Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2752
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 08. März 2018, Az. 4c O 8/17
- I. Die Klage wird abgewiesen.
- II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
- T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 890 XXX B1 (Anlage HL 1, nachfolgend Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 28. August 2012 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 6. März 2014 veröffentlicht, die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 12. Oktober 2016. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Das Klagepatent hat ein Schienensystem zum Gegenstand. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
- „Schienensystem (10), mit einem Trägerprofil (14), das einen nach oben offenen Querschnitt (24) aufweist, einer Schiene (12), die in dem offenen Querschnitt (24) des Trägerprofils (14) derart einliegt, dass zumindest zwischen einer Seite der Schiene (12) und einer den offenen Querschnitt (24) begrenzenden Seitenwand (30) des Trägerprofils (14) ein Zwischenraum (32) verbleibt, und mindestens einem Klemmprofil (16), das in dem Zwischenraum (32) einliegt, mit einer inneren Kontaktfläche (46) seitlich an einer Lagerfläche (44) der Schiene (12) anliegt und die Schiene (12) teilweise übergreift,
dadurch gekennzeichnet, dass sich zumindest ein oberer Teil des offenen Querschnitts (24) des Trägerprofils (14) nach unten zu einem hinterschnittenen Querschnittsbereich (34) seitlich erweitert, der durch zwei gegenüberliegende obere Seitenwandabschnitte (4) begrenzt wird, die nach innen geneigt oder konkav gewölbt sind, und das sich zumindest ein Teil (50) des Querschnitts des Klemmprofils (16) nach unten hin keilförmig verjüngt und zur Schiene (12) hin durch die innere Kontaktfläche (46) und zur Seitenwand (30) hin durch eine äußere Kontaktfläche (48) begrenzt wird, die an dem entsprechenden oberen Seitenwandabschnitt (40) anliegt, welcher Teil (50) in einen entsprechend geformten Teil (42) des Zwischenraums (32) innerhalb des hinterschnittenen Querschnittsbereichs (34) des Trägerprofils (14) eingepasst ist.“ - Wegen des Wortlauts der lediglich insbesondere geltend gemachten Patentansprüche 2, 7 und 9 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Nachfolgend werden in verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung abgebildet. Figur 1 zeigt einen Querschnitt des erfindungsgemäßen Schienensystems und in Figur 2 und 3 sind weitere Querschnittsansichten zur Erläuterung des Montagevorgangs gezeigt.
- Die Beklagte zu 1) hat gegen die Erteilung des Klagepatentes Einspruch bei dem Europäischen Patentamt eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
- Die Klägerin plant, fertigt und vertreibt Transport- und Automatisierungssysteme für die unterschiedlichsten Industriebereiche. Die neu gegründete, am 3. Mai 2016 in das Handelsregister eingetragene Beklagte zu 1) bietet ebenfalls die Planung, Produktion und Installation von Logistiksystemen für die Fertigungsindustrie an. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Dieser ist im März 2016 bei der Klägerin ausgeschieden, wo er seit 1998 zunächst als Vertriebs-/Marketingleiter und seit 2010 als Geschäftsführer tätig war.
- Die Beklagten produzieren und vertreiben bundesweit das Schienensystem „A“. Im Internet unter ihrer Internetseite www.B.com halten die Beklagten einen Produktkatalog für das A-Schienensystem zum Herunterladen bereit, welchen die Klägerin als Anlage HL 7 zur Gerichtsakte reichte. Danach bieten die Beklagten das Schienensystem A in zwei Varianten (nachfolgende angegriffene Ausführungsformen) an, die sich im Wesentlichen durch den Durchmesser der Rundschiene unterscheiden (25 mm bzw. 40 mm).
- Nachfolgend wiedergegeben sind Querschnitte durch den Aufbau der kleineren Variante „A 25“ und der größeren Variante „A 40“ (rechts) gezeigt.
- Beide Varianten sind hinsichtlich der vorliegend relevanten technischen Merkmale gleich ausgestaltet.
- Überdies wird nachfolgend eine von der Klägerin überreichte kolorierte Ansicht (Anlage HL 5) der angegriffenen Ausführungsform „A 40“ in Gegenüberstellung zur Figur 1 des Klagepatentes wiedergegeben.
- Auf die durch den patentanwaltlichen Vertreter der Klägerin ausgesprochene Berechtigungsanfrage vom 13. Juli 2016, bestritten die Beklagten mit Schreiben vom 27. Juli 2016 eine Verletzung. Auf die Abmahnung der Klägerin vom 13. Dezember 2016 haben die Beklagten nicht reagiert.
