I-2 U 28/18 – Fulvestrant

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2949

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 09. Januar 2019, Az. I-2 U 28/18

Vorinstanz: 4c O 10/18

  1. I. Die Berufung gegen das am 5. Juli 2018 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
  2. II. Die Verfügungsklägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. III. Das Urteil ist vollstreckbar.
  4. IV. Der Streitwert wird auf 1.500.000,- € festgesetzt.
  5. Gründe:
  6. I.
    Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

    II.
    Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

  7. Der Verfügungsantrag ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Verletzung des Verfügungspatents (EP 1 272 XXA; deutscher Teil: DE 601 13 XXB) durch die angegriffene Ausführungsform (B 250 ml Injektionslösung in einer Fertigspritze) verneint und dementsprechend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung zurückgewiesen.
  8. 1.
    Das Verfügungspatent betrifft die Behandlung von Brustkrebs.
  9. a)
    Nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift wirken Östrogene (die bis zur Menopause in den Eierstöcken, aber auch – unabhängig von der Menopause – in anderem Gewebe gebildet werden) bei mindestens einem Drittel der Brustkrebserkrankungen wachstumsfördernd (Absatz [0004]). Es stellt deswegen einen anerkannten Behandlungsansatz bei der Brustkrebstherapie dar, die Östrogenzufuhr im Patienten zu unterbinden, was bei prämenopausalen Frauen durch eine (operative, radiologische oder medikamentöse) Entfernung/Ausschaltung der Eierstöcke geschieht, mit der die Neuproduktion von Östrogen unterbunden wird, während bei postmenopausalen Frauen mithilfe von Aromataseinhibitoren die Umwandlung anderer Hormone in Östrogen blockiert wird (Absatz [0005]).
  10. Als Alternative zu dem beschriebenen Östrogenentzug ist es nach der Schilderung des Klagepatents bekannt, Antiöstrogene – vornehmlich Tamoxifen – einzusetzen, deren Funktion es ist, sich kompetitiv an die Östrogenrezeptoren der hormonabhängigen Tumorzellen anzulagern und auf diese Weise die Östrogenbindung an den Tumor zu verhindern (Absatz [0006]). Ein Nachteil von Tamoxifen liegt allerdings in seiner teilweise agonistischen Wirkung, die zu einer unvollständigen Blockade der östrogenvermittelten Wirksamkeit auf den Krebszellen führt (Absatz [0006]).
  11. Dementsprechend war es in der therapeutischen Praxis bereits gebräuchlich, postmenopausale Patientinnen, die an fortgeschrittenem Brustkrebs leiden und bei denen die Krankheit nach der Behandlung mit Tamoxifen weiter fortgeschritten ist, mit einem Aromataseinhibitor (wie Anastrozol oder Letrozol) zu behandeln (Absatz [0007]; Anm.: Bei prämenopausalen Patientinnen kommt die Verabreichung eines Aromatseinhibitors nicht in Betracht, weil dieser die noch funktionierende Östrogenproduktion in den Eierstöcken nicht unterbinden würde).
  12. Vor dem geschilderten Hintergrund ist es als Aufgabe der Erfindung anzusehen, einen Therapieweg für den (bislang noch nicht bewältigten) Fall aufzuzeigen, dass – im Anschluss an eine fehlgeschlagene Behandlung mit Tamoxifen – auch die nachfolgende Behandlung mit einem Aromataseinhibitor scheitert (Absatz [0007] a.E.; Technische Beschwerdekammer 3.3.02, Entscheidung vom 14.02.2013, Anlage HE 4a, S. 11 Rz. 2.4.3).
  13. Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt das Verfügungspatent vor, die – unter der in Abfolge durchgeführten (Absatz [0007] Satz 1) Behandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor erfolglose – Brustkrebstherapie mit Fulvestrant fortzusetzen. Im Einzelnen stellt Patentanspruch 1 folgende Merkmalkombination unter Schutz:
  14. 1. Verwendung von Fulvestrant bei der Herstellung eines Arzneimittels.

    2. Das Arzneimittel dient zur Behandlung einer Brustkrebspatientin.

  15. 3. Bei der (mit dem Fulvestrantarzneimittel zu behandelnden) Krebspatientin ist eine vorangegangene Behandlung
  16. a) mit einem Aromataseinhibitor
  17. und
  18. b) mit Tamoxifen
  19. fehlgeschlagen.
  20. b)
    Erfindungsgemäß bleibt offen, ob zunächst mit Tamoxifen und anschließend mit einem Aromataseinhibitor behandelt oder in umgekehrter Reihenfolge vorgegangen wurde. Notwendige Bedingung jeder Patentbenutzung ist allerdings, dass die beiden Wirkstoffe sequenziell hintereinander – und nicht gleichzeitig nebeneinander – verabreicht wurden; auch die Verfügungsklägerin macht insoweit nichts anderes geltend.
