zu zahlen,
  41. III.
    an den Kläger weitere 178,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2016 zu zahlen,
  42. IV.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine „Orthokin-Therapie“ zu werben mit der Angabe
  43. 1. „Schmerzen lindern“
    2. „Bei Arthrose“
    3. „Entzündungshemmend…“
    4. „Operation vermeiden“
    5. „Heilung fördern“
    6. „Bei… Gelenkproblemen“
    7. mit dem Anwendungsgebiet „Rückenschmerzen“
    8. mit dem Anwendungsgebiet „Sehnen- und Muskelschmerzen“,
  44. jeweils wenn dies geschieht, wie aus Anlage K 6 ersichtlich.“
  45. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  46. Die Beklagte habe gegen das abgegebene Unterlassungsversprechen verstoßen, die Vertragsstrafe sei verwirkt. Die angegriffenen Aussagen seien zu den in der Unterlassungserklärung benannten nahezu identisch. Die Einbettung und das Umfeld der Aussagen auf der Webseite der Beklagten stünden der Annahme einer Kerngleichheit des Verstoßes nicht entgegen. Bereits in der URL der relevanten Unterseiten (www.B.com/de/orthokin) sei der Begriff „Orthokin“ und damit die Behandlungsmethode, wie sie auch in dem Unterlassungsversprechen genannt sei, verwendet. In den Nutzungsbedingungen der Impressumsseite seien „die Diagnose, als auch die Therapie“ angesprochen; der Passus nehme erkennbar auf den übrigen Inhalt der Webseite Bezug. Auf der Webseite finde sich zudem ein Formular, mittels dessen Interessenten Praxen finden könnten, die das „Orthokin-Serum“ herstellen. Die angeführten Gestaltungselemente fänden sich insbesondere auf der Unterseite, die die Formulierungen „SCHMERZ LINDERN“ und „BEI ARTHROSE (…)“ enthalte. Dass im Text der Seite an einer Stelle das Medizinprodukt „EOT-II“ erwähnt werde, lasse den Zusammenhang der Seite zur „Orthokin-Therapie“ und dem dort eingesetzten Serum nicht entfallen. Der Text nehme ausdrücklich auf die Gewinnung des autologen konditionierten Serums (ACS) und damit auf das „Orthokin-Serum“ Bezug. Gleiches gelte für die Unterseite, die die Formulierung „ENTZÜNDUNGSHEMMEND“ enthalte. Dort sei im Text nicht einmal umschrieben, dass es sich bei „EOT-II“ um eine Spritze bzw. das Verfahren der Spritzenherstellung/-verwendung handele. Ohnehin sei der Einsatz der „EOT-II-Spritze“ mit dem „Orthokin-Serum“ der wesentliche Teil der „Orthokin-Therapie“.
  47. Dem Kläger stehe auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Die Werbung sei unlauter und unzulässig, weil sie der Anwendung der „Orthokin-Therapie“ bzw. dem Einsatz des „Orthokin-Serums“ mittels der EOT-II-Spritze eine therapeutische Wirksamkeit zuschreibe, die diese nicht gesichertermaßen hätten, §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG, § 3 S. 2 Nr. 1 HWG. Sämtliche Aussagen wiesen einen Leistungsbezug zu der „Orthokin-Therapie“ bzw. dem „Orthokin-Serum“ auf. Die Internetseite richte sich nicht lediglich an Fachkreise. Die angegriffenen Äußerungen suggerierten in unzutreffender Weise, dass der Einsatz des „Orthokin-Serums“ mittels der „EOT-II-Spritze“ als Teil der „Orthokin-Therapie“ die genannten Heilerfolge bewirken könne. Tatsächlich müsse, was die Beklagte nur pauschal in Abrede stelle, der Erfolg einer Orthokintherapie gegenwärtig als (noch) wissenschaftlich ungesichert gelten. Bei den in Rede stehenden Angaben handele es sich nicht um eine bloße Umschreibung eines Therapieziels oder Anwendungszwecks oder der Funktion einer Therapie in allgemeiner Form, sondern um Wirkaussagen zu einer konkreten Therapiemethode. Die Aussage „Schmerzen lindern“ impliziere, es könnten mittels Einsatz des Serums, der Spritze und der Therapie Schmerzen etwa als Folge von Arthrose behandelt werden. Gleiches gelte für die Äußerung, Therapie bzw. Serum und eingesetzte Spritze wirkten „entzündungshemmend“. Dass das Serum insgesamt entzündungshemmend wirke – nur so könne die Werbung verstanden werden – sei nicht belegt und einzelne Studien hätten sogar das Ergebnis erbracht, dass es bei der Gabe zu neuen Entzündungen gekommen sei. Die ferner beanstandete Angabe bestimmter Indikationen impliziere die Eignung des Verfahrens, Patienten mit den angegebenen Beschwerden Linderung oder Heilung zu verschaffen. Durch die Angabe, es würde eine Operation vermieden, werde suggeriert, die angesprochenen Indikationen könnten durch die „Orthokin-Therapie“ in gleicher oder besser wirksamer Weise als durch einen operativen Eingriff behandelt werden.
  48. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
  49. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie eine vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Der Kläger begehrt in der Berufungsinstanz klageerweiternd die Zahlung eines Mehrwertsteuerbetrages in Höhe von 216,96 EUR auf den vom Landgericht für das Anwaltsschreiben ausgeurteilten Erstattungsbetrag in Höhe von 1.141,90 EUR.
  50. Die Beklagte macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, dass die Klage unbegründet sei.
  51. Gegenstand der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung sei allein die seinerzeit konkret angegriffene Darstellung, wie sie am 06.01.2014 verwendet worden sei. Außerdem habe sich die Unterlassungserklärung eindeutig auf Darstellungen außerhalb der Fachkreise nach § 10 Abs. 1 HWG bezogen. Diese Darstellung sei von ihr in der Folgezeit nicht weiter verwendet worden. Sie habe ihren Internetauftritt vielmehr grundlegend umgestaltet. Im öffentlich zugänglichen Bereich werde der Begriff „Orthokin“ entsprechend an keiner Stelle mehr verwendet. Die gegenteilige Würdigung des Landgerichts zu diesem Punkt sei offensichtlich fehlerhaft. Auf den Seiten finde sich lediglich das Logo unter Verweis auf den Unternehmensnamen „B“. Des Weiteren fokussiere sich die Darstellung auf eine Erläuterung des Krankheitsbildes der Arthrose. Soweit überhaupt Behandlungsmöglichkeiten angesprochen würden, geschehe dies nicht unter Bezugnahme auf die „Orthokin-Therapie“. Vielmehr beschränke sich die nunmehr angegriffene Darstellung allein auf den Hinweis, dass die „EOT-II- Spritze“ im Rahmen einer nicht-operativen Behandlung eingesetzt und hierbei ein autologes konditioniertes Serum (ACS) hergestellt werden könne, ohne dass die angegriffenen Angaben Hinweise zu bestimmten Wirkerfolgen oder Behandlungsergebnissen enthielten. Dass in der sog. URL der Begriff „Orthokin“ verwendet werde, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn die URL sei nicht Gegenstand der Darstellung selbst, sondern lediglich die zu Grunde liegende (Internet-)Quelle. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass ein Durchschnittsadressat allein aufgrund der Verwendung des Begriffs in der URL die Schlussfolgerung ziehe, dass sich die Darstellung des Inhalts auf eine Therapie mit dem gleichen Namen beziehe. Selbst wenn man aber mit dem Landgericht – fälschlich – annehme, dass ein hinreichend konkreter Bezug zu der „Orthokin-Therapie“ hergestellt werde, sei die angegriffene Darstellung (Anlage K 6) nicht kerngleich mit der früheren Darstellung (Anlage K 3). Denn nunmehr sei die weitere Frage zu prüfen, ob allein in der Bezugnahme auf die „EOT-II- Spritze“ mittelbar auch eine hinreichend konkrete Bezugnahme auf die „Orthokin-Therapie“ liege. Des Weiteren sei zu prüfen, ob in dem bloßen Verweis auf Allgemeine Therapieziele zugleich auch die Auslobung eines bestimmten Wirkerfolgs liege. Schon aus diesem Grunde liege keine Verwirkung der Vertragsstrafe vor.
  52. Des Weiteren stünden dem Kläger auch die geltend gemachten gesetzlichen Unterlassungsansprüche nicht zu. Mit der Angabe „Schmerzen lindern“ werde in Infinitivform lediglich ein allgemeines Therapieziel umschrieben, nicht aber eine konkrete Angabe zu einem Wirkerfolg gemacht. Die Angabe „bei Arthrose“ sage nur etwas über den Einsatzbereich und das Anwendungsgebiet aus. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Angaben „Operation vermeiden“ und „Heilung fördern“. Die Angabe „entzündungshemmend“ beschreibe keinen konkreten Therapieerfolg, sondern lediglich eine Produkteigenschaft, die einen Beitrag zu einem – nicht näher konkretisierten – Therapieerfolg leisten könne. Dass die „Orthokin-Therapie“ entzündungshemmend wirke, sei selbst vom Kläger nicht bestritten worden. Die übrigen beanstandeten Angaben stellten lediglich Beschreibungen der möglichen Anwendungsgebiete dar. Auch hier finde sich keinerlei Auslobung zu konkreten Wirkerfolgen. Angaben, die lediglich auf das jeweilige Anwendungsgebiet und allgemein anerkannte Therapieziele verwiesen, fielen nicht unter das wettbewerbs- und heilmittelwettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot. Abgesehen davon könne ihr nicht das Recht abgesprochen werden, auf die allgemein akzeptierten Therapieziele sowie das tatsächliche Einsatzgebiet der „Orthokin-Therapie“ hinzuweisen. Andernfalls könne sie die „Orthokin-Therapie“ überhaupt nicht mehr anbieten und auch nicht mehr erbringen. Dadurch würde die gesetzgeberische Wertung, wonach im Bereich des Heilwesens das Prinzip des Wissenschaft-Pluralismus gelte, konterkariert. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass das im Rahmen der „Orthokin-Therapie“ hergestellte ACS unstreitig Zytokine enthalte und dass diese entzündungshemmende Wirkung hätten. Damit liege aber ein hinreichender wissenschaftlicher Beleg für die entzündungshemmende Wirkung des in Rahmen der „Orthokin-Therapie“ hergestellten Serums vor.
