4b O 43/17 – TDMA-System-Verfahren

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2826

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 20. November 2018, Az. 4b O 43/17

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
  3. a) ein Verfahren in einem TDMA-System, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen verfügt,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung anzubieten, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
  5. Kenntnis eines ersten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft ist, und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit jeden von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft ist, wobei sich der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern gegenseitig ausschließen und wobei jeder Satz umfasst: mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung; Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz; Bestimmung, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System ist; wenn der Zeitschlitz der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ist, Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem ersten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder einer besonderen Quelle der Übertragung; andernfalls Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem zweiten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder der besonderen Quelle der Übertragung; und Übertragung eines Bursts in dem Zeitschlitz, der das ausgewählte Synchronisationsmuster umfasst;
  6. b) Funkeinrichtungen,
  7. die dazu geeignet sind, ein Verfahren in einem TDMA-System, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen verfügt, durchzuführen, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
  8. Kenntnis eines ersten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft ist, und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit jeden von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft ist, wobei sich der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern gegenseitig ausschließen und wobei jeder Satz umfasst: mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung; Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz; Bestimmung, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System ist; wenn der Zeitschlitz der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ist, Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem ersten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder einer besonderen Quelle der Übertragung; andernfalls Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem zweiten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder der besonderen Quelle der Übertragung; und Übertragung eines Bursts in dem Zeitschlitz, der das ausgewählte Synchronisationsmuster umfasst,
  9. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
  10. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu l. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juni 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  11. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
  12. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  13. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  14. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind,
  15. wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  16. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juli 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  17. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  18. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  19. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne,
  20. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  21. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  22. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die zu l. 1. bezeichneten und seit dem 8. Juli 2016 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
  23. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  24. IV. Die Klägerin trägt 10 % der Gerichtskosten, der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Kosten der Streithilfe, die Beklagte trägt 90 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
  25. V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800.000,00 EUR und für die Beklagte und die Streithelferin in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wobei für die teilweise Vollstreckung des Urteils durch die Klägerin folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
    Ziffer I. 1. des Tenors: 1.300.000,00 EUR
    Ziffer I. 2. und I. 3. des Tenors: 400.000,00 EUR
    Ziffer IV. des Tenors: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
  26. Tatbestand
  27. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 342 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.
  28. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 25. September 2009 unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 3. Oktober 2008 (US 102XXX P) und 9. Dezember 2008 (US 331XXX) angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 8. Juni 2016 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Über die von der Streithelferin gegen die Klägerin beim Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent wurde bislang noch nicht entschieden.
  29. Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft ein Verfahren zur effizienten Synchronisierung auf einen gewünschten Zeitschlitz in einem TDMA-Kommunikationssystem. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 11 lautet in der englischen Fassung:
  30. „In a time division multiple access (TDMA) system having a plurality of timeslots, a method comprising the steps of:
    knowing a first set of synchronization patterns associated with a desired timeslot and a second set of synchronization patterns associated with each of the other timeslots in the TDMA system, wherein the first set of synchronization patterns is mutually exclusive from the second set of synchronization patterns, and each set comprising at least two different synchronization patterns as a function of at least one of a payload type and a source of the transmission;
    preparing (530) to transmit a particular payload type in a timeslot;
    determining (535) whether the timeslot is a current desired timeslot for the TDMA system;
    if the timeslot is the current desired timeslot, selecting (545) a synchronization pattern selected from the first set of synchronization patterns based on the one of the particular payload type and a particular source of the transmission; otherwise selecting (540) a synchronization pattern selected from the second set of synchronization patterns based on the one of the particular payload type and the particular source of the transmission; and
    transmitting a burst in the timeslot having embedded the synchronization pattern that was selected.“
  31. und in der deutschen Übersetzung:
  32. „Verfahren in einem TDMA-System (TDMA = Mehrfachzugriff im Zeitmultiplex), das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen verfügt, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
    Kenntnis eines ersten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft ist, und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit jeden von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft ist, wobei sich der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern gegenseitig ausschließen und wobei jeder Satz umfasst: mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung;
    Vorbereitung (530) zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz;
    Bestimmung (535), ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System ist;
    wenn der Zeitschlitz der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ist, Auswahl (545) eines Synchronisationsmusters aus dem ersten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder einer besonderen Quelle der Übertragung; andernfalls Auswahl (540) eines Synchronisationsmusters aus dem zweiten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder der besonderen Quelle der Übertragung; und
    Übertragung eines Bursts in dem Zeitschlitz, der das ausgewählte Synchronisationsmuster umfasst.“
  33. Die Beklagte bietet zusammen mit der Streithelferin – ihrer Muttergesellschaft – in der Bundesrepublik Deutschland an und vertreibt Funkgeräte mit den Betriebsarten „A“ und „B“, darunter die Geräte C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U (angegriffene Ausführungsform). Es handelt sich dabei um Geräte für den privaten Mobilfunk. B und A stehen insofern für den digitalen Mobilfunk (DMR = digital mobile radio) gemäß den Übertragungsstandards ETSI TS 102 361-1/2/3 (B) bzw. ETSI TS 102 361-1/2/3/4 (A), nachfolgend kurz „DMR-Standard“ bezeichnet. Die aktuelle Version V2.1.1 der technischen Spezifikation ETSI TS 102 361-1 des DMR-Standards aus dem Jahr 2012, mit der die angegriffene Ausführungsform kompatibel ist, liegt als Anlage K 11a, in deutscher Übersetzung K 11b, vor.
  34. Die Streithelferin ist Inhaberin der Domain www.V.com und betreibt unter dieser Adresse ihren weltweiten Internetauftritt. Wird darin aus der im Auswahlbereich „W“ ausgewählt, wird der Nutzer auf die Internetseite www.X.com/de/ weitergeleitet, für die die Beklagte verantwortlich ist. Sie ist im Impressum dieser Internetseite genannt. Sämtliche Produkte der angegriffenen Ausführungsform können auf der Website www.X.com/de/ ausgewählt und die gewünschten technischen Spezifikationen eingesehen werden, wie beispielsweise im Fall des V S und der als Anlage K 7 vorgelegten zugehörigen technischen Daten. Die Beklagte bewirbt die angegriffene Ausführungsform auch mit einer Werbebroschüre, die als Anlage K 15 vorliegt. Ebenso werden den Kunden Schulungen und Trainings angeboten, in denen die Teilnehmer die Eigenschaften des DMR-Bündelfunks und das DMR-Bündelfunksystem von V kennenlernen. Wegen der Einzelheiten wird auf den in der mündlichen Verhandlung überreichten Auszug aus dem Internetauftritt der Beklagten Bezug genommen.
  35. Die Produkte der angegriffenen Ausführungsform bieten zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten, die bis zu einem gewissen Grad untereinander kombiniert werden können. Die Einstellungsmöglichkeit „Y“ legt fest, welcher Zeitschlitz überwacht wird bzw. auf welchem Zeitschlitz empfangen werden kann. Er bietet die Möglichkeiten „Z“, „AA“ und „BB“. Im Fall „BB“ überwacht die angegriffene Ausführungsform beide Zeitschlitze und kann Anrufe aus beiden Kanälen empfangen. Die Einstellungsmöglichkeit „CC“ steht für „DD“ („ausgewählte Übertragung“) und legt fest, in welchem Zeitschlitz die angegriffene Ausführungsform senden soll. Es gibt die Varianten „Z“, „AA“ und „None“. Im Fall „None“ versucht das Funkgerät zunächst, eine Übertragung über den Zeitschlitz 1 zu initiieren. Ist der Zeitschlitz 1 belegt, wird der Zeitschlitz 2 verwendet, wenn er frei ist. Schließlich kann der Nutzer noch zwischen den Modi „EE“, „FF“ und „TDMA FF“ wählen. Die Werkseinstellung der angegriffenen Ausführungsform ist „Y“ = „Z“; „TDMA-DM“ = ausgeschaltet und „CC“ = „Z“.
  36. Soweit ältere der angegriffenen Produkte die „BB“-Funktion noch nicht im Zeitpunkt des Verkaufs unterstützten, entwickelte die Beklagte mit der Streithelferin ein Firmware Update, also eine Software, mit der ein einzelnes Gerät nachträglich unter anderem mit der Funktion „BB“ ausgestattet werden kann. Mit Hilfe dieser Updates (spätestens ab Version R7.0) können auch ältere Produkte der angegriffenen Ausführungsform die „BB“-Funktion ausführen. Um die Firmware R7.0 installieren zu können, muss ein Nutzer Lizenzbedingungen akzeptieren, nach denen V das Eigentum an der Software einschließlich aller Patent-, Urheber- und sonstigen Rechte an geistigem Eigentum behält, aber eine nicht ausschließliche Lizenz zur Nutzung der Software einräumt. Die Zustimmung zu vergleichbaren Lizenzbedingungen wird auch für die Installation der Kundenprogrammiersoftware (CPS) – zum Beispiel für das Gerät V S – verlangt. CPS enthält ebenfalls die Funktion „BB“.
  37. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte wende das Verfahren gemäß Klagepatentanspruch 11 an bzw. biete es zur Anwendung an und sei darüber hinaus für eine mittelbare Patentverletzung verantwortlich. Würden bei den angegriffenen Funkgeräten die Einstellungsmöglichkeiten „BB“, „TDMA FF“ und „TX none“ kombiniert, seien die Geräte in der Lage, das nach dem Klagepatentanspruch 11 geschützte Verfahren anzuwenden. Die angegriffenen Funkgeräte bauten auf dem DMR-Standard auf, der wiederum auf einer TDMA-Struktur mit zwei Zeitschlitzen bzw. Kanälen basiere. Die als Anlage K 11a/b vorgelegte aktuelle Version des DMR-Standards verwende erstmalig Synchronisationsmuster, die eine Information über den jeweiligen Zeitschlitz enthielten. Das Konzept der dynamischen, variablen Nutzung der beiden Zeitschlitze, wie es Gegenstand der Lehre des Klagepatents sei, habe jedoch keinen Eingang in den DMR-Standard gefunden.
    Nach der patentgemäßen Lehre seien den Zeitschlitzen bzw. TDMA-Kanälen so genannte Synchronisationsmuster zugeordnet. Diese ermöglichten es dem Empfänger, sowohl die genaue zeitliche Lage der Zeitschlitze als auch ihre Zuordnung zu bestimmten TDMA-Kanälen festzustellen. Soweit der Klagepatentanspruch einen gewünschten Zeitschlitz voraussetze, könne es sich einfach um den Zeitschlitz handeln, bei dem die vom Klagepatentanspruch verlangte Auswahl des Synchronisationsmusters begonnen werde. Ausreichend sei eine Präferenz für einen Zeitschlitz bzw. TDMA-Kanal. Nicht erforderlich sei, dass jedes Funkgerät vorab einem der beiden Zeitschlitze zugeordnet sei. Das Klagepatent verlange nur, dass bestimmt werde, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz sei. Dies könne durch Voreinstellung „default“, aufgrund der Auswahl durch den Benutzer oder auf andere Weise geschehen. Das sei auch bei der angegriffenen Ausführungsform so, weil der Zeitschlitz 1 als „default Zeitschlitz“ oder „default slot“ eingerichtet sei. Das angegriffene Funkgerät versuche zunächst, auf dem Zeitschlitz 1 zu senden. Falls dieser besetzt sei, wechsele die angegriffene Ausführungsform automatisch auf Zeitschlitz 2. Dies hätten auch von der Klägerin durchgeführte Versuche mit der angegriffenen Ausführungsform gezeigt.
    Soweit der Klagepatentanspruch eine Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz verlange, genüge es, wenn festgestellt werde, welche Zeitschlitze für eine Übertragung zur Verfügung stünden, namentlich diejenigen, deren zugehörige Synchronisationsmuster nicht aufgefunden und daher nicht belegt seien. Das geschehe im Fall der „BB“-Funktion auch bei den angegriffenen Funkgeräten, da sie eine Kanalprüfung vornähmen, um anhand der vorhandenen Synchronisationsmuster zu ermitteln, welcher Zeitschlitz frei bzw. belegt sei.
    Die angegriffene Ausführungsform bestimme dann auch, ob es sich bei dem Zeitschlitz um einen gewünschten Zeitschlitz handele und wähle in Abhängigkeit davon das zugehörige Synchronisationsmuster aus. Erkenne das angegriffene Funkgerät ein leeres Übertragungsband, wähle es ein zum „default Zeitschlitz“ korrespondierendes Synchronisationsmuster. Falls einer der beiden Zeitschlitze des Übertragungsbandes besetzt sei, werde der andere Zeitschlitz nebst zugehörigen Synchronisationsmustern für die Übertragung verwendet.
    Die Klägerin behauptet, die Beklagte wende ein solches Verfahren an. Sie ist der Ansicht, die für die mittelbare Patentverletzung erforderliche Offensichtlichkeit einer Verwendungsbestimmung ergebe sich aus der Bewerbung der angegriffenen Produkte und der Werbung für Schulungen und Trainings. Den Rückruf- und Vernichtungsanspruch hält die Klägerin auch im Hinblick auf die Möglichkeit, ein die angegriffene Ausführungsform abänderndes Software-Patch aufzuspielen, für verhältnismäßig.
    Schließlich werde sich das Klagepatent auch als rechtsbeständig erweisen.