  21. Wesentlich ist des Weiteren, dass die aufeinanderfolgende Behandlung mit beiden Wirkstoffen fehlgeschlagen ist, d.h. weder Tamoxifen noch der Aromataseinhibitor zu einem therapeutischen Erfolg geführt haben. Nicht der bloße Einsatz von Fulvestrant im Anschluss an eine vorherige Behandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor als solche genügt daher den Anforderungen des Patentanspruchs, sondern erst eine solche therapeutische Verwendung von Fulvestrant, die ihren Grund in einem Versagen der anderen, vorrangig durchgeführten Behandlungsansätze (Tamoxifen und Aromataseinhibitor) findet. Denn der Patentanspruch begnügt sich nicht damit, dass Fulvestrant überhaupt als drittes Therapeutikum zum Einsatz kommt, sondern stellt darüber hinaus explizit darauf ab, dass die vorangegangenen Behandlungen mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor fehlgeschlagen sind, d.h. (worauf später nochmals eingegangen wird) jede einzelne von ihnen versagt hat und deswegen die Behandlung mit Fulvestrant aufgenommen und fortgesetzt wird.
  22. c)
    Bei der fehlgeschlagenen Behandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor, der sich die Fulvestrant-Patientin vorangehend unterzogen haben muss, hat es sich um eine palliative – und nicht nur um eine adjuvante – Brustkrebstherapie zu handeln. Das abweichende Verständnis des Landgerichts, wonach auch eine adjuvante, d.h. im Hinblick auf mit dem Eingriff nicht entfernte Krebszellen rein präventive Wirkstoffgabe von Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor im Anschluss an eine Krebsoperation ausreicht, wenn es anschließend zu einem erneuten Krebsbefund kommt, wird dem auslegungsrelevanten Inhalt der Verfügungspatentschrift nicht gerecht.
  23. aa)
    Zwar ist auch eine bloß adjuvante Gabe von Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor, wie sie im Anschluss an die operative Entfernung eines Brustkrebstumors gebräuchlich ist, dem reinen Wortsinn nach als „Behandlung“ im Rahmen einer Krebstherapie aufzufassen. Denn sie geschieht nach medizinisch-therapeutischen Regeln zu dem Zweck, etwaige unerkannte Krebszellen, die im weiteren Verlauf metastasieren könnten, medikamentös auszuschalten.
  24. bb)
    In Bezug auf eine lediglich adjuvante Behandlung lässt sich jedoch – wie die Verfügungsbeklagte mit Recht geltend macht – vielfach überhaupt nicht beurteilen, ob sie „fehlgeschlagen“ ist, weswegen in ihr folgerichtig auch keine „vorangegangene Behandlung“ gesehen werden kann, deren erfolglose Durchführung Anspruch 1 des Verfügungspatents zwingend voraussetzt.
  25. (1)
    Deutlich wird dies schon an dem in der Praxis gebräuchlichen Szenario, dass der Brustkrebstumor operativ entfernt wurde und anschließend prophylaktisch (adjuvant) zunächst für einen vorbestimmten Zeitraum (von z.B. zwei Jahren) Tamoxifen und danach im Rahmen einer Switch-Therapie für einen weiteren vorbestimmten Zeitraum (von z.B. drei Jahren) ein Aromataseinhibitor verabreicht wurde, um die ggf. drohende Bildung von Metastasen zu verhindern. Kommt es in einer solchen Konstellation nach Abschluss der Switch-Behandlung (z.B. im sechsten Jahr nach der Operation) zu einer erneuten Tumorbildung, lässt sich keine belastbare Aussage dahingehend treffen, dass beide Vorbehandlungen, und mithin auch die Erstbehandlung mit Tamoxifen, ihre Wirkung verfehlt haben; vielmehr kann die abermalige Erkrankung nach Abschluss des Behandlungszyklus ihre Ursache auch (und möglicherweise noch wahrscheinlicher) darin haben, dass die Umstellung auf einen Aromataseinhibitor den bis dahin unter der Behandlung mit Tamoxifen erfolgreich versperrten Weg für eine Tumorbildung freigemacht hat. Dieselbe Unwägbarkeit besteht, wenn die abermalige Tumorbildung sich zwar noch während der Therapie mit einem Aromataseinhibitor eingestellt hat, allerdings in deutlichem zeitlichen Abstand zur Beendigung der Behandlung mit Tamoxifen; auch hier kann sich der Ursachenzusammenhang ohne weiteres so verhalten, dass die Wiedererkrankung der Behandlungsumstellung auf den – im Gegensatz zum Tamoxifen – nicht wirksamen Aromataseinhibitor zuzuschreiben ist. Ob eine bestimmte Krebstherapie (nämlich die Behandlung sowohl mit Tamoxifen als auch die daran anschließende bzw. vorausgehende Behandlung mit einem Aromataseinhibitor) versagt hat, lässt sich demgegenüber eindeutig und abschließend beurteilen, wenn die Behandlung palliativ an einem über die Therapiedauer hinweg manifesten Tumor erfolgt. Hier legen die Therapieresultate, die sich unter der Behandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor verifizierbar eingestellt haben, zweifelsfrei Zeugnis darüber ab, ob das Tumorwachstum gegenüber dem Zustand vor dem jeweiligen Behandlungsbeginn fortgeschritten ist oder nicht. Schon diese Überlegung spricht dafür, im Rahmen des Verfügungspatents allein palliative Behandlungsergebnisse zu berücksichtigen.