  53. Mangels Kerngleichheit stünden dem Kläger auch keine vertraglichen Unterlassungsansprüche gegen sie zu. Im Übrigen wären solche nur auf ein Verbot der Verwendung der Aussagen außerhalb der Fachkreise gerichtet.
  54. Die Beklagte beantragt,
  55. das Urteil des Landgerichts „aufzuheben“ und die Klage abzuweisen.
  56. Der Kläger beantragt,
  57. die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 216,96 EUR Zug um Zug gegen Rechnungsstellung zu zahlen.
  58. Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten wie folgt entgegen:
  59. Unerheblich sei, dass die Beklagte die „Orthokin-Therapie“ in ihrem neuen Internetauftritt weitgehend als Behandlung mit der „EOT-II- Spritze“ zu umschreiben versuche. Maßgeblich sei, dass diese Spritze zur Entwicklung des „Orthokin-Serums“ gebraucht werde und dieses Serum letztlich den therapeutischen Wirkstoff darstellen solle. Es bleibe daher dabei, dass sich die Werbung auf die „Orthokin-Therapie“ beziehe. Eine solche Umschreibung ein- und desselben Sachverhalts führe nicht aus der Unterlassungserklärung heraus. Die Kerntheorie finde auch bei Anbindung an eine konkrete Verletzungsform Anwendung. Es spiele auch keine Rolle, ob die Beklagte lediglich mit „allgemeinen Therapiezielen“ werbe oder aber bestimmte Wirkerfolge auslobe. Denn auch das Unterlassungsversprechen habe solche umfasst. Dessen ungeachtet handele es sich bei den in Rede stehenden Angaben auch nicht lediglich um allgemeine Therapieziele. Werde ein Behandlungsverfahren ausgelobt mit der Angabe, dieses könne bei einer bestimmten Indikation angewandt werden, stelle dies die Auslobung eines Anwendungsgebietes dar, was impliziere, dass das Mittel dort auch medizinisch indiziert, also therapeutisch wirksam sei. Selbst wenn die Werbeauslobung lediglich „allgemeine Therapieziele“ beträfe, würde eine solche Angabe vom angesprochenen Verkehr gleichwohl dahingehend verstanden, dass die Benennung eines solchen Therapiezieles deshalb erfolge, weil der Werbende dies als ein für das beworbene Mittel adäquates Therapieziel verstehe. Dies inkludiere wiederum ein Anwendungsgebiet, also eine therapeutische Wirkung.
  60. Zutreffend habe das Landgericht auch festgestellt, dass die Beklagte neue Wettbewerbsverstöße begangen habe. Sie habe durchgängig mit therapeutischen Wirkangaben und nicht mit bloßen Therapiezielen geworben. Der Beklagten bleibe es unbenommen, die Verbraucher über noch fehlende wissenschaftliche Absicherung ihres Therapieverfahrens oder die unterschiedlichen Meinungen, welche zu ihren Therapieverfahren existierten, aufzuklären. Eine entzündungshemmende Wirkung des Serums im menschlichen Organismus sei bislang nicht ausreichend belegt und werde in der wissenschaftlichen Literatur kritisch betrachtet.
  61. Bei dem nunmehr im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Betrag handele es sich um den auf den zugesprochenen Betrag von 1.141,90 EUR entfallenden Mehrwertsteuerbetrag. Hintergrund für dessen Geltendmachung sei die Rechtsänderung durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.12.2016 (Az.: XI R 27/14).
  62. Die Beklagte beantragt,
  63. die Klage auch im Umfang der Klageerweiterung abzuweisen.
  64. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
  65. II.
    Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Dem Kläger stehen sowohl der ihm vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe als auch der ihm vom Landgericht ferner zuerkannte Unterlassungsanspruch zu. Ferner hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung pauschaler Abmahnkosten für die von ihm selbst ausgesprochene Abmahnung. Hingegen kann der Kläger von der Beklagten nicht den Ersatz der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.141,90 EUR beanspruchen. Ein diesbezüglicher Erstattungsanspruch besteht nicht, weshalb sich auch die vom Kläger eingelegte Anschlussberufung, mit der er nunmehr auch die Erstattung des auf die geltend gemachten Anwaltskosten entfallenden Mehrwertsteuerbetrages begehrt, als unbegründet erweist. Im Einzelnen gilt Folgendes:
  66. A.
    1.
    Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 15.300,- EUR aus der Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen i. V. m. § 339 BGB zu.
  67. a)
    Zwischen den Parteien ist ein Unterlassungsvertrag mit dem aus der Unterlassungserklärung vom 29.01.2014 (Anlage K 5) ersichtlichen Inhalt zustande gekommen.
  68. b)
    Zu Recht hat das Landgericht eine Zuwiderhandlung der Beklagten gegen die
    vertragliche Unterwerfung durch die neue Werbung gemäß Anlage K 6 bejaht.
  69. aa)
    Durch die von ihr abgegebene Unterlassungserklärung hat sich die Beklagte dazu verpflichtet, es zu unterlassen, zur „Orthokin-Therapie“ und/oder zum „Orthokin-Serum“ u.a. die Aussagen „Schmerzlindernd“, „Entzündungshemmend“ und „Die Orthokin-Therapie […] kann angewandt werden bei Arthrosen folgender Gelenke: …“, wie sie am 06.01.2014 auf www.D.de, in der Sektion „Patienten“, abrufbar waren, im Internet öffentlich zugänglich zu machen, wenn und soweit diese werblichen Aussagen auch von Personen abgerufen werden können, die nicht zum Handel und/oder zur Anwendung befugt sind, insbesondere Patienten.
  70. bb)
    Gegen dieses Unterlassungsversprechen hat die Beklagte verstoßen, indem sie im Internet unter der Adresse „www.B.com“ die im Rahmen der sog. Orthokin-Therapie zum Einsatz kommende „EOT-II-Spritze“, die zentraler Bestandteil dieser Therapie ist, in der aus der Anlage K 6 ersichtlichen Art und Weise beworben hat. Denn sie hat hiermit zugleich das im Rahmen der „Orthokin-Therapie“ verabreichte „Orthokin-Serum“, welches mittels dieser Spritze hergestellt wird, und auch die
    „Orthokin-Therapie“ als solche beworben, und zwar mit den eingangs angeführten Aussagen.
  71. (1)
    Im Rahmen der Auslegung der zwischen den Parteien zustande gekommen Unterlassungsvereinbarung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei sind, so dass sich dessen Auslegung nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen richtet. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind (vgl. BGH, GRUR 2015, 1021 Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung; GRUR 2015, 258 Rn. 57 – CT-Paradies; GRUR 2013, 531 Rn. 32 – Einwilligung in Werbeanrufe II; GRUR 2009, 181 Rn. 32 – Kinderwärmekissen; GRUR 2013, 531 Rn. 32 – Einwilligung in Werbeanrufe II; GRUR 2010, 167 Rn. 19 – Unrichtige Aufsichtsbehörde; GRUR 2006, 878 – Vertragsstrafevereinbarung; GRUR 2001, 758, 759 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungsverpflichtung; GRUR 1997, 931, 192 – Sekundenschnell). Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt dagegen nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt (vgl. BGH, GRUR 1997, 931, 932 – Sekundenschnell). Selbst der Umstand, dass sich ein Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach nur auf einen bestimmten Werbesatz bezieht, bedeutet nicht, dass sich die vertragliche Unterlassungspflicht auf diesen beschränken muss. Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht deshalb erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten, sofern nicht die Auslegung des Unterlassungsvertrages ergibt, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist (vgl. BGH, GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell).
  72. (2)
    Im Streitfall ist der zwischen den Parteien zustande gekommene Unterlassungsvertrag auf ein Verbot der konkreten Verletzungsform, d.h. auf ein Verbot der in der Unterlassungserklärung unter Ziffer 1 (1) bis (13) wiedergegebenen Aussagen gerichtet, und zwar im werblichen Umfeld der als Anlage K 3 zur Akte gereichten Internetwerbung. Letzteres ergibt sich aus der Formulierung „wie sie am 06.01.2014 auf www.D.de, in der Sektion „Patienten“, abrufbar waren, …“. Zwar sind die in der Unterlassungserklärung genannten Aussagen zu (1) bis (13) nicht mit der Angabe „und/oder“ verknüpft. Dem Abmahnschreiben des Klägers vom 06.01.2014 bzw. der diesem beigefügten vorformulierten Unterlassungserklärung war allerdings zu entnehmen, dass der Kläger jede einzelne der betreffenden Aussagen als wettbewerbswidrig beanstandet hat. Da sich aus der nachfolgenden Korrespondenz nicht ergibt, dass sich die Beklagte nur zur Unterlassung der Verwendung aller Aussagen auf einer Internetseite nach Maßgabe der Anlage K 3 verpflichten wollte, ist die von ihr abgegebene Unterlassungserklärung dahin zu interpretieren, dass diese nicht auf ein einheitliches kumulatives Verbot aller Angaben, sondern jeweils auf ein isoliertes Verbot der einzelnen Aussagen (im werblichen Umfeld der Anlage K 3) gerichtet ist.