  38. Die Klägerin beantragt,
  39. A. die Beklagte zu verurteilen,
  40. I. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
  41. 1. ein Verfahren in einem TDMA-System, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen verfügt,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden oder zur Anwendung anzubieten, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
    Kenntnis eines ersten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft ist, und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit jeden von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft ist, wobei sich der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern gegenseitig ausschließen und wobei jeder Satz umfasst: mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung; Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz; Bestimmung, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System ist; wenn der Zeitschlitz der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ist, Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem ersten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder einer besonderen Quelle der Übertragung; andernfalls Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem zweiten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder der besonderen Quelle der Übertragung; und Übertragung eines Bursts in dem Zeitschlitz, der das ausgewählte Synchronisationsmuster umfasst;
    – unmittelbare Verletzung von
    Anspruch 11 der EP 2 342 XXX B1 –
  42. insbesondere wenn
    das Verfahren weiter umfasst:
    Versuch zur Initiation einer Übertragung auf einer gewünschten Frequenz und einem gewünschten Zeitschlitz, wobei:
    eine Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz umfasst:
    Detektion einer Trägerpräsenz auf der gewünschten Frequenz;
    Suchen nach Synchronisationsmustern, die mit jedem der Mehrzahl von Zeitschlitzen auf der gewünschten Frequenz verknüpft sind;
    – unmittelbare Verletzung von
    Anspruch 15 der EP 2 342 XXX B1 –
  43. und/oder im Falle des Anspruchs 15
    das TDMA System über ein Schlitzverhältnis von n:1 verfügt und n eine ganze Zahl größer als 1 ist und wobei das Timing weiterhin justiert wird, basierend auf dem Schlitzverhältnis des TDMA-Systems und einer Zeitdauer eines jeden Zeitschlitzes in der Mehrzahl von Zeitschlitzen;
    – unmittelbare Verletzung
    von Anspruch 16 der EP 2 342 XXX B1 –
  44. und/oder im Falle der Ansprüche 15 oder 16
    wobei das TDMA-System über ein Schlitzverhältnis von n:1 verfügt und n eine ganze Zahl größer als 1 ist;
    – unmittelbare Verletzung von
    Anspruch 17 der EP 2 342 XXX B1 –
  45. und/oder wenn
    der Payload-Typ Sprache oder Daten ist und die Quelle der Übertragung Teilnehmer-Station oder Repeater ist;
    – unmittelbare Verletzung von
    Anspruch 18 der EP 2 342 XXX B1 –
  46. und/oder wenn
    das TDMA-System ein Direktbetriebsartkommunikationssystem ist, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen für direkte Kommunikationen zwischen zwei Teilnehmerfunkvorrichtungen verfügt, wobei das Verfahren weiterhin den folgenden Schritt umfasst: direkte Übertragung eines Bursts von einer Teilnehmer-Station an eine andere Teilnehmer-Station;
    – unmittelbare Verletzung von
    Anspruch 20 der EP 2 342 XXX B1 –
  47. 2. Funkeinrichtungen,
    die dazu geeignet sind, ein Verfahren in einem TDMA-System, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen verfügt, durchzuführen, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
    Kenntnis eines ersten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft ist, und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern, der mit jeden von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft ist, wobei sich der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern gegenseitig ausschließen und wobei jeder Satz umfasst: mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung; Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz; Bestimmung, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System ist; wenn der Zeitschlitz der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ist, Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem ersten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder einer besonderen Quelle der Übertragung; andernfalls Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem zweiten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder der besonderen Quelle der Übertragung; und Übertragung eines Bursts in dem Zeitschlitz, der das ausgewählte Synchronisationsmuster umfasst,
  48. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern;
    – mittelbare Verletzung des
    Anspruchs 11 des EP 2 342 XXX B1 –
  49. insbesondere wenn
    das Verfahren weiter umfasst:
    Versuch zur Initiation einer Übertragung auf einer gewünschten Frequenz und einem gewünschten Zeitschlitz, wobei:
    eine Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz umfasst:
    Detektion einer Trägerpräsenz auf der gewünschten Frequenz;
    Suchen nach Synchronisationsmustern, die mit jedem der Mehrzahl von Zeitschlitzen auf der gewünschten Frequenz verknüpft sind;
    – mittelbare Verletzung von
    Anspruch 15 der EP 2 342 XXX B1 –
  50. und/oder im Falle des Anspruchs 15
    das TDMA System über ein Schlitzverhältnis von n:1 verfügt und n eine ganze Zahl größer als 1 ist und wobei das Timing weiterhin justiert wird, basierend auf dem Schlitzverhältnis des TDMA-Systems und einer Zeitdauer eines jeden Zeitschlitzes in der Mehrzahl von Zeitschlitzen;
    – mittelbare Verletzung
    von Anspruch 16 der EP 2 342 XXX B1 –
  51. und/oder im Falle der Ansprüche 15 oder 16
    wobei das TDMA-System über ein Schlitzverhältnis von n:1 verfügt und n eine ganze Zahl größer als 1 ist;
    – mittelbare Verletzung von
    Anspruch 17 der EP 2 342 XXX B1 –
  52. und/oder wenn
    der Payload-Typ Sprache oder Daten ist und die Quelle der Übertragung Teilnehmer-Station oder Repeater ist;
    – mittelbare Verletzung von
    Anspruch 18 der EP 2 342 XXX B1 –
  53. und/oder wenn
    das TDMA-System ein Direktbetriebsartkommunikationssystem ist, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen für direkte Kommunikationen zwischen zwei Teilnehmerfunkvorrichtungen verfügt, wobei das Verfahren weiterhin den folgenden Schritt umfasst: direkte Übertragung eines Bursts von einer Teilnehmer-Station an eine andere Teilnehmer-Station;
    – mittelbare Verletzung von
    Anspruch 20 der EP 2 342 XXX B1 –
  54. II. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu A. l. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juni 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  55. 1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
    2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    3. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  56. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und
    wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  57. III. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu A. I. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juli 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  58. 1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne,
    4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  59. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  60. IV. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu A. l.2. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;
  61. V. die unter A. I.2. bezeichneten, seit 8. Juni 2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  62. B. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die zu A l. bezeichneten und seit dem 8. Juli 2016 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
  63. Die Beklagte beantragt,
  64. die Klage abzuweisen,
  65. hilfsweise das Verfahren bis zur Entscheidung über den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen,
  66. hilfsweise ihr zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
  67. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe mit der erstmalig in der Replik vorgetragenen Kombination der Funktionen „BB“ und „TDMA FF“ eine Klageänderung vorgenommen, die weder von Gesetzes wegen zulässig, noch sachdienlich sei. Ebenso wenig stimme sie der Klageänderung zu. Jedenfalls sei der diesbezügliche Vortrag verspätet.
    Abgesehen davon sei die angegriffene Ausführungsform nicht geeignet, das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 11 anzuwenden. Bei dem gewünschten Zeitschlitz handele es sich um eine vorab festgelegte Zuordnung eines Endgeräts zu einem Zeitschlitz. Diese Zuordnung sei von der späteren Bestimmung, ob ein für die Übertragung vorgesehener Zeitschlitz ein gewünschter Zeitschlitz sei, unabhängig.
    Das Endgerät, das eine Übertragung auf einem bestimmten Kanal vornehmen wolle, suche dann in der entsprechenden Frequenz nach Synchronisationsmustern. Könne es ein solches Muster im Datenstrom identifizieren, wisse das Endgerät, ob es sich um den Zeitschlitz 1 oder 2 handele und welcher Payload übermittelt werde. Das Endgerät trete dann unmittelbar in die Übertragung ein. Der Anspruch setze voraus, dass eine Übertragung im gewünschten Zeitschlitz erfolge, nachdem dieser identifiziert worden sei.
    Der Burst werde nach der Lehre des Klagepatents immer in dem gewünschten Zeitschlitz übertragen. Werde das Synchronisationsmuster für den nicht gewünschten Zeitschlitz detektiert, justiere das Sendergerät sein Timing und synchronisiere sich mit dem gewünschten Zeitschlitz. Werde hingegen das Synchronisationsmuster des gewünschten Zeitschlitzes detektiert, könne unmittelbar gesendet werden, selbst wenn der Kanal belegt sei. Das mache auch technisch Sinn, weil der DMR-Standard einen „unhöflichen Zugriff“ in bestimmten Situationen zulasse. Lediglich die Auswahl des Synchronisationsmusters, der in dem Burst enthalten sei, hänge vom jeweils detektierten Zeitschlitz ab.
    Nach diesem Verständnis des Klagepatentanspruchs 11 mache die angegriffene Ausführungsform von den Merkmalen des Anspruchs keinen Gebrauch. Die BB-Funktion basiere auf einem von der Streithelferin patentierten Verfahren, wonach sich die Mobilstation im Falle der Initiierung einer Übertragung stets auf einen freien Zeitschlitz synchronisiere. Damit könne der zweite Zeitschlitz, soweit er frei sei, ebenfalls für eine Übertragung verwendet werden. Insofern fehle es bei der Verwendung der BB-Funktion schon an einem „gewünschten Zeitschlitz“ im Sinne des Klagepatents, weil das Endgerät stets nur den freien Zeitschlitz suche, um auf diesen zu synchronisieren. Die von der Klägerin durchgeführten Tests zeigten allein, dass die verwendeten Geräte Zeitschlitz 1 für Übertragungen nutzten, wenn beide Zeitschlitze frei seien. Damit werde aber allenfalls eine Abfragereihenfolge offenbart, also zuerst für Zeitschlitz 1 geprüft, ob er belegt sei, und dann für Zeitschlitz 2. Wie auch die Alternative „TX none“ begrifflich zum Ausdruck bringe, fehle es gerade an einer vorherigen Festlegung auf einen bestimmten Zeitschlitz.
    Weiterhin würden auch keine Synchronisationsmuster im Sinne des Klagepatents verwendet. Die deutsche Übersetzung des Klagepatentanspruchs sei falsch. Die maßgebliche englische Fassung verlange Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und einer Übertragungsquelle. Die Synchronisationsmuster nach dem DMR-Standard, die die angegriffene Ausführungsform verwende, enthielten keine Angabe zur Übertragungsquelle.
    Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform in dem Zeitschlitz einen Burst übertrage, der das ausgewählte Synchronisationsmuster umfasse.
    Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht, dass die Klägerin die für eine mittelbare Verletzung des Klagepatents erforderliche Verwendungsbestimmung der Abnehmer nicht dargelegt habe, weil die BB-Funktion nur eine von vielen Funktionen der angegriffenen Geräte sei, die zudem nur in einer – nicht näher empfohlenen – Kombination mit dem TDMA FF vermeintlich patentverletzend sei. Jedenfalls komme kein Schlechthinverbot in Betracht. Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung seien unverhältnismäßig. Die BB-Funktion werde zudem über eine Software implementiert und lasse sich auf diesem Weg etwa mittels eines Software-Patch entfernen.
    Jedenfalls sei die Verhandlung auszusetzen, weil die Lehre des Klagepatents nicht patentfähig sei.
  68. Die Streithelferin macht sich den Vortrag der Beklagten zu eigen und stellt Kostenantrag.
  69. Ergänzend ist sie der Auffassung, die nach der Lehre des Klagepatentanspruchs 11 vorgesehene Bestimmung des Zeitschlitzes und die Auswahl des zugehörigen Synchronisationsmusters zeigten, dass auf denselben Zeitschlitz verschiedene Synchronisationsmuster zum Einsatz kommen könnten, je nachdem ob es sich etwa um einen Ruhezeitschlitz oder einen anderen freien Zeitschlitz handele. Insofern sei auch zwischen dem gewünschten Zeitschlitz und dem gewünschten Zeitschlitz für das TDMA-System zu unterscheiden. Der Klagepatentanspruch 11 betreffe daher ein Verfahren, bei dem das Sendegerät eine Eigenschaft der Zeitschlitze durch Verwendung unterschiedlicher Synchronisationsmuster für den Empfänger identifizierbar mache. Es werde lediglich ein- und derselbe Zeitschlitz in Abhängigkeit von seinen Eigenschaften (bspw. belegt – nicht belegt) mittels Synchronisationsmuster charakterisiert. Eine Änderung des Zeitschlitzes finde nicht statt. Soweit nach der Lehre des Klagepatents eine Vorbereitung zur Übertragung in einem Zeitschlitz erfolgen solle, werde nicht die Vorbereitung eines Bursts verlangt, der ggf. in einem anderen Zeitschlitz verlegt werden könne, sondern die Vorbereitung zur Übertragung in einem Zeitschlitz im Sinne eines elementaren Zeitintervalls eines physikalischen Kanals. Der Zeitschlitz, für den diese Vorbereitung getroffen worden sei, sei immer der, in dem auch die Übertragung stattfinde. Der zu übertragende Burst werde daher immer im gleichen Zeitschlitz gesendet, sowohl für die Variante des Klagepatentanspruchs mit einem Synchronisationsmuster aus dem ersten Satz als auch für die Variante mit einem Synchronisationsmuster aus dem zweiten Satz.
    Soweit der zweite Satz von Synchronisationsmustern mit jedem von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft sein solle, setze dies voraus, dass es neben dem gewünschten Zeitschlitz mindestens zwei weitere Zeitschlitze gebe – ggf. auch auf anderen Frequenzen. Erforderlich seien daher insgesamt mindestens drei Zeitschlitze. Der DMR-Standard stelle auf einer Frequenz aber nur zwei Zeitschlitze zur Verfügung. Werde hingegen mehr als eine Frequenz betrachtet, greife der DMR-Standard für jede Frequenz auf dieselben Synchronisationsmuster zurück. Dem gewünschten Zeitschlitz sei damit nicht ein Satz von Synchronisationsmustern ausschließlich zugeordnet.
    Die angegriffene Ausführungsform bestimme auch nicht, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System sei. Denn der DMR-Standard sehe für einen Zeitschlitz immer die Verwendung desselben Satzes von Synchronisationsmustern vor. Welches Synchronisationsmuster ausgewählt werde, hänge allein vom Payload-Typ ab.
    Selbst wenn die angegriffene Ausführungsform die patentgeschützte Lehre umsetzen könnte, habe die Klägerin eine Verletzungshandlung nicht nachgewiesen. Die bloße Ausstattung der angegriffenen Ausführungsform genüge insofern nicht. Nicht einmal das sinnfällige Herrichten einer Vorrichtung zur Ausübung eines patentgeschützten Verfahrens stelle eine Anwendung des Verfahrens dar. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Endnutzer überhaupt die angeblich patentverletzende Einstellung wähle.
    Ungeachtet dessen sei die Beklagte zum Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform aufgrund eines Kreuzlizenzvertrages zwischen der Klägerin und ihr – der Streithelferin – berechtigt, der zudem einen Verzicht der Klägerin auf Ansprüche für die Vergangenheit beinhalte.
    Zum Vollstreckungsschutzantrag trägt die Streithelferin in Bezug auf die Rückruf- und Vernichtungsansprüche vor, der Beklagten entstehe ein nicht zu ersetzender Nachteil durch einen Imageverlust. Da ihre Kunden im sicherheitsrelevanten Bereich arbeiteten, führe ein Rückruf zu einem Verlust der Einsatzfähigkeit der Polizei, der Feuerwehr und des Flughafenpersonals. Abgesehen davon sei eine Sicherheitsleistung für die Vollstreckung von Rückruf und Vernichtung auf nicht unter 20.000.000,00 EUR festzusetzen.
  70. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
  71. Die Akte 4b O 70/18 ist beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
  72. Entscheidungsgründe
  73. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
  74. A.
    Die Klage ist zulässig.