  26. (2)
    Eine Bestätigung dieser Sicht findet sich an diversen Stellen der Patentbeschreibung. Zu verweisen ist zunächst auf Absatz [0018], der für den Fachmann legaliter definiert, wie die vom Verfügungspatent im Zusammenhang mit den Vorbehandlungen gebrauchten Begriffe „fehlgeschlagen“ und „versagt“ zu interpretieren sind. A.a.O. heißt es:
  27. Der Begriff „fehlgeschlagen“ bzw. „versagt“ wird hier in dem Sinne verwendet, dass das Wachstum des Brustkrebses durch die Behandlung mit einem Aromataseinhibitor oder Tamoxifen, oder aber auch beiden, nicht länger eingedämmt wird.“ (Anm.: Hervorhebung ist hinzugefügt)
  28. Da nur Tumorzellen „wachsen“ können und da nur das Wachstum von Tumorzellen „eingedämmt werden kann“, versteht der Fachmann, dass mit dem Wort „Brustkrebs“ („breast cancer“) der Sache nach das (unter der Behandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor in seinem Wachstum nicht beherrschbare) Mammakarzinom gemeint ist, so, wie dies auch der deutschen Übersetzung der Patentbeschreibung entspricht. Technisch sinnvoll verstanden, besagt deshalb auch die eigene Begriffsdefinition des Verfügungspatents, dass ein Fehlschlag der Vorbehandlungen an einem manifesten Tumor festzustellen ist, der palliativ mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor therapiert worden ist.
  29. (3)
    Damit stimmen auch alle weiteren Vorteilsangaben der Patentschrift (Anm.: Hervorhegungen sind zur Verdeutlichung hinzugefügt) überein. So hebt Absatz [0009] hervor, dass Fulvestrant sich in einer Phase-II-Studie an Frauen, deren Brustkrebs nach Tamoxifen-Therapie progredierte, bereits als wirksam erwiesen habe, und unterstreicht Absatz [0011], dass Fulvestrant eine deutliche Hemmwirkung auf das Wachstum von MCF-7-Brustkrebszellen beim Menschen zeigt und eine gegenüber Tamoxifen signifikant höhere Reduzierung der MCF-7-Zellzahlen erbracht hat. Absatz [0012] nimmt Bezug auf Studien, die belegen, dass nach einer Langzeitbehandlung mit Tamoxifen weiterwachsende Tamoxifen-resistente MCF-7-Tumoren gegenüber Fulvestrantbehandlung empfindlich bleiben und Fulvestrant das Wachstum etablierter MCF-7-Tumoren doppelt so lange unterdrückte wie die Behandlung mit Tamoxifen. Als überraschend beschreibt Absatz [0013] schließlich die Erkenntnis, dass der Brustkrebs nach vorangegangener fehlgeschlagener Behandlung sowohl mit einem Aromataseinhibitur als auch mit Tamoxifen gegenüber der Weiterbehandlung mit Fulvestrant empfindlich ist. Gerade der vorzitierten Beschreibungsstelle kommt besonderes Gewicht zu, weil die Patentbeschreibung hier mit dem Verweis auf eine für den Fachmann überraschende Erkenntnis den eigentlichen Erfindungsgedanken herausstellt, dass trotz der mit den kumulativ gescheiterten Vorbehandlungen verbundenen doppelten Resistenz gegenüber sowohl Tamoxifen als auch einem Aromataseinhibitor eine Wirksamkeit (Empfindlichkeit) des Krebses gegenüber Fulvestrant erhalten bleibt. Allen vorzitierten Bemerkungen liegt die gemeinsame Vorstellung von einer Wirksamkeit von Fulvestrant bei der palliativen Bekämpfung (Weiterbehandlung) eines manifesten Tumors zugrunde.