  73. Darüber hinaus ist der Unterlassungsvertrag unter Beachtung der oben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze dahin auszulegen, dass sie auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen soll, d.h. Internetwerbungen, in denen sich das Charakteristische der zu unterlassenden Werbung wiederfindet. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte mit der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung dazu verpflichtet hat, die in den Ziffern (1) bis (13) angeführten Aussagen zur „Orthokin-Therapie“ und/oder zum „Orthokin-Serum“, „wie sie am 06.01.2014 auf www.D.de, in der Sektion „Patienten“, abrufbar waren, im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Denn aus dieser Formulierung kann nicht gefolgert werden, dass der Beklagten nur ein zur Anlage K 3 identischer Internetauftritt verboten sein sollte, aber keine im Kern gleichartige Internetwerbung. Dagegen spricht schon, dass in der Unterlassungserklärung ganz bestimmte Aussagen zur „Orthokin-Therapie“ und/oder zum „Orthokin-Serum“ benannt werden und sich die Beklagte nicht bloß dazu verpflichtet hat, in der aus der Anlage K 3 ersichtlichen Art und Weise im Internet zu werben.
  74. Vor diesem Hintergrund ist die Unterlassungsvereinbarung bei interessengerechter Auslegung dahin zu interpretieren, dass die Beklagte auch die Verwendung der in der Unterlassungserklärung genannten Aussagen in Bezug auf die im Rahmen der „Orthokin-Therapie“ zum Einsatz kommenden „EOT-II-Spritze“ zu unterlassen hat, wenn dies im Zusammenhang mit der „Orthokin-Therapie“ und/oder dem „Orthokin-Serum“ geschieht und sich diese Angaben auch auf diese Therapie und/oder dieses Serum beziehen, wobei insoweit – da es hier nicht um Zeichenrechte geht – eine ausdrückliche Bezeichnung der Therapie als „Orthokin-Therapie“ bzw. des Serums als „Orthokin-Serum“ nicht erforderlich ist, sondern es ausreicht, dass die betreffende Therapie bzw. das betreffende Serum objektiv (der Sache nach) beschrieben wird. Bei einer solchen Werbung handelt es sich nämlich um eine im Kern gleichartige Werbung zur Werbung gemäß der Anlage K 3. Die Verwendung der „EOT-II-Spritze“ ist zum einen ein notwendiger und zentraler Bestandteil der „Orthokin-Therapie“, da mittels dieser Spezialspritze das dem Patienten im Rahmen der Therapie zu injizierende „Orthokin-Serum“ hergestellt wird. Die „EOT-II-Spritze“ kommt – soweit ersichtlich – auch allein im Rahmen dieser Therapie zum Einsatz. Zum anderen werden jedenfalls Verbraucher, insbesondere Patienten, eine Differenzierung zwischen Therapie und/oder dem Serum auf der einen Seite und der „EOT-II-Spritze“ auf der anderen Seite nicht vornehmen und auch gar nicht vornehmen können, wenn in einer Bewerbung des Medizinprodukts die Vorteilhaftigkeit der mit diesem Produkt durchgeführten Therapie und/oder des mittels dieses Produkts hergestellten Serums herausgestellt wird. Auf die Sicht dieses Verkehrskreises kommt es hier jedoch an, weil der Beklagten nach dem Wortlaut der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung eine entsprechende Internetwerbung nur verboten ist, wenn und soweit die werblichen Aussagen auch von Personen abgerufen werden können, die nicht zum Handel und/oder zur Anwendung befugt sind, insbesondere von Patienten.
  75. Soweit die Beklagte einwendet, dass die Unterlassungserklärung eine Beschränkung auf Darstellungen außerhalb der Fachkreise nach § 10 Abs. 1 HWG beinhalte, steht dies der dargetanen Auslegung der Unterlassungsvereinbarung nicht entgegen. Wie ausgeführt, kann eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungserklärung nur vorliegen, wenn sich die betreffenden Angaben – aus Sicht des Publikums – auch auf das „Orthokin-Serum“ und/oder die „Orthokin-Therapie“ beziehen, mithin auch auf das im Rahmen der so genannten Orthokin-Therapie hergestellte und verabreichte Mittel (ACS) mit Eigenblut des Patienten, bei dem es sich – wie die Beklagte im Berufungsrechtszug unwidersprochen vorgetragen hat – um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt. Aus der Formulierung der Unterlassungserklärung, die der Kläger akzeptiert hat, ergibt sich im Übrigen nur, dass sich die Beklagte nicht (auch) dazu verpflichten wollte, es zu unterlassen, ausschließlich gegenüber Personen, die zum Handel und/oder Anwendung befugt sind, entsprechend im Internet zu werben. Ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung setzt daher voraus, dass die werblichen Aussagen zur „Orthokin-Therapie“ und/oder zum „Orthokin-Serum“ (auch) von Personen abgerufen werden können, die nicht zu den Fachkreisen gehören. Das trifft auf die hier angegriffene Internetwerbung gemäß Anlage K 6 zu. Diese konnte nicht nur von Fachkreisen, sondern von jedermann abgerufen werden und sie hat sich – wie sogleich noch näher ausgeführt wird – auch an Verbraucher, insbesondere Patienten, gerichtet. Dem entsprechenden Einwand der Beklagten kommt deshalb in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe keine Bedeutung zu. Es kann sich allein die Frage stellen, ob ein vertraglicher Unterlassungsanspruch auf eine Werbung im Internet außerhalb der Fachkreise beschränkt ist. Für den geltend gemachten Vertragsstrafenanspruch spielt dies keine Rolle.
  76. (3)
    Hiervon ausgehend verstößt die beanstandete Internetwerbung gegen die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung.
  77. (3.1)
    Die in Rede stehende Internetwerbung der Beklagten gemäß Anlage K 6 hat nicht nur die „EOT-II-Spritze“ zum Gegenstand, sondern umfasst auch das so genannte Orthokin-Serum, das mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellt wird, sowie die so
    genannte Orthokin-Therapie als solche.
  78. Ein erstes Indiz dafür, dass es letztlich um den Einsatz der als Medizinprodukt beworbenen „EOT-II-Spritze“ im Rahmen einer bestimmten Therapie geht, ergibt sich – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – bereits aus dem Impressum der Internetseite (Anlage K 6, Blatt 1), wo es unter der Überschrift „Inhalt des Onlineangebotes“ unter anderen heißt, dass sowohl die Diagnose als auch die „Therapie“ ausschließlich ärztliche Tätigkeiten sind und die auf dieser Website enthaltenen medizinischen Informationen keinesfalls die Beratung durch einen Arzt ersetzen können. Dass es gerade um ein Verfahren bzw. eine Behandlung geht, wird den Adressaten der Werbung sodann ferner durch die gleich auf mehreren Unterseiten benutzten Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“ (Anlage K 6, Blatt 3, 4, 6, 7, 8, 11, 17) vor Augen geführt, wobei bereits die herausgestellte Angabe „BEI ARTHROSE UND GELENKPROBLEMEN“ (Anlage K 6, Blatt 3) verdeutlicht, dass es sich bei der in Rede stehenden Behandlung um eine solche bei Arthrose und Gelenkproblemen handelt. Darauf wird in der weiteren Werbung sogar explizit hingewiesen, wenn es dort im Text heißt, dass die Anwendung der „EOT-II-Spritze“ „im Rahmen einer nicht-operativen Behandlung bei Arthrose und Gelenkbeschwerden“ erfolgt (vgl. Anlage K 6, Blatt 4). Ferner ist in der Werbung der Beklagten (Anlage K 6, Blatt 5) – wiederum unter dem Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“ – davon die Rede, dass bereits zahlreiche Patienten „erfolgreich behandelt“ worden seien (dazu sogleich weiter). In der angegriffenen Internetwerbung wird zudem das mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellte („Orthokin“-)Serum gleich mehrfach ausdrücklich erwähnt. So heißt es in der beanstandeten Werbung zum Beispiel (Anlage K 6, Blatt 4), dass durch das patentierte Verfahren „mit der EOT®-II-Spritze im Labor durch den behandelnden Arzt autologes konditioniertes Serum (kurz ACS)“ hergestellt wird. Ferner wird ausgeführt (Anlage K 6, Blatt 6), dass die „EOT®-II-Spritze“ bei niedergelassenen Ärzten für die Herstellung des „Autologen konditionierten Serums ACS“ verwendet wird. Damit wird das so genannte Orthokin-Serum ausdrücklich angesprochen, wenn auch die Bezeichnung „Orthokin-Serum“ nicht verwandt wird. Der Sache nach handelt es sich aber offensichtlich um dasjenige Serum, welches mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellt und (anderweitig) als „Orthokin-Serum“ bezeichnet wird. Die Beklagte weist in ihrem Internetauftritt (Anlage K 6, Blatt 6) unter dem Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“– wie bereits erwähnt – des Weiteren hinsichtlich der Kooperation mit einem russischen Partner darauf hin, dass im Rahmen der betreffenden Zusammenarbeit schon zahlreiche Patienten in zwei namentlich benannten russischen Kliniken „erfolgreich behandelt“ worden seien. Mangels gegenteiliger Hinweise