4b O 182/09 – Teig-Enzyme

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1525

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Dezember 2010, Az. 4b O 182/09

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 1 131 XXX (Anlage K 3, deutsche Übersetzung Anlage K 3a, nachfolgend: Klagepatent), welches am 29. November 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der DK 157 XXX vom 27. November 1998, der DK 39XXX vom 22. März XXX9 und der DK 148 XXX vom 15. Oktober 1999 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 12. September 2001, die Veröffentlichung der Patenterteilung am 2. September 2009. Das Klagepatent, welches auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilt wurde und beim deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 699 41 XXX geführt wird, steht in Kraft. Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, betrifft Varianten eines lipolytischen Enzyms. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Verfahren zum Zubereiten eines Teiges oder eines Backerzeugnisses, das aus dem Teig zubereitet wird, umfassend das Hinzufügen eines lipolytischen Enzyms zu dem Teig, wobei das lipolytische Enzym ein lipolytisches Pilzenzym mit hydrolytischer Aktivität gegenüber Digalactosyldiglycerid und einem Phospholipid ist und ein Verhältnis der Aktivität gegenüber einer C16-C20-Acylbindung und einer C4-C8-Acylbindung hat, welches einem SLU/LU-Verhältnis von mindestens 3 entspricht, wobei die Aktivität gegenüber der C16-C20-Acylbindung als SLU bestimmt wird, wobei eine SLU die Menge an Lipase ist, welche 1 Mikromol titrierbare Oleinsäure pro Minute freisetzt, gemessen bei 30 °C und pH 9 mit einer stabilisierten Olivenölemulsion als dem Substrat, in einem 40 mM NaCl und 5 mM Calciumchlorid enthaltenden 5mM Tris-Puffer, und die Aktivität gegenüber der C4-C8-Acylbindung bestimmt wird als LU, wobei eine LU die Menge an Enzym ist, die zum Freisetzen von 1 Mikromol Buttersäure pro Minute fähig ist, gemessen bei 30 °C bei pH 7 unter Verwendung von Tributyrin, emulgiert mit Gummi Arabicum als dem Substrat.“

Die A B.V. legte gegen die Erteilung des Klagepatentes Einspruch bei dem Europäischen Patentamt ein, über den noch nicht entschieden wurde.

Die Beklagten gehören zu dem in den Niederlanden ansässigen B-Konzern, der unter anderem im Bereich der Nahrungsmittel und Getränke sowie Nahrungsergänzungsmittel tätig ist. Der B-Konzern stellt her und vermarktet weltweit insbesondere Enzymprodukte für die Nahrungsmittel-, Getränke- und Futtermittelindustrie. Die Beklagte zu 1) ist im Geschäftsbetrieb „Food Specialties“ des B-Konzerns für die Herstellung und den Vertrieb in Europa verantwortlich. Die Beklagte zu 2) ist die deutsche Vertriebsgesellschaft des B-Konzerns. Die Beklagten bieten unter der Domain www.B.com Enzymprodukte zur Verwendung beim Zubereiten eines Teiges oder Backerzeugnisses mit der Bezeichnung „C“ an. Die nähere Produktbeschreibung ergibt sich anhand der im Internet dargestellten Produktdarstellung, welche von der Klägerin in Auszügen als Anlagen K 12 und K 13 vorgelegt wurde und worauf Bezug genommen wird. Von einer Firma D erhielt die niederländische Tochtergesellschaft der Klägerin am 9. Oktober 2008, d.h. vor Erteilung des Klagepatentes, eine Probe eines Enzymproduktes der Beklagten (nachfolgend: D-Probe), welche durch einen Mitarbeiter der Klägerin, Herrn Dr. E untersucht wurde (vgl. Anlage K 16, K 16a). Dieses Enzymprodukt in der entsprechenden Zusammensetzung wurde letztmalig im November 2008 in den Verkehr gebracht. Die Beklagten stellten der Klägerin eine Probe des abgeänderten Enzymproduktes zur Verfügung, welches unter der Bezeichnung „F“ und „G“ (nachfolgend: H-Produkte) vertrieben wird. Auch diese Produkte wurden durch die Klägerin untersucht (vgl. Anlage K 34, K 34a). Zwischen den Parteien unstreitig enthalten sowohl die „D-Probe“ als auch die „H-Produkte“ u.a. ein Protein, welches enzymatische hydrolytische Aktivität gegenüber Digalactosyldiglycerid und Phospholipid aufweist, und dessen Aminosäuresequenz aus den Positionen 34-302 der SEQ ID Nr. 2 gemäß der internationalen Anmeldung WO 2009/106XXX A1 (Anlage K 38) der Beklagten und einem Enzym mit der Aminosäuresequenz aus den Positionen 34-304 besteht, wie sich anhand der Untersuchungen des Herrn I (Anlage K 18, 18a und 35, 35a) ergibt. Das „H-Produkt“ enthält zusätzlich das Enzym 34-303.