  30. (4)
    Sie deckt sich nicht zuletzt vollständig mit den Erläuterungen, die die Verfügungspatentschrift in ihrem Absatz [0007] zum vorbekannten Stand der Technik und zu dem – ausgehend hiervon – durch die Erfindung zu erbringenden Fortschritt gibt. Nach den besagten Ausführungen war es bekannt, postmenopausalen Frauen mit Brustkrebs, bei denen die Krankheit nach der Behandlung mit Tamoxifen fortschritt, einen Aromataseinhibitor wie Anastrozol oder Letrozol zu verabreichen, um einen Therapieerfolg zu erzielen. Die nachfolgende Zweittherapie mit Anastrozol oder Lestrozol im Anschluss an die unter der Behandlung mit Tamoxifen nicht eingedämmte Krebserkrankung repräsentiert deswegen eine palliative Behandlung an einem manifesten (fortschreitenden) Tumor. Wie eingangs erwähnt, widmet sich das Verfügungspatent bei dieser Ausgangslage der Aufgabe, einen Behandlungsansatz für denjenigen Fall bereitzustellen, dass auch die Zweitbehandlung mit einem Aromataseinhibitor (Anastrozol oder Lestrozol) scheitert. Bezug genommen ist insoweit auf die aus dem Stand der Technik geläufige Behandlungssituation eines trotz Tamoxifenbehandlung progredierenden Brustkrebstumors, der auch unter der Wirkung eines Aromataseinhibitors nicht einzudämmen ist. Auf ihn – den trotz zweier Vorbehandlungen manifesten Tumor – bezieht sich deshalb auch die Lösung des Verfügungspatents, bei Fehlschlagen der im Stand der Technik empfohlenen Zweitbehandlung mit einem Aromataseinhibitor als dritten Wirkstoff Fulvestrant zu verabreichen.
  31. (5)
    Der Beschwerdekammerentscheidung vom 14.02.2013 liegt kein anderes Verständnis der Erfindung zugrunde. Im Gegenteil wird auch dort der Beitrag des Verfügungspatents durchweg in der Empfehlung von Fulvestrant zur Drittlinienbehandlung von Brustkrebs gesehen (vgl. Rz. 2.4.4, 2.4.5 Mitte) und im Rahmen der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit mit der sich infolge jeder Tumorbehandlung stärker einstellenden Therapieresistenz argumentiert. In Rz. 2.4.6 heißt es in diesem Sinne – auszugsweise – wie folgt (Anm.: Hervorhebungen sind hinzugefügt):
  32. „Bei der Beurteilung, ob die Verwendung von Fulvestrant als ein Drittlinien-Agens … naheliegt, sind die folgenden Faktoren zu berücksichtigen:
  33. (a) Mit jeder neuen Resistenz wird der Tumor „bösartiger“ und schwieriger zu behandeln. Folglich ist es keineswegs selbstverständlich, dass ein Wirkstoff, der bei der Zweitlinienbehandlung wirksam ist, für eine Drittlinienbehandlung geeignet ist.
  34. (b) Falls der Tumor – … – gegen einen Aromataseinhibitor und einen partiellen Östrogenagonisten wie Tamoxifen resistent ist, würde der Fachmann tendenziell ein Drittlinien-Agens wählen, dessen Wirkmechanismus von jenem eines partiellen Östrogenagonisten und eines Aromataseinhibitors verschieden ist. Ob dies den Fachmann veranlassen würde, eine Verbindung wie Fulvestrant in Betracht zu ziehen, ist jedoch fraglich angesichts der Tatsache, dass sich Fulvestrant … im Hinblick auf seinen Wirkmechanismus nicht grundlegend von Tamoxifen unterscheidet. … Daher wäre eine Verbindung wie Fulvestrant unter diesen Umständen nicht die erste Wahl für den Fachmann gewesen.“
  35. (6)
    Demgegenüber bietet die Verfügungspatentschrift keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine bloß adjuvante Vorbehandlung relevant sein könnte. Zwar sieht der in den Absätzen [0028] ff. umrissene Prüfplan, der in der Patentschrift (Absatz [0028]) als bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung ausgewiesen ist, eine Berücksichtigung auch solcher Patientinnen vor, die vor ihrer Behandlung mit Anastrozol oder Letrozol den Wirkstoff Tamoxifen erhalten haben (Absatz [0038]). Aus Absatz [0037] ergibt sich jedoch, dass es während der Anastrozol- oder Letrozol-Behandlung zu einer Krankheitsprogression gekommen sein muss, womit die Behandlung mit dem Aromataseinhibitor palliativ geschehen ist. Nichts anderes gilt für die vorgelagerte Tamoxifen-Therapie, die nach dem Beschreibungstext nicht „entweder“ als Zusatztherapie (adjuvant) „oder“ zur Behandlung einer fortgeschrittenen Krebserkrankung (palliativ) erfolgt sein kann, sondern „sowohl“ zusätzlich „als auch“ palliativ stattgefunden haben muss. Letztlich kann dies aber sogar auf sich beruhen, weil der Prüfplan ohnehin jenseits der geltenden Anspruchsfassung des Klagepatents liegt, weil ihm die – nicht patentgemäße – Situation eines lediglich einmaligen Fehlschlagens einer Vorbehandlung (sic.: mit einem Aromataseinhibitor) zugrunde liegt.