verstehen die auch angesprochenen Verbraucher diese Angabe dahin, dass sie sich auf die Behandlung von Patienten mittels des durch die „EOT-II-Spritze“ hergestellten „autologen konditionierten Serums“ bezieht, welches Serum ebenso wie die Spritze auf der betreffenden Seite erwähnt wird. In der Sache geht es damit, woran kein vernünftiger Zweifel bestehen kann, um das „Orthokin-Serum“ und um die „Orthokin-Therapie“, welche unter Verwendung der „EOT-II-Spritze“ durchgeführt wird und für deren Anwendung sich die angesprochenen Patienten entscheiden sollen. Dementsprechend heißt es in der weiteren Werbung (Anlage K 6, Blatt 13) auch, dass das „Autologe Konditionierte Serum (ACS)“ für jeden Patienten individuell unter Laborbedingungen beim Orthopäden hergestellt wird, und es wird damit geworben, dass das Verfahren seit 1997 von mehreren 100 Orthopäden in vielen Ländern praktiziert werde, die in fast 20 Jahren mehrere 100.000 Patienten behandelt hätten. Ferner wird in der Werbung (Anlage K 6, Blatt 14) darauf hingewiesen, dass die „EOT-II-Spritze“ „von Orthopäden im Rahmen der konservativen Therapie der Krankheitsbilder“ „arthrosebedingte Gelenkschmerzen“, „Rückenschmerzen“ sowie „Sehnen- und Muskelschmerzen“ eingesetzt wird. Der Sache nach wird damit die so genannte Orthokin-Therapie beworben, was sich auch aus der Unterseite „B.com/de.orthokin/produkt/Herstellung“ (Anlage K 6, Blatt 18) ergibt, auf der es heißt (Hervorhebungen hinzugefügt):
  79. „Mit dem patentierten Medizinprodukt EOT®-II-Spritze der 2. Generation wird durch ein spezielles Verfahren beim Orthopäden das sogenannte autolog-konditionierte Serum (oder kurz ACS) gewonnen. ACS steht für einen molekularbiologischen Ansatz der Blutaufbereitung beim Orthopäden. Im Gegensatz zu anderen gängigen Blutaufbereitungsverfahren wird körpereigenes Blut mit EOT®-II-Spritze in nur einer einzigen Sitzung mit nur einer Blutabnahme beim behandelnden Arzt gewonnen. Durch das spezielle Aufbereitungsverfahren werden im Serum sowohl Wachstumsfaktoren als auch so genannte Interleukin-Antagonisten angereichert. Interleukin-Antagonisten sind die körpereigenen, molekularbiologischen Gegenspieler der Interleukin-Botenstoffe der Zellen des Immunsystems.
  80. Die Herstellung des ACS ist einfach und im von B zertifizierten und behördlich angezeigten Labor schnell durchführbar: Nach der Blutabnahme aus nur einer einzigen Sitzung wird das Blut im patentierten Medizinprodukt EOT®-II inkubiert. Später wird das aufbereitete Blut im Labor der Arztpraxis zentrifugiert und dadurch in feste Bestandteile und in das Serum getrennt. In der Regel gewinnt der Arzt das ACS am gleichen Tag der Blutabnahme. Das Serum wird für jeden Patienten individuell unter Laborbedingungen beim Orthopäden hergestellt und kann dort über sieben Monate bei -18 °C bis zur Verwendung gelagert werden.
  81. Die Herstellung und Anwendung des ACS ist eine Igel-Leistung und wird durch die gesetzliche Krankenversicherung zurzeit noch nicht erstattet. …“
  82. Hiermit wird ersichtlich die so genannte Orthokin-Therapie beschrieben, auch wenn der letzte Verfahrensschritt in Gestalt der Injektion des mittels der „EOT-II-Spritze“ gewonnenen Serums nicht explizit erwähnt wird. Da auf die „Verwendung“ bzw. „Anwendung“ des ACS durch den behandelnden Orthopäden hingewiesen wird, ist indes auch dem medizinischen Laien klar, dass das mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellte Serum dem Patienten verabreicht wird. Letztlich werden in der Werbung der Beklagten (Anlage K 6, Blatt 19) – wiederum unter dem Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“ – sogar „zertifizierte Praxen und Kliniken, welche die Herstellung von autolog konditioniertem Serum mit der EOT®-II-Spritze“ – und damit die so genannte Orthokin-Therapie – „anbieten“, namentlich benannt, so dass sich an einer entsprechenden Behandlung interessierte Personen, die z.B. an Arthrose leiden, unmittelbar an diese wenden können. Dass die genannten Praxen und Kliniken das von ihnen mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellte Serum, also das „Orthokin-Serum“, den Patienten auch verabreichen, liegt für jedermann auf der Hand und muss daher in der Werbung nicht ausdrücklich erwähnt werden.
  83. Es kann vor diesem Hintergrund kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass mit der beanstandeten Werbung auch das als „Orthokin-Serum“ bezeichnete Serum und die als „Orthokin-Therapie“ bezeichnete Therapie beworben werden.
  84. Darauf, dass – worauf das Landgericht abgestellt hat – in der URL der relevanten Unterseiten (www.B.com/de/orthokin) der Begriff „Orthokin“ verwendet wird, kommt es unter diesen Umständen nicht einmal entscheidend an.
  85. (3.2)
    Die angesprochenen Verbraucher verstehen die in Rede stehenden Angaben „SCHMERZ LINDERN“, „BEI ARTHROSE“ und „ENTZÜNDUNGSHEMMEND“ im Kontext dahin, dass sich diese Aussagen auf die Verabreichung des mittels der
    „EOT-II-Spritze“ hergestellten „Orthokin-Serums“ und damit auf die „Orthokin-Therapie“ beziehen.
  86. (3.2.1)
    Wie soeben dargetan, bezieht sich die Werbung der Beklagten nach dem Gesamtzusammenhang auch auf die als „Orthokin-Therapie“ bezeichnete Therapie und das als „Orthokin-Serum“ bezeichnete Serum. Wenn die Beklagte in ihrer Internetwerbung mit dem Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“ wirbt, verstehen die angesprochen Verbraucher, insbesondere Patienten, die hierin enthaltene Angabe „SCHMERZ LINDERN“ vor diesem Hintergrund dahin, dass mit dem im Rahmen der Behandlung verabreichten „autologen konditionierten Serum (ACS)“, also dem „Orthokin-Serum“, welches mit der „EOT-II-Spritze“ hergestellt wird, Schmerzen, und zwar die in der Werbung gemäß Anlage K 6 angesprochenen arthrosebedingten Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen sowie Sehnen- und Muskelschmerzen, gelindert werden können. Der schlagwortartigen Angabe „SCHMERZ LINDERN“ entnimmt der angesprochene Verbraucher, dass die Verabreichung des beschriebenen Serums zur Schmerzlinderung erfolgt, und er geht mangels anderweitiger Erläuterungen selbstverständlich davon aus, dass die entsprechende Behandlung bei einem betroffenen Patienten eine therapeutisch relevante Schmerzlinderung bewirken kann. Die Aussage „SCHMERZ LINDERN“ versteht er deshalb ungeachtet des von der Beklagten benutzten Imperativs im Sinne von „schmerzlindernd“, und zwar bezogen auf die Therapie bzw. das im Rahmen dieser Therapie hergestellte und dem Patienten verabreichte Serum, weshalb hierin eine (kerngleiche) Zuwiderhandlung gegen Ziffer (2) der Unterlassungserklärung liegt.
  87. (3.2.2)
    Ebenso liegt in der Angabe „BEI ARTHROSE“ ein kerngleicher Verstoß gegen Ziffer (9) der Unterlassungserklärung, weil die Adressaten diese Angabe aus den vorstehenden Gründen dahin verstehen, dass das (auch) beworbene „Orthokin-Serum“ bei einer Arthrose-Erkrankung verabreicht bzw. die (auch) beworbene „Orthokin-Therapie“ bei einer Arthrose-Erkrankung angewandt wird.
  88. (3.2.3)
    Die Verwendung der Angabe „ENTZÜNDUNGSHEMMEND“ in der beanstandeten Internetwerbung stellt schließlich eine Zuwiderhandlung gegen Ziffer (3) der Unterlassungserklärung dar.
  89. Die von der Beklagten in ihrer Internetwerbung benutzte Formulierung „ENTZÜNDUNGSHEMMEND, WACHSTUMSFÖRDERND – SO WIRD DAS BLUT AUFBEREITET“ enthält auch die unter Ziffer (3) der Unterlassungserklärung aufgeführte Angabe „Entzündungshemmend“. Wie sich aus dem Zusatz „SO WIRD DAS BLUT AUFBEREITET“ ergibt, wird hiermit eine Eigenschaft des aufbereiteten Blutes und damit des so genannten Orthokin-Serums behauptet. Diese Aussage mag für sich betrachtet nicht unzutreffend sein, weil die in dem „Orthokin-Serum“ enthaltenen Zytokine als solche eine entzündungshemmende (anti-inflammatorische) Wirkung haben. Nach der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung hat sich die Beklagte jedoch ausdrücklich auch dazu verpflichtet, die Aussage „entzündungshemmend“ nicht im Zusammenhang mit dem „Orthokin-Serum“ im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Daraus, dass die Werbung nach der Formulierung der
    Unterlassungserklärung nicht geschehen soll, wie die Aussage am 06.01.2014 auf www.D.de in der Sektion „Patienten“ abrufbar war, auf welcher Internetseite die in Rede stehende Angabe unmittelbar zur „Orthokin-Therapie“ getätigt wurde, kann die Beklagte schon aus diesem Grunde nichts herleiten. Durch die gewählte Formulierung der Unterlassungserklärung hat sich die Beklagte ausdrücklich auch zur Unterlassung der Aussage „Entzündungshemmend“ in Bezug auf das „Orthokin-Serum“ verpflichtet.