Wegen Verletzung des Klagepatentes erhob die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auch Klage in den Niederlanden vor dem Landgericht Den Haag und in Belgien vor dem Landgericht Gent. Das Landgericht Den Haag wies mit Urteil vom 19. Mai 2010 die Klage der Klägerin mit der Begründung ab, dass der niederländische Teil des Klagepatentes wegen unzureichender Offenbarung nicht rechtsbeständig sei. Auf die Ausführungen in dem Urteil vom 19. Mai 2010 (Anlage K 26, K 26a) wird verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass unter einem lipolytischen Enzym im Sinne des Klagepatentes ein solches Enzym verstanden wird, welches eine genau definierte Aminosäuresequenz aufweist und mithin nicht ein Gemisch aus verschiedenen Enzymen unterschiedlicher Struktur. Da die angegriffenen „H-Produkte“ ebenso wie die „D-Probe“ das Enzym 34-302 enthalten würden und dieses Enzym, die entsprechende hydrolytische Aktivität gegenüber Digalactosyldiglycerid und Phospholipid sowie ein SLU/LU-Verhältnis größer drei, nämlich circa 17 aufweisen würde, liege eine wortsinngemäße Verwirklichung der Lehre nach dem Klagepatent vor.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Eur – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft zu vollziehen ist an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

ein lipolytisches Enzym, das ein lipolytisches Pilzenzym mit hydrolytischer Aktivität gegenüber Digalactosyldiglycerid und einem Phospholipid ist und ein Verhältnis der Aktivität gegenüber einer C16-C20-Acylbindung und einer C4-C8-Acylbindung hat, welches einem SLU/LU-Verhältnis von mindestens 3 entspricht, wobei die Aktivität gegenüber der C16-C20-Acylbindung als SLU bestimmt wird, wobei eine SLU die Menge an Lipase ist, welche 1 Mikromol titrierbare Oleinsäure pro Minute freisetzt, gemessen bei 30 °C und pH 9 mit einer stabilisierten Olivenölemulsion als dem Substrat, in einem 40 mM NaCl und 5 mM Calciumchlorid enthaltenden 5mM Tris-Puffer, und die Aktivität gegenüber der C4-C8-Acylbindung bestimmt wird als LU, wobei eine LU die Menge an Enzym ist, die zum Freisetzen von 1 Mikromol Buttersäure pro Minute fähig ist, gemessen bei 30 °C bei pH 7 unter Verwendung von Tributyrin, emulgiert mit Gummi Arabicum als dem Substrat,

welches zur Benutzung eines Verfahrens zum Zubereiten eines Teiges oder eines Backerzeugnisses, das aus dem teig zubereitet wird, umfassend das Hinzufügen des lipolytischen Enzyms zu dem Teig, geeignet ist, Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten

ohne im Angebot darauf hinzuweisen, dass das lipolytische Enzym gemäß Ziffer I.1. nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des europäischen Patentes EP 1 131 XXX zur Benutzung eines Verfahrens zum Zubereiten eines Teiges oder eines Backerzeugnisses, das aus dem Teig zubereitet wird, umfassend das Hinzufügen des lipolytischen Enzyms zu dem Teig, verwendet werden darf;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 2. September 2009 die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe

a) einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

b) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

hilfsweise

der Klägerin zu gestatten, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Beklagten abzuwenden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

den Rechtsstreit bis zur Erledigung des gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens auszusetzen.