  75. Streitgegenständlich sind zum einen die auf die Behauptung einer mittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 11 gestützten Klageanträge, zu deren Begründung sich die Klägerin auf Angebot und Vertrieb näher bezeichneter Funkgeräte stützt, die nach ihrem Vortrag aufgrund der Implementierung des DMR-Standards und einer BB-Funktion zur Anwendung des im Klagepatentanspruch 11 beschriebenen Verfahrens geeignet seien. Weiterhin sind die auf den Vorwurf einer unmittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 11 gestützten Klageanträge streitgegenständlich, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen auf die Lieferung einer Programmiersoftware bzw. eines Software-Updates zur Implementierung der BB-Funktion auf den Funkgeräten unter der Bedingung einer Einwilligung der Kunden in eine Lizenzvereinbarung abstellt. Diese Streitgegenstände haben sich seit der Klageerhebung nicht geändert. Insbesondere liegt keine Klageänderung vor, die gemäß § 263 ZPO von der Einwilligung der Beklagten oder der gerichtlichen Prüfung ihrer Sachdienlichkeit abhängt.
  76. Eine (objektive) Klageänderung liegt vor, wenn der Streitgegenstand geändert wird (Zöller/Greger, ZPO 32. Aufl.: § 263 Rn 2). Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt sich der Streitgegenstand nach den gestellten Anträgen und dem zu ihrer Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt (BGH GRUR 2003, 716 – Reinigungsarbeiten). Zum Lebenssachverhalt (Klagegrund) sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (Zöller/Vollkommer, ZPO 32. Aufl.: Einl. Rn 83). Bei einer Patentverletzungsklage wird der Streitgegenstand regelmäßig durch die als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt (BGH GRUR 2003, 716 – Reinigungsarbeiten; GRUR 2012, 485 – Rohrreinigungsdüse II). Von der Änderung des Streitgegenstands durch eine Änderung des zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalts ist die bloße Konkretisierung des Lebenssachverhalts zu unterscheiden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 32. Aufl.: Einl. Rn 83). Denn eine vollständige Beschreibung des Lebenssachverhalts, wie sie zur schlüssigen und substantiierten Darlegung des Klageanspruchs und damit für die Begründetheit der Klage erforderlich sein kann, ist nicht gefordert (Zöller/Greger, ZPO 32. Aufl.: § 253 Rn 11).
  77. Im Streitfall sind die Klageanträge seit der Klageerhebung unverändert geblieben. Aber auch der Klagegrund hat sich nicht geändert. Hinsichtlich des Vorwurfs der mittelbaren Verletzung des Klagepatentanspruchs 11 wird der Klagegrund durch den Vortrag gebildet, die Beklagten böten an und vertrieben Funkgeräte, die die Klägerin als Verletzungsformen bezeichnet hat und die nach dem klägerischen Vortrag zur Anwendung des im Klagepatentanspruch 11 beschriebenen Verfahrens geeignet seien. Zur Begründung hat die Klägerin insbesondere vorgetragen, die Verletzungsformen verwirklichten den DMR-Standard und wiesen darauf aufbauend die Funktion „BB“ auf. Die Merkmalsverwirklichung hat die Klägerin mit Hilfe des DMR-Standards anhand der im TDMA FF verwendeten Synchronisationsmuster und der Erläuterungen der BB-Funktion dargelegt. Dass sie im Zuge dessen irrtümlich Auszüge einer älteren Version des DMR-Standards als Anlage vorgelegt hat (ETSI TS 102 361-1 V1.4.5 (2007-12)), die den TDMA FF noch nicht enthielt, ist unbeachtlich. Denn in die Klageschrift unmittelbar eingefügt waren Auszüge aus der neueren Version des DMR-Standards (ETSI TS 102 361-1 V2.1.1 (2012-04)), die die Klägerin in der Replik auch als Anlage K 11a/b vorgelegt hat. Ebenso ist es unschädlich, dass die Klägerin erst in der Replik den Verletzungsvorwurf auf eine Kombination der Funktionen TDMA FF und BB gestützt hat. Dass die angegriffenen Geräte nur in bestimmten Konstellationen, nämlich bei einer Kombination der BB-Funktion mit dem TDMA FF, zur Merkmalsverwirklichung geeignet sind, ändert nichts an der bereits in der Klageschrift unter Bezugnahme auf die BB-Funktion behaupteten und im Einzelnen dargelegten Eignung der Geräte zur Benutzung der Lehre des Klagepatents. Vor dem Hintergrund stellt sich der weitere Vortrag der Klägerin in der Replik lediglich als Konkretisierung des Lebenssachverhalts dar, nicht aber als eine Änderung des Streitgegenstands. Nichts anderes gilt für die behauptete unmittelbare Verletzung des Klagepatents.
  78. Der ergänzende Vortrag der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verspätet. Eine Verzögerung des Rechtsstreits ist in keiner Weise eingetreten.
  79. B.
    Die Klage ist überwiegend begründet.
  80. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform bzw. der Software für diese Produkte stellen sowohl eine unmittelbare, als auch eine mittelbare Verletzung von Anspruch 11 des Klagepatents dar. Allerdings besteht die unmittelbare Verletzung nicht in dem Umfang, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird, und auch Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf bestehen nicht.
  81. I.
    Das Klagepatent betrifft allgemein bidirektionale drahtlose Kommunikationssysteme, genauer eine Zeitschlitzsynchronisierung in einem Kommunikationssystem mit Mehrfachzugriff im Zeitmultiplex (tim division multiple access = TDMA) (Abs. [0001]; Textstellen ohne Bezugsangaben stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage K 1a, in deutscher Übersetzung K 1b). Es werden Verfahren zur effizienten Synchronisierung mit einem gewünschten Zeitschlitz in einem TDMA-Kommunikationssystem offenbart (Abs. [0010]).
  82. Einleitend wird in der Klagepatentschrift zu dem im Stand der Technik geltenden Standard des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI-DMR, insbesondere ETSI TS 102 361-1) und dem darin beschriebenen Luftschnittstellenprotokoll ausgeführt. Demnach muss sich eine Teilnehmereinheit, die als Empfänger oder Sender auf einem TDMA-Kanal zugelassen werden möchte, zunächst mit dem gewünschten Zeitschlitz synchronisieren. Für diesen Zweck sieht der ETSI-DMR-Standard ein TDMA-Kanal-Bit (TC-Bit) vor, welches das Empfängergerät darüber informiert, ob der Zeitschlitz, der als nächster empfangen wird, ein Zeitschlitz 1 oder ein Zeitschlitz 2 ist. Das TC-Bit wird zusammen mit anderen, hier nicht weiter interessierenden Protokollbits durch Vorwärtskorrektur-Paritätsbits (FEC-Paritätsbits) geschützt, z.B. unter Verwendung eines (7,4)-Hamming-Codes. Dies verbessert die Chancen, dass es in Gegenwart unvermeidlicher Kanalstörungen korrekt empfangen wird. Das Protokoll sieht jedoch keine Fehlererfassungsparitätsbits wie z.B. eine zyklische Redundanzprüfung oder eine Prüfsumme vor, die es dem Empfängergerät ermöglichen würden, zu bestimmen, ob das TC-Bit korrekt empfangen worden ist. Infolgedessen gibt die Prüfung eines einzelnen TC-Bits dem Empfängergerät einen Hinweis darauf, welcher Zeitschlitz der nächste ist, aber mit beschränkter Verlässlichkeit dafür, dass der Zeitschlitz korrekt identifiziert worden ist (Abs. [0003]).
  83. Die Prüfung mehrerer aufeinanderfolgender TC-Bits und die Feststellung, ob sie abwechselnd einen Zeitschlitz 1 oder einen Zeitschlitz 2 angeben, kann dem Empfängergerät Aufschluss darüber geben, ob die Zeitschlitze korrekt, falsch oder unsicher identifiziert wurden, aber die Prüfung mehrerer TC-Bits braucht zusätzliche Zeit, da sie nur periodisch am Kanal bereitgestellt werden, z. B. alle 30 ms. Ein Empfängergerät kann vier bis acht aufeinanderfolgende TC-Bits und dementsprechend 120 bis 240 ms nach der Synchronisierung mit der Frequenz benötigen, um einen Zeitschlitz mit hoher Verlässlichkeit als Zeitschlitz 1 oder Zeitschlitz 2 zu identifizieren, und muss möglicherweise mehr TC-Bits empfangen, falls Fehler in dem alternierenden Muster von Zeitschlitz 1 und 2 festgestellt werden. Eine solche Zeitspanne kann restriktiv sein und die Leistung in Systemen beschränken, in denen das Empfängergerät die Kanäle häufig wechseln muss, z. B. wenn ein Empfängergerät Rufaktivitäten von Interesse dadurch suchen muss, dass es nacheinander eine Liste von Kanälen durchgeht oder durchmustert (Abs. [0004]).
  84. Gemäß dem ETSI-DMR-Standard werden die TC-Bits im gemeinsamen Ankündigungskanal (Common Announcement Channel = CACH) gesendet. Der CACH wird von einem Repeater gesendet und liegt zwischen den Übertragungen von Zeitschlitz 1 und Zeitschlitz 2. Weiterhin sieht der ETSI-DMR-Standard auch Direktmodus- oder Rundruf-Übertragungen vor, bei denen die Teilnehmereinheit ohne die Unterstützung durch den Repeater kommunizieren kann. Der Standard erlaubt jedoch nur jeweils höchstens einer Teilnehmereinheit die Übertragung im Direktmodus auf einer Frequenz, wodurch ein erheblicher Teil des Kanals ungenutzt bleibt. Da an Übertragungen im Direktmodus kein Repeater beteiligt ist, gibt es keine CACH-Meldung, um Zeitschlitze auf dem Kanal zu identifizieren. Die sendende Teilnehmereinheit kann die CACH-Informationen auch nicht liefern, da eine „Sicherheitspause“ von 2,5 ms zwischen den beiden Zeitschlitzen reserviert werden muss, um sicherzustellen, dass nicht zwei sendende Teilnehmereinheiten einander aufgrund von Faktoren wie Laufzeitverzögerungen und Drift des Referenzoszillators stören (Abs. [0005]).
  85. Im Stand der Technik – so die Klagepatentschrift – ist aus der EP 2 217 019 A1 ein Datenübertragungsendgerät für ein DMR-Netz bekannt, das in einem Direktmodus betrieben werden kann. Dabei empfängt ein Kommunikationsmodul ein DMR-Synchronisierungsmuster, mittels dessen ein Synchronisierungsmodul des Gerätes eine Synchronisation herstellt, um die einzelnen Zeitschlitze zu unterscheiden, und bestimmt den Zeitschlitz, der von einer über das DMR-Netz empfangenen Datenübertragung besetzt ist. Das Synchronisierungsmodul steuert das Kommunikationsmodul so, dass dieses auf die Datenübertragung über das DMR-Netz reagiert. Dabei werden die sechs aus dem DMR-Standard-Protokoll bekannten Synchronisationsmuster verwendet. Es können aber auch neue Synchronisationsmuster definiert werden. In der Klagepatentschrift wird weiter zur US 6 516 199 B1 ausgeführt, die ein zelluläres TDMA-Netz beschreibt. Darin werden Zeitschlitze von Übertragungen von Basisstationen mit der gleichen Betriebsfrequenz synchronisiert. Eine Basisstation kann einen Frame senden, der drei Zeitschlitze umfasst, von denen jeder einem anderen mobilen Empfänger zugeordnet ist. Die Kommunikation mit jedem der drei Empfänger findet an einem jeweils anderen Zeitschlitz statt. Jeder Zeitschlitz weist ein anderes Synchronwort auf als die beiden anderen Zeitschlitze (Abs. [0006]).
  86. Im Klagepatent selbst wird keine konkrete Aufgabe genannt. Vor dem Hintergrund des geschilderten Standes der Technik kann die Aufgabe aber jedenfalls dahingehend formuliert werden, die aus dem Stand der Technik bekannten TDMA-Kommunikationssysteme effizienter zu gestalten, insbesondere im Hinblick auf die Synchronisierung und die Auslastung der Kanäle.
  87. Dies soll durch ein Verfahren gemäß dem Klagepatentanspruch 11 geschehen, dessen Merkmale nachstehend in bereits gegliederter Form wiedergegeben sind:
  88. 1. Verfahren in einem TDMA-System, das über eine Mehrzahl von Zeitschlitzen verfügt, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
    2. Kenntnis eines ersten und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern;
    2.1 der erste Satz von Synchronisationsmustern ist mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft;
    2.2 der zweite Satz von Synchronisationsmustern ist mit jeden von den anderen Zeitschlitzen in dem TDMA-System verknüpft;
    2.3. der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern schließen sich gegenseitig aus;
    2.4 jeder Satz umfasst: mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung;
    3. Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz;
    4. Bestimmung, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz für das TDMA-System ist:
    4.1 wenn der Zeitschlitz der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ist, Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem ersten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder einer besonderen Quelle der Übertragung;
    4.2 andernfalls Auswahl eines Synchronisationsmusters aus dem zweiten Satz von Synchronisationsmustern, basierend auf dem besonderen Payload-Typ oder der besonderen Quelle der Übertragung;
    5. Übertragung eines Bursts, das ausgewählte Synchronisationsmuster umfassend, in dem Zeitschlitz.
  89. II.
    Der Klagepatentanspruch 11 betrifft ein Verfahren in einem TDMA-System und ist auf die Übertragung eines Bursts unter Verwendung von Synchronisationsmustern gerichtet.
  90. 1.
    Bei einem TDMA-System handelt es sich um ein Mobilfunksystem, bei dem ein physikalischer Funkkanal in zeitlicher Hinsicht in Abschnitte, so genannte Zeitschlitze, unterteilt wird, die verschiedenen logischen Kanälen zugewiesen sind. In einem System mit zwei Zeitschlitzen können sich die Zeitschlitze 1 und 2 zum Beispiel abwechseln (1, 2, 1, 2, …) und es können zwei (logische) Kanäle gebildet werden, wobei dem einen Kanal die Zeitschlitze 1 und dem anderen die Zeitschlitze 2 zugewiesen sind. Dem Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 11 liegt nach dem Merkmal 1 ein solches TDMA-System zugrunde, wobei dieses nicht auf zwei Zeitschlitze pro Frequenzband beschränkt ist.
  91. 2.
    Nach der Merkmalsgruppe 2 setzt das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 11 voraus, dass der Sender einen ersten und einen zweiten Satz von Synchronisationsmustern kennt.
  92. a)
    Damit ein am TDMA-System teilnehmendes Gerät – sei es ein Repeater oder eine Teilnehmereinheit – auf einem TDMA-Kanal senden oder empfangen kann, muss es mit dem entsprechenden Zeitschlitz synchronisiert sein (vgl. Abs. [0003]), d.h. es muss wissen, welcher Zeitschlitz zu welchem Zeitpunkt beginnt. Mittel für die Synchronisation waren im Stand der Technik bekannt. Sie kann mittels eines TC-Bits erfolgen, das dem Zeitschlitz vorangeht und diesen kennzeichnet (z.B. als Zeitschlitz 1 oder Zeitschlitz 2) (vgl. Abs. [0003]), oder mittels Synchronisierungsmustern (vgl. Abs. [0006]). Das Klagepatent beschäftigt sich laut seiner Beschreibung im Wesentlichen mit Verfahren zur effizienten Synchronisierung mit einem gewünschten Zeitschlitz in einem TDMA-Kommunikationssystem (vgl. Abs. 0010), wobei ausschließlich Synchronisationsmuster zum Einsatz kommen.