  90. Abgesehen davon versteht der Verbraucher – wie bereits an dieser Stelle angemerkt werden soll – die Angabe „ENTZÜNDUNGSHEMMEND“, da sich die Werbung der Beklagten eben in der Sache auch auf die „Orthokin-Therapie“ bezieht, dahin, dass das im Rahmen dieser Therapie verabreichte „Orthokin-Serum“ im menschlichen Organismus bei der in der Werbung angesprochene Krankheit Arthrose sowie den dort ferner erwähnten Beschwerden eine entzündungshemmende Wirkung hat und damit entsprechend therapeutisch wirkt. Das gilt umso mehr, als die betreffende Aussage unter dem besonders herausgestellten Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“ getätigt wird, was der Verbraucher unweigerlich auf die Behandlung eines Patienten mit dem unter Einsatz der „EOT-II-Spritze“ hergestellten Serum bezieht. Der Sache nach wird damit – wie schon in der der Unterlassungserklärung zugrunde liegende Werbung gemäß Anlage K 3 – behauptet, dass das im Rahmen der „Orthokin-Therapie“ hergestellte und injizierte
    „Orthokin-Serum“ bei einem Patienten entzündungshemmend wirkt, weshalb hierin ein kerngleicher Verstoß gegen Ziffer (3) der Unterlassungserklärung liegt.
  91. c)
    Die Zuwiderhandlung ist nach den unangefochtenen und auch zutreffenden Feststellungen des Landgerichts schuldhaft erfolgt, nämlich jedenfalls fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB. Hätte die Beklagte als Unterlassungsschuldnerin und einschlägig Werbetreibende die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, hätte sie vor der Aufnahme ihrer neuen Werbung den Inhalt und die Reichweite der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung sorgfältig geprüft und hätte sie jedenfalls bei zutreffender rechtlicher Beratung feststellen können, dass die beanstandete Werbung hiergegen verstößt.
  92. d)
    Die Vertragsstrafe in Höhe von 15.300,00 EUR ist nach den ebenfalls unangefochtenen und auch zutreffenden Feststellungen angemessen festgesetzt.
  93. e)
    In Bezug auf das Verschulden der Beklagten sowie die Höhe der Vertragsstrafe bedurfte es keinerlei Hinweise des Senats. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt. Es hat hierbei das erforderliche Verschulden der Beklagten festgestellt und auch die festgesetzte Vertragsstrafe in Höhe von 15.300,- EUR für angemessen befunden. Sofern die Beklagte dies mit der Berufung angreifen will, hätte sie dies in der Berufungsbegründung oder aber jedenfalls im Laufe des Berufungsverfahrens dartun können und müssen, weshalb die landgerichtliche Entscheidung insoweit unzutreffend sein soll.
  94. 2.
    Dem klagebefugten Kläger steht auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
  95. a)
    Der Kläger ist, wovon das Landgericht unangefochten und zutreffend  ausgegangen ist, gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt und sachlich-rechtlich anspruchsberechtigt ist.
  96. b)
    Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG (= § 4 Nr. 11 UWG a.F.) i.V.m. § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG begründet.
  97. aa)
    Der Unterlassungsantrag – und der auf ihm beruhende Unterlassungstenor des landgerichtlichen Urteils – ist auf ein Verbot der konkreten Verletzungsform, d.h. auf ein Verbot jeder der im Antrag wiedergegeben Aussagen gerichtet, und zwar im werblichen Umfeld der als Anlage K 6 vorgelegten Internetwerbung der Beklagten. Zwar sind die im Unterlassungsantrag zu 1. bis 8. angeführten Aussagen nicht mit der Angabe „und/oder“ verknüpft. Aufgrund der bezüglich der Verbindungsanlage K 6 verwendeten Formulierung „jeweils wenn dies geschieht …“ und der Klagebegründung ergibt sich jedoch, dass der Kläger kein einheitliches kumulatives Verbot aller streitgegenständlichen Angaben, sondern jeweils isolierte Verbote geltend macht. Das Landgericht hat dementsprechend in den Gründen seiner Entscheidung in Bezug auf die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung zutreffend darauf hingewiesen, dass das ausgesprochene Verbot jede der angegriffenen Aussagen für sich in ihrem konkreten Verwendungszusammenhang erfasst.
  98. bb)
    Das Landgericht hat den der Klägerin in Bezug auf die einzelnen beanstandeten Angaben zuerkannten Unterlassungsanspruch in erster Linie auf gesetzlicher Grundlage zugesprochen, hinsichtlich der im Tenor zu IV. unter Ziffern 1, 2 und 3 angeführten Äußerungen aber „im Übrigen“ und damit auch auf die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung gestützt. Der Kläger hatte in der Klageschrift vom 15.06.2016 (Seite 19/20) den geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Aussagen zu Ziffern 1 bis 3 hingegen in erster Linie auf die von der Beklagten eingegangene Unterlassungsverpflichtung und lediglich „hilfsweise“ auf gesetzliche Grundlage gestützt. Hierin liegt – was die Beklagte mit der Berufung auch nicht geltend macht – kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Das Landgericht hat dem Kläger nicht etwas zugesprochen, was dieser nicht beantragt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO).
  99. (1)
    Nach § § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das zusprechende Urteil muss sich innerhalb des mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstands halten (vgl. BGHZ 154, BGHZ 342, 347 f. = GRUR 2003, 716 – Reinigungsarbeiten; BGHZ 207, 71 Rn. 63 = GRUR 2015, 1214 – Goldbären; GRUR 2016, 1301 Rn. 26 – Kinderstube; GRUR 2018, 203 Rn. 15 – Betriebspsychologe). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 194, 314 Rn. 19 = GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser; BGH, GRUR 2016, 292 Rn. 11– Treuhandgesellschaft; GRUR 2016, 1301 Rn. 26 – Kinderstube; GRUR 2018, 203 Rn. 15 – Betriebspsychologe). Deshalb entscheidet ein Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über etwas anderes, als beantragt ist, wenn es seinem Urteilsspruch über einen Unterlassungsantrag einen anderen Klagegrund zugrunde legt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Antrag begründet hat (BGH, GRUR 1992, 552, 554 – Stundung ohne Aufpreis; BGHZ 154, 342, 347 f. = GRUR 2003, GRUR 716 – Reinigungsarbeiten; GRUR 2018, 203 Rn. 15 – Betriebspsychologe).
  100. (2)
    Das Landgericht hat seiner Verurteilung hier keinen anderen Klagegrund zugrunde gelegt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Unterlassungsantrag begründet hat. Denn es liegt nur ein Streitgegenstrand vor.
  101. Der neben dem Klageantrag für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche Klagegrund wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht (BGHZ 194, 314 Rn. 19 = GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser; BGH, GRUR 2018, 203 Rn. 17 – Betriebspsychologe). Bei einem einheitlichen Klagebegehren liegen verschiedene Streitgegenstände vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (BGHZ 194, Rn. 19 = GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser; BGH, GRUR 2018, 203 Rn. 17 – Betriebspsychologe). Das ist etwa der Fall, wenn der Kläger sein Klagebegehren auf ein Schutzrecht und auf ein von ihm als wettbewerbswidrig angesehenes Verhalten des Beklagten stützt oder seinen Anspruch aus mehreren Schutzrechten herleitet. Unter diesen Voraussetzungen liegen auch bei einem einheitlichen Klageantrag mehrere Streitgegenstände vor (BGH, GRUR 2013, Rn. 13 – Peek & Cloppenburg III; GRUR 2014, GRUR 2014, 393 Rn. 14 – wetteronline.de; GRUR 2014, 785 Rn. 21 – Flugvermittlung im Internet; GRUR 2018, 203 Rn. 17 – Betriebspsychologie). Von einem Lebenssachverhalt – und folglich einem Klagegrund – ist im Regelfall hingegen auszugehen, wenn der Kläger das beantragte Verbot sowohl auf einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch als auch auf einen Anspruch auf Grund einer Unterlassungsvereinbarung stützt, die die Parteien nach einer vorausgegangenen Verletzungshandlung getroffen haben (BGH, GRUR 2013, 397 Rn. 14 – Peek & Cloppenburg III). So verhält es sich hier.
  102. Dem steht nicht entgegen, dass sich aus der Unterlassungsvereinbarung möglicherweise nur ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch ergibt, welcher darauf gerichtet ist, die beanstandeten Aussagen im Internet öffentlich zugänglich zu machen, wenn und soweit diese werblichen Aussagen auch von Personen abgerufen werden können, die nicht zum Handel und/oder zur Anwendung befugt sind, insbesondere Patienten. Denn dies ist allein eine Frage der sachlichen Reichweite des vertraglichen Unterlassungsanspruchs und steht der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes nicht entgegen. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass der Kläger, da er das landgerichtliche Urteil insgesamt verteidigt, den geltend gemachten Unterlassungsantrag hinsichtlich der im Tenor zu IV. des landgerichtlichen Urteils unter Ziffern 1, 2 und 3 angeführten Äußerungen entsprechend der Urteilsbegründung des Landgerichts nunmehr primär auf eine gesetzliche Grundlage stützt.