Sie stellen eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede. Das Klagepatent stelle nicht ein Enzym mit einer konkreten Aminosäuresequenz unter Schutz, sondern der Begriff lipolytisches Enzym umfasse eine Anzahl von Polypeptidketten mit geringfügig unterschiedlicher Länge, welche von einem bestimmten Gen/Wirt herrühren würden. Eine solche Anzahl von Polypeptidketten unterschiedlicher Länge würden auch die H-Produkte aufweisen. Deren SLU/LU-Verhältnis habe die Klägerin jedoch nicht bestimmt, sondern lediglich das Verhältnis einzelner Enzymfraktionen, nämlich der 34-302 zusammen mit der 34-303-Fraktion und der 34-304-Fraktion. Ungeachtet dessen, dass die Bestimmung des SLU/LU-Verhältnisses nach der Beschreibung des Klagepatentes nicht klar sei, liege dieses jedenfalls unter drei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch macht, so dass die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche wegen mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung und Rechnungslegung abzuweisen waren.

I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Zubereiten eines Teiges oder eines Backerzeugnisses, das aus dem Teig zubereitet wird, umfassend das Hinzufügen eines lipolytischen Enzyms aus dem Teig.

Zum Hintergrund der Erfindung führt das Klagepatent aus, dass lipolytische Enzyme (wie Lipasen und Phospholipasen) zum Hydrolysieren von Carbonsäureesterverbindungen in einem Substrat befähigt sind, um Carbonsäuren freizusetzen. Die hydrolytische Aktivität auf unterschiedliche Esterbindungen ist für die Nützlichkeit des lipolytischen Enzyms in verschiedenen industriellen Anwendungen wichtig. Dementsprechend sind Enzyme mit einer hohen Phospholipaseaktivität nützlich in einem weiten Bereich von Anwendungen, wie Backen, Filtration von Weizenstärkehydrolysat und Behandlung von Pflanzenöl, um den Phospholipidgehalt zu reduzieren. Die WO 98/45XXX gibt einen Hinweis darauf, dass ein Enzym mit einer hohen hydrolytischen Aktivität auf Digalactosyldiglycerid (DGDG) nützlich beim Backen ist. Darüber hinaus ist bekannt, eine Lipase zu Waschmitteln hinzuzufügen, um bei der Entfernung von fettigen Verschmutzungen zu helfen. Auch kann die Freisetzung von kurzkettigen Fettsäuren als freie Fettsäuren (FFA, free fatty acids) zur Geschmacksentwicklung in Nahrungsmittelprodukten wünschenswert sein kann, z.B. in der Käsereifung.

Die dreidimensionale (3D-)Struktur von mehreren lipolytischen Enzymen ist bekannt, und für mehrere Strukturen ist bekannt, dass sie einen sogenannten „Deckel“ („lid“) enthalten, welcher in einem offenen oder geschlossenen Zustand sein kann, der das aktive Zentrum zudeckt. Das Klagepatent führt weiter aus, dass bekannt sei, dass einige Lipasen eine gewisse Phospholipaseaktivität haben, wogegen die meisten Lipasen geringe oder keine Aktivität auf Phospholipide haben. Phospholipaseaktivität wurde daher beschrieben in den Lipasen aus Meerschweinchenpankreas, Fusarium oxysporum und Staphylococcus hyicus, und es wurden Versuche unternommen die Phospholipaseaktivität auf die Struktur der Lipase zu beziehen. Weiter verweist das Klagepatent darauf, dass der Stand der Technik die Wirkung auf Kettenlängenselektivität durch Aminosäuresubstitutionen in einer Lipase von Rhizopus delemar beschrieben hat. So wurde gezeigt, dass die Varianten F95D, F112W und V209W eine veränderte Präferenz gegenüber C4- und C8-Säuren haben. Auch wurde gezeigt, dass die Variante V206T+F95D eine höhere Selektivität für C8-Säure hat. Die Varianten V209W+F112W, V94W und F95D+F214R zeigen eine höhere hydrolytische Aktivität gegenüber C4- und C8-Säuren und es wird vorgeschlagen, dass strukturelle Determinanten für Spezifität für mittlere Kettenlänge in dem distalen Ende der Acylbindungsfurche liegen können.

