Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2721
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. November 2017, Az. 4c O 43/16
- I.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie
- Kreuzverbinder mit vier zueinander rechtwinklig angeordneten Armen für zwischen Isolierglasscheiben angeordnete Fenstersprossen in Form von Hohlprofilen aus Leichtmetall, welche mit ihren Armen zum Verbinden der Fenstersprossen in die Profilenden bündig einsteckbar sind, wobei im rahmenartig eingefassten Kreuzungsbereich des Kreuzverbinders beidseitig über die zu den Isolierglasscheiben benachbarten Außenseiten des Kreuzverbinders hinausragende Zentrierstützen einstückig angeformt sind, dadurch gekennzeichnet, dass diese federnde Klemmzungen sind, die sich jeweils von einer Rahmeninnenwand in den freien Kreuzungsbereich bogenförmig blattfederartig mit ihren Zungenenden zu je einer der Isolierglasscheiben erstrecken und im eingesetzten Zustand des Kreuzverbinders zwischen den Isolierglasscheiben mit ihren freien Zungenenden jeweils an der Innenseite der benachbarten Isolierglasscheibe unter elastischer Druckspannung anliegen, wodurch der Kreuzverbinder klemmend zentriert gehalten ist,im Zeitraum vom 15.08.2006 bis zum 09.04.2017 hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat, und zwar unter Angabea) der Herstellungsmengen und -zelten,
- b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. b) Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, in Kopie vorzulegen hat,wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt dem Kläger einem von diesem zu bezeichnenden, diesem gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, dem Kläger auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.
- II.Die Beklagte wird verurteilt, die bis zum 09.04.2017 in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum gelangten, in Ziff. I. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von dem Kläger zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
- III.Die Beklagte wird verurteilt, die in Ziff. I. bezeichneten, bis zum 09.04.2017 in den Besitz gewerblicher Abnehmer gelangten und weiter befindlichen Erzeugnisse
- – zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 197 14 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird,
- – sowie die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse entweder wieder an sich nimmt oder deren Vernichtung beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
- IV.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die unter Ziff. I. bezeichneten, im Zeitraum vom 15.08.2006 bis zum 09.04.2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- V.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.822,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2016 zu zahlen.
- VI.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- VII.Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 90 % und der Kläger zu 10 %
- VIII.Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar
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T a t b e s t a n d
- Der Klägerin macht Ansprüche auf Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten wegen Verletzung des zum 9. April 2017 erloschenen deutschen Patents DE 197 14 XXX C1 (Anlage K 1; im Folgenden: Klagepatent) geltend. Das Klagepatent ist am 9. April 1997 angemeldet und der Hinweis auf seine Erteilung am 11. Februar 1999 bekanntgemacht worden.
- Das Klagepatent betrifft einen Kreuzverbinder mit Klemmzungen zur Verbindung von zwischen zwei Isolierglasscheiben angeordneten Fenstersprossenelementen. Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
- „Kreuzverbinder mit vier zueinander rechtwinklig angeordneten Armen (2) für zwischen Isolierglasscheiben (9A, 9B) angeordnete Fenstersprossen (7) in Form von Hohlprofilen aus Leichtmetall, welcher mit seinen Armen (2) zum Verbinden der Fenstersprossen (7) in die Profilenden bündig einsteckbar ist, wobei im rahmenartig eingefassten Kreuzungsbereich (KB) des Kreuzverbinders (1) beidseitig über die zu der Isolierglasscheibe benachbarte Außenseiten (1A, 1B) des Kreuzverbinders (1) hinausragende Zentrierstützen (4A, 4B) einstückig angeformt sind, dadurch gekennzeichnet, dass diese federnde Klemmzungen (4A, 4B) sind, die sich jeweils von einer Rahmeninnenwand (3I) in den freien Kreuzungsbereich (KB) bogenförmig blattfederartig mit ihren Zungenenden (E) zu je einer der Isolierglasscheiben (9A, 9B) erstrecken und im eingesetzten Zustand des Kreuzverbinders (1) zwischen den Isolierglasscheiben (9A, 9B) mit ihren freien Zungenenden (E) jeweils an der Innenseite (9I) der benachbarten Isolierglasscheibe (9A, 9B) unter elastischer Druckspannung anliegen, wodurch der Kreuzverbinder (1) klemmend zentriert gehalten ist.“
- Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:
- Figur 1 zeigt die Draufsicht auf einen erfindungsgemäßen Kreuzverbinder, während Figur 2 eine Schnittansicht des Kreuzverbinders längs der in Figur 1 eingezeichneten Linie A-A darstellt. Figur 3 zeigt ebenfalls eine Seitenansicht des Kreuzverbinders mit herausstehenden Klemmzungen (4A, 4B).