- Die Klägerin hat zur Frage der Verletzung des Klagepatentes ein Gutachten des Privatgutachters Prof. Dr. C eingeholt. Auf das Gutachten vom 12. Januar 2018, vorgelegt als Anlage HL 8, wird Bezug genommen. Die Beklagten haben ein Gutachten des Privatgutachters Prof. Dr. D vom 17. Oktober 2017 als Anlage KAP 2 überreicht, worauf Bezug genommen wird.
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß, hilfsweise äquivalenten Gebrauch. Das Klagepatent sehe lediglich eine irgendwie geartete Wirkbeziehung zwischen dem Träger- und Klemmprofil vor. Es komme nicht darauf an, dass diese Wirkbeziehung gerade zwischen dem hinterschnittenen Bereich des Trägerprofils und der keilförmigen Verjüngung des Klemmprofils vorhanden sei. Der Formulierung im Patentanspruch, wonach das Klemmprofil in das Trägerprofil eingepasst sei, komme keine eigenständige technische Funktion zu. Es werde lediglich das schon durch das Anliegen der äußeren Kontaktfläche an dem Seitenwandabschnitt erzielte Zusammenwirken des Teils (50) mit dem hinterschnittenen Querschnittsbereich wiederholt. Die angegriffenen Ausführungsformen wiesen ein hinterschnittenes Trägerprofil sowie ein Klemmprofil auf, welches sich keilförmig verjünge. Beider Vorrichtungsbestandteile wirkten bestimmungsgemäß zusammen.
- Hilfsweise würden die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent mit äquivalenten Mitteln Gebrauch machen. Die bloße Verlagerung der seitlichen Erweiterung nach unten habe keinerlei technisch-funktionale Auswirkungen, so dass es sich um ein gleichwirkendes Mittel handele. Die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. C ergebe auch, dass die Klemmprofile der angegriffenen Ausführungsform relativ leicht zu entnehmen seien. Das Austauschmittel sei auch naheliegend. Eine leichte örtliche Verschiebung liege ohne weiteres im üblichen Fachwissen des Fachmannes, so dass dieser das Mittel als gleichwirkend auffinden könne. Der vom Klagepatent in Bezug genommene Stand der Technik stehe dem nicht entgegen, da das Klagepatent nicht generell eine Verrastung ausschließe.
- Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagten zu verurteilen
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf und hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Schienensysteme (10), mit einem Trägerprofil (14), das einen nach oben offenen Querschnitt (24) aufweist, einer Schiene (12), die in dem offenen Querschnitt (24) des Trägerprofils (14) derart einliegt, dass zumindest zwischen einer Seite der Schiene (12) und einer den offenen Querschnitt (24) begrenzenden Seitenwand (30) des Trägerprofils (14) ein Zwischenraum (32) verbleibt, und mindestens einem Klemmprofil (16), das in dem Zwischenraum (32) einliegt, mit einer inneren Kontaktfläche (46) seitlich an einer Lagerfläche (44) der Schiene (12) anliegt und die Schiene (12) teilweise übergreift,
- im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
- bei denen sich zumindest ein oberer Teil des offenen Querschnitts (24) des Trägerprofils (14) nach unten zu einem hinterschnittenen Querschnittsbereich (34) seitlich erweitert, der durch zwei gegenüberliegende obere Seitenwandabschnitte (4) begrenzt wird, die nach innen geneigt oder konkav gewölbt sind, und das sich zumindest ein Teil (50) des Querschnitts des Klemmprofils (16) nach unten hin keilförmig verjüngt und zur Schiene (12) hin durch die innere Kontaktfläche (46) und zur Seitenwand (30) hin durch eine äußere Kontaktfläche (48) begrenzt wird, die an dem entsprechenden oberen Seitenwandabschnitt (40) anliegt, welcher Teil (50) in einen entsprechend geformten Teil (42) des Zwischenraums (32) innerhalb des hinterschnittenen Querschnittsbereichs (34) des Trägerprofils (14) eingepasst ist,
- hilfsweise: bei denen sich zumindest ein oberer Teil des offenen Querschnitts (24) des Trägerprofils (14) nach unten zu einem hinterschnittenen Querschnittsbereich (34) seitlich erweitert, der durch zwei beiderseits der Schiene und oberhalb oder etwas unterhalb der Mitte angeordnete Seitenwandabschnitte (40) begrenzt wird, die nach innen geneigt oder konkav gewölbt sind, und sich zumindest ein Teil (50) des Querschnitts des Klemmprofils (16) nach unten hin keilförmig verjüngt und zur Schiene (12) hin durch die innere Kontaktfläche (46) begrenzt wird und zur Seitenwand (30) hin einen Arm mit einer Nase aufweist, die in die Hinterschneidung eingreift und dort an dem entsprechenden oberen Seitenwandabschnitt (40) anliegt, welcher Teil (50) in einen entsprechend geformten Teil (42) des Zwischenraums (32) innerhalb des hinterschnittenen Querschnittsbereichs (34) des Trägerprofils (14) eingepasst ist,