  36. (7)
    Gerade weil ein bloß einmaliges Fehlschlagen nicht ausreicht, ist der Patentanspruch im Zuge des Erteilungsverfahrens dahingehend beschränkt worden, dass ein Patentschutz nicht schon – wie ursprünglich angemeldet – für die Verwendung von Fulvestrant nach erfolgloser Krebsbehandlung mit einem Aromataseinhibitor (einfache Resistenz) gewährt wird, sondern erst dann eingreift, wenn sich darüber hinaus auch eine Vorbehandlung mit Tamoxifen – und somit eine doppelte Resistenz des zu behandelnden Krebses – als fehlgeschlagen herausgestellt hat. Zwar definiert Absatz [0018] den Begriff des „Fehlschlagens“ für die Zwecke der Erfindung legaliter dahin, „dass das Wachstum des Mammakarzinoms (breast cancer) durch die Behandlung mit einem Aromataseinhibitor oder Tamoxifen, oder auch beidem, nicht länger eingedämmt wird, wobei aus dem Wort „oder“ auf erste Sicht der Schluss gezogen werden könnte, im Zusammenhang mit der Erfindung reiche die Feststellung eines konkreten Fehlschlagens nur im Hinblick auf einen Wirkstoff, d.h. entweder des Aromataseinhibitors oder von Tamoxifen. Ein derartiges Verständnis stünde jedoch in eklatantem Gegensatz zu dem gesamten restlichen Inhalt der Patentschrift, wie er vorstehend erläutert worden ist, und kann deswegen keine sinnvolle Interpretation für den Durchschnittsfachmann sein. Vielmehr wird er die besagte Beschreibungsstelle als Erläuterung verstehen, die dem ursprünglichen, deutlich weitergehenden Anmeldungsinhalt geschuldet ist und die – genauso wie der klinische Prüfplan gemäß Beispiel 1 – außerhalb des geltenden Erfindungsgedankens liegt und deshalb im Zuge des Erteilungsverfahrens richtigerweise zum Teil (nämlich im Hinblick auf ein Fehlschlagen nur einer Vorbehandlung) hätte gestrichen werden müssen.
  37. 2.
    Ausgehend von dem dargelegten Verständnis des Verfügungspatents und seiner technischen Lehre scheidet eine Patentverletzung im Streitfall aus.
  38. a)
    Wie die Klägerin einräumt, ist das streitbefangene Präparat von der Verfügungsbeklagten nicht sinnfällig für die patentgemäße Verwendung hergerichtet. Soweit in der Gebrauchsinformation – die wie folgt lautet:
  39. Faslodex ist angezeigt zur Behandlung von Östrogenrezeptor-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom bei postmenopausalen Frauen:
    • die keine vorhergehende endokrine Therapie erhalten haben, oder
    • mit Rezidiv während oder nach adjuvanter Antiöstrogen-Therapie oder bei Progression der Erkrankung unter Antiöstrogen-Therapie. –
    überhaupt eine palliative Vorbehandlung angesprochen wird, bezieht sie sich auf eine Progression der Krebserkrankung unter der Behandlung mit einem Antiöstrogen. Die vom Verfügungspatent vorausgesetzte weitere fehlgeschlagene Vortherapie mit einem Aromataseinhibitor findet demgegenüber keinerlei Erwähnung. Gleiches gilt – worauf an dieser Stelle nur vorsorglich hinzuweisen ist – dann, wenn eine adjuvante Vortherapie mit in Betracht gezogen wird, denn auch der fehlgeschlagene adjuvante Einsatz eines Aromataseinhibitors findet in der Gebrauchsinformation keine Erwähnung.
  40. b)
    Nach der Rechtsprechung des Senats (GRUR 2017, 1107 – Östrogenblocker) ist – da im Zentrum des durch ein Verwendungspatent vermittelten Schutzes die objektive Eignung des betreffenden Arzneimittels für die patentgemäße Verwendung steht (BGH, GRUR 2016, 921 – Pemetrexed) –- eine Haftung des Präparatvertreibers allerdings in Ausnahmefällen auch ohne eigene sinnfällige Herrichtungsmaßnahmen denkbar.
  41. aa)
    Mit Rücksicht auf den nicht allumfassenden, sondern eingeschränkten, nämlich zweckgebundenen Stoffschutz müssen lediglich Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss das Produkt für den patentgemäßen Zweck tauglich sein und Zweitens muss sich der Vertreiber Umstände zunutze machen, die in ähnlicher Weise wie eine sinnfällige Herrichtung dafür sorgen, dass es mit dem Präparat zu dem zweckgebundenen therapeutischen Gebrauch kommt. Letzteres verlangt einen hinreichenden, nicht bloß vereinzelten Verwendungsumfang nach Maßgabe des Klagepatents sowie ein dahingehendes Wissen oder zumindest ein treuwidriges Verschließen des Lieferanten vor der diesbezüglichen Kenntnisnahme (Senat, GRUR 2017, 1107 – Östrogenblocker). Wenn dem Generikaunternehmen die ihm günstige Verschreibungspraxis geläufig ist oder jedenfalls hätte bekannt sein müssen und es diese Praxis durch Belieferung seiner Großhändler dennoch für sich ausnutzt, ist es angemessen, den Generikahersteller dafür in die patentrechtliche Pflicht zu nehmen.