- Die Beklagte stellt in Lohnfertigung für Herrn A B, der von der Klägerin in einem unter dem Az. 4c O 45/16 parallel geführten Verletzungsverfahren ebenfalls in Anspruch genommen wird, Kreuzverbinder des Typs „C“ her (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Dabei verwendet die Beklagte Fertigungswerkzeuge, die ihr von Herrn B zu diesem Zweck überlassen wurden. Herr B ist für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen verantwortlich, wohingegen die Lieferungen unmittelbar durch die Beklagte erfolgen. Vor dem Hintergrund dieser Arbeitsaufteilung lieferte die Beklagte mit Lieferschein Nr. XXX-1 vom 18. April 2016 (vgl. Anlage K 5) u.a. 1.500 Stück Ce verschiedener Größen an die Firma D GmbH, wobei als Rechnungsempfänger Herr B angegeben wurde.Wegen der weiteren Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen wird auf die nachfolgend von der Klägerin als Anlage K 6 zur Akte gereicht und mit Bezugsziffern versehene Fotografien sowie auf den als Anlage K 10 zur Akte gereichten Kreuzverbinder Bezug genommen.
- Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 mahnte der Kläger die Beklagte unter Verweis auf das Klagepatent ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Erstattung der ihm für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von EUR 8.947,62 auf (vgl. Anlage K 13). Mit Schreiben vom 14. Juni 2016 (vgl. Anlage K 9) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Abmahnung als unberechtigt ansehe, gleichwohl aber – unter Vorbehaltung weiterer Rechte – die Produktion der Kreuzverbinder eingestellt habe. Zugleich forderte die Beklagte den Kläger auf, sich zum Ersatz aller aus der Einstellung der Produktion ergebenden Schäden zu verpflichten. Mit weiterem Schreiben vom 16. Juni 2016 (vgl. Anlage K 10) kündigte sie die Weitergabe des Vorgangs an die Ermittlungsbehörden an. Mit E-Mail ihres hiesigen Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2016 (vgl. Anlage K 11) erklärte die Beklagte sodann, einen Rückruf betreffend die angegriffenen Kreuzverbinder durchzuführen. Mit weiterer E-Mail ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. Juni 2016 (vgl. Anlage K 12) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie Strafanzeige gestellt habe. Mit Schreiben vom 01. Juli 2016 gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, die sie neben einer zeitlichen Befristung bis zum Ablauf des Klagepatents noch unter weitere (auflösende) Bedingungen stellte. Wegen des Inhalts der Erklärung wird Bezug genommen auf die Anlage K 13. Der Kläger wies die Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 07. Juli 2016 (vgl. Anlagenkonvolut K 14) auf Grund der Vielzahl der aufgenommenen Bedingungen und insoweit mangels Ernsthaftigkeit zurück. Nachdem die Parteien in der Folgezeit weiter zur Frage der Ernsthaftigkeit der abgegebenen Unterlassungserklärung korrespondierten, gab die Beklagte mit Schreiben vom 01. August 2018 (vgl. Anlage K 17) eine weitere Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, die vom Kläger mit Schreiben vom 15. August 2016 (vgl. Anlage K 18) angenommen wurde.
- Im Jahr 2008 hatte die E GmbH (nachfolgend: E) gegen den Herrn B sowie die F GmbH (nachfolgend: F), die zu diesem Zeitpunkt exklusiv für den Beklagten Kreuzverbinder fertigte, bereits Klage vor dem hiesigen Gericht (Az. 4a O 265/08) wegen der Verletzung des Gebrauchsmuster DE 20 2005 003 XXX U1 (vgl. Anlage B 1b) durch einen Kreuzverbinder erhoben. Das Verfahren endete im Hinblick auf den Herrn B mit dem – inzwischen rechtskräftigen – klageabweisenden Teilurteil vom 09. Februar 2010. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das als Anlage B 1a zur Akte gereichte Teilurteil. Das Verfahren gegen F wurde auf Grund der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz der F unterbrochen. Das gleiche Schicksal ereilte die seitens des Klägers im Februar 2009 vor dem hiesigen Gericht gegen F erhobene Verletzungsklage betreffend das hiesige Klagepatent (Az. 4a O 28/09).