- 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen und darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 6. April 2014 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der hergestellten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei von dem Beklagten zu 2) sämtlichen Angaben und von beiden Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 12. November 2016 zu machen sind und die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu lit.a) und lit.b) die Rechnungen in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- II. die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
- 1. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben;
- 2. die unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- III. festzustellen,
- 1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die unter Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zweit vom 6. April 2014 bis zum 12. November 2016 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
- 2. dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 12. November 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise: den Verletzungsrechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Europäischen Patentamt anhängigen Einspruchsverfahren gegen das Europäische Patent 2 890 XXX B1 auszusetzen.
- Die Beklagten sind der Ansicht, durch die angegriffenen Ausführungsformen werde das Klagepatent weder wortsinngemäß noch äquivalent verletzt. Eine wortsinngemäße Verletzung liege nicht vor, da das Klagepatent vor dem Hintergrund des Standes der Technik eine Verrastung generell ausschließe. Im Übrigen würden sich die seitlichen Hinterschneidungen des offenen Querschnitts des Trägerprofils nicht im oberen Teil befinden. Die lastentragende Innenwand auf der linken Seite des Trägerprofils, dort wo das Klemmprofil angeordnet sei, sei völlig senkrecht. Entsprechend fehle es auch an einer Einpassung, da der Querschnitt des Klemmprofils nicht in einen Zwischenraum eines hinterschnittenen Querschnittsbereichs eingepasst sei.
- Eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes durch die angegriffene Ausführungsform liege nicht vor, da es bereits an der Gleichwirkung fehle. Denn eine solche müsse bereits ausscheiden, da die angegriffenen Ausführungsformen einen Nachteil verwirklichten, der durch die geschützte Lehre gerade vermieden werden solle, nämlich eine Verrastung. Auch werde die Gesamtwirkung der Erfindung nicht erreicht, nämlich die relativ leichte Lösbarkeit bei gleichzeitig verbesserter Klemmwirkung zum Halten der Schiene in ihrer Lage im Trägerprofil. Die Mittel der angegriffenen Ausführungsformen seien wegen der als nachteilig kritisierten Verrastung auch nicht auffindbar, so dass ein Fachmann sie auch nicht als gleichwertig in Betracht ziehen würde.
- Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen. Die WO 99/63160 (Anlage KAP 1 D2) sowie die DE 103 28 XXX (Anlage KAP 1 D 3) würden die Lehre nach dem Klagepatent neuheitsschädlich vorwegnehmen.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
- Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Vernichtung und Rückruf aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, da die Beklagten das Klagepatent nicht verletzen.
-
I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent bezieht sich auf ein Schienensystem. - In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass solche Schienensysteme in der Industrie zum spurgenauen Bewegen großer Maschinen oder Maschinenteile wie etwa Krananlagen, Drucktrommeln von Rotationsdruckmaschinen oder dergleichen eingesetzt werden, insbesondere aber auch zum Transport von großen und schweren Montageteilen von einer Fertigungsstation zur nächsten. Beispielsweise werden im Automobilbau sogenannte Schubskidanlagen eingesetzt, bei denen es sich um Plattformen handelt, die auf solchen Schienensystemen laufen. Ein weiteres Beispiel stellen die Gondeln von Windkraftanlagen dar, die mehrere Tonnen wiegen, mit Hilfe solcher Montageplattformen jedoch relativ leicht zu bewegen sind.