  42. (1)
    In welchem genauen Umfang die herrichtungsfreie Verwendung nach Maßgabe des Klagepatents stattfinden muss, um haftungsbegründend zu sein, hat der Senat bisher noch nicht entschieden. Maßgeblich sind folgende, an der Herrichtungssituation orientierte Überlegungen: Die sinnfällige Herrichtung muss den patentgemäßen Gebrauch nicht als alleinigen und ausschließlichen Verwendungszweck vorgeben; vielmehr kommt es nur darauf an, dass der erfindungsgemäße Gebrauch – ggf. neben anderen – überhaupt zu derjenigen Verwendung gehört, zu der die Herrichtung anleitet. Relevant ist daher sowohl die Konstellation, dass die Gebrauchsanleitung selbst mehrere Verwendungsmöglichkeiten erwähnt, zu denen der patentgeschützte Gebrauch zählt, als auch der Fall, dass sich die Gebrauchsanleitung nur zu der geschützten Verwendung verhält, jedoch offensichtlich ist, dass es daneben andere, konkurrierende Einsatzgebiete gibt. Weil dem so ist, kann auch in Fällen des herrichtungsfreien cross-label-use nicht nur ein solcher Gebrauch haftungsrelevant sein, der ausschließlich oder nahezu ausschließlich die patentgemäße Verwendung betrifft. Entscheidend ist vielmehr das sichere Wissen (dem das Verschließen vor der Erkenntnis gleich steht) darum, dass es mit dem vertriebenen Arzneimittel tatsächlich zu der patentgerechten Verordnung und Verwendung kommen wird. Denn derjenige, der in dem besagten Wissen agiert, muss sich hinsichtlich der Konsequenzen so behandeln lassen, als hätte er den für sich geschäftlich ausgenutzten herrichtungsfreien Zustand selbst durch eine entsprechende Herrichtungsmaßnahme herbeigeführt. Tatrichterlich muss also – erstens – festgestellt werden, dass es in hinreichendem Umfang zu einer patentgerechten Verwendung gekommen ist, und dass dem Generikaunternehmen dieser Sachverhalt – zweitens – schlechterdings nicht verborgen geblieben sein kann. Mit der Zahl der nachweisbar vorgefallenen patentgemäßen Verwendungsfälle steigt naturgemäß die Chance auf eine dahingehende tatrichterliche Feststellung, weswegen bloß vereinzelt gebliebene Gebrauchsfälle im Allgemeinen keine herrichtungsfreie Haftung begründen können. Ein weiteres Haftungsszenario kann sich aus besonderen, überragenden Vorteilen der patentgemäßen Verwendung gegenüber anderen Therapiezwecken ergeben, die geradezu dazu herausfordern, das Präparat patentgerecht – und nicht anders – einzusetzen.
  43. (2)
    Handelt es sich – wie hier – um ein verschreibungspflichtiges Medikament, dessen Einnahme nur nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung zu Anwendungsgebieten und Dosierung zu erwarten steht, entscheidet diejenige Verschreibungspraxis, die nach dem Inhalt der dem Arzt für seine Verordnung zur Verfügung stehenden Mittel in Rechnung zu stellen ist. Zentrale Bedeutung hat insoweit die Fachinformation, die integraler Bestandteil der Arzneimittelgenehmigung ist und abschließend die Merkmale von dessen für den Vertrieb genehmigter Version definiert. Weil die genehmigte mit der auf den Markt gebrachten Version des Arzneimittels übereinstimmen muss, steht nach der Lebenserfahrung fest, dass der Arzt die einzelnen Medikamente nur nach Maßgabe ihrer jeweiligen konkreten Fachinformation verordnen wird, so dass ein Generikum, das – anders als das Präparat des Originators – z.B. aus patentrechtlichen Gründen eine bestimmte (patentgeschützte) Indikation/Dosierung nicht aufweist, einem Patienten dafür auch nicht verschrieben werden wird, weswegen das generische Medikament – in der weiteren
    Folge – auch nicht therapeutisch in diesem Sinne zum Einsatz kommen wird.