- Der Kläger meint, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß unmittelbar Gebrauch. Aufgabe der erfindungsgemäßen Zentrierstützen sei es allein, die Kreuzverbinder, die bereits durch die am Außenrand der Glasflächen fixierten Sprossen gehalten würden, derart zu zentrieren, dass der Kreuzverbinder einen in etwa gleichen Abstand zu den beiden Scheiben wahre. Dafür sei es aber irrelevant, welche Federkraft die Zentrierstützen aufwiesen, da die (temperaturbedingte) Krafteinwirkung von beiden Seiten gleich groß sei. Die Stege in den angegriffenen Ausführungsformen seien auch entsprechend der erfindungsgemäßen Lehre geformt, wobei es insbesondere nicht auf den zusätzlich an den Zungen angebrachten Steg ankomme. Diesem komme keine technische Funktion zu. Die Stege seien zwar am äußeren Rand des Rahmeninnenbereichs angebracht, dieser sei aber noch Teil der Rahmeninnwand.
- Er ist der Auffassung, die Ansprüche seien weder verjährt noch verwirkt. Die Beklagte bzw. der Zeuge B seien überhaupt nicht in das Verfahren des Klägers gegen F involviert gewesen und daher könne auch nicht von diesem Verfahren auf eine Kenntnis des Klägers von den Aktivitäten der Beklagten bzw. des Zeugen B bereits zu diesem Zeitpunkt geschlossen werden. Auch habe der Kläger keine Kenntnisse davon gehabt, dass der Zeuge B die Werkzeuge von F aufgekauft habe. Der Kläger habe vielmehr die Werkzeuge selbst erwerben wollen, ihm sei aber vom Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 29. September 2009 (vgl. Anlage K 16) lediglich mitgeteilt worden, dass die Werkzeuge nicht mehr vorhanden seien. Der Kläger wiederum sei nicht in das Verfahren der E gegen den Beklagten und F involviert gewesen und habe daher auch keine Kenntnisse darüber. Unerheblich sei auch, dass der Zeuge B für einen kurzen Zeitraum beim Kläger angestellt gewesen sei, denn daraus lasse sich nicht folgern, der Kläger habe Kenntnis von den anschließenden Aktivitäten der Beklagten bzw. des Zeugen B gehabt.
- Der Kläger beantragt,in Bezug auf den Auskunfts-, Rechnungslegungs-, Vernichtungs-, Rückruf- und Schadenersatzanspruch wie erkannt.
- Ferner beantragt er,die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.947,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2016 zu zahlen.
- Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Insoweit behauptet sie, innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Landgerichts Düsseldorf keine Verletzungshandlung vorgenommen zu haben. Insbesondere können Lieferungen von angegriffenen Kreuzverbindern an Herrn B, der in XXX seinen (Wohn-)Sitz habe, kein Inverkehrbringen i.S.d. § 9 Nr. 1 PatG begründen, da diese Lieferungen rein unternehmensinterner Natur seien.
- Sie behauptet, die angegriffenen Ausführungsformen seien vom Patent DE 10 2006 050 644 des Herrn B (nachfolgend: DE‘644) umfasst, was dem Kläger auch bekannt sei. Herr B habe das Patent – nach der Insolvenz der damaligen Mitinhaberin F – im Jahr 2009 als Alleininhaber übernommen.
- Sie meint, die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die technische Lehre des Klagepatents nicht. So fehle es den angegriffenen Ausführungsformen bereits an erfindungsgemäßen Zentrierstützen, da die Stege bei den angegriffenen Ausführungsformen sehr elastisch seien, mit der Folge, dass sie nachgeben und somit den Kreuzverbinder nicht zwischen den Scheiben zentrieren und halten können. Darüber hinaus ragten die Stege der angegriffenen Ausführungsformen auch nicht weit genug über den Rand des Kreuzungsbereichs hinaus, um eine Spannung in Form einer elastischen Druckspannung zu erzeugen und so den Kreuzverbinder zu halten und zu zentrieren. Auch seien die Stege nicht geeignet, die Scheiben auf Distanz zu halten und so eine Beschädigung des Glases durch die Sprossen sowie Klappergeräusche zu vermeiden. Bei den angegriffenen Ausführungsformen übernehmen diese Funktion der Abstandshaltung linsenkopfartige Erhöhungen, die beiderseits an der Außenseite des kastenförmigen Rahmens angebracht seien. Die Stege würden allenfalls helfen, die Schwingungen der Sprossen zu dämpfen. Auch seien die Stege und ihre entsprechenden Enden bei den angegriffenen Kreuzverbindern weder blattfederartig noch bogenförmig ausgestaltet und im Übrigen auch nicht an der Innenwand des zentralen kastenförmigen Rahmens angebracht. Dies habe das Gericht bereits in dem Vorverfahren gegen E festgestellt.