  103. cc)
    Die Beklagte hat mit der im Klageantrag zu IV. beanstandeten Werbung im Internet gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG verstoßen, was zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten gemäß §§ 3, 3a UWG begründet. Der Kläger kann deshalb nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG von der Beklagten die Unterlassung des wettbewerbswidrigen Handelns verlangen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg. Die beanstandeten Aussagen sind Bestandteil einer irreführenden Werbung auf dem Gebiet des Heilmittelwesens. Diese Werbung ist unzulässig, weil sie irreführend der Gabe des „Orthokin-Serums“ bzw. der „Orthokin-Therapie“ eine Wirksamkeit bzw. Wirkungen zuschreibt, die nicht belegt sind.
  104. (1)
    Die Beklagte hat gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 3a UWG verstoßen, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Marktverhaltensregelung ist in § 3 HWG zu sehen, da die Bestimmungen des § 3 HWG den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (vgl. BGH, GRUR 2015, 1244 Rn. 13 – Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; OLG Celle, GRUR-RR 2018, 372 Rn. 24 – Nervenschmerzen; OLG Hamm, GRUR-RR 2009, 186, 187 – Heilstollen; GRUR-RR 2014, 412, 414 – Begleitende Kinesiologie; OLG München, Urt. v. 2.3.2017 – 29 U 4641/16, BeckRS 2017, 112350 – Neodolor I; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 33 – Salzgrotte; OLG Stuttgart, GRUR-RR 2017, 448 Rn. 39 – Zeolith).
  105. (2)
    Der Anwendungsbereich des HWG ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG finden die Vorschriften dieses Gesetzes unter anderem Anwendung auf Werbung für „andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht“. Das ist hier bei den in Rede stehenden Aussagen der Fall. Dies folgt schon daraus, dass sich die beanstandete Werbung auf die im Rahmen der so genannten Orthokin-Therapie eingesetzte „EOT-II-Spritze“ bezieht. Das HWG ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG auch auf die Medizinprodukte im Sinne des § 3 MPG anzuwenden. Um ein solches Medizinprodukt handelt es sich bei der im Rahmen der „Orthokin-Therapie“ zur Anwendung kommenden Spezialspritze. Darüber hinaus umfasst die Werbung der Beklagten aus den bereits angeführten Gründen aber auch das im Rahmen der „Orthokin-Therapie“ hergestellte und dem Patienten verabreichte „Orthokin-Serum“ und die „Orthokin-Therapie“ als solche, bei der es sich um ein Verfahren bzw. eine Behandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG handelt.
  106. (3)
    Die streitgegenständliche Werbung fällt unter § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG. Beworben wird auch ein Verfahren bzw. eine Behandlung, der eine
    therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkung beigelegt wird. Der entsprechenden Beurteilung des Landgerichts tritt der Senat bei.
  107. (4)
    Die Beklagte hat mit der beanstandeten Werbung gegen § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG verstoßen.
  108. (4.1)
    Nach § 3 Satz 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Medizinprodukten, Verfahren und Behandlungen eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.
  109. Ob und inwieweit eine Werbung mit Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen irreführend ist, bemisst sich nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Angehörigen der Verkehrskreise, an welche sich die Werbung richtet. Dies können die Verbraucher sein, aber auch nur bestimmte Gruppen von Verbraucher. Adressaten können allerdings auch „Fachkreise“ sein oder auch nur ein Teil von diesen (vgl. Fritsche, Medizinrecht, 3. Aufl., § 3 HWG Rn. 3). Wendet sich eine Werbung – wie hier – sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum (oder Teile davon), so reicht es aus, wenn eine Irreführungsgefahr bei einer der Adressatengruppen besteht (vgl. OLG Oldenburg, GRUR-RR 2006, 243, 244 – IgG-Antikörpertest; Fritsche, a.a.O., § 3 HWG Rn. 4).
  110. Die Frage, ob eine Wirkungs- bzw. Wirksamkeitsangabe den Adressaten der Werbung in die Irre führt, ist hierbei in Anwendung des für die gesundheitsbezogene Werbung allgemein geltenden strengen Maßstabs zu entscheiden (OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 38 – Salzgrotte). Weil mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung verbunden sein können, sind insoweit an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 – Das Beste jeden Morgen; GRUR 2012, 647 Rn. 33 – Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; KG, Urt. v. 19.06.2015 – 5 U 120/13, WRP 2016, 389 = BeckRS 2015, 15622; Urt. v. 11.03.2016 – 5 U 151/14, BeckRS 2016, 10350; OLG Hamburg, Beschl. v. 05.11.2012 – 3 W 18/12, BeckRS 2013, 1067; GRUR-RR 2018, 156 Rn. 26 – genetische Stoffwechselanalyse; OLG Hamm, GRUR-RR 2014, 412, 414 – Begleitende Kinesiologie; OLG Köln, Urt. v. 01.04.2016 – 6 U 108/15, BeckRS 2016, 10356; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 38 – Salzgrotte; OLG Stuttgart, GRUR-RR 2017, 448 Rn. 44 – Zeolith). Dies rechtfertigt sich zudem daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen (BGH, GRUR 2002, 182, 185 – Das Beste jeden Morgen; OLG Köln, Urt. v. 01.04.2016 – 6 U 108/15, BeckRS 2016, 10356; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 156 Rn. 26 – genetische Stoffwechselanalyse). Irreführend sind solche Werbeaussagen, die geeignet sind, im konkreten Fall eine Divergenz zwischen der Vorstellung des Adressaten und der Wirklichkeit herbeizuführen (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; Nomos-BR/Zimmermann, HWG, § 3 Rn. 2). Dabei wird auch die Werbung mit unzureichend wissenschaftlich gesicherten Wirkungsaussagen erfasst (OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 431, 432 – Kenspinresonantherapie; OLG Hamburg, Beschl. v. 05.11.2012 – 3 W 18/12, BeckRS 2013, 1067; OLG Hamm, GRUR-RR 2014, 412, 414 – Begleitende Kinesiologie; vgl. auch OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88 – Chitosan; OLG Jena, Urt. v. 20.07.2011 − 2 U 211/11, NJOZ 2012, 254 = BeckRS 2011, 22046 – Massagematten; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 38 ff. – Salzgrotte). Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung nämlich generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, GRUR 2012, 647 Rn. 33 – Injectio; GRUR 2013, 649 Rn. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; GRUR 2015, 1244 Rn. 16 – Äquipotenzangabe in Fachinformation; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; OLG Celle, GRUR-RR 2018, 372 Rn. 36 – Nervenschmerzen; KG, Urt. v. 19.06.2015 – 5 U 120/13, WRP 2016, 389 = BeckRS 2015, 15622; Urt. v. 11.03.2016 – 5 U 151/14, BeckRS 2016, 10350; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 38 – Salzgrotte).
  111. Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem Kläger als Unterlassungsgläubiger (BGH, GRUR 2013, 649 Rn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Hat der Beklagte mit einer fachlich zumindest umstrittenen Meinung geworben, ohne auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung hinzuweisen, kommt es jedoch zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 431, 432 – Kenspinresonantherapie; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2018, 483 Rn. 24 – Craniosakrale Osteopathie; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 156 Rn. 27 – genetische Stoffwechselanalyse; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 39 – Salzgrotte). Der Beklagte muss dann den Beweis für die Richtigkeit seiner Aussagen erbringen (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2018, 483 Rn. 24 – Craniosakrale Osteopathie; OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 39 – Salzgrotte). Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er deshalb im Streitfall auch beweisen muss (vgl. BGH, GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II; GRUR 2013, 649 Rn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639; OLG Hamburg, GRUR-RR 2018, 156 Rn. 27 – genetische Stoffwechselanalyse; OLG Jena, GRUR-RR 2016, 168 Rn. 11 – Augenakupunktur; KG, Urt. v. 19.06.2015 – 5 U 120/13, WRP 2016, 389 = BeckRS 2015, 15622; OLG Köln, Urt. v. 01.04.2016 – 6 U 108/15, BeckRS 2016, 10356; OLG Stuttgart, GRUR-RR 2017, 448 Rn. 52 – Zeolith).
  112. (4.2)
    Im Streitfall legen die mit dem Antrag zu IV. beanstandeten Aussagen im Gesamtkontext der Gabe des mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellten „Orthokin-Serums“ und damit der „Orthokin-Therapie“ als solcher therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkungen bei, ohne dass die Beklagte diese belegt hätte.