  93. Bei einem Synchronisationsmuster im Sinne von Klagepatentanspruch 11 handelt es sich um eine Bitfolge, die in ihrer Gesamtheit als eindeutiger Bezeichner für den Zeitschlitz und den Payloadtyp bzw. die Quelle der Übertragung (vgl. Merkmal 2.4) sowie ggf. weiterer Informationen dient, ohne dass einzelne Bits der Bitfolge einzelne Informationen repräsentieren. Das heißt, jedem logischen Kanal ist ein bestimmtes, für den Zeitschlitz des jeweiligen logischen Kanals und für weitere Informationen charakteristisches Synchronisationsmuster zugeordnet, das in dem entsprechenden Zeitschlitz gesendet wird (vgl. Abs. 0010). Dadurch unterscheidet sich ein Synchronisationsmuster im Sinne des Klagepatents von einzelnen Protokollbits, die jeweils bestimmte Informationen repräsentieren und über einen oder mehrere logische Kanäle übertragen werden wie etwa das aus dem Stand der Technik bekannte TC-Bit. Nach der Beschreibung des Klagepatents dient der CACH mit dem TC-Bit zur Kennzeichnung des nachfolgenden Zeitschlitzes als Zeitschlitz 1 oder Zeitschlitz 2. Das Klagepatent sieht die Verwendung des TC-Bits jedoch als nachteilig an, weil es für das Empfängergerät keine Verlässlichkeit dafür bietet, dass der Zeitschlitz korrekt identifiziert wird (Abs. [0003]). Die Verlässlichkeit erhöht sich, wenn mehrere TC-Bits aufeinanderfolgender Zeitschlitze geprüft werden, dies geht aber mit einem höheren Zeitaufwand einher (Abs. [0004]). Zum CACH wird ausgeführt, dass es im Direktmodus keine CACH-Meldung gibt, weil kein Repeater beteiligt ist, der die „Sicherheitspause“ von 2,5 ms zwischen den beiden Zeitschlitzen übergeordnet festlegen kann (vgl. Abs. [0005]). Von dem CACH und dem darin enthaltenen TC-Bit sind die Synchronisationsmuster zu unterscheiden, auf die auch das Klagepatent gesondert eingeht (vgl. Abs. [0006]). Zur Lösung des mit dem CACH und dem darin enthaltenen TC-Bit verbundenen Problems hat sich das Klagepatent für die Verwendung von Synchronisationsmustern entschieden. Denn diese können auch im Direktübertragungsmodus verwendet werden und lassen eine zuverlässige Erkennung des jeweiligen Zeitschlitzes zu. Dementsprechend verlangt der Klagepatentanspruch 11 die Kenntnis und Verwendung eines ersten und eines zweiten Satzes von Synchronisationsmustern.
  94. Das Klagepatent beschreibt beispielhaft als Synchronisationsmuster eine Sequenz aus 48 Bits. Wird das Synchronisationsmuster detektiert, kann ein Empfängergerät unmittelbar erkennen, in welchem Zeitschlitz es sich befindet: es kann daher mit der Decodierung der in dem Zeitschlitz empfangenen Daten fortfahren oder – wenn es einem anderen logischen Kanal zugeordnet ist – sein Timing anpassen, d.h. aufgrund der bekannten Länge der Zeitschlitze nachfolgend den Zeitschlitz detektieren und decodieren, der dem für das Empfängergerät bestimmten logischen Kanal zugeordnet ist. Eine Detektion und Decodierung eines TC-Bits in einem gesonderten Kanal CACH ist nicht mehr erforderlich (vgl. Abs. [0010]). Im Direktmodus, wenn also zwei Teilnehmereinheiten unmittelbar miteinander kommunizieren, erhöhen gegenseitig ausschließende Synchronisationsmuster für jeden logischen Kanal die Bandbreiteneffizienz, weil nun mehrere Teilnehmereinheiten in den verschiedenen logischen Kanälen einer Frequenz gleichzeitig senden können und sich der jeweilige Empfänger mittels der Synchronisationsmuster auf den für ihn geltenden Zeitschlitz synchronisieren kann (Abs. [0012]).
  95. Notwendige Voraussetzung für diese Art der Synchronisation ist es aber, dass den Zeitschlitzen des jeweiligen logischen Kanals ein Synchronisationsmuster zugeordnet ist, das sich von den Synchronisationsmustern der anderen Kanäle unterscheidet. Genau dies verlangt auch der Klagepatentanspruch 11, wenn es dort heißt, dass der erste Satz von Synchronisationsmustern mit einem gewünschten Zeitschlitz verknüpft ist (Merkmal 2.1), der zweite Satz von Synchronisationsmustern mit jedem der anderen Zeitschlitze verknüpft ist (Merkmal 2.2) und sich der erste und der zweite Satz von Synchronisationsmustern gegenseitig ausschließen (Merkmal 2.3). Dadurch ist sichergestellt, dass jedem logischen Kanal ein Satz von Synchronisationsmustern zur Verfügung steht, die diesem logischen Kanal eindeutig zugeordnet sind.
  96. b)
    Der Klagepatentanspruch unterscheidet in der Merkmalsgruppe 2 zwischen einem gewünschten Zeitschlitz (desired timeslot) (Merkmal 2.1) und anderen Zeitschlitzen (Merkmal 2.2). Sowohl mit dem gewünschten Zeitschlitz als auch mit jeden der anderen Zeitschlitze soll ein Satz von Synchronisationsmustern verknüpft sein.
  97. Das Klagepatent, das insofern sein eigenes Lexikon darstellt, definiert in seinem allgemeinen Beschreibungsteil den Begriff „gewünschter Zeitschlitz“. Demnach ist unter dem gewünschten Zeitschlitz eines Sendergerätes ein Zeitschlitz zu verstehen, in dem das Sendergerät senden soll (Abs. [0010]). Das Klagepatent geht also davon aus, dass dem Sendergerät vorgegeben ist, in welchem Zeitschlitz es senden soll. Dementsprechend wird im Rahmen eines Ausführungsbeispiels ausgeführt, dass der Zeitschlitz, dem die sendende Teilnehmereinheit zugeordnet ist, als gewünschter Zeitschlitz bezeichnet wird (Abs. [0040]). Es erfolgt eine Zuordnung des Teilnehmergeräts zu einem bestimmten Zeitschlitz, womit letztlich ein bestimmter logischer Kanal gemeint ist. Mit dem gewünschten Zeitschlitz bzw. mit jedem von den anderen Zeitschlitzen sollen dann ein erster bzw. zweiter Satz von Synchronisationsmustern, die dem Sendergerät bekannt sind, verknüpft sein.
  98. c)
    Die Beklagte ist mit der Streithelferin der Auffassung, dass der erste Satz von Synchronisationsmustern nicht den Zeitschlitz als solchen kennzeichnet, also etwa immer den Zeitschlitz 1, sondern nur die Eigenschaft eines Zeitschlitzes als „gewünschten Zeitschlitz“, so dass der erste Satz von Synchronisationsmustern und der zweite Satz von Synchronisationsmustern nicht zwingend immer zwei verschiedene Zeitschlitze – etwa Zeitschlitz 1 und 2 – kennzeichnen, sondern lediglich deren Eigenschaften als „(derzeit) gewünscht“ oder „(derzeit) nicht gewünscht“. Dementsprechend sei das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 11 mit den weiteren Merkmalen darauf gerichtet, einen bestimmten Zeitschlitz mittels der Übertragung eines Synchronisationsmusters als gewünschten oder nicht gewünschten Zeitschlitz zu kennzeichnen. Dieser Auffassung vermag die Kammer nicht zu folgen. Der Klagepatentanspruch lässt auch eine Auslegung zu, nach der es sich bei dem gewünschten Zeitschlitz um eine rein geräteinterne Zuweisung zu einem Zeitschlitz – etwa Zeitschlitz 1 – handelt und das Synchronisationsmuster des ersten Satzes diesen Zeitschlitz – also Zeitschlitz 1 – kennzeichnet unabhängig davon, ob es sich um den gewünschten Zeitschlitz handelt, während die anderen Zeitschlitze – etwa Zeitschlitz 2 – durch Synchronisationsmuster des zweiten Satzes gekennzeichnet werden.
  99. aa)
    Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 11 lässt durchaus die Auslegung zu, dass die Sätze von Synchronisationsmustern mit verschiedenen Zeitschlitzen verknüpft sind, von denen einer geräteintern der gewünschte Zeitschlitz ist, ohne dass mit dem Synchronisationsmuster diese Eigenschaft gekennzeichnet wird. Dass im Merkmal 4 von einem aktuellen gewünschten Zeitschlitz für das TDMA-System die Rede ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist die Zuweisung eines Sendergerätes zu einem Zeitschlitz nicht zwingend dauerhaft, sondern kann sich ändern. Zum anderen lässt sich die Wendung „für das TDMA-System“ zwanglos auf den Zeitschlitz als solchen beziehen, ohne dass zugleich das Attribut „gewünscht“ systemweit vorgegeben sein müsste. Demnach handelt es sich lediglich um einen Zeitschlitz im TDMA-System, wie es im Merkmal 1 vorausgesetzt wird.
  100. bb)
    Die hier vertretene Auslegung basiert auch auf der in der Beschreibung des Klagepatents angegebenen Definition des gewünschten Zeitschlitzes, wonach es sich dabei um den Zeitschlitz handelt, dem die sendende Teilnehmereinheit zugeordnet ist und auf der sie senden soll. Der Definition lässt sich nicht entnehmen, dass einem Zeitschlitz zwingend geräteunabhängig die Eigenschaft „gewünscht“ zugewiesen werden muss – etwa mittels eines Synchronisationsmusters durch einen Repeater oder ein anderes Sendergerät. Vielmehr handelt es sich (zunächst) nur um eine geräteintern geltende Zuweisung, in welchem Zeitschlitz gesendet (bei einem Sendergerät) oder empfangen werden soll (bei einem Empfängergerät). Wie und durch wen die Zuordnung des Sendergerätes zu einem bestimmten Kanal erfolgt, lässt der Klagepatentanspruch offen. Die Beschreibung des Klagepatents enthält in einem Ausführungsbeispiel für die Empfängerseite Beispiele, auf welche Weise die Auswahl eines Kanals mit den Attributen „gewünschte Frequenz“ und „gewünschter Zeitschlitz“ durchgeführt werden kann (vgl. Abs. [0023]): „(1) ein Nutzer des Empfängergerätes wählt den Kanal über einen Kanalwählschalter aus; (2) ein Nutzer des Empfängergerätes aktiviert das Durchmusterungsmerkmal, und das Empfängergerät wählt nacheinander Kanäle aus der Durchmusterungsliste aus; (3) ein Systemressourcenverteiler gibt dem Empfängergerät über Funk Anweisungen in Bezug auf den zu verwendenden Kanal […]; oder (4) das Sendergerät informiert das Empfängergerät darüber, welcher Zeitschlitz gerade ein Ruhezeitschlitz (oder -kanal) ist oder welcher Zeitschlitz (oder Kanal) eine Rufaktivität aufweist, die von Interesse sein könnte […]“ (Abs. [0023]). Gerade die Beispiele (1) und (2) zeigen, dass die Definition des gewünschten Zeitschlitzes auf das Gerät beschränkte, systemunabhängige Zuweisungen umfasst. Und selbst für die Beispiele (3) und (4) wird nicht systemweit ein gewünschter Zeitschlitz vorgegeben, sondern das Empfängergerät macht einen bestimmten Zeitschlitz, den ein Sender „empfohlen“ hat, zu seinem gewünschten Zeitschlitz. Noch weniger gibt es in diesem Zusammenhang oder sonst in der Beschreibung des Klagepatents Anhaltspunkte dafür, dass das Attribut „gewünscht“ durch ein Synchronisationsmuster gekennzeichnet werden könnte.
  101. Diese Art der Zuordnung zu einem gewünschten Zeitschlitz ist ohne Einschränkung auch auf die Senderseite übertragbar, solange nur für das Sendergerät festgelegt ist, in welchem Zeitschlitz es senden soll. All dies schließt nicht aus, dass es sich bei dem Sendergerät um einen Repeater handeln kann. Das ist auch selbstverständlich, da der Repeater im Repeatermodus als Zwischenstation für die Übertragung von einem Teilnehmergerät zum anderen fungiert und natürlich in dem für diese Übertragung und damit auch für ihn vorgegebenen Zeitschlitz senden muss. Genau das ergibt sich aus der Definition: gewünschter Zeitschlitz, d.h. der „Zeitschlitz, in dem es [das Sendergerät] senden soll.“
  102. cc)
    Die Auffassung der Beklagten und der Streithelferin setzt voraus, dass es sich bei dem Attribut „gewünscht“ um eine Eigenschaft eines Zeitschlitzes handelt, die ein Sendergerät dem Zeitschlitz verleiht und ggf. sogar anderen Geräten vorgibt und zwar mittels eines Synchronisationsmusters. Ein solches Prinzip liegt auch dem Konzept der Ruhezeitschlitze zugrunde, auf das sich auch die Beklagte und die Streithelferin zur Begründung ihrer Ansicht stützen und das über die Unteransprüche 13 und 14 Eingang in den Klagepatentanspruch 11 gefunden hat.