- Zum Stand der Technik nimmt das Klagepatent Bezug auf das deutsche Patent DE 43 18 383 (Anlage HL 3). Dieses offenbart ein Trägerprofil, das einen oben offenen Querschnitt aufweist und in den meisten Fällen in den Untergrund eingelassen wird. In das Trägerprofil wird eine Rundschiene eingelegt, die große Lasten aufnehmen kann. Die Schiene wird beidseitig von Klemmprofilen festgelegt, die in seitlichen Zwischenräumen zwischen der Schiene und den Seitenwänden des Trägerprofils einliegen und die Schiene teilweise übergreifen. Auf der Oberseite der Schiene verbleibt ein freier Winkelbereich, auf welchem Laufrollen eines Wagens rollen können.
- Nachfolgend wiedergegeben wird Figur 2 dieses Standes der Technik, welche einen Querschnitt des vorbekannten Schienenführungssystems zeigt.
- Als Vorteil dieses Systems schildert es das Klagepatent, dass das gesamte Schienenführungssystem bündig in den Boden eingelassen werden kann und keine Stolperkanten verblieben. Die Schiene kann problemlos von Fahrzeugen mit kleinen oder harten Rädern überfahren werden. Zudem sind keine steil aufragenden Kanten oder tiefen Ritzen vorhanden, in denen sich Schmutz ansammeln kann. Die Rundschiene kann einfach ausgewechselt werden, indem zunächst die Klemmprofile zu beiden Seiten der Schiene gelöst und entfernt werden.
- Hinsichtlich des aus der DE 43 18 383 beschriebenen Schienensystems beschreibt es das Klagepatent als nachteilig, dass die Klemmprofile in den Trägerprofilen verrastet und daher aufwändig zu lösen seien. Probleme bereite ferner das Aufbringen einer definierten Klemmkraft auf die Schiene, was durch die Rastverbindung praktisch nicht zu erreichen sei. Wenngleich die Schiene Lasten, die von oben auf die Lauffläche wirken, gut in das Trägerprofil einleiten könne, biete das bekannte Schienensystem nicht genügend Widerstand gegen Kräfte zum Anheben der Schiene aus ihrer Verankerung, die durch das Abrollen des Rades entstehen.
- Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, ein Schienensystem der eingangs genannten Art zu schaffen, dessen Klemmprofile sich relativ leicht lösen und auch erneut wieder einsetzen lassen, gleichzeitig jedoch eine verbesserte Klemmwirkung zum Halten der Schiene in ihrer Lage im Trägerprofil bilden.
- Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
- Schienensystem (10)
- 1.1 mit einem Trägerprofil (14), das einen nach oben offenen Querschnitt (24) aufweist,
1.2 einer Schiene (12), die in dem offenen Querschnitt (24) des Trägerprofils (14) derart einliegt, dass zumindest zwischen einer Seite der Schiene (12) und einer den offenen Querschnitt (24) begrenzenden Seitenwand (30) des Trägerprofils (14) ein Zwischenraum (32) verbleibt, und
1.3 mindestens einem Klemmprofil (16), das in dem Zwischenraum (32) einliegt, mit einer inneren Kontaktfläche (46) seitlich an einer Lagerfläche (44) der Schiene (12) anliegt und die Schiene (12) teilweise übergreift,
1.4 dass sich zumindest ein oberer Teil des offenen Querschnitts (24) des Trägerprofils (14) nach unten zu einem hinterschnittenen Querschnittsbereich (35) seitlich erweitert, der durch zwei gegenüberliegende obere Seitenwandabschnitte (40) begrenzt wird, die nach innen geneigt oder konkav gewölbt sind, und
1.5 dass sich zumindest ein Teil (50) des Querschnitts des Klemmprofils (16) nach unten hin keilförmig verjüngt und zur Schiene (12) hin durch die innere Kontaktfläche (46) und zur Seitenwand (30) hin durch eine äußerer Kontaktfläche (48) begrenzt wird, die an dem entsprechenden oberen Seitenwandabschnitt (40) anliegt,
1.6 welcher Teil (50) in einen entsprechend geformten Teil (42) des Zwischenraums (32) innerhalb des hinterschnittenen Querschnittsbereichs (34) des Trägerprofils (14) eingepasst ist. - II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre nach dem Klagepatent weder wortsinngemäßen noch äquivalenten Gebrauch. - a)
Eine wortsinngemäße Verletzung scheidet aus den nachfolgend geschilderten Gründen aus. - Das Klagepatent stellt in seinem Patentanspruch 1 eine Ausgestaltung eines Schienensystems unter Schutz, dass aus mehreren Komponenten besteht. Insoweit sieht der Patentanspruch ein Trägerprofil, ein Klemmprofil und eine Schiene vor. Die Schiene liegt in dem offenen Querschnitt des Trägerprofils in einer im Merkmal 1.2 beschriebenen Weise ein. Die konkrete Ausgestaltung des Trägerprofils wird in Merkmal 1.4 dahingehend beschrieben, dass sich zumindest ein oberer Teil des offenen Querschnitts nach unten zu einem hinterschnittenen Querschnittsbereich seitlich erweitert, der durch zwei gegenüberliegende obere Seitenwandabschnitte begrenzt wird, die nach innen geneigt oder konkav gewölbt sind. Das Klemmprofil wird demgegenüber in den Merkmalen 1.3 und 1.5 räumlich-körperlich in der Weise beschrieben, dass es in dem Zwischenraum zwischen Trägerprofil und Schiene einliegt und letztere seitlich übergreift und sich ein Teil des Querschnitts des Klemmprofils nach unten hin keilförmig verjüngt und zur Schiene hin durch die innere Kontaktfläche und zur Seitenwand hin durch eine äußere Kontaktfläche begrenzt wird, die an dem entsprechenden oberen Seitenwandabschnitt anliegt.
- Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt das Klagepatent nicht offen, in welcher Weise Klemmprofil und Trägerprofil eine Wirkverbindung mittels Wirkflächen eingehen. Denn Merkmal 1.6 macht deutlich, dass die in Merkmal 1.5 beschriebene konkrete räumlich-körperliche beschriebene Ausgestaltung des Klemmprofils, nämlich der Teil des Querschnitts des Klemmprofils, der sich nach unten hin keilförmig verjüngt und zur Schiene hin durch die innere Kontaktfläche und zur Seitenwand hin durch eine äußere Kontaktfläche begrenzt wird, die an dem entsprechenden oberen Seitenwandabschnitt anliegt, in einen entsprechend geformten Teil des Zwischenraums innerhalb des hinterschnittenen Querschnittsbereichs des Trägerprofils eingepasst sein soll. Damit macht das Merkmal 1.6 deutlich, dass gerade eine Wirkverbindung zwischen der in Merkmal 1.4 beschriebenen Ausgestaltung des hinterschnittenen Trägerprofils mit der in Merkmal 1.5 illustrierten Ausgestaltung des keilförmig verjüngten Klemmprofils bestehen soll.
- Dieses Verständnis entnimmt der Fachmann bereits der Systematik des Patentanspruchs 1. In den Merkmalen 1.4 und 1.5 wird die für Erfindung maßgebliche räumlich-körperliche Ausgestaltung des Träger- und Klemmprofils erläutert. Merkmal 1.6 beschreibt dann die Art des Zusammenwirkens dieser beiden näher beschriebenen Vorrichtungsbestandteile dahingehend, dass die in Merkmal 1.5 beschriebene Ausgestaltung des Klemmprofils innerhalb des hinterschnittenen Querschnittsbereichs des Trägerprofils eingepasst sein soll. Die keilförmige Verjüngung des Klemmprofils soll danach in den hinterschnittenen Querschnittsbereich des Trägerprofils eingepasst sein. Entsprechend tritt eine Wirkverbindung in diesem Bereich ein.
- Neben der Systematik des Anspruchs entnimmt der Fachmann ein entsprechendes Verständnis hinsichtlich des funktionalen Zusammenwirkens von Träger- und Klemmprofil der allgemeinen Beschreibung der Erfindung in der Klagepatentschrift. Insoweit wird in Abs. [0008] ausgeführt (Hervorhebung hinzugefügt):
- „Das erfindungsgemäße Schienensystem zeichnet sich dadurch aus, dass sich der offene Querschnitt des Trägerprofils zumindest in einem oberen Teil nach unten hin seitlich erweitert und einen hinterschnittenen Querschnittsbereich bildet. Die Seitenwandabschnitte des Trägerprofils, die diesen Querschnittsbereich begrenzen, sind nach innen geneigt oder konkav gewölbt. Das Klemmprofil hingegen umfasst einen Querschnittsteil, der sich nach unten hin keilförmig verjüngt und in einen entsprechend geformten Teil des Zwischenraums eingepasst ist, der innerhalb dieses hinterschnittenen Querschnittsbereichs liegt.“
- Hiermit wird deutlich gemacht, dass gerade das Klemmprofil im Bereich seiner keilförmigen Verjüngung in den Teil des Querschnitts des Trägerprofils eingepasst sein soll, der die Hinterschneidung aufweist.