Das Klagepatent schlägt nun in seinem Anspruch 1 ohne Formulierung einer Aufgabenstellung vor, ein Verfahren mit folgenden Merkmalen:

1. Verfahren zum Zubereiten eines Teiges oder eines Backerzeugnisses, das aus dem Teig zubereitet wird, umfassend das Hinzufügen eines lipolytischen Enzyms zu dem Teig.

2. Das lipolytische Enzym ist ein lipolytisches Pilzenzym.

3. Das lipolytische Enzym hat hydrolytische Aktivität gegenüber Digalactosyldiglycerid.

4. Das lipolytische Enzym hat hydrolytische Aktivität gegenüber einem Phospholipid.

5. Das lipolytische Enzym hat ein Verhältnis der Aktivität gegenüber einer C16-C20-Acylbindung und einer C4-C8-Acylbindung, welches einem SLU/LU-Verhältnis von mindestens drei entspricht.

a) Die Aktivität gegenüber der C16-C20-Acylbindung wird als SLU bestimmt, wobei eine SLU die Menge an Lipase ist, welche 1 Mikromol titrierbare Oleinsäure pro Minute freisetzt, gemessen bei 30 °C und pH 9 mit einer stabilisierten Olivenölemulsion als dem Substrat, in einem 40mM NaCl und 5mM Calciumchlorid enthaltendem 5 mM Tris-Puffer

b) Die Aktivität gegenüber der C4-C8-Acylbindung wird als LU bestimmt, wobei eine LU die Menge an Enzym ist, die zum Freisetzen von 1 Mikromol Buttersäure pro Minute fähig ist, gemessen bei 30 °C bei pH 7 unter Verwendung von Tributyrin, emulgiert mit Gummi Arabicum als dem Substrat.

III.
Von dieser vorstehend in einer Merkmalsgliederung beschriebenen Lehre des Klagepatentes machen die angegriffenen „H-Produkte“ aufgrund des vorgetragenen Sach- und Streitstandes keinen Gebrauch. Sie weisen kein lipolytisches Enzym im Sinne des Klagepatentes auf.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist unter einem lipolytischen Enzym im Sinne des Klagepatentes nicht ein Protein mit einer konkret definierten Aminosäuresequenz zu verstehen, sondern vielmehr ein oder mehrere Proteine mit katalytischen Eigenschaften nicht näher bestimmten Aufbaus, welche aus einem bestimmten Gen/Wirt stammen und entsprechend der Variationen in der Synthese durch den Wirt verschiedene Ausgestaltungen aufweisen können. Vorausgesetzt wird lediglich, dass das/die Enzyme eines bestimmten Gens/Wirts die in den Merkmalen 3 bis 5 näher beschriebenen Eigenschaften aufweisen. Für das vorgenannten Verständnis spricht bereits der Patentanspruch, welcher keinerlei Angaben zur konkreten Struktur des erfindungsgemäßen Enzyms macht, dieses vielmehr lediglich durch die in den Merkmalen 3 bis 5 beschriebenen Eigenschaften beschreibt sowie durch die Angabe, dass es sich um ein lipolytisches Pilzenzym handeln soll, womit deutlich gemacht wird, dass es sich um ein Protein mit lipolytischen Eigenschaften handeln soll, welches von einem Pilz stammt.

