Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2832
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. September 2018, Az. 4c O 28/18
- 1. Der Antrag der Beklagten auf Leistung von Sicherheit für die Prozesskosten durch die Klägerin wird zurückgewiesen.
- 2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent EP 1 880 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- In dem hier zur Entscheidung stehenden Zwischenstreit ist nur über die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO zu befinden, nachdem die Beklagten mit Schriftsatz vom 30. Mai 2018 einen entsprechenden Antrag gestellt haben.
- Die Klägerin ist ein britisches Unternehmen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, auf Grund des Umstandes, dass das Vereinigte Königreich zum 29. März 2019 aus der Europäischen Union ausscheide, das Eintreten der Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO bereits jetzt klar bestimmbar sei, sei auch die Einrede bereits zum jetzigen Zeitpunkt begründet. Insbesondere sei ein völkerrechtlicher Anschlussvertrag im Sinne von § 110 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO nicht absehbar. Auf § 111 ZPO komme es daher nicht an.
- Die Beklagten beantragen,
- der Klägerin aufzugeben, ihnen innerhalb einer vom erkennenden Gericht zu bestimmenden Frist wegen der Prozesskosten Sicherheit in Form einer vom Gericht zu bestimmenden Höhe zu leisten.
- Die Klägerin beantragt,
- den Antrag der Beklagten auf Leistung von Sicherheit für die Prozesskosten zurückzuweisen.
- Die Klägerin ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 110 ZPO seien nicht erfüllt. Ob das Ausscheiden aus der Europäischen Union tatsächlich erfolge, sei rein spekulativ. Insbesondere sei nicht abzusehen, ob tatsächlich keine Anschlussregelung getroffen werde. Den Beklagten stehe es daher frei, bei einem tatsächlichen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union einen Antrag auf Leistung von Prozesskostensicherheit zu stellen. Dies sehe § 111 ZPO ausdrücklich vor.
- Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Der zulässige, insbesondere rechtzeitige Antrag der Beklagten auf Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin ist unbegründet, da die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind.
- Gemäß § 110 Abs. 1 ZPO muss ein Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten.
- Derzeit hat die Klägerin ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, so dass zum jetzigen Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Prozesskostensicherheit nicht vorliegen.
- Es besteht auch keine Veranlassung schon jetzt für den derzeit geplanten Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union zum Ablauf des 29. März 2019 und den möglicherweise dann erfüllten Voraussetzungen des § 110 ZPO Prozesskostensicherheit festzusetzen. Denn für die Fälle des späteren Eintritts der Voraussetzungen zur Leistung von Prozesskostensicherheit sieht § 111 ZPO ausdrücklich vor, dass der Beklagte auch dann Sicherheit verlangen kann, wenn die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung erst im Laufe des Rechtsstreits eintreten und nicht ein zur Deckung ausreichender Teil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. § 111 ZPO erweitert den Schutz des Beklagten vor dem Ausfall seiner kostenrechtlichen Erstattungsansprüche für den Fall, dass die Einrede mangelnder Prozesskostensicherheit erst nach dem Zeitpunkt erwächst, zu dem der Beklagte sie grundsätzlich erheben muss (§§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3, 532, 565 ZPO). § 111 ZPO erfasst daher diejenigen Fälle, in denen die Pflicht zur Sicherheitsleistung nachträglich im Laufe des Verfahrens entsteht, z.B. bei Wegfall des gewöhnlichen Aufenthalts in der EU oder im EWR oder bei Veräußerung des einzigen im Inland belegenden Grundstücks während des Rechtsstreits (Münchner Kommentar/Schulz, ZPO, 5. Aufl. § 111 ZPO Rn. 1 f.). Von § 111 ZPO wird daher gerade der vorliegende Sachverhalt erfasst. Denn nach der derzeitigen Sachlage entfällt für die Klägerin der gewöhnliche Aufenthalt in der EU Ende März nächsten Jahres.
- Auch die prozessuale Verpflichtung, wonach die Einrede bereits innerhalb der Klageerwiderung erhoben werden muss (§§ 110, 282 Abs. 3 Satz 2 ZPO), führt nicht zu einer anderweitigen Sichtweise. Denn die Einrede muss innerhalb der Klageerwiderung dann erhoben werden, wenn die Voraussetzungen einer Festsetzung von Prozesskostensicherheit mit der gebotenen Sicherheit vorliegen, nicht jedoch wenn sie möglicherweise erst in der Zukunft erfüllt sind. Diese Konstellation regelt gerade § 111 ZPO.
- Insoweit bedarf es zum jetzigen Zeitpunkt auch keiner Entscheidung über die zwischen den Parteien diskutierte Fragestellung, ob anderweitige völkerrechtliche Verträge die Klägerin auch nach Austritt aus der EU von der Leistung von Prozesskostensicherheit befreien. Denn auch hierüber ist erst zu befinden, wenn die Voraussetzungen des § 110 ZPO dem Grunde nach vorliegen und zu überprüfen ist, ob § 110 Abs. 2 ZPO Anwendung findet.
- Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Beklagten, dass der Sicherungszweck nur bei Stellung einer Sicherheit bereits jetzt erreicht werden könne, da ein Großteil der relevanten Kosten zur Vorbereitung einer umfassenden Verteidigung bereits jetzt entstehe. Dies ist mit Blick auf § 111 ZPO hinzunehmen, da gerade die Einräumung einer Sicherheit zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, bedingt, dass relevante Kosten schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sind.