  44. (3)
    Für die Unterlassungshaftung macht es dennoch einen ganz wesentlichen Unterschied, ob das Arzneimittel sinnfällig hergerichtet wurde oder nicht: Beruht die Haftung des Generikaunternehmens (oder sonstigen Vertreibers) auf einer sinnfälligen Herrichtung des Präparates für die patentgeschützte Verwendung, so begründet nach allgemeinen Regeln jeder singuläre Verletzungsfall (= sinnfällige Herrichtung mit nachfolgendem Angebot/Vertrieb), auch der allererste und einzige, die Gefahr künftiger Wiederholung (des Vertriebs sinnfällig hergerichteter Präparate und im Anschluss daran deren herrichtungsgemäßer Verwendung), was ohne weiteres zur Unterlassungsverurteilung führt, sofern der Verletzer nicht vorgerichtlich eine ausreichend strafbewährte Unterwerfungserklärung abgibt. Völlig anders verhält es sich bei einem Vertreiber, der keine Herrichtungsmaßnahme unternommen hat und dessen Haftung allein auf einer tatsächlichen, der geschützten Verwendungsweise entsprechenden Verschreibungspraxis beruhen soll. Selbst wenn in der Vergangenheit ein hinreichender tatsächlicher Gebrauch praktiziert worden ist (was für die betreffende Zeit zur Schadenersatz- und Auskunftspflicht des Vertreibers führt), kommt eine Unterlassungsverurteilung nur in Betracht, wenn sich auch aktuell, d.h. für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, noch eine haftungsrelevante Verschreibungsübung feststellen lässt. Ist dies nicht der Fall, weil das Präparat zwar in früheren Zeiten cross-label eingesetzt wurde, sich die Verschreibungspraxis zwischenzeitlich jedoch (z.B. wegen neuer Wirkstoffe, die das fragliche Arzneimittel als Therapeutikum zunehmend abgelöst haben) geändert hat, scheidet eine Verurteilung zur Unterlassung aus. Denn sie knüpft eben nicht – wie die Haftung wegen sinnfälliger Herrichtung – an ein bestimmtes Verhalten des Verletzers an, dessen kausalitätsbegründende Wiederholung nach der Lebenserfahrung zu erwarten ist, sondern sie fußt einzig und allein auf bestimmten äußeren Rahmenbedingungen (sic.: einer tatsächlichen Verschreibungshandhabung), die, wenn sie aufgrund des Wandels der Zeit nicht mehr gegeben sind, auch keine Grundlage mehr für eine Unterlassungspflicht des Vertreibers bilden können.
  45. bb)
    Das Vorbringen der Klägerin ergibt nicht, dass das streitbefangene Präparat der Beklagten aufgrund einer tatsächlichen Verschreibungspraxis in einem ausreichenden Umfang in solchen Fällen zum Einsatz kommt oder gekommen ist, bei denen die Krebspatientin zuvor palliativ erfolglos sowohl mit Tamoxifen als auch mit einem Aromataseinhibitor behandelt worden ist.
  46. (1)
    Ausweislich der nachstehend eingeblendeten Sonderauswertung der iOMEDICO AG
  47. – deren Richtigkeit zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt werden kann und in Bezug auf die die Klägerin selbst darauf beharrt, dass ihre Ergebnisse repräsentativ sind – ist von folgenden Daten für die Verwendung von Fulvestrant nach palliativer Vorbehandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor auszugehen:
  48. Maximal waren daher weniger als 7 % aller Krebspatientinnen, die mit Fulvestrant therapiert worden sind, zuvor palliativ erfolglos mit Tamoxifen sowie einem Aromataseinhibitor behandelt worden. Schon angesichts dieses deutlich einstelligen Zahlenwertes geschieht die zur Erfindungsbenutzung führende Verschreibungspraxis lediglich vereinzelt und keinesfalls in einem Umfang, dass er der Beklagten keinesfalls verborgen bleiben konnte. Auch die Klägerin, die sich zur Rechtfertigung ihrer Klageansprüche auf den palliativen und adjuvanten Gesamteinsatz von Fulvestrant stützt, der im Durchschnitt der Jahre bei 45,7 % gelegen hat, zeigt nicht konkret auf, dass und weshalb für die Beklagte ein (allein maßgeblicher) palliativer Benutzungsumfang, der sich mit weniger als 7 % in einer gänzlich anderen Größenordnung abspielt, unübersehbar gewesen sein soll. Schon deswegen scheiden sämtliche Klageansprüche aus. Mit Blick auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch kommt eine Haftung der Beklagten erst Recht nicht in Betracht, weil – bezogen auf den Tag der mündlichen Verhandlung (09.01.2019) – für die letzten vier Jahre kein einziger Fall einer patentgemäßen Fulvestrant-Verordnung nach erfolgloser palliativer Vorbehandlung mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor nachweisbar ist. Für den maßgeblichen aktuellen Zeitpunkt lässt sich daher eine zur patentgeschützten Verwendung führende Verordnungspraxis schlechterdings nicht feststellen. Seit Einleitung des Klageverfahrens mag die Beklagte zwar aufgrund der ihr präsentierten Sonderauswertung in Kenntnis über die dem Patent entsprechende Verschreibungspraxis gewesen sein, was von diesem Zeitpunkt an den Vorwurf tragen könnte, die Beklagte habe sich durch ihre unveränderte Belieferung von Abnehmern den praktizierten cross-label-use bewusst und mithin haftungsbegründend zunutze gemacht; allerdings belegen die Daten der Klägerin, die schon für die lange vor Rechtshängigkeit liegenden Jahre 2015 und 2016 einen Nullwert ausweisen, nicht, dass es mit solchen, von der Beklagten in Kenntnis des Sachverhaltes unternommenen Lieferungen zumindest ein Mal zu einer patentgerechten Verschreibung und Verwendung gekommen ist.