Hierfür spricht desweiteren die Beschreibung der Erfindung in der Klagepatentschrift. So wird der Stand der Technik in Absatz [0009] dahingehend beschrieben, dass die Wirkung auf die Kettenlängenselektivität durch die Aminosäuresubstitution in einer Lipase von Rhizopur delemar beschrieben wird. Es habe danach gezeigt werden können, dass die Varianten F95D, F112W und V209W eine veränderte Präferenz gegenüber C4- und C8-Säuren haben. Auch sei gezeigt worden, dass die Variante V206T+F95D eine höhere Selektivität für C8-Säure hat. Die Varianten V209W+F112W, V94W und F95D+F214R zeigen eine höhere hydrolytische Aktivität gegenüber C4- und C8-Säuren und es wird vorgeschlagen, dass strukturelle Determinanten für Spezifität für mittlere Kettenlänge in dem distalen Ende der Acylbindungsfurche liegen können. Im Rahmen der Beschreibung dieses Standes der Technik nennt das Klagepatent daher den Begriff Enzym, konkret Lipase von Rhizopur delemar, in einem „Atemzug“ mit Varianten der Lipase, welche sich durch Veränderungen an bestimmten Stellen in der Aminosäuresequenz auszeichnen (F95D, F112W und V209W und V206T+F95D und V209W+F112W, V94W und F95D+F214R). Trotz dieser strukturellen Unterschiede sieht das Klagepatent diese Varianten als eine Lipase an, welche unterschiedliche Eigenschaften, je nach Struktur, aufweisen kann.

Dieses Begriffsverständnis wird vom Klagepatent durchgehend verwendet. So wird in Absatz [0169] beschrieben, dass das Vorhandensein einer bestimmten Aminosäure in der genannten Tabelle ungewiss ist, es sich bei dieser „Variante“ jedoch gezeigt habe, dass nur eine kleinere Fraktion diesen Rest enthielt. Weiteres machen auch die Beispiele 5 bis 19 deutlich, in welchen Varianten der Humicola-Lipase beschrieben werden, welche jeweils unterschiedliche Aktivität in Bezug auf ihre enzymatische Eigenschaften aufwies und sich durch unterschiedliche Amisosäuresequenzen ausgezeichnet hat. All diese Varianten in der Aminosäuresequenz werden vom Klagepatent als Humicola-Lipase bezeichnet, also eines Enzyms mit lipolytischer Wirkung, welches seinen Ursprung in der Humicola-Familie hat, eine Herkunft, welche im Unteranspruch 2 unter Schutz gestellt ist. Entsprechend wird in Absatz [0043] beschrieben, dass die lipolytische Enzymvariante der Erfindung eine oder mehrere Veränderungen eines Aminosäurerestes in beliebigen der genannten Bereiche umfasst. Ein Enzym im Sinne des Klagepatentes umfasst daher jede Variante, welche Veränderungen in bestimmten Bereichen aufweist.

Auch die gesamte weitere Beschreibung der Erfindung in der Klagepatentschrift stützt die hier vertretene Auslegung des Begriffs Enzym im Sinne des Klagepatentes. Denn es wird weder eine konkrete Aminosäuresequenz eines erfindungsgemäßen Enzyms genannt noch erfolgt an einer Stelle in der Patentschrift eine Angabe, dass nach Herstellung von einer Ausgangslipase herrührender Varianten eine Aufreinigung des Enzymgemisches in der Weise erfolgt, dass als Produkt nur noch ein Enzym mit einer konkreten Aminosäuresequenz übrig bleibt. Dies wäre jedoch zu erwarten. Bei der Beschreibung der Erfindung geht die Klagepatentschrift zunächst von einem lipolytischen Ausgangsenzym aus und beschreibt dann die vorzunehmenden Veränderungen an der Alkoholbindungsstelle (Absatz [0023]) sowie nahe der katalytischen Triade, an der C-terminalen Seite des aktiven His-Restes, nahe dem C-Terminus und im Deckel (ab Absatz [0029] bis [0042]). Im Anschluss hieran werden weitere „spezifische Varianten“ eines lipolytischen Enzyms beschrieben. In diesem Zusammenhang wird auf einzelne Veränderungen an der Aminosäuresequenz eingegangen. Ab Absatz [0068] wird dann beschrieben, welche Varianten beim Backen verwendet werden können und wie diese im Einzelnen hergestellt werden (konkrete Beschreibung ab Absatz [0072]). An keiner Stelle der Beschreibung gibt es einen Hinweis auf eine Trennung der im Rahmen der Synthese unweigerlich hergestellten Varianten des Enzyms, die sich durch unterschiedliche Aminosäuresequenzen auszeichnen. Das Klagepatent beschreibt vielmehr weiter wie die so hergestellten Varianten auf ihre Lipaseaktivität getestet werden können und führt in den Beispielen aus, wie entsprechende Mutagene und Veränderungen hergestellt werden können.