  113. (4.2.1)
    Die Internetwerbung der Beklagten richtet sich nicht nur an Fachkreise, sondern auch an medizinische Laien, nämlich an „interessierte“ Verbraucher und Personen, die an Arthrose leiden (Anlage K 6, Blatt 3), Gelenkprobleme (vgl. Anlage K 6, Blatt 3) bzw. arthrosebedingte Gelenkschmerzen (Anlage K 6, Blatt 14) oder Sehnen- und Muskelschmerzen haben (Anlage K 6, Blatt 14). Hinsichtlich des Verständnisses dieses Verkehrskreises (nachfolgend nur: Verbraucher) ist – wie bereits erwähnt – auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Adressaten der streitgegenständlichen Werbung abzustellen. Da die Beklagte mit ihrer Werbung einen weiten Verkehrskreis anspricht, zu dem auch lediglich „interessierte“ Verbraucher gehören, kann das entsprechende Verkehrsverständnis hinsichtlich der Werbung vom Senat in eigener Sachkunde beurteilt werden, da dessen Mitglieder zu den angesprochen Verkehrskreisen gehören. Nichts anderes gilt im Übrigen, wenn man davon ausgehen wollte, dass sich die Werbung der Beklagten, was medizinische Laien anbelangt, nur an Personen richtet, die unter den in der Werbung angesprochenen Beschwerden leiden. Denn für ein abweichendes Verständnis dieser Verbrauchergruppe ist nichts dargetan und auch nichts
    ersichtlich.
  114. (4.2.2)
    Die einzelnen streitgegenständlichen Aussagen, die jeweils nach diesen Grundsätzen zu beurteilen sind, wobei aber auch der Sinnzusammenhang der Werbeaussagen und der für den Werbeadressaten sich ergebende Gesamteindruck der Werbung in die Beurteilung einzubeziehen ist, weisen, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, einen Bezug zu dem mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellten „Orthokin-Serum“ sowie der „Orthokin-Therapie“ auf. Dies gilt nicht nur für die bereits im Rahmen des Vertragsstrafeanspruchs behandelten Angaben (siehe oben), sondern auch für die ferner beanstandeten Aussagen. Die angegriffenen Angaben suggerieren hierbei dem Verbraucher eine therapeutische Wirksamkeit bzw. therapeutische Wirkungen des „Orthokin-Serums“ und der „Orthokin-Therapie“.
  115. (4.2.2.1)
    Wenn die Beklagte in ihrer Internetwerbung mit der Angabe „SCHMERZ LINDERN“ wirbt, wird dem Verbraucher suggeriert, dass durch die Verabreichung des mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellten „Orthokin-Serums“ und damit durch die „Orthokin-Therapie“ Schmerzen tatsächlich gelindert werden können, nämlich die in der Werbung angesprochenen arthrosebedingten Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen sowie Sehnen- und Muskelschmerzen. Dabei gehen die angesprochenen Verbraucher selbstverständlich davon aus, dass durch die Behandlung mit dem mittels der
    „EOT-II-Spritze“ hergestellten („Orthokin“-)Serums eine therapeutisch relevante Schmerzlinderung erreichbar ist. In diesem Sinne wird die Aussage von ihnen verstanden.
  116. (4.2.2.2)
    Die Angabe „ENTZÜNDUNGSHEMMEND“ versteht der Verbraucher hier, wie bereits ausgeführt, dahin, dass die Gabe des „Orthokin-Serums“ und damit die „Orthokin-Therapie“ im menschlichen Organismus bei der in der Werbung angesprochenen Krankheit Arthrose und den dort ferner angesprochenen Beschwerden eine entzündungshemmende Wirkung hat und damit entsprechend therapeutisch wirkt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zum Vertragsstrafenanspruch Bezug genommen.
  117. (4.2.2.3)
    Mit den Angaben „Bei Arthrose“, „Bei Gelenkproblemen“, „Rückenschmerzen“ sowie „Sehnen- und Muskelbeschwerden“ wird darauf hingewiesen, bei welcher Krankheit bzw. welchen Beschwerden die Gabe des mit der „EOT-II-Spritze“ hergestellten
    „Orthokin-Serums“ und damit die „Orthokin-Therapie“ indiziert ist, also etwas über den Einsatzbereich und das Anwendungsgebiet des Serums bzw. der unter Verwendung dieses Serums praktizierten Therapie ausgesagt. Wie das Landgericht
    zutreffend ausgeführt hat, wird den (auch) angesprochenen Verbrauchern hierdurch zugleich suggeriert, dass die in Rede stehende Behandlung eine lindernde bzw.
    heilende Wirkung bei der Krankheit Arthrose bzw. bei den in der Werbung ferner
    angesprochenen Beschwerden zukommt (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639 betreffend die Äußerung „Behandlungsmethode bei Arthrose“), die Behandlung also insoweit zur Linderung oder Heilung geeignet ist. Die Angabe bestimmter Indikationen impliziert insoweit aus der Sicht des Verbrauchers die Eignung des Verfahrens bzw. der Behandlung, Personen mit den angegebenen Beschwerden Linderung oder Heilung zu verschaffen. Andernfalls ergäbe der von der Beklagten in ihrer Werbung besonders herausgestellte
    Slogan „OPERATION VERMEIDEN, SCHMERZ LINDERN, HEILUNG FÖRDERN“ aus ihrer Sicht keinen plausiblen Sinn.
  118. (4.2.2.4)
    Durch die schlagwortartige Angabe „OPERATION VERMEIDEN“ wird dem Verbraucher suggeriert, bei Personen mit den in der Werbung angegebenen Beschwerden könne durch die Verabreichung des mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellten „Orthokin-Serums“ und damit durch die „Orthokin-Therapie“ eine Operation vermieden werden. Dies setzt voraus, dass durch die „Orthokin“-Behandlung eine Heilung der betreffenden Beschwerden erreichbar ist, durch die Behandlung aber zumindest eine solche Linderung der Beschwerden erzielbar ist, dass eine Operation nicht erforderlich ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird durch die in Rede stehende Formulierung hingegen nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass die „Orthokin-Therapie“ ohne Operation auskommt. Die Werbeangabe vermittelt den Verbrauchern vielmehr den Eindruck, dass durch die „Orthokin“-Behandlung ein ansonsten notwendiger operativer Eingriff vermieden werden kann.
  119. (4.2.2.5)
    Die schlagwortartige Angabe „HEILUNG FÖRDERN“ verstehen die angesprochenen Verbraucher im vorliegenden Kontext ebenfalls dahin, dass durch die Verabreichung des mittels der „EOT-II-Spritze“ hergestellten „Orthokin-Serums“ und damit durch die „Orthokin-Therapie“ die Heilung der in der Internetwerbung angesprochenen Beschwerden gefördert werden kann. Es wird mithin der Eindruck vermittelt, dass sich die „Orthokin“-Behandlung förderlich auf den Heilungsprozess auswirkt.
  120. (4.2.2.6)
    Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich damit bei sämtlichen beanstandeten Angaben aus Sicht derjenigen angesprochenen Personen, die keine Fachkreise sind, nicht lediglich um eine bloße Umschreibung eines Therapieziels oder Anwendungsfelds oder der Funktion einer Therapie in allgemeiner Form, sondern um Aussagen zur therapeutischen Wirksamkeit bzw. den therapeutischen Wirkungen der Verabreichung des mittels der EOT-II-Spritze hergestellten „Orthokin-Serums“ und damit der „Orthokin-Therapie“.
  121. (4.2.3)
    Das Landgericht hat festgestellt, dass die „Orthokin“-Therapie in der Wissenschaft umstritten ist und ihr Erfolg auch gegenwärtig als (noch) wissenschaftlich ungesichert gelten muss. Diese Feststellungen hat der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen, weil konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit nicht bestehen. Mit ihrer Berufungsbegründung hat sich die Beklagte gegen die entsprechende Feststellung des Landgerichts nicht gewandt. Soweit sie im Rahmen des Berufungsverfahrens erstmals im Verhandlungstermin geltend gemacht hat, die „Orthokin“-Therapie sei wissenschaftlich gesichert, sind ihre diesbezüglichen Ausführungen zum einen verspätet und zum anderen ohne Substanz. Insbesondere hat die Beklagte die von ihr im Verhandlungstermin angesprochene weitere Studie („Studie nach dem Goldstandard“), wie sie im Termin selbst erwähnt hat, nicht zu den Akten gereicht und sie hat auch nicht näher zu deren Inhalt vorgetragen. Hiervon ausgehend ist die Beklagte dafür beweispflichtig, dass die von ihr mit den beanstandeten Aussagen suggerierte therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkung zutrifft. Denn ihre Werbung enthält keine aufklärenden oder klarstellenden Hinweise darauf, dass die behauptete Wirksamkeit bzw. Wirkung des „Orthokin-Serums“ bzw. der „Orthokin-Therapie“ in der Wissenschaft nicht (ganz überwiegend) anerkannt ist. Den ihr obliegenden Nachweis hat die Beklagte nicht erbracht. Sie hat insbesondere nicht belegt, dass das „Orthokin-Serum“ im menschlichen Körper tatsächlich in therapeutisch relevanter Weise entzündungshemmend wirkt.
  122. (5)
    Der Gesetzesverstoß der Beklagten gegen die Marktverhaltensregelung des § 3 HWG ist im Sinne des § 3a UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Er verschafft der Beklagten nicht nur die Möglichkeit, sich damit einen Vorteil gegenüber gesetzestreuen Mitwettbewerbern zu verschaffen. Der Verstoß konterkariert insbesondere die mit der Verbotsregelung verbundenen Verbraucherschutzinteressen (vgl. OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2019, 184 Rn. 49 – Salzgrotte).
  123. (6)
    Der Verstoß gegen § 3 HWG stellt zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG und damit auch gegen § § 3 Abs. 1 UWG dar. Es ist regelmäßig unlauter, wenn in der Werbung Vorschriften verletzt werden, die, wie das Heilmittelwerbegesetz, zum Schutz der Bevölkerung erlassen worden sind (BGH, GRUR 1998, 498 – Fachliche Empfehlung III; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.04.2015 – 6 U 6/14, BeckRS 2015, 11639).