- Die Beklagte erhebt die Einreden der Verjährung und der Verwirkung. Insoweit behauptet sie, der Kläger habe seit mindestens dem Jahr 2007 positive Kenntnis von den geschäftlichen Aktivitäten des Herrn B. Gegenstand der Verfahren gegen F seien Kreuzverbinder gewesen, die mit den hiesigen angegriffenen Ausführungsformen – soweit für die Verwirklichung der Anspruchsmerkmale relevant – identisch gewesen seien und die Herr B bei F exklusiv habe produzieren lassen. Herr B habe – wie der Kläger wisse – im Zuge der Insolvenz der F die Fertigungswerkzeuge zur Produktion der Kreuzverbinder aufgekauft. Er sei im Übrigen vom 1. August 2005 bis einschließlich Januar 2006 bei dem Kläger im Außendienst angestellt und für den Bereich der Fenstersprossen verantwortlich gewesen. Die beiden seien sich auch anschließend auf Fachmessen und sonstigen Anlässen begegnet. Herr B habe jedenfalls nach Abschluss des Verfahrens gegen ihn und F und der seitdem vergangenen Zeit von mehr als 7 Jahren darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger keine Ansprüche mehr geltend mache.
- Die Beklagte meint zudem, der Streitwert von EUR 300.000,00 sei überhöht, da das Klagepatent mittlerweile abgelaufen sei und Herr B im Zeitraum von 2007 bis heute einen Umsatz von lediglich ca. EUR 78.000,00 mit den angegriffenen Ausführungsformen gemacht habe. Die Beklagte produziere auch erst seit 2014 für Herrn B als verlängerte Werkbank und habe nach den Angaben ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung lediglich einen Umsatz von ca. 38.000,00 EUR generiert.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
- I.Das Landgericht Düsseldorf ist örtlich zuständig.
- Nach § 32 ZPO ist die örtliche Zuständigkeit an jedem Ort gegeben, an welchem die unerlaubte Handlung, also die Patentverletzung, begangen, d.h. patentverletzend hergestellt, angeboten, geliefert, usw. worden ist bzw. eine entsprechende Erstbegehungsgefahr besteht.
- Die Beklagte hat die angegriffenen Ausführungsformen an den Zeugen B und damit nach Nordrhein-Westfalen geliefert. Hierbei ist es unerheblich, dass die Beklagte vorträgt, als sogenannte „verlängerte Werkbank“ für den Zeugen B gehandelt zu haben. Die Frage der „verlängerten Werkbank“ ist allein in den Fällen relevant, in welchen es auf die Erstreckung von Lizenzen ankommt bzw. dann, wenn einer Partei die Verletzungsalternative „Herstellen“ zugerechnet werden soll, obwohl sie selbst die Herstellungshandlungen nicht begangen hat (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 7, 258 ff. m.w.N.). Gleichwohl führt die Zurechnung der Herstellungshandlungen nicht dazu, dass die Lieferung an den Zeugen B zu einer „rein unternehmensinternen“ Handlung wird. Denn es handelt sich beim Zeugen B und der Beklagten insoweit weiterhin um getrennte Unternehmen. Der Zeuge B bleibt trotz aller Zurechnung ein gewerblicher Abnehmer der Beklagten.
- Darüber hinaus besteht angesichts des Angebots und der Lieferung der patentverletzenden Erzeugnisse an das Unternehmen H im I jedenfalls eine Erstbegehungsgefahr in Bezug auf Verletzungshandlungen im gesamten Bundesgebiet.
- II.Das Klagepatent betrifft einen Kreuzverbinder mit Klemmzungen, der zur Verbindung von zwischen zwei Isolierglasscheiben angeordneten Fenstersprossenelementen in Form von Hohlprofilen aus Leichtmetall eingesetzt wird.