- Dieses Verständnis wird weiter bestätigt in Abs. [0011] der allgemeinen Beschreibung der Erfindung (Hervorhebung hinzugefügt):
- „Die Hinterschneidung des freien Querschnittsbereichs des Trägerprofils bewirkt gemeinsam mit dem Sitz des keilförmigen Teils des Klemmprofils in diesem Teil des Zwischenraums eine selbsthemmende Klemmwirkung, die ein Herausheben der Schiene verhindert.“
- Das Klagepatent verdeutlicht damit bereits im allgemeinen Teil der Beschreibung der Erfindung, dass es zur Erreichung des erfindungsgemäßen Erfolges maßgeblich auf eine Wirkverbindung zwischen dem hinterschnittenen Trägerprofil und der keilförmigen Verjüngung des Klemmprofils ankommt.
- Verdeutlicht wird dies in der zeichnerischen Darstellung einer bevorzugten Ausführungsform in Figur 1. Die Klägerin hat die entsprechende Wirkverbindung auf Bl. 12 der Klageschrift mit Hilfe der farbigen Darstellung der in Figur 1 der Klagepatentschrift gezeigten bevorzugten Ausführungsform verdeutlicht. Die entsprechende Abbildung wird zur Veranschaulichung nachfolgend wiedergegeben.
- Die rote Färbung gibt insoweit den hinterschnittenen Querschnittsbereich des Trägerprofils wieder, während die grüne Gerade die keilförmige Verjüngung des Klemmprofils verdeutlicht.
- Das vorgenannte Verständnis wird ferner bestätigt unter Berücksichtigung des maßgeblichen technisch-funktionalen Verständnisses. Das Klagepatent nimmt in seiner einleitenden Beschreibung Bezug auf ein Schienensystem aus der DE 43 18 838, dessen zeichnerische Darstellung wiedergebeben wurde. Das vorbekannte Schienensystem wird aus einer Schiene sowie einem Trägerprofil und zwei Klemmprofilen gebildet. Die Klemmprofile werden an dem Trägerprofil mittels einer Verrastung befestigt. Bei diesem vorbekannten Schienensystem wirken die Kräften, die bei einem gewollten Lösen der Klemmschiene aufgebracht werden müssen in die gleiche Richtung wie die beim Abrollen der Räder auftretenden Kräfte, die zu einer ungewollten Lockerung der Klemmschiene führen, nämlich senkrecht nach oben.
- Mit der erfindungsgemäßen Lösung wird hingegen eine unterschiedliche Wirkrichtung der Kräfte erzielt. Das gewollte Lösen des Klemmprofils aus dem Trägerprofil erfolgt in einer Richtung, die nicht derjenigen Richtung der Kräfte entspricht, die beim Abrollen der Räder auftritt, nämlich senkrecht nach oben. Das Klemmprofil muss wegen der Hinterschneidung, die eine senkrechte Entnahme hindert, schräg oder bogenförmig entlang der Krümmung der Schiene entfernt werden. Gleichzeitig kann das Klemmprofil relativ leicht gelöst und erneut wieder eingesetzt werden. Überdies wird aufgrund der aufeinander abgestimmten Ausgestaltung von Trägerprofil und Klemmprofil auch die in Abs. [0011] beschriebene selbsthemmende Klemmwirkung erzielt, wodurch die angestrebte verbesserte Klemmwirkung zum Halten der Schiene in ihrer Lage im Trägerprofil erreicht wird. Weiterer Bestandteile zur Sicherung des Klemmprofils bedarf es daher nicht.
- Insoweit wird deutlich, dass die in den Merkmalen 1.4 und 1.5 näher beschriebenen Profile nicht jeder für sich die beschriebene räumlich-körperliche Ausgestaltung aufweisen sollen, sondern diese Ausgestaltung vielmehr aufeinander abgestimmt sein muss, so dass eine Einpassung – Merkmal 1.6 – erfolgen kann, welche dann zu der erfindungsgemäßen selbsthemmenden Klemmwirkung führt.