  103. Zwischen den Parteien ist insofern unstreitig, dass sich der Klagepatentanspruch auch auf das Konzept des Ruhezeitschlitzes lesen lässt, das dem in der Figur 5 dargestellten Ausführungsbeispiel zugrunde liegt und in der Klagepatentschrift erläutert wird (Abs. [0030] ff). Dieses Konzept ist – so die Klagepatentschrift – aus der US-Schrift 8,139,587 bekannt. Das darauf aufbauende und im Ausführungsbeispiel geschilderte Verfahren soll es einem Empfängergerät ermöglichen, sich auf effiziente Weise mit einem gewünschten Zeitschlitz zu synchronisieren, ohne dass ihm eine gewünschte Frequenz oder ein gewünschter Zeitschlitz vorab bekannt sind (Abs. [0029]). Zu diesem Zweck sendet das Sendergerät Bursts unter Verwendung unterschiedlicher Synchronisationsmuster, die mit einem Ruhezeitschlitz und einem nicht-Ruhezeitschlitz verknüpft sind. Dafür bereitet sich das Gerät darauf vor, in einem Zeitschlitz – hier etwa Zeitschlitz 1 – zu senden. Es bestimmt dann, ob der Zeitschlitz 1 ein aktueller Ruhezeitschlitz ist oder nicht, wählt in Abhängigkeit davon ein Synchronisationsmuster aus einem ersten oder einem zweiten Satz von Synchronisationsmustern aus und sendet den Burst im Zeitschlitz 1 mit dem entsprechenden Synchronisationsmuster (Abs. [0030]-[0034]). Dieser Ablauf wird anschließend für den nachfolgenden Zeitschlitz 2 wiederholt (Abs. [0034]-[0035]). Ein Empfängergerät, dem keine gewünschte Frequenz und kein gewünschter Zeitschlitz vorgegeben ist, kann ausgehend von einer für verschiedene Frequenzen geltenden Liste von Ruhezeitschlitzen und allgemeinen Zeitschlitzen nach Synchronisationsmustern suchen, die mit dem Ruhezeitschlitz verknüpft sind und sich mit einem solchen Zeitschlitz synchronisieren, sobald es ihn gefunden hat (Abs. [0036] und [0037]). In der Beschreibung des Klagepatents heißt es explizit, dass in dieser Ausführungsform die Synchronisierungsmuster, die mit dem Ruhezeitschlitz verknüpft sind, zwar gleich bleiben, sich die Frequenz und der Zeitschlitz, der vom System als aktueller Ruhezeitschlitz identifiziert wird, aber ändern können (Abs. [0034]).
  104. Es ist bezeichnend, dass in der Beschreibung dieses Ausführungsbeispiels nicht einmal der Begriff „gewünschter Zeitschlitz“ verwendet wird. Erst der Unteranspruch 14 ordnet an, dass der aktuelle gewünschte Zeitschlitz ein Ruhezeitschlitz ist und das zugehörige Synchronisationsmuster ein Ruhesynchronisationsmuster. Insofern kann die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs zwar grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Dabei ist aber zu beachten, dass Unteransprüche regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen (BGH GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher). So liegt der Fall auch hier.
  105. dd)
    Das Konzept der Ruhezeitschlitze betrifft grundsätzlich ein Repeater-basiertes System, das heißt, Sendergerät ist ein Repeater (Abs. [0038]), der fortlaufend Zeitschlitze als Ruhezeitschlitz oder anderen Zeitschlitz markiert, indem entsprechende Synchronisationsmuster versendet werden. Das patentgemäße Verfahren soll aber explizit auch im Direktübertragungsmodus angewendet werden, in dem zwei Teilnehmergeräte ohne einen zwischengeschalteten Repeater unmittelbar miteinander kommunizieren. Dies sieht der Unteranspruch 20 ausdrücklich so vor, ergibt sich aber auch aus dem Unteranspruch 15, weil – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat – ein Repeater regelmäßig sendet, ohne zuvor Trägerfrequenzen zu detektieren. Der Unteranspruch 15 betrifft aber die Initiierung einer Übertragung auf einer gewünschten Frequenz und einem gewünschten Zeitschlitz. Entgegen der Auffassung der Beklagten und abweichend vom Konzept des Ruhezeitschlitzes soll das Sendergerät also nicht einen Zeitschlitz mittels eines Synchronisationsmusters kennzeichnen, sondern in einem ihm vorgegebenen Zeitschlitz – dem gewünschten Zeitschlitz – die Übertragung initiieren. Es handelt sich nicht um einen zusätzlichen Verfahrensschritt oder gar um ein Verfahren in einem anderen Sendergerät. Unteranspruch 15 konkretisiert vielmehr nur den Schritt der Vorbereitung im Klagepatentanspruch 11. Damit kann das patentgemäße Verfahren aber nicht ausschließlich auf die Kennzeichnung von Zeitschlitzen als gewünscht oder nicht gewünscht beschränkt sein. Es umfasst auch den Fall, dass ein Sendergerät bereits einem Zeitschlitz zugeordnet ist, in dem es soll („gewünschter Zeitschlitz“), und dafür die erforderlichen Synchronisationsmuster – unabhängig von einem Attribut „gewünscht“ – kennt.
  106. Aus alledem folgt, dass – jenseits des von der Beklagtenseite propagierten Konzepts der Kennzeichnung von Zeitschlitzen mittels Synchronisationsmustern – vor dem Beginn des patentgemäßen Verfahrens, mithin vor der Vorbereitung zur Übertragung (Merkmal 3), festgelegt sein muss, welchem logischen Kanal das Sendergerät zugeordnet ist. Es muss dem Gerät vorab bekannt sein, auf welchem Kanal es senden soll. Insofern ist bereits an dieser Stelle anzumerken, dass das Sendergerät nicht zwingend auch auf diesem Kanal senden muss. Dies ergibt sich bereits aus der Merkmalsgruppe 4 und Merkmal 5, wonach ein Burst auch dann übertragen wird, wenn es sich nicht um den gewünschten Zeitschlitz handelt. Auch Unteranspruch 15 spricht nur von einem „Versuch zur Initiation einer Übertragung“ in einem gewünschten Zeitschlitz. Das patentgemäße Verfahren liefert insofern mit den weiteren Merkmalen 3 bis 5 (auch) ein Konzept zur dynamischen variablen Kanalwahl, falls der gewünschte Zeitschlitz belegt sein sollte. Letztlich wird dann das Synchronisationsmuster übertragen, dass mit dem jeweiligen Zeitschlitz verknüpft ist (Merkmalsgruppe 4 und Merkmal 5).
  107. ee)
    Dieser Auslegung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die selbstständigen Patentansprüche 1 und 7 von mindestens zwei Zeitschlitzen ausgehen, die auf einer Frequenz verwendet werden und von denen jeder über einen Satz von Synchronisationsmustern verfügt, während der Klagepatentanspruch 11 abweichende Formulierungen enthält. Weder der Klagepatentanspruch, noch die Beschreibung des Klagepatents enthalten Anhaltspunkte dafür, dass mit den jeweiligen Formulierungen bestimmte Anforderungen an die Zeitschlitze und die zugehörigen Synchronisationsmuster verbunden sind. Soweit von Beklagtenseite aus den verschiedenen Formulierungen abgeleitet wird, es müsse nach der Lehre des Klagepatentanspruchs mindestens drei Zeitschlitze geben – nämlich einen, mit dem der erste Satz von Synchronisationsmustern verknüpft ist, und wenigstens zwei, mit denen der zweite Satz verknüpft ist – vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Der Klagepatentanspruch lässt abgesehen von den Anforderungen der Merkmalsgruppe 2 offen, wie viele Zeitschlitze es auf wie vielen Frequenzen gibt und wie diese mit Sätzen von Synchronisationsmustern verknüpft sind. Insbesondere kann jeder einzelne Zeitschlitz mit einem Satz von Synchronisationsmustern verknüpft sein. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Unteranspruch 19. Soweit im Merkmal 2.2 „von den anderen Zeitschlitzen“ die Rede ist, erfolgt dies nur in Abgrenzung zum gewünschten Zeitschlitz. Es kann sich daher auch nur um einen einzigen Zeitschlitz handeln, was bei einem TDMA-System mit nur zwei Zeitschlitzen zwangsläufig der Fall ist.
  108. d)
    Der Klagepatentanspruch 11 stellt an den Satz von Synchronisationsmustern weiterhin die Anforderung, dass er mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster als eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung umfasst (Merkmal 2.4).
  109. Die deutsche Übersetzung des Klagepatentanspruchs verwendet die Wendung „und/oder“, die sich so nicht wörtlich (etwa „and/or“) in der maßgeblichen englischen Originalfassung des Klagepatentanspruchs findet. Gleichwohl ist die Übersetzung zutreffend, denn nach der Lehre des Klagepatentanspruchs 11 enthält jeder Satz nur mindestens zwei verschiedene Synchronisationsmuster. Infolgedessen ist es nicht ausgeschlossen, dass – wenn nur zwei Synchronisationsmuster vorhanden sind – mittels dieser beiden Synchronisationsmuster nur zwischen zwei Payload-Typen unterschieden werden kann, nicht aber zwischen zwei Quellen der Übertragung (und umgekehrt). Genau das kommt auch in der englischen Originalfassung zum Ausdruck, wenn es dort heißt „each set comprising at least two different synchronization patterns as a function of at least one of a payload type and a source of the transmission.“ Die Wortwahl „at least one of“ macht deutlich, dass es nur für mindestens eine der beiden Funktionen erforderlich ist, mittels zweier verschiedener Synchronisationsmuster in einem Satz von Synchronisationsmustern zu differenzieren.
  110. Die im Klagepatentanspruch 11 genannten Synchronisationsmuster haben nach diesem Merkmal also nicht nur die Aufgabe, den jeweiligen Zeitschlitz zu identifizieren, sondern auch einen bestimmten Payload-Typ und/oder die Quelle der Übertragung. Dies wird durch die Wendung ausgedrückt, das Synchronisationsmuster umfasse eine Funktion eines Payload-Typs und/oder einer Quelle der Übertragung. Der Payload-Typ beschreibt dabei den Inhalt der in dem Zeitschlitz übertragenen Daten, die Übertragungsquelle gibt an, von welchem Gerät der Burst in dem Zeitschlitz stammt. Als Payload-Typ kommen beispielsweise Sprache, Daten oder Steuerung in Betracht (vgl. bspw. Abs. [0019], [0021], [0022]), als Quelle der Übertragung etwa die Teilnehmereinheit oder der Repeater (Abs. [0022]). Diese nicht abschließende Unterscheidung ergibt sich auch aus dem Unteranspruch 18.
  111. 3.
    Nach dem Merkmal 3 besteht der erste Schritt des Verfahrens in der Vorbereitung zur Übertragung eines besonderen Payload-Typs in einem Zeitschlitz. Gemäß Merkmal 4 soll dann für den in Merkmal 3 genannten Zeitschlitz bestimmt werden, ob der Zeitschlitz ein aktueller gewünschter Zeitschlitz ist, und nach Merkmal 5 soll dann – in Abhängigkeit vom Ausgang dieser Prüfung – in diesem Zeitschlitz ein Burst mit dem zu dem Zeitschlitz gehörigen Synchronisationsmuster übertragen werden.
  112. Der Klagepatentanspruch 11 gibt in den Merkmalen 3 bis 5 nicht vor, um welche Art von Zeitschlitz es sich handeln soll und wie dieser ausgewählt wird. Es muss sich vor allem nicht um einen aktuellen gewünschten Zeitschlitz handeln, weil erst im Schritt der Merkmalsgruppe 4 bestimmt wird, ob der Zeitschlitz diese Eigenschaft hat.
  113. a)
    Der Zeitschlitz, auf den sich die Merkmale 3 bis 5 beziehen und in dem letztlich die Übertragung stattfindet, kann beispielsweise einfach der „nächste“ Zeitschlitz sein. Dieses Prinzip liegt etwa dem in Figur 5 dargestellten Ausführungsbeispiel zugrunde (vgl. Abs. [0030] ff), das auf dem Konzept des Ruhezeitschlitzes basiert. Demnach sendet der Repeater – wie gezeigt – fortlaufend Synchronisationsmuster, um Teilnehmergeräten damit zu signalisieren, ob ein Zeitschlitz frei oder belegt ist. Die Synchronisationsmuster kennzeichnen einen Zeitschlitz als Ruhezeitschlitz bzw. als gewünschten Zeitschlitz. Der in den Merkmalen 3 bis 5 genannte Zeitschlitz ist dann einfach der „nächste“ Zeitschlitz. Bleibt man im Konzept der Ruhezeitschlitze, bezieht sich der Schritt der Bestimmung in Merkmal 4 auf die Repeater-interne Prüfung, ob der nächste Zeitschlitz frei ist und als Ruhezeitschlitz gekennzeichnet werden kann oder belegt ist. In Abhängigkeit vom Ergebnis dieser Prüfung wird dann das Synchronisationsmuster ausgewählt und im nächsten Zeitschlitz gesendet.
  114. b)
    Allerdings ist der Klagepatentanspruch – wie ebenfalls bereits gezeigt – nicht auf das Konzept der Kennzeichnung von Zeitschlitzen mittels Synchronisationsmustern beschränkt und kann auch der in den Merkmalen 3 bis 5 genannte Zeitschlitz nicht ohne weiteres immer als der „nächste“ Zeitschlitz verstanden werden. Vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs ist vielmehr auch eine Auslegung umfasst, wonach es sich bei dem Zeitschlitz um den nächsten freien Zeitschlitz handelt. Das patentgemäße Verfahren läuft in einem solchen Fall auf eine effiziente Ausnutzung der logischen Kanäle hinaus, weil eine Teilnehmereinheit immer in der Lage ist, auf einem freien Kanal zu senden. Damit wird das vom Klagepatent adressierte Problem gelöst, dass im Stand der Technik immer nur eine Teilnehmereinheit im Direktmodus auf einer Frequenz senden konnte (Abs. [0005]).
  115. Nach diesem Verständnis umfasst das Merkmal 3 die Suche nach dem nächsten nicht belegten Zeitschlitz. Dies kann beispielsweise in einer ähnlichen Art und Weise geschehen, wie dies in dem zu Figur 8 dargestellten Ausführungsbeispiel beschrieben ist (Abs. [0039] bis [0044]). Der Schritt der Bestimmung in Merkmal 4 stellt dann die geräteinterne Analyse der detektierten Synchronisationsmuster dar mit der nachfolgenden Auswahl des richtigen Synchronisationsmusters in Abhängigkeit von dem Prüfungsergebnis. Demnach sucht das Sendergerät nach einem Trägersignal auf einer gewünschten Frequenz. Falls es keines detektiert, sind sämtliche Kanäle frei und das Sendergerät kann mit der Übertragung beginnen (Abs. [0041]). Gemäß Merkmalsgruppe 4 muss das Sendergerät zuvor nur den Zeitschlitz bestimmen, in dem es dann sendet, und den zugehörigen Synchronisationscode auswählen. Insofern wird die Zuordnung des Sendergerätes zum gewünschten Zeitschlitz berücksichtigt. Die Bestimmung ergibt, dass im gewünschten Zeitschlitz gesendet wird. Sind auf der gewünschten Frequenz jedoch Träger vorhanden, sucht das Sendergerät nach Synchronisationsmustern. Detektiert es beispielsweise einen Synchronisationscode für den Zeitschlitz 1, nicht aber für den Zeitschlitz 2, synchronisiert sich das Gerät mit dem Zeitschlitz 1 und justiert das Timing auf den Zeitschlitz 2, um darin die Übertragung im freien Zeitschlitz 2 vorzunehmen (vgl. Abs. [0044]). Die gemäß Merkmalsgruppe 4 erforderliche Bestimmung, ob es sich bei dem Zeitschlitz 2 um einen aktuell gewünschten Zeitschlitz handelt, kann das Sendergerät mittelbar aus der Detektion des Synchronisationsmusters für den Zeitschlitz 1 und das Fehlen des Synchronisationsmusters für den Zeitschlitz 2 ableiten. Handelt es sich bei dem zweiten Synchronisationsmuster um den aktuellen gewünschten Zeitschlitz, wird aus dem ersten Satz das zugehörige Synchronisationsmuster ausgewählt und der Burst mit dem Synchronisationsmuster in diesem Zeitschlitz gesendet. Andernfalls wird das Synchronisationsmuster aus dem zweiten Satz ausgewählt und verwendet.