  124. (7)
    Entgegen der Auffassung der Beklagten wird ihr durch die Verurteilung zur Unterlassung der streitgegenständlichen Angaben nicht das Recht abgesprochen, auf allgemein akzeptierte Therapieziele sowie das tatsächliche Einsatzgebiet der „Orthokin-Therapie“ hinzuweisen. Denn es bleibt der Beklagten unbenommen, in ihrer Werbung in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeit bzw. Wirkung der „Orthokin-Therapie“ fachlich umstritten ist. Aus diesem Grunde liegt in dem ausgesprochenen Verbot auch keine Verletzung des durch Art. 5 GG geschützten Rechts auf „kommerzielle Meinungsfreiheit“. Wird mit einer fachlich umstrittenen Wirksamkeits- bzw. Wirkungsangabe geworben, muss der Werbende klarstellen, dass seine Überzeugung von der Wirksamkeit seiner Behandlung bzw. seines
    Produkts oder Mittels nicht unumstritten ist (vgl. OLG Stuttgart, GRUR-RR 2017, 448 Rn. 52 – Zeolith).
  125. dd)
    Die Wiederholungsgefahr als weitere Voraussetzung für den Verletzungsunterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) wird durch die Tatsache des Wettbewerbs-verstoßes vermutet. Die Wiederholungsgefahr hätte hinsichtlich der nicht von der Unterlassungserklärung erfassten angegriffenen Angaben grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden können, die die Beklagte aber trotz außergerichtlicher Abmahnung nicht abgegeben hat. Eine Wiederholungsgefahr besteht auch hinsichtlich der unter die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung fallenden Angaben. Begeht der Schuldner – wie hier – nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, mit der die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde, einen identischen oder im Kern gleichartigen Wettbewerbsverstoß, lebt die Wiederholungsgefahr zwar nicht wieder auf (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Aufl., § 8 Rn. 1.56 und § 12 Rn. 1.229). Ein neuer Wettbewerbsverstoß trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet jedoch regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 1.56). Diese kann grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden (BGH, GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.229).
  126. 3.
    Der dem Kläger vom Landgericht zuerkannte Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten für das eigene Abmahnschreiben vom 21.01.2016 (Anlage K 8) in Höhe von 178,50 EUR ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet. Die eigene Abmahnung vom 21.01.2016 war berechtigt. Die Höhe der zuerkannten Abmahnkosten wird von der Berufung nicht angegriffen.
  127. 4.
    Der Kläger kann jedoch von der Beklagten nicht den Ersatz ihr entstandener vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.141,90 EUR für das anwaltliche Schreiben vom 21.01.2016 (Anlage K 7) verlangen, weil diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nicht erforderlich waren.
  128. a)
    Ein Wettbewerbsverband muss auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen (vgl. BGH, GRUR 1984, 691, 692 – Anwaltsabmahnung; GRUR 2004, 448 – Auswärtiger Rechtsanwalt IV; GRUR 2008, 928 Rn. 15– Abmahnkostenersatz; GRUR 2017, 926 Rn. 13 – Anwaltsabmahnung II). Dieses Erfordernis trägt dem Umstand Rechnung, dass solche Verbände nur dann gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klage- und anspruchsbefugt sind, wenn sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen (BGH, GRUR 2008, 996 Rn. 38 – Clone-CD; GRUR 2017, 926 Rn. 13 – Anwaltsabmahnung II).
  129. Anders als Mitbewerber müssen Wettbewerbsvereine damit zur Erfüllung des Satzungszwecks sachlich und personell so ausgestattet sein, dass sie durchschnittlich schwierige Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe mit eigenen Kräften bearbeiten können. Beauftragen sie dennoch einen Anwalt für die Abmahnung, so geschieht dies zur Erfüllung des Verbandszwecks im eigenen, nicht im fremden Interesse (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.124; MüKoUWG/Ottofülling, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 162, jew. m. w. Nachw.) Durfte der Verband anwaltliche Hilfe nicht für erforderlich halten, so steht ihm kein Anspruch auf Erstattung der anwaltlichen Kosten für die Abmahnung zu (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.124).
  130. Dies gilt – entgegen der vom Kläger in erster Instanz geäußerten Rechtsansicht (Bl. 16 GA) – auch für den Fall, dass der Wettbewerbsverletzer auf die Abmahnung des Anspruchsberechtigten hin nicht oder ablehnend reagiert, die erste eigene Abmahnung also erfolglos geblieben ist und der Abmahnende vor Einleitung gerichtlicher Schritte einen Rechtsanwalt einschaltet, der erneut abmahnt (so genannte Zweitabmahnung). Ein Wettbewerbsverband, der den Schuldner nach einer selbst ausgesprochenen, ohne Reaktion gebliebenen ersten Abmahnung ein zweites Mal von einem Rechtsanwalt abmahnen lässt, kann die Kosten dieser zweiten Abmahnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erstattet verlangen (BGH, GRUR 2010, 354 Rn. 8 – Kräutertee; vgl. ferner Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.130; MüKoUWG/Ottofülling, a.a.O., § 12 Rn. 164; Götting/Nordemann/Schmitz-Fohrmann/Schwab, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 44).
  131. Nichts anderes kann gelten, wenn ein Wettberwerbsverletzer wegen eines Wettbewerbsverstoßes auf eine Abmahnung des Wettbewerbsverbandes eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat und hiernach einen erneuten Wettbewerbsverstoß begeht. Mit der Zuwiderhandlung entsteht ein neuer (gesetzlicher) Unterlassungsanspruch. Auch insoweit muss ein Wettbewerbsverband ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen bzw. eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten Unterwerfungserklärung erheblich höheren Strafbewehrung zu fordern.
  132. b)
    Dass der Kläger berechtigt ist, vom Beklagten im Falle einer Abmahnung durch eigenes Personal pauschale Abmahnkosten zu verlangen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Kosten sind der Klägerin in Bezug auf die in Rede stehende Aufforderungsschreiben nicht entstanden. Fiktive Kosten sind nicht erstattungsfähig (BGH, GRUR 2017, 926 Rn. 13 – Anwaltsabmahnung II). Im Übrigen erhält der Kläger hier pauschale Abmahnkosten für die von ihm selbst ausgesprochene Abmahnung vom 21.01.2016 (Anlage K 8). Im Rahmen letzterer Abmahnung hätte er die Beklagte ohne weiteres auch dazu auffordern können, ihr einstiges Vertragsstrafeversprechen für den Fall künftiger Verstöße deutlich zu erhöhen.
  133. B.
    Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass der vom Kläger in zweiter Instanz erstmals gestellte Zahlungsantrag keinen Erfolg hat.
  134. Bei diesem klageerweiternden Antrag handelt es sich der Sache nach um eine Anschlussberufung gemäß § 524 ZPO. Diese hat der Kläger fristgerecht binnen der ihm gesetzten Berufungserwiderungsfrist mit der Berufungserwiderung eingelegt (§ 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Dass der Kläger die Berufungserwiderung nicht ausdrücklich auch als Anschlussberufung bezeichnet hat, ist unschädlich; die ausdrückliche Erklärung, es werde Anschlussberufung eingelegt, war nicht erforderlich. Maßgeblich ist nämlich das objektive Begehren. Die Anschließung an das Rechtsmittel der Gegenseite kann auch stillschweigend in der Weise erfolgen, dass ein Kläger neben seinem im Übrigen unveränderten Klagebegehren einen weiteren Antrag stellt (vgl. BGH, GRUR 2012, 180 Rn. 26 – Werbegeschenke; GRUR 2012, 954 Rn. 25 – Europa-Apotheke Budapest; NJW 2015, 1608 Rn. 15; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2006, 118, 120 – Drehschwingungstilger; GRUR 2015, 299 Rn. 41 – Kupplungsvorrichtung; GRUR 2018, 1037 Rn. 113 – Flammpunktprüfungsvorrichtung). So verhält es sich hier. Denn der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 04.04.2018 ausdrücklich auch einen Zahlungsantrag formuliert, wobei er zur Begründung ausgeführt hat, dass mit diesem der auf die ihm vom Landgericht zugesprochenen Anwaltskosten entfallende Mehrwertsteuerbetrag eingeklagt wird. Aus der Berufungserwiderung ergab sich insoweit eindeutig, dass diese zugleich eine Erweiterung des Klagebegehrens beinhaltet. Eine solche Klageerweiterung kann durch den Berufungsbeklagten, der keine eigene Berufung einlegt, nur durch eine Anschlussberufung erfolgen. Die Klageerweiterung ist in der Berufungsinstanz auch zulässig (§ 533 ZPO). Abgesehen davon, dass die Einwilligung der Beklagten in die Änderung der Klage anzunehmen ist, weil sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, im Verhandlungstermin auf die geänderte Klage eingelassen hat (§§ 267, 525 ZPO), ist die Klageerweiterung sachdienlich. Denn mit der erweiterten Klage werden die noch bestehenden Streitpunkte zwischen den Parteien erledigt und so ein weiterer Prozess vermieden (§ 533 Nr. 1 ZPO). Die Klageerweiterung ist ferner auf Tatsachen gestützt, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).
  135. In der Sache steht dem Kläger der nunmehr auch beanspruchte Mehrwertsteuerbetrag nicht zu, weil die Beklagte ihm, wie soeben ausgeführt, die vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht ersetzen muss.
  136. C.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
  137. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
  138. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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