- Dabei mag es, wie das Klagepatent in Abs. [0030] ausführt, nicht darauf ankommen, ob die Seitenwandabschnitte, welche die Begrenzung bilden, oben angeordnet sind, auch wenn es schwer vorstellbar ist, dass eine Klemmwirkung bei einer Rundschiene erzielt werden kann, wenn sich die seitliche Erweiterung des hinterschnittenen Querschnittsbereichs unterhalb des Rundschienenquerschnitts befindet. Maßgeblich ist indes, dass die keilförmige Verjüngung und die seitliche Erweiterung des hinterschnittenen Querschnittsbereichs in der Weise aufeinander abgestimmt sind, dass des Klemmprofils in diesen Bereich eingepasst ist. Denn dann wird die erfindungsgemäß selbsthemmende Klemmwirkung auf die Schiene erzielt. Eine einfache keilförmige Verjüngung an irgendeiner Stelle bewirkt dies nicht.
- Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit Verweis auf ihren Privatgutachter Prof. Dr. C ausgeführt hat, dass es dem Klagepatent nur generell auf das Bestehen einer Wirkverbindung zwischen Klemm-und Trägerprofil ankomme, der „Witz der Erfindung“ in dem hinterschnittenen Trägerprofil liege, setzt sie sich mit dieser Sichtweise über die vom Patentanspruch und in der Beschreibung verdeutlichte Abstimmung der räumlich-körperlichen Ausgestaltung von Klemm- und Trägerprofil hinweg. Möglicherweise mag es funktional auf eine entsprechende Wirkbeziehung von Klemm- und Trägerprofil nicht ankommen, um die erfindungsgemäße Aufgabe zu lösen, ein Schienensystem zu schaffen, dessen Klemmprofile sich relativ leicht lösen und auch erneut wieder einsetzen lassen, gleichzeitig jedoch eine verbesserte Klemmwirkung zum Halten der Schiene in ihrer Lage im Trägerprofil bieten. Denn die gebotene funktionale Betrachtung darf bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung nicht mehr in Übereinstimmung steht (BGH, GRUR 2016, 921 – Pemetrexed; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 10. Aufl Kap. A Rn. 53).
- Vor dem Hintergrund eines solchen Verständnisses der räumlich-körperlichen Ausgestaltung von Träger- und Klemmprofil und das damit erzielte funktionale Zusammenwirken, machen die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent keinen Gebrauch.
- Isoliert betrachtet weisen die angegriffenen Ausführungsformen einen hinterschnittenen Querschnittsbereich im Trägerprofil auf, wie der nachfolgenden Skizze, welche von der Klägerin stammt, entnommen werden kann:
- Das Klemmprofil weist auch eine keilförmige Verjüngung auf, wie in der nachfolgenden Zeichnung (welche von der Klägerin stammt) zu erkennen ist. Die grünen Geraden geben insoweit die keilförmige Verjüngung wieder.
- Bei den angegriffenen Ausführungsformen ist die keilförmige Verjüngung des Klemmprofils jedoch nicht in einen hinterschnittenen Querschnittsbereich des seitlich erweiterten Trägerprofils eingepasst. Die letzte Zeichnung verdeutlicht, dass die keilförmige Verjüngung des Klemmprofils und der seitlich erweiterte hinterschnittene Querschnittsbereich des Trägerprofils nicht in der Weise aufeinander abgestimmt sind, dass der keilförmige verjüngte Teil des Klemmprofils in den hinterschnittenen Bereich des Trägerprofils eingepasst ist. In den hinterschnittenen Querschnittsbereich des Trägerprofils eingepasst ist vielmehr eine Nase des Klemmprofils, die aber eine Erweiterung und keine Verjüngung bildet. Selbst wenn man diesen Teil des Klemmprofils noch als keilförmige Verjüngung ansehen wollte, wäre dieser jedenfalls nicht zur Schiene durch die innere Kontaktfläche begrenzt. Die Nase selbst weist keinen Kontakt zur Schiene auf.
- Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mit Verweis auf das Gutachten ihres Privatgutachters Prof. Dr. C (Anlage HL 8) vorgetragen hat, dass auf Seite 12 des Gutachtens in der linken Abbildung der Abbildung 5 mit der Bezugsziffer 40c ein Bereich des Trägerprofils gezeigt werde, der seitlich erweitert sei, mithin eine Hinterschneidung aufweise, handelt es sich um eine künstliche Betrachtungsweise. Zwar mag es in der Praxis Einbausituationen geben, die der in der linken Darstellung gezeigten, geneigten Darstellung entsprechen. Dass das Klagepatent jedoch Fallgestaltungen meint, die lediglich dann eine Hinterschneidung aufweisen, wenn das Trägerprofil gegenüber der Waagerechten gekippt ist, ist nicht zu erkennen.