  49. (2)
    Aus der eidesstattlichen Versicherung des Privatgutachters der Klägerin Prof. Dr. C vom 14.02.2017 (Anlage HE 9) ergeben sich keine im Vergleich zu den Daten aus der Sonderauswertung zugunsten der Klägerin anderen Erkenntnisse. Soweit in der Versicherung – ohnehin auf bloß subjektiven Schätzungen des Verfassers beruhende – Zahlen einer Fulvestrant-Therapie genannt werden, handelt es sich ausnahmslos um solche Patientinnen, die zuvor adjuvant mit Tamoxifen und einem Aromataseinhibitor versorgt worden sind, ohne dass insoweit irgendeine nähere Aufschlüsselung stattfindet. Dazu, in wie vielen Fällen Fulvestrant nach einer fehlgeschlagenen palliativen Vorbehandlung mit den besagten Wirkstoffen verabreicht worden ist, verhält sich Prof. Dr. C nicht.
  50. cc)
    Das Ergebnis mangelnder Patentverletzung wäre im Übrigen kein anderes, wenn solche adjuvanten Vorbehandlungen berücksichtigt würden, von denen feststeht, dass sie sich als bei der Behandlung der Brustkrebserkrankung, an der die zu versorgende Patientin leidet, unwirksam erwiesen haben. Denn die von der Klägerin präsentierten Daten lassen diesbezügliche spezifizierte Feststellungen nicht zu.
  51. Zwar sieht die Sonderauswertung eine gesonderte Fallgruppe derjenigen Patientinnen vor, die mit einem Wirkstoff (Tamoxifen bzw. einem Aromataseinhibitor) adjuvant (d.h. postoperativ prophylaktisch) und mit dem jeweils anderen Wirkstoff (d.h. einem Aromataseinhibitor bzw. Tamoxifen) palliativ therapiert worden sind, woraus folgt, dass es vor der palliativen Behandlung zu einem abermaligen Krebstumor gekommen sein muss, weil es ansonsten keinen Grund für eine palliative Therapie geben würde. Die adjuvante Vorbehandlung könnte dann als „fehlgeschlagen“ betrachtet werden, wenn die erneute Tumorbildung unter der laufenden adjuvanten Vorbehandlung oder in engem zeitlichen Zusammenhang zu ihrer Beendigung stattgefunden hat. Denn dann stünde fest, dass die erste (adjuvante) Vorbehandlung gescheitert ist, weil unter ihr abermals ein Tumor aufgetreten ist. Ist die Gabe von Fulvestrant unmittelbar im Anschluss an die palliative Vorbehandlung erfolgt, so wäre ferner davon auszugehen, dass auch die zweite, palliative Therapie fehlgeschlagen ist, weil ihr Versagen der Grund für die Fulvestrant-Therapie gewesen ist.
  52. Die Sonderauswertung lässt indessen nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Verhältnisse tatsächlich so gewesen sind oder ob (und ggf. in welchem Umfang) der Tumor unter der palliativen Zweitbehandlung – was die Annahme eines Fehlschlages ausschließen würde – zunächst eingedämmt werden konnte und Fulvestrant (z.B. aus Gründen einer ggf. zwischenzeitlichen Unverträglichkeit oder Kontraindikation) erst geraume Zeit später verabreicht wurde, weil es im Abstand zu der erfolgreichen Palliativbehandlung während und als Folge des therapiefreien Intervalls zur abermaligen Ausbildung eines Tumors gekommen ist. Die Erörterungen im Verhandlungstermin vom 09.01.2019 haben diesbezüglich ebenfalls keine Klarheit erbracht.
  53. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kommt speziell eine Unterlassungsverurteilung keinesfalls in Betracht, weil – unter Einschluss der zusätzlichen Fallgruppe („eines adjuvant, eines palliativ“) – ausweislich der Sonderauswertung für die Zeit von 2015 bis 2016 von einem patentgemäßen Verwendungsumfang von insgesamt lediglich 1,9 % auszugehen ist. Dieser Wert ist schon für sich betrachtet für eine Haftung der Beklagten gänzlich unzureichend; erst Recht gilt dies, wenn berücksichtigt wird, dass für den vorangehenden Zeitraum von 2013 bis 2014 noch deutlich höhere Werte ausgewiesen sind („eines adjuvant, eines palliativ“: 15,7 %; „beides palliativ“: 2,2 %) und zusätzlich in Rechnung gestellt wird, dass sich die ohnehin schon marginalen Werte für 2015 bis 2016 auf eine signifikant geringere Patientenzahl (von 52) stützen als sie den Zahlen der Vorjahre (174, 129, 89) zugrunde liegen. Der skizzierte Verlauf lässt für die Jahre 2017 und 2018 nur eine einzige Prognose zu, nämlich die eines von 1,9 % weiter signifikant abfallenden patentgemäßen Verwendungsumfangs, womit angesichts der aktuellen Bedeutungslosigkeit des palliativen sowie des teils adjuvanten und teils palliativen Gebrauchs von Fulvestrant ein Unterlassungsanspruch auszuscheiden hat.
  54. III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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