- Aus dem Stand der Technik sind, wie das Klagepatent einleitend in Spalte 1 (Zeilen 13 bis 26) unter Verweis auf die Schrift AT 397 649 B darstellt, Kreuzverbinder bekannt, die in ihrem rahmenartig eingefassten Kreuzungsbereich eine durchgehende mittlere Wand aufweisen, von der senkrecht in Richtung auf die Isolierglasscheibe gerichtete Fortsätze als konische Stützen herausführen. An diesem aus dem Stand der Technik bekannten Verbindern kritisiert das Klagepatent, dass die Stützen nur wenig elastisch sind und daher Differenzen im Scheibenabstand nur in sehr geringem Maße ausgleichen können. Zudem treten wegen geringen seitlichen Verbiegbarkeit auch mit Geräuschen verbundene Auswanderungen der Stützstelle am Glas bei wechselnder Temperaturverteilung, insbesondere durch eine wandernde Schattengrenze, im Glas und in den Sprossen auf.
- Das Klagepatent nimmt ferner Bezug auf die GB 2 586 XXX A, die einen Kreuzverbinder offenbart, der im Kreuzungsbereich mit Kappen bestückt ist (Spalte 1, Zeilen 27 bis 31). Darüber hinaus würdigt das Klagepatent solche Kreuzverbinder als vorbekannt (Spalte 1, Zeilen 32 bis 46), die mit einer im Kreuzungsbereich angeordneten Durchgangsbohrung versehen sind, in welche beidseitig je ein pilzartig ausgebildeter Dämpfer als Klapperschutz angebracht wird. Im zusammengesetzten Zustand bilden die Dämpfer eine linsenförmige Erhöhung auf der Kreuzverbinder-Außenseite. An diesen aus dem Stand der Technik bekannten Verbindern kritisiert das Klagepatent, dass sie die Isolierglasscheiben nur bedingt stützen können, was insbesondere bei niedriger Temperatur zu Geräuschbildung führen kann.
- Als weiteren Nachteil der vorbekannten Kreuzverbinder benennt das Klagepatent den Umstand (Spalte 1, Zeilen 47 bis 53), dass diese zeit- und kostenintensiv durch Zusammenfügen der Einzelteile in Handarbeit hergestellt werden müssen. Ein weiterer Nachteil ist, dass zur Fertigung der einzelnen Bestandteile, nämlich des Kreuzverbinders und der Dämpfer oder Kappen, mehrere verschiedene Werkzeuge benötigt werden.
- Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe, die vorbekannten Kreuzverbinder so zu verbessern, dass sie einen verbesserten und temperaturunabhängigen Klapperschutz zuverlässig bieten.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- M.1. Kreuzverbinder für zwischen Isolierglasscheiben (9A, 9B) angeordnete Fenstersprossen (7) in Form von Hohlprofilen aus Leichtmetall, mitM.1.1. vier zueinander rechtwinklig angeordneten Armen (2), mit welchen der Kreuzverbinder zum Verbinden der Fenstersprossen (7) in die Profilenden bündig einsteckbar ist,M.1.2. einem rahmenartig eingefassten Kreuzungsbereich (KB)M.1.3. Zentrierstützen (4A, 4B) im Kreuzungsbereich (KB) des Kreuzverbinders;M.2. die Zentrierstützen (4A, 4B)M.2.1. sind einstückig angeformt,M.2.2. ragen beidseitig über die zu den Isolierglasscheiben benachbarten Außenseiten (1A, 1B) des Kreuzverbinders hinaus,M.2.3. sind federnde Klemmzungen (4A, 4B)M.3. die federnden Klemmzungen (4A, 4B) erstrecken sichM.3.1. bogenförmig blattfederartigM.3.2. von einer Rahmeninnenwand (3l) in den freien Kreuzungsbereich (KB)M.3.3. mit ihren Zungenenden (E) zu je einer der Isolierglasscheiben (9A, 9B)M.4. die federnden Klemmzungen (4A, 4B) liegen im eingesetzten Zustand des Kreuzverbinders (1) zwischen den Isolierglasscheiben (9A, 9B) jeweils an der Innenseite (91) der benachbarten Isolierglasscheibe (9A, 9B) an und zwarM.4.1. mit ihren freien Zungenenden (E)M.4.2. unter elastischer Druckspannung, wodurch der Kreuzverbinder (1) klemmend zentriert gehalten ist.
- III.Die angegriffene Ausführungsform macht unmittelbar und wortsinngemäß von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch.
- 1.Die Beklagte stellt die Verwirklichung der Merkmale 1.1 und 1.2 zu Recht nicht in Abrede. Es handelt sich bei der angegriffenen Ausführungsform um einen Kreuzverbinder im Sinne dieser Merkmalsgruppe.