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b)
Entgegen der Ansicht der Klägerin machen die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre nach dem Klagepatent auch nicht mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. - Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung äquivalente Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH: vgl. BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffhohlprofil; BGH GRUR 2007, 510 – Kettenradanordnung; BGH GRUR 2007, 1059 – Zerfallzeitmessgerät; BGH GRUR 2011, 313 – Crimpwerkzeug IV; BGH GRUR 2015, 361 – Kochgefäß; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.08.2015 – I-15 U 2/14 m.w.N.).
- Vorliegend bestehen bereits Zweifel an der Gleichwirkung. Denn es ist weder zu erkennen noch vorgetragen worden, dass die Entnahme des Klemmprofils aus dem Trägerprofil der angegriffenen Ausführungsform unter normaler Anwendung dergestalt erfolgen kann, dass dieses relativ leicht entnommen werden kann. Vielmehr zeigen beide von den Parteien eingereichte Gutachten der Privatsachverständigen, dass eine Entnahme des Klemmprofils nicht unter Anwendung von üblichen Kräften entnommen werden kann bzw. nur dann, wenn das Klemmprofil an einer Seite gelöst wird und dann senkrecht entlang des Verlaufs der Schiene gelöst wird, mithin nicht relativ leicht schräg oder bogenförmig entlang der Krümmung der Schiene.
- Erhebliche Zweifel bestehen auch vor dem Hintergrund des vom Klagepatent in Bezug genommenen Standes der Technik an der Auffindbarkeit der abgewandelten Ausführungsform als gleichwirkend. Denn das Klagepatent schildert es mit Bezug auf die DE 43 18 383 als nachteilig, dass „die Klemmprofile in den Trägerprofilen verrastet und daher aufwändig zu lösen“ sind. Dass sich dieser beschriebene Nachteil der aufwendigen Lösbarkeit der Verrastung nur auf die in der DE 43 18 383 gezeigte Verrastung mit drei Rastzähnen bezieht, kann der Klagepatentschrift ebenso wenig entnommen werden wie die von dem Privatgutachter der Klägerin, Prof. Dr. C, getätigte Aussage, das Klagepatent sehe nicht generell eine Verrastung als nachteilig an. Für beide Ansichten gibt das Klagepatent keinen Anhaltspunkt. Entsprechendes wurde auch nicht aufgezeigt. Dafür, dass das Klagepatent auf eine Verrastung generell verzichten möchte spricht vielmehr, dass die erfindungsgemäße Lehre gerade eine Trennung der Wirkrichtung der Kräfte erzielen möchte. Die Kräfte, die bei einem gewollten Lösen der Klemmschiene aufgebracht werden müssen sollen eben nicht in die gleiche Richtung wirken wie die beim Abrollen der Räder auftretenden –senkrecht nach oben – wirkenden Kräfte. Bei einer Verrastung ist ein gewolltes Lösen des Klemmprofils lediglich senkrecht nach oben denkbar. Zumindest scheint dies bei der angegriffenen Ausführungsform nur so möglich, wie dies auch die Versuche des Privatgutachters der Klägerin zeigen.
- Jedenfalls müsste aber eine Gleichwirkung ausscheiden, da das Klagepatent – wie aufgezeigt – gerade eine Verrastung als nachteilig ansieht, so dass der Fachmann diese nicht als gleichwertig in Betracht ziehen würde. Soweit die Klägerin wiederum meint, eine Verrastung sei nicht generell ausgeschlossen, ist dem zu widersprechen: Ihre Argumentation läuft – was der Verwirklichung des dritten Kriteriums entgegen steht – darauf hinaus, die Sinnhaftigkeit der vom Patent gegebenen technischen Lehre in ihrer sachlichen Berechtigung (wieder) infrage zu stellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2013, Az.: I-2 U 23/13, BeckRS 2013, 18749; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.08.2015 – I-15 U 2/14). Sie setzt sich mit ihrer Argumentation nämlich darüber hinweg, dass (siehe im Einzelnen oben) das Klagepatent in Abgrenzung zum Stand der Technik gemäß dem DE 383 solche Lösungen zwingend als nachteilig ablehnt, bei denen eine Verrastung vorhanden ist.
- II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
- Der Streitwert des Verfahrens wird auf 300.000,00 € festgesetzt.