Das vorstehende Verständnis wird auch bei der vorzunehmenden technisch -funktionalen Betrachtung bestätigt. Das Klagepatent will u.a. Varianten der Erfindung beim Backen verwenden (vgl. Ausführungen ab Absatz [0068]). Dabei ist es bekannt, Lipasen mit Phospholipid- und/oder Digalactosyldiglycerid-Aktivität zu verwenden um die Teigstabilität und Teigverarbeitungseigenschaften zu erhöhen oder um die Elastizität des Brotes oder Kuchens zu verbessern. Dabei hat sich gezeigt, dass Lipasen, welche eine hohe Aktivität gegenüber kurzkettigen Acylbindungen aufweisen, eine unangenehme Geschmacks- und Geruchsbildung beinhalten, was nicht dem Wunsch des Nutzers entspricht. Gerade diese Geruchsbildung soll daher erfindungsgemäß vermieden werden, wenn das Klagepatent im Patentanspruch 1 in seinem Merkmal 5 eine SLU/LU-Verhältnis von mindestens 3 vorschlägt. Denn bei einer verringerten Aktivität der Lipase gegenüber kurzkettigen Acylbindungen, soll, so das Klagepatent, ungewünschter Geruch und Geschmack vermieden werden. Würde aber nunmehr einem Backerzeugnis ein – wie die Klägerin meint – bestimmtes Enzym zugesetzt, welches neben einer genau definierten Aminosäuresequenz auch die in den Merkmalen 3 bis 5 beschriebenen Eigenschaften aufweist, könnte zwar, wie das Klagepatent meint, eine unangenehme Geruchs- und Geschmackbildung vermieden werden. Enthält das Produkt jedoch noch weitere Enzyme, welche das erfindungsgemäße SLU/LU-Verhältnis nicht aufweisen, würden dennoch die unerwünschten Nebenwirkungen auftreten. Das eine Enzym mit den erfindungsgemäßen Eigenschaften wäre nicht in der Lage die unerwünschten Eigenschaften der anderen Enzyme zu kompensieren, was jedoch nicht das Ziel der Erfindung nach dem Klagepatent ist. Es soll nicht nur ein konkretes Enzym die in den Merkmalen 3 bis 5 beschriebenen Eigenschaften aufweisen, sondern das eingesetzte Enzym, welches aus verschiedenen Varianten bestehen kann, soll die genannten Eigenschaften aufweisen, um insgesamt die Entwicklung unerwünschten Geruchs und Geschmacks bei trotzdem vorhandener Phospholipid- und Digalactosyldiglycerid-Aktivität.

Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung darauf verweist, dass die Beklagten auch ein entsprechendes Verständnis in ihrer Patentanmeldung zugrundelegen würden, handelt es sich um ein ebenso unzulässiges Auslegungsmittel wie der Verweis auf die von Herrn Prof. J in seiner Stellungnahme gemäß Anlage K 33, 33a geäußerte Auffassung, Art. 69 Abs. 1 EPÜ.

Von vorstehendem Verständnis des Begriffs lipolytisches Enzym ausgehend machen die angegriffenen „H-Produkte“ von der Lehre nach dem Klagepatent keinen Gebrauch, da die Klägerin selbst nicht vorgetragen hat, dass die „H-Produkte“ ein SLU/LU-Verhältnis von mindestens drei aufweisen, was von den Beklagten auch bestritten wurde. Auf die Aktivität des 34-302-Enzyms, welches die Klägerin entsprechend ihrer Ansicht als erfindungsgemäß ansieht, kommt es nicht an, da das SLU/LU-Verhältnis des Enzyms insgesamt, d.h. all seine Varianten, welche sich durch Unterschiede in der Aminosäuresequenz auszeichnen (vorliegend die 34-302 bis 34-304-Enzyme) mindestens 3 betragen muss.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO. Der Antrag der Klägerin auf Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO ist zurückzuweisen, da die Klägerin die entsprechenden Voraussetzungen weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht hat.

Der Streitwert beträgt 1.000.000,- EUR.