  116. Dieses Verständnis der Merkmale 3 bis 5 entspricht den Unteransprüchen 15 und 16. Der Unteranspruch 15 konkretisiert den Schritt der Vorbereitung (Merkmal 3): Um auf einem gewünschten Zeitschlitz einer gewünschten Frequenz eine Übertragung zu beginnen, detektiert das Sendergerät im Rahmen des Vorbereitungsschritts eine Trägerpräsenz auf der gewünschten Frequenz und sucht dann weiter nach Synchronisationsmustern, die mit den Zeitschlitzen auf dieser Frequenz verknüpft sind. Unteranspruch 15 lässt offen, was passiert, wenn der gewünschte Zeitschlitz belegt ist. Aus den Merkmalen 3 bis 5 des Klagepatentanspruchs 11 ergibt sich, dass auch in einem Zeitschlitz gesendet werden kann, der nicht der gewünschte Zeitschlitz ist. Dementsprechend beschreibt Unteranspruch 16, der auf Unteranspruch 15 rückbezogen ist, das Justieren des Timings. Auch hier wird offen gelassen, ob die Synchronisation mit dem gewünschten Zeitschlitz erfolgt. Letztlich beschreibt das patentgemäße Verfahren damit – neben dem Konzept der Kennzeichnung von Zeitschlitzen mittels Synchronisationsmuster – ein Konzept zur dynamischen variablen Kanalnutzung.
  117. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist mit diesem Verfahrensablauf nicht die Verlegung eines zu übertragenen Bursts von einem Zeitschlitz in den anderen verbunden. Abgesehen davon, dass Merkmal 3 nicht von der Übertragung eines Bursts sondern eines besonderen Payload-Typs spricht, findet die Übertragung genau in dem Zeitschlitz statt, der im Vorbereitungsschritt als freier Zeitschlitz detektiert wurde. Ein Wechsel findet nicht statt. Dem kann die Beklagtenseite auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass bei einer solchen Auslegung kein Ausführungsbeispiel von der Lehre des Klagepatentanspruchs erfasst sei. Denn bei zutreffender Auslegung umfasst der Anspruch auch das in der Figur 5 beschriebene Ausführungsbeispiel, ist aber darauf nicht beschränkt. Stattdessen kann die Beklagtenseite nicht erläutern, wie sich nach ihrer Auslegung das patentgemäße Verfahren – insbesondere unter Berücksichtigung der Unteransprüche 15 und 16 – im Direktübertragungsmodus verwirklichen lässt. Die hier vertretene Auslegung führt hingegen zu einer technisch sinnvollen Lösung. Dass der Unteranspruch 20, der sich auf den Direktübertragungsmodus bezieht, auch auf die Unteransprüche 13 und 14 und das Konzept der Ruhezeitschlitze rückbezogen ist, rechtfertigt hingegen keine einschränkende Auslegung, die weder den Wortlaut des Klagepatents ausschöpft, noch die weite Definition des gewünschten Zeitschlitzes berücksichtigt oder dem Sinngehalt der Unteransprüche 15 und 16 gerecht wird.
  118. III.
    Es handelt sich bei den angegriffenen Funkgeräten um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, die die Beklagte zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anbietet und liefert, obwohl es auf Grund der Umstände jedenfalls offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, § 10 Abs. 1 PatG.
  119. 1.
    Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv geeignet, das Verfahren gemäß Klagepatentanspruch 11 durchzuführen. Wird die Kombination der Einstellungen „BBing“, „TDMA FF“ und „TX none“ gewählt, werden im Zuge der Initiierung einer Übertragung sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht.
  120. a)
    Zunächst ist unstreitig, dass der DMR-Standard, auf dem die angegriffene Ausführungsform aufbaut, auf einem TDMA-System im Sinne des Merkmals 1 basiert, das über mehrere Zeitschlitze verfügt. Auf einer Trägerfrequenz sind zwei Zeitschlitze vorgesehen.
  121. b)
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch die Merkmalsgruppe 2, weil sie einen ersten und einen zweiten Satz von Synchronisationsmustern kennt, die den Anforderungen der Merkmale 2.1 bis 2.4 genügen.
  122. Der DMR-Standard sieht verschiedene Sätze von Synchronisationsmustern vor. Diese lassen sich der Tabelle 9.2 des DMR-Standards (ETSI TS 102 361-1 V2.1.1) entnehmen:
  123. Demnach kommen im TDMA FF vier verschiedene Synchronisationsmuster zur Anwendung, nämlich für den Zeitschlitz 1 jeweils für Sprache („Voice“) und für Daten („Data“) und ebenso für den Zeitschlitz 2 (vgl. auch Ziff. 4.3 des DMR-Standards ETSI TS 102 361-1 V2.1.1).
  124. aa)
    In der angegriffenen Ausführungsform ist der Zeitschlitz 1 der gewünschte Zeitschlitz. Nach zutreffender Auslegung ist die Charakterisierung eines Zeitschlitzes als gewünschter Zeitschlitz im Sinne der Merkmalsgruppe 2 nicht davon abhängig, dass der Nutzer des Sendergerätes manuell vorgibt, auf welchem Kanal die Übertragung stattfinden soll. Daher ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht nur in dem Fall, dass „CC“ auf „Z“ oder „AA“ eingestellt ist, ein gewünschter Zeitschlitz vorgegeben. Vielmehr genügt es wie im Fall „CC“ auf „none“, dass das Sendergerät eine (interne) Vorgabe – etwa als „default“ oder Standardeinstellung – hat, auf welchem Kanal es senden soll. Das ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Zeitschlitz 1. Denn es ist unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform im Fall der hier streitgegenständlichen Geräteeinstellungen immer zuerst prüft, ob der Zeitschlitz 1 frei ist, und falls dies der Fall ist, eine Übertragung im Zeitschlitz 1 beginnt. Wird auf der Trägerfrequenz kein Verkehr festgestellt, sind also beide Kanäle frei, überträgt die angegriffene Ausführungsform ebenfalls im Zeitschlitz 1. Nur wenn der Zeitschlitz 1 belegt ist, kommt eine Übertragung im Zeitschlitz 2 in Betracht, das aber grundsätzlich nur dann, wenn der Zeitschlitz 2 nicht belegt ist.
  125. Ist also der Zeitschlitz 1 der gewünschte Zeitschlitz, besteht nach dem DMR-Standard und der Tabelle 9.2 ein Satz von zwei Synchronisationsmustern, der im Sinne von Merkmal 2.1 mit diesem Zeitschlitz verknüpft ist, nämlich die Synchronisationsmuster „TDMA FF time Z“ für „Voice“ und für „Data“. Eine weitere Qualität der Verknüpfung zwischen dem gewünschten Zeitschlitz einerseits und dem Satz von Synchronisationsmustern andererseits bedarf es nicht zwingend, weil es sich – etwa außerhalb des Konzeptes des Ruhezeitschlitzes – bei dem gewünschten Zeitschlitz um eine rein geräteinterne Vorgabe handeln kann.
  126. bb)
    Weiterhin ist auch das Merkmal 2.2 verwirklicht, weil für den Zeitschlitz 2 ein weiterer Satz von zwei Synchronisationsmustern besteht, nämlich „TDMA FF time AA“ für „Voice“ und für „Data“.
  127. cc)
    Die beiden Sätze von Synchronisationsmustern schließen sich unstreitig wie von Merkmal 2.3 gefordert gegenseitig aus und sie umfassen jeweils zwei Synchronisationsmuster zur Unterscheidung von Sprache und Daten, mithin als Funktion eines Payload-Typs im Sinne von Merkmal 2.4. Weitere Synchronisationsmuster, die auch nach der Quelle der Übertragung unterscheiden, bedarf es bei zutreffender Auslegung nicht.
  128. c)
    Im Fall der streitgegenständlichen Geräteeinstellungen trifft die angegriffene Ausführungsform, wenn eine Übertragung initiiert werden soll, gemäß dem Merkmal 3 Vorbereitungen zur Übertragung des jeweiligen Payload-Typs in einem Zeitschlitz. Wie im Rahmen der Auslegung ausgeführt, ist der Vorbereitungsschritt nach Merkmal 3 auf die Festlegung des Zeitschlitzes gerichtet, in dem die Übertragung stattfinden soll. Dies kann der nächste Zeitschlitz sein, wie nach dem Konzept des Ruhezeitschlitzes, kann aber auch – insbesondere im Direktübertragungsmodus – die Suche nach einem freien Zeitschlitz und die Festlegung dieses Zeitschlitzes für die Übertragung sein. Letzteres wird von der angegriffenen Ausführungsform bei der Initiierung eines Anrufs durchgeführt. Es findet eine Kanalprüfung statt, bei der anhand der vorhandenen Synchronisationsmuster ermittelt wird, welcher Zeitschlitz belegt bzw. frei ist.
  129. d)
    Weiterhin wird die Merkmalsgruppe 4 von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
  130. Die in den Merkmalen 4.1 und 4.2 verlangte Auswahl eines der im DMR-Standard vorgegebenen Synchronisationsmuster für die Übertragung im Burst setzt voraus, dass die angegriffene Ausführungsform zuvor bestimmt, ob es sich bei dem freien Zeitschlitz, in dem gesendet werden soll, um den gewünschten Zeitschlitz 1 oder den Zeitschlitz 2 handelt. Detektiert die angegriffene Ausführungsform im Vorbereitungsschritt etwa ein Synchronisationsmuster für den Zeitschlitz 1, nicht aber für den Zeitschlitz 2, folgt daraus, dass auf dem Zeitschlitz 2 die Übertragung stattfinden kann. Das Gerät kann also anhand der detektierten Synchronisationsmuster bestimmen, ob ein Zeitschlitz frei ist. Zugleich bestimmt es, da nur das Synchronisationsmuster für den Zeitschlitz 1 detektiert wurde, dass es sich bei dem freien Zeitschlitz, auf dem gesendet werden soll, um den Zeitschlitz 2, also nicht um den gewünschten Zeitschlitz 1 handelt. Gleiches gilt, wenn beispielweise nur der Zeitschlitz 2 belegt ist und ein Synchronisationsmuster dieses Zeitschlitzes detektiert wird. Dann kann sich das Gerät mit dem freien Zeitschlitz synchronisieren und bestimmt zugleich, dass es sich bei diesem freien Zeitschlitz um den gewünschten Zeitschlitz, nämlich Zeitschlitz 1 handelt. Nur so ist überhaupt die Auswahl des „richtigen“ Synchronisationsmusters für den Zeitschlitz, in dem übertragen werden soll, möglich.
  131. Dass dann für den Zeitschlitz, in dem übertragen werden soll, das entsprechende Synchronisationsmuster aus dem jeweiligen Satz an Synchronisationsmustern ausgewählt wird, ist unstreitig. Handelt es sich um den Zeitschlitz 1, also den gewünschten Zeitschlitz, wird entsprechend Merkmal 4.1 eines der beiden Synchronisationsmuster für TDMA FF time Z verwendet. Soll im Zeitschlitz 2 übertragen werden, wird eines der Synchronisationsmuster für TDMA FF time AA ausgewählt.
  132. e)
    Anschließend wird der Burst mit dem Synchronisationsmuster gesendet, so dass auch das Merkmal 5 verwirklicht ist. Soweit die Beklagte einwendet, die Klägerin habe die Verwirklichung dieses Merkmals nicht dargelegt und bewiesen, da sie selbst in der Replik vortrage, es bestünden andere Übertragungsmöglichkeiten, so dass die Verwirklichung des Merkmals auch nicht zwingend sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Der Vortrag beruht auf dem Missverständnis des klägerischen Vortrags. Die Klägerin hat in der zitierten Textstelle der Replik zutreffend erläutert, dass die Übertragung natürlich nicht in dem Zeitschlitz stattfinde, der im Rahmen des Vorbereitungsschritts detektiert wurde. Denn weil ein Synchronisationsmuster detektiert wurde, hat sich dieser Zeitschlitz als belegt herausgestellt. Daraus lässt sich für andere Übertragungsmöglichkeiten nichts herleiten. Diese werden von der Beklagten auch nicht dargelegt. Vielmehr ist der Vortrag der Klägerin unstreitig geblieben.
  133. 2.
    Handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein Mittel, mit dem das patentgeschützte Verfahren überhaupt erst durchgeführt werden kann, bezieht es sich zugleich auf ein wesentliches Element der Erfindung. Das ist nämlich der Fall, wenn das Mittel geeignet ist, mit einem wesentlichen, nämlich im Patentanspruch genannten Erfindungselement funktional so zusammenzuwirken, dass es zu einer Verwirklichung des Erfindungsgedankens kommt (BGH GRUR 2004, 758, 760 – Flügelradzähler; GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug; GRUR 2006, 570 – extracoronales Geschiebe). Im Streitfall kann die Erfindung überhaupt erst durch die angegriffene Ausführungsform bei Verwendung der streitgegenständlichen Einstellungsmöglichkeit ins Werk gesetzt werden.
  134. 3.
    Es ist unstreitig, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland anbietet und liefert. Dies geschieht auch „zur Benutzung der Erfindung“, weil der Abnehmer in die Lage versetzt wird, das patentgeschützte Verfahren anzuwenden.
  135. 4.
    Es ist für die Beklagte aufgrund der Umstände jedenfalls offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform zur Anwendung des geschützten Verfahrens geeignet und bestimmt ist.
  136. Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten bei objektiver Betrachtung nach den Umständen die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer die angebotenen oder gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird (BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Zur Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals kann auf Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgegriffen werden (BGH GRUR 2005, 848, 851 – Antriebsscheibenaufzug). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Dies kann der Fall sein, wenn in Bedienungsanleitungen oder dergleichen der Angebotsempfänger oder Belieferte darauf hingewiesen wird, das Mittel in einer klagepatentgemäßen Weise zu verwenden, weil die Erfahrung dafür spricht, dass sich der Angebotsempfänger oder Abnehmer nach derartigen Anleitungen oder Empfehlungen richten wird (BGH GRUR 2005, 848, 853 – Antriebsscheibenaufzug).
  137. Nach diesen Grundsätzen ist die Offensichtlichkeit der Verwendungsbestimmung zu bejahen. So werden etwa in einer Werbebroschüre für die GG-Serie der angegriffenen Ausführungsform drei Produkt-Highlights herausgestellt. Eines davon ist die bessere Nutzung des Frequenzspektrums, die dadurch erreicht wird, dass die GG-Serie im TDMA-Direktmodus und BB-Betrieb genutzt werden kann. Diese Belegung der verfügbaren Bandbreite mit der doppelten Kanalanzahl, so heißt es weiter, führt zu einer deutlichen Entschärfung der zunehmenden Frequenzknappheit beim Einsatz von DMR-Funksystemen im Vergleich zu Analogfunksystemen. Damit spricht die Werbebroschüre aber genau die für die Anwendung des patentgeschützten Verfahrens erforderlichen Einstellungen „TDMA-Direktmodus“ und „BB“ an. Insofern ist sicher zu erwarten, dass Abnehmer diese Einstellmöglichkeit wählen und dabei auch „CC“ auf „none“ setzen, damit das Gerät automatisch den freien Kanal wählt, also tatsächlich die doppelte Kanalanzahl genutzt wird. Es mag zwar sein, dass einzelne Abnehmer die hier maßgebliche Kombination der Geräteeinstellungen nicht kennen oder nicht nutzen. Ist aber eine solche Anwendung auf einem DMR-Funkgerät vorhanden, ist sicher zu erwarten, dass jedenfalls ein Teil der Abnehmer auch die volle Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten ausschöpfen wird, selbst wenn die patentverletzende Geräteeinstellung nur eine von mehreren patentfreien Einstellungen ist. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die patentgemäße Geräteeinstellung die effizienteste Nutzung der zur Verfügung stehenden Bandbreite erlaubt. Auch führt die Beklagte ausweislich des in der mündlichen Verhandlung überreichten Auszugs aus ihrem Internetauftritt Schulungen und Trainings für Kunden durch, in denen die Teilnehmer die Eigenschaften des DMR-Bündelfunks und das DMR-Bündelfunksystem von V kennenlernen, das gerade durch die Funktion „BB“ verkörpert wird. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Teilnehmern, selbst wenn sie nicht konkret darauf hingewiesen werden, dabei verborgen bleibt, dass sich die verfügbare Bandbreite im Bündelfunk effizient nutzen lässt, wenn das Gerät im TDMA-Direktmodus betrieben wird und die Kanalwahl automatisch erfolgt. Von einigermaßen technisch versierten Anwendern ist die Auswahl dieser Geräteeinstellung – insbesondere nach einer entsprechenden Schulung zum Bündelfunk – ohne weiteres zu erwarten.
  138. IV.
    Das Verhalten der Beklagten begründet auch eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 2 PatG. Denn jedenfalls wird das patentgeschützte Verfahren seitens der Beklagten zur Anwendung angeboten, obwohl es auf Grund der Umstände zumindest offensichtlich ist, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung der Klägerin verboten ist. Die Anwendung des Verfahrens durch die Beklagte ist jedoch nicht dargetan.
  139. 1.
    Für das Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 2 PatG genügt es, wenn jemand einem anderen die Anwendung des Verfahrens dergestalt in Aussicht stellt, dass sie durch den Anbietenden selbst vorgenommen oder durch ihn veranlasst werden soll (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2014 – I-2 U 3/14; Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 9 PatG Rn 52; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Auflage, § 9 PatG Rn 95; Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Aufl., § 33 III. b) Rn 150). Darüber hinaus ist das Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung bereits schon dann zu bejahen, wenn sich der Anbietende bei seiner Offerte als Inhaber eines Verbietungsrechts geriert, das ihn in den Stand versetzt, eine Benutzungserlaubnis zu erteilen oder aber zu verweigern (OLG Düsseldorf Urt. v. 10.01.201 – I-2 U 10/08; Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 9 PatG Rn 52). Es genügt ein Verhalten, welches die Bereitschaft erkennen lässt, an dem patentierten Verfahren eine Benutzungserlaubnis zu erteilen (OLG Düsseldorf Urt. v. 15.05.2014 – I-2 U 74/13). Der Anbieter maßt sich dadurch die dem Patentinhaber vorbehaltene Verwertung der patentierten Verfahrenserfindung an und betreibt auf diese Weise unmittelbar die wirtschaftliche Verwertung des patentierten Verfahrens (Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 9 PatG Rn 52). Daher findet auch dann, wenn ein patentgemäßes Computerprogramm im Zusammenhang mit einer Erlaubniserteilung angeboten wird, ein Anbieten zur Anwendung statt, sobald den Abnehmern der Eindruck vermittelt wird, durch den Bezug der Software zur Ausführung des damit verbundenen Verfahrens berechtigt zu sein (LG Düsseldorf Urt. v. 13.02.2007 – 4a O 443/05). In keinem der Fälle wird vorausgesetzt, dass eine solche Anwendung tatsächlich stattfindet oder gar bereits stattgefunden hat (Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 9 PatG Rn 52).
  140. Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall ein Anbieten des patentgeschützten Verfahrens zur Anwendung zu bejahen. Denn nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin entwickelte die Beklagte mit der Streithelferin ein Firmware Update (spätestens ab Firmware X.0), mithin eine Software, die auf ältere Funkgeräte aufgespielt werden kann und diese so in die Lage versetzt, unter anderem das Verfahren nach dem Klagepatentanspruch 11 anzuwenden. Erst das Firmware Update und seine Installation ermöglichen also die Durchführung des patentgeschützten Verfahrens. Für dieses Firmware Update geriert sich die Beklagte jedoch als Berechtigte, die in der Lage ist, dem Verwender die Benutzung der Software und damit des patentierten Verfahrens zu gestatten oder zu verweigern. Denn die Installation des Firmware Updates ist davon abhängig, dass der Verwender die Lizenzbedingungen akzeptiert. Mit diesen Lizenzbedingungen erklärt V, eine nicht ausschließliche Lizenz zur Nutzung der Software zu erteilen, wobei V das Eigentum an der Software einschließlich aller Patent-, Urheber- und sonstigen Rechte am geistigen Eigentum behält (vgl. Blatt 19 der Klageschrift). Dem Verwender der Software wird damit suggeriert, er sei (nur) dann, wenn er die Lizenzbedingungen akzeptiert, zur uneingeschränkten Nutzung der Software und damit auch des patentierten Verfahrens berechtigt. Denn die Software ist gerade auf die Verwendung der Funkgeräte zum Rufaufbau, zur Signalübertragung und zum Signalempfang in den verschiedenen Betriebsmodi gerichtet. Dass mit den Lizenzbedingungen auch der Eindruck einer patentrechtlichen, und nicht nur einer urheberrechtlichen Berechtigung – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – vermittelt wird, ergibt sich daraus, dass mit den Lizenzbedingungen eine allgemeine Lizenz zur Benutzung der Software erteilt wird und im Anschluss daran sowohl für Urheberrechte, als auch für Patentrechte ausdrücklich klargestellt wird, das Eigentum an diesen Rechten zu behalten. Ebenso ist unerheblich, dass in den Lizenzbedingungen allgemein von „V“ die Rede ist. Denn dem die Lizenzbedingungen akzeptierenden Verwender wird der Eindruck vermittelt, Lizenzgeber sei der V-Konzern als solches einschließlich der Streithelferin und der Beklagten. Für den Kunden ist nicht von Interesse, welche Person im juristischen Sinne nun der Lizenzgeber ist. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass mehrere Konzerngesellschaften Rechte am geistigen Eigentum haben. Die Klägerin hat insofern unbestritten vorgetragen, die Beklagte und die Streithelferin hätten das Firmware Update entwickelt. Jedenfalls wirken sie auch beide im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland mit, so dass sich dem Abnehmer sowohl die Beklagte als auch die Streithelferin als Vertreter der V-Gruppe und damit als Berechtigte darstellen.
  141. Es ist jedenfalls auch offensichtlich, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung der Klägerin verboten ist. Die Offensichtlichkeit des Verbots ist in der Regel dann gegeben, wenn das angebotene Verfahren überhaupt nur patentgemäß angewendet werden kann. Kann das Verfahren sowohl patentfrei als auch patentgemäß angewendet werden, ist die Offensichtlichkeit des Verbots dann zu bejahen, wenn gerade die patentgemäße Anwendung die wirtschaftliche Bedeutung des Angebots ausmacht (Schulte/Rinken, PatG 10. Aufl.: § 9 Rn 93). Das aber ist hier der Fall, weil die Beklagte die patentgemäße Verwendung werblich herausstellt. Insofern wird zur näheren Begründung auf die Ausführungen zur mittelbaren Patentverletzung verwiesen. Im Ergebnis hätte die Beklagte erkennen können, dass der Klägerin das Verfahren zur dynamischen Kanalwahl, wie es in der angegriffenen Ausführungsform implementiert ist und von den Abnehmern mit hoher Wahrscheinlichkeit genutzt wird, vorbehalten ist.2.
    Soweit die Klägerin auch die Anwendung des patentgeschützten Verfahrens durch die Beklagten angreift, dringt sie damit nicht durch. § 9 S. 2 Nr. 2, 1. Alt. PatG setzt anders als das Anbieten zur Anwendung voraus, dass das Verfahren tatsächlich angewendet worden ist, jedenfalls aber – was den Unterlassungsanspruch angeht – dafür eine Erstbegehungsgefahr besteht. Dies hat die Klägerin nicht dargetan und hat die Streithelferin sogar ausdrücklich in Abrede gestellt. Die bloße Behauptung, die Klägerin verletzt durch das Anwenden des Verfahrens das Patent, genügt insofern ebenso wenig wie der Vortrag, die Beklagte und die Streithelferin träten jedenfalls als Nebentäter oder Teilnehmer auf. Denn es ist nicht eine Verletzungshandlung in Form der Anwendung des patentierten Verfahrens – sei es durch die Beklagte oder einen ihrer Abnehmer – gezeigt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Handelsregister angegebenen Geschäftszweck der Beklagten. Dieser ist allgemein auf die Entwicklung, Fertigung sowie den Vertrieb von Anlagen, Geräten und Systemen der Kommunikationstechnik gerichtet und zwingt nicht zu der Annahme, dass die Beklagte das geschützte Verfahren anwendet. Welche Aktivitäten die Beklagte konkret am Markt entfaltet, ist nicht vorgetragen. Zudem ist auch eine patentfreie Nutzung der angegriffenen Ausführungsform grundsätzlich möglich. Der Vortrag der Klägerin, der Geschäftszweck erfordere zwangsläufig die Anwendung des geschützten Verfahrens im Rahmen von Tests oder Vorführungen für potentielle Abnehmer, stellt insofern ebenfalls nur eine bloße Vermutung dar.
  142. V.
    Die Beklagte ist zur Benutzung der patentierten Erfindung nicht berechtigt. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf den zwischen der Klägerin und der Streithelferin abgeschlossenen Lizenzvertrag (einschließlich der Zusatzvereinbarung vom 17. März 2016) berufen. Das Klagepatent wird von der erteilten Lizenz nicht erfasst.
  143. Gemäß Ziffer 3.1 des Lizenzvertrages gewährt die Klägerin der Streithelferin und deren verbundenen Unternehmen, zu denen auch die Beklagte gehört, eine nicht exklusive, unteilbare und unübertragbare Lizenz an ihren wesentlichen Schutzrechten („essential properties“). Schutzrechte („properties“) umfassen gemäß Ziffer 1.3 des Lizenzvertrages Patente, die von der Klägerin oder mit ihr verbundenen Unternehmen gehalten werden, kontrolliert werden oder unterlizenziert werden können. Der Begriff „wesentliche Schutzrechte“ („essential properties“) bezeichnet nach Ziffer 1.4 des Lizenzvertrages diejenigen Ansprüche oder andere abtrennbare Teile von den in Ziffer 1.3 definierten Schutzrechten soweit eine Verletzung dieser Schutzrechte nicht in vernünftiger Weise vermieden werden kann, um aus technologischen Gründen die Standards einzuhalten und beinhaltet insbesondere die im Annex 1 des Lizenzvertrages genannten Schutzrechte. Mit den Standards ist gemäß Ziffer 1.2 des Lizenzvertrages unter anderem der DMR-Standard gemeint. Nach alledem ist die Beklagte unter anderem nur dann aus dem Lizenzvertrag zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigt, wenn das Klagepatent im Annex 1 des Lizenzvertrages genannt ist oder wenn die Benutzung der Lehre des Klagepatentanspruchs 11 technisch notwendig ist, um den DMR-Standard einhalten zu können. Beides ist hier nicht der Fall.
  144. Das Klagepatent wird unstreitig nicht im Annex 1 zum Lizenzvertrag genannt. Zudem kann der DMR-Standard angewendet werden, ohne die Lehre des Klagepatentanspruchs 11 zu benutzen. Denn der DMR-Standard sieht anders als die Lehre des Klagepatents nicht vor, dass das Funkgerät abweichend vom gewünschten Zeitschlitz, wenn dieser belegt ist, automatisch auf einen anderen, freien Zeitschlitz bzw. Kanal wechselt und die Übertragung auf diesem Kanal initiiert. Das aber ist – neben dem Konzept des Ruhezeitschlitzes – der Kern der Merkmale 3 bis 5 des Klagepatentanspruchs, nämlich ein Konzept zur dynamischen, variablen Nutzung der beiden Zeitschlitze. Dass der DMR-Standard das Konzept des Ruhezeitschlitzes verfolgt, behauptet auch die Beklagte nicht. Ebenso wenig stellt sie in Abrede, dass der DMR-Standard auch keine dynamische, variable Nutzung der beiden Zeitschlitze verlangt. Vielmehr trägt die Streithelferin für den Fall, dass ein Sendergerät auf einen bestimmten Zeitschlitz eingestellt ist (das ist der „gewünschte Zeitschlitz“, etwa Zeitschlitz 1), und dieser Zeitschlitz belegt ist, vor: Der DMR-Standard lasse offen, ob eine automatische Umschaltung auf den anderen Zeitschlitz (etwa Zeitschlitz 2) erfolge oder ob der Nutzer per Hand eine Umstellung auf den anderen Zeitschlitz vornehme. Damit ist die Benutzung der Lehre des Klagepatents nicht technisch notwendige Voraussetzung für die Anwendung des DMR-Standards.
  145. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn in die Betrachtung die Übertragung des CACH und des nachfolgenden Outbound Burst einbezogen wird. CACH und Outbound Burst möchte die Streithelferin als einen Zeitschlitz ansehen mit dem CACH als Synchronisationsmuster. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Denn der CACH mit dem TC-Bit kann – wie bereits im Rahmen der Auslegung des Klagepatentanspruchs ausgeführt – nicht als Synchronisationsmuster im Sinne des Klagepatents angesehen werden. Basierend auf diesem Verständnis des Klagepatentanspruchs setzt die vom DMR-Standard vorgegebene Verwendung eines CACH mit einem TC-Bit nicht die Verwendung eines Synchronisationsmusters und damit auch nicht die Benutzung der Lehre des Klagepatents voraus.
  146. Aus den vorstehenden Gründen kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf den in Ziffer 2.1 des Lizenzvertrages vereinbarten Anspruchsverzicht berufen. Das Klagepatent ist auch von dieser Regelung nicht erfasst.
  147. Soweit die Streithelferin schließlich einwendet, das Merkmal 4.2 sei letztlich optional, so dass jede standardgemäße Übertragung in einem vorgegebenen Zeitschlitz letztlich das Klagepatent verletze, ist sie wiederum ihrer eigenen Auslegung verhaftet. Bei zutreffender Auslegung setzt der Klagepatentanspruch 11 jedoch voraus, dass das Sendergerät einen freien Zeitschlitz bestimmt und auf diesem sendet, wobei dieses der gewünschte Zeitschlitz sein kann oder – falls er belegt und der andere Zeitschlitz frei ist – der andere Zeitschlitz. In der konkreten Anwendungssituation wird selbstverständlich nur in einem Zeitschlitz gesendet. Das macht aber den Schritt der Auswahl eines Synchronisationsmusters für den anderen Zeitschlitz nicht optional. Lediglich die Bedingung ist in der konkreten Anwendungssituation nicht eingetreten.
  148. VI.
    Da die Beklagte die patentierte Erfindung gemäß § 9 S. 2 Nr. 2, 2. Alt. PatG benutzt und auch Mittel zur Benutzung der patentierten Erfindung gemäß § 10 Abs. 1 PatG anbietet und liefert, ohne dazu berechtigt zu sein, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
  149. 1.
    Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung der patentierten Erfindung ohne Berechtigung erfolgt. Auch hinsichtlich der mittelbaren Patentverletzung ist der Unterlassungsanspruch ohne Einschränkung gegeben.
  150. Die angegriffene Ausführungsform kann zwar patentfrei genutzt werden, wenn die zur Patentverletzung führende spezifische Kombination von TDMA-DM und BB nicht verwendet wird. Gleichwohl kommt ein Schlechthinverbot auch in solchen Fällen in Betracht, wenn weder ein Warnhinweis noch eine Vertragsstrafenvereinbarung Gewähr dafür bieten, dass es unter Verwendung des Mittels nicht zu einer Patentverletzung kommt, eine etwaige Patentverletzung für den Schutzrechtsinhaber praktisch nicht feststellbar wäre und dem Lieferant ohne Weiteres zumutbar ist, das Mittel so umzugestalten, dass es nicht mehr patentgemäß verwendet werden kann, ohne das die Marktchancen des Verletzers in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt werden (Kammer Urt. v. 15.03.2016 – 4b O 44/14; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2004, 346; Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 10 Rn 24; Schulte/Rinken, PatG 10. Aufl.: § 10 Rn 39). So liegt der Fall hier.
  151. Die Anwendung des patentgeschützten Verfahrens erfolgt erst beim Nutzer der angegriffenen Ausführungsformen. Ob sich potentielle Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform überhaupt auf eine Vertragsstrafenvereinbarung einlassen würden, begegnet aufgrund damit verbundener Haftungsrisiken durchgreifenden Zweifeln, zumal Alternativprodukte auf dem Markt sind. Abgesehen davon schließt eine Vertragsstrafenvereinbarung nicht aus, dass die Abnehmer gleichwohl das patentgemäße Verfahren benutzen. Aus den vorgenannten Gründen kommt auch ein Warnhinweis nicht in Betracht. Der Beklagten ist es hingegen ohne weiteres zumutbar, die angegriffene Ausführungsform dergestalt abzuwandeln, dass das patentgemäße Verfahren nicht mehr benutzt werden kann. Sie selbst brachte die Installation eines Software-Patches ins Gespräch, wodurch die BB-Funktion abgeändert werden kann. Es handelt sich um einen technisch und wirtschaftlich geringfügigen Eingriff, der die patentfreie Nutzung der angegriffenen Ausführungsform unberührt lässt und sich im Hinblick auf die mit einem Warnhinweis oder einer Vertragsstrafenvereinbarung verbundenen Folgen unter Umständen sogar als milderer Eingriff darstellt.
  152. 2.
    Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  153. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  154. 4.
    Allerdings hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG.
  155. Anknüpfungspunkt für den Vernichtungsanspruch aus § 140a Abs. 1 PatG sind die Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind. Wird wie im vorliegenden Fall ein Verfahrensanspruch geltend gemacht, fehlt es regelmäßig an einem solchen Erzeugnis. Eine Ausnahme wird lediglich in § 140a Abs. 1 S. 2 PatG für unmittelbare Verfahrenserzeugnisse gemacht. Dementsprechend haben auch Verletzungshandlungen wie die unmittelbare Verletzung in Form des Anbietens eines Verfahrens zur Anwendung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 2 PatG oder die mittelbare Patentverletzung im Sinne von § 10 PatG solche Erzeugnisse nicht zum Gegenstand. Auch für das Mittel zur Anwendung eines patentgeschützten Verfahrens ist im Fall der mittelbaren Patentverletzung ein Vernichtungsanspruch grundsätzlich zu verneinen, da das Anbieten und Liefern mittelbar patentverletzender Gegenstände in Bereich außerhalb des Geltungsbereichs des Patentgesetzes oder zu anderen Zwecken als zur Benutzung der Erfindung patentfrei möglich ist (BGH GRUR 2006, 570 – extracoronales Geschiebe). Ob daraus im Umkehrschluss gefolgert werden kann, dass ein Vernichtungsanspruch bejaht werden kann, wenn keine dieser patentfreien Möglichkeiten in Betracht kommt, bedarf keiner Entscheidung. Denn im Streitfall sind die angegriffenen Funkgeräte ohne weiteres patentfrei verwendbar. Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht der Umstand, dass vorliegend hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ein Schlechthinverbot auszusprechen ist, da dies nur dem Umstand geschuldet ist, dass eine Verpflichtung zur Anbringung eines Warnhinweises oder zur Vereinbarung einer Vertragsstrafenvereinbarung als nicht zweckdienlich anzusehen ist und sich der mit einem Schlechthinverbot verbundene mittelbare Zwang zur Implementierung eines Software-Patches als milderes Mittel darstellt.
  156. 5.
    Ebenso wenig hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Produkte aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m.
    § 140a Abs. 3 PatG. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zum Vernichtungsanspruch verwiesen.
  157. VII.
    Für eine Aussetzung des Verfahrens besteht kein Anlass. Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage Erfolg haben wird.
  158. 1.
    Die Lehre des Klagepatentanspruchs 11 ist neu im Hinblick auf den Standard ETSI EN 300 396-3 v. 1.3.1 (2006-08) und ETSI EN 300 396-2 v. 1.3.1 (2006-08) (nachfolgend nur: TETRA-Standard). Der TETRA-Standard offenbart in der von der Beklagten als neuheitsschädlich entgegengehaltenen Betriebsart der Direktkommunikation (DMO) nicht die Verwendung von Synchronisationsmustern im Sinne der Merkmalsgruppe 2.
  159. Die Synchronisation in einem TETRA-System erfolgt bei der Direktkommunikation mittels sogenannter „FF synchronization burst“ (DSB), die auf dem physikalischen Kanal übertragen werden (layer 1). Der DSB weist den in der Tabelle 16 des TETRA-Standards dargestellten Aufbau auf. Neben anderen Header-Daten enthält der DSB mit Bit 95 bis 214 des DSB die „scrambled synchronization block 1 bits“ und mit Bit 253 bis 468 die „scrambled block 2 bits“. Der erste Block wird auf der darüber liegenden Schicht (layer 2) als logischer Kanal „Synchronisation Signalling Channel“ (SCH/S) definiert und der zweite Block als logischer Kanal „Half-slot Signalling Channel“ (SCH/H). Es handelt sich um Schnittstellen zwischen den Schichten 1 und 2, über die die Instanzen auf Schicht 2 den Diensten auf Schicht 1 die zu übertragenen Daten vorgeben. SCH/H und SCH/S sind in den DSB eingebettet (vgl. auch Tabelle 17). In den logischen Kanälen SCH/S und SCH/H wird unter anderem die „FF Medium Access Control – Synchronization – Protocol Data Unit“ (DMAC-SYNC PDU) der Schicht 2 (layer 2) versendet. Sie enthält gemäß den Tabellen 21 und 22 der Anlage BK 3 verschiedene Informationselemente, darunter im SCH/S zwei Bits für den Kanal („A/B channel usage“), zwei Bits für die Bezeichnung des Zeitschlitzes („Slot number“), fünf Bits zur Bezeichnung des Rahmens („Frame Number“) und im SCH/H fünf Bits für den Nachrichtentyp („Message type“) wie etwa Sprache oder Daten. Auch wenn über die DMAC-SYNC PDU der Zeitschlitz, der Nachrichtentyp und dergleichen eindeutig bestimmt werden kann, stellt die DMAC-SYNC PDU kein Synchronisationsmuster im Sinne des Klagepatents dar. Als solches ist eine Bitfolge zu verstehen, die in ihrer Gesamheit als eindeutiger Bezeichner für den Zeitschlitz, den Payloadtyp und/oder die Quelle der Übertragung sowie ggf. weiterer Informationen dient, ohne dass einzelne Bits der Bitfolge einzelne Informationen repräsentierten, und auf einer Schicht in einem logischen Kanal bereitgestellt wird. Im TETRA-Standard werden zur Bezeichnung des Zeitschlitzes, in dem die Synchronisationsnachricht auftritt (vgl. Ziffer 9.3.25 der Anlage BK 3), hingegen zwei bestimmte Bits des logischen Kanals SCH/S verwendet. Ein anderer logischer Kanal, nämlich der SCH/H enthält fünf weitere Bits zur Bezeichnung des Nachrichtentyps, also des Payloads. Dieser Aufbau der DMAC-SYNC PDU entspricht aber genau dem vom Klagepatent im Stand der Technik kritisierten Aufbau des CACH, der lediglich ein TC-Bit neben weiteren Protokollbits, die für das Klagepatent keine Rolle spielen, verwendet (Abs. [0003]). Diese Verwendung einzelner Bits zur Kennzeichnung eines Zeitschlitzes sieht das Klagepatent aufgrund ihrer geringen Verlässlichkeit als nachteilig an (Abs. [0003] und [0004]) und unterscheidet den Aufbau eines solchen Kanals von der Verwendung von Synchronisationsmustern (vgl. Abs. [0006]).
  160. 2.
    Die Lehre des Klagepatents ist im Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Es ist nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die Vorgängerversion des DMR-Standards mit dem als Anlage BK 4 vorgelegten US-Patent 6,452,991 B1 zu kombinieren. Der bloße Vortrag, der Fachmann würde sich auch mit anderen Patenten beschäftigen, die Synchronisationsverfahren beschreiben, genügt dafür nicht. Abgesehen davon offenbart keine der Entgegenhaltungen die Möglichkeit der freien Kanalwahl durch das Sendergerät. Für die Vorgängerversion des DMR-Standards ist das unstreitig, gilt aber auch für die Anlage BK 4. Denn darin wird lediglich festgestellt, dass das Endgerät, wenn es die Position des Synchronisationswortes bestimmt hat, in der Lage ist, sein Timing mit dem der übertragenden Basisstation zu synchronisieren und im vordefinierten Zeitschlitz zu kommunizieren. Damit wird aber nicht mehr als die im Stand der Technik bekannte Möglichkeit der Synchronisation beschrieben. Der Wechsel eines Zeitschlitzes wird nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
  161. VIII.
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
  162. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
  163. Dabei war die Sicherheitsleistung in Höhe eines Teils des Streitwertes festzusetzen.
  164. Die Vollstreckungsschäden – und damit die Sicherheitsleistung – entsprechen in aller Regel dem festgesetzten Streitwert (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 256 – Sicherheitsleistung/Kaffeepads). Jedenfalls ist die Vollstreckungssicherheit typischerweise nicht höher als der Streitwert einzuschätzen (OLG Düsseldorf, GRUR RR 2012, 304 – Höhe des Vollstreckungsschadens). Ist dagegen – ausnahmsweise – zu erwarten, dass eine in Höhe des Streitwerts festgesetzte Sicherheit den drohenden Vollstreckungsschaden nicht vollständig abdecken wird, ist es Sache des Beklagten, dem Gericht die dafür bestehenden konkreten Anhaltspunkte darzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47). Hierfür bedarf es weder einer ins Einzelne gehenden Rechnungslegung noch der Ausbreitung von Geschäftsinterna. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr eine generalisierende Darstellung, die die behaupteten Umsatz- und Gewinnzahlen nachvollziehbar und plausibel macht. Hierzu wird es vielfach genügen, auf Dritte ohnehin zugängliche Unterlagen wie Geschäftsberichte oder dergleichen zurückzugreifen oder eine nach Maßgabe der obigen Ausführungen spezifizierte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers oder eines sonst zuständigen Mitarbeiters vorzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47).
  165. Im Streitfall hat die Streithelferin nicht dargelegt, warum die Sicherheitsleistung für die Vollstreckung von Rückruf und Vernichtung auf nicht unter 20.000.000,00 EUR festgesetzt werden soll. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, wie der genannte Betrag zustandegekommen ist. Umsatz- und Gewinnzahlen werden nicht genannt und auch sonst werden keine Anhaltspunkte für die Berechnung eines etwaigen Vollstreckungsschadens dargelegt. Da die Klägerin mit der Klage nicht in vollem Umfang Erfolg hat, insbesondere Rückruf- und Vernichtungsansprüche nicht bestehen, ist auch der Vollstreckungsschaden geringer als der festgesetzte Streitwert, die Vollstreckungssicherheit mithin nur mit einem Teilbetrag des Streitwertes anzusetzen.
  166. Dem von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da die Beklagte die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat. Die Ausführungen der Beklagten zur Notwendigkeit einer Vollstreckungssicherheit beziehen sich zudem in erster Linie auf eine Vollstreckung von Rückruf- und Vernichtungsansprüchen. Solche Ansprüche bestehen jedoch nicht gegen die Beklagte. Im Übrigen gehen die von der Beklagten geschilderten Nachteile nicht über die typischerweise mit einer solchen Verurteilung verbundenen Nachteile hinaus und vermögen den Vollstreckungsschutzantrag nicht zu begründen.
  167. Streitwert: 2.000.000,00 EUR

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