- 2.Die angegriffene Ausführungsform weist Zentrierstützen in ihrem Kreuzungsbereich im Sinne von Merkmal 1.3 auf, welche in ihrer körperlichen Ausgestaltung die Merkmalsgruppe 2 verwirklichen, nämlich einstückig angeformt und federnde Klemmzungen sind sowie beidseitig über die zu den Isolierglasscheiben benachbarten Außenseiten des Kreuzverbinders hinaus ragen.
- Was unter dem Begriff „Zentrierstütze“ und „federnde Klemmzunge“ zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach § 14 PatG wird der Schutzbereich des Patents durch seine Ansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind allerdings zur Auslegung heranzuziehen. Dabei ist die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und der Patentanspruch im Zweifel so zu verstehen, dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen verstanden werden (BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; OLG Düsseldorf, Mitt 1998, 179 – Mehrpoliger Steckverbinder). Patentschriften bilden damit gleichsam ihr eigenes Lexikon (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Ein Ausführungsbeispiel erlaubt dabei regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
- a)Nach der Beschreibung des Klagepatents (Anlage K1, Spalte 1, Zeilen 65 ff.) soll der Kreuzverbinder durch die Zentrierstützen klemmend zentriert zwischen den Isolierglasscheiben gehalten werden. Eine weitergehende Klemmwirkung, wie von Beklagtenseite gefordert, ist der Klagepatentschrift nicht zu entnehmen. Es ist nicht erforderlich, dass die Zentrierstützen eine derart hohe Druckspannung aufbauen, dass sie in der Lage sind, die Isolierglasscheiben auf Abstand zu halten. Entsprechend wird auch in Spalte 2 Zeilen 45 ff. ausgeführt, dass der erfindungsgemäße Kreuzverbinder ein zuverlässiges Mittel zur Unterbindung von störenden Klappergeräuschen durch die Fenstersprossen darstellt. Eine weitergehende Aufgabe wird nicht beschrieben.
- Bestätigt findet der Fachmann diese Sichtweise vor dem Hintergrund des vom Klagepatent in Bezug genommenen Standes der Technik sowie der vom Klagepatent hieran geäußerten Nachteile. Das Klagepatent kritisiert an den im Stand der Technik bekannten Kreuzverbindern als nachteilig, dass diese durch ihre Mehrstückigkeit kompliziert herzustellen sind bzw. keinen hinreichenden temperaturunabhängigen Klapperschutz/Wanderungsschutz bieten (Spalte 1). Dabei kritisiert das Klagepatent nicht ein mögliches Klappern der Scheiben, sondern das Abwandern bzw. Klappern bedingt der an den Kreuzverbindern angebrachten Sprossen. Entsprechendes lässt sich den nachfolgenden Abschnitten des Klagepatents (Spalte 1, Z. 18 ff. und Z. 40 ff.) entnehmen:
- Diese Ausgestaltung der Stützen gibt ihnen nur eine geringe Elastizität und gleicht daher Differenzen im Scheibenabstand nur in sehr geringem Maße aus, was insbesondere bei wechselnder Windlast oft nicht ausreicht.
- Der Dämpfer hat den Nachteil, dass die Materialeigenschaften temperaturabhängig sind, so dass ein Klapperschutz bei niedrigen Temperaturen nicht gegeben ist, da die Härte bei abnehmender Temperatur zunimmt und folglich die Dämpfungseigenschaft abnimmt. Der Kreuzverbinder schlägt dann bei Erschütterungen ungedämpft zwischen den Isolierglasscheiben hin und her, so dass störende Klappergeräusche auftreten.
- Es soll allein die temperaturunabhängige Veränderung der Materialien des Kreuzverbinders bzw. die windbedingte Veränderung des Abstands der Isolierglasscheiben voneinander ausgeglichen werden, um eine haltende Zentrierung des Kreuzverbinders zu gewährleisten.
- b)Die klemmende Zentrierung erfolgt bei der angegriffenen Ausführungsform mittels der in der unten eingeblendeten, mit dem Buchstaben C bezeichneten Fotografie (Anlage K11 entnommen) mit der Ordnungsziffer 4A bezeichneten Stege.
- Diese Stege weisen, wie sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme einer in eine Scheibe geklemmten angegriffenen Ausführungsform überzeugt hat, eine hinreichende Druckspannung auf, um die angegriffene Ausführungsform innerhalb der Scheiben klemmend zu halten.
- Hierbei ist es unerheblich, dass sich, wie in der oben eingeblendeten Abbildung ersichtlich, neben den genannten Stegen noch eine linsenförmige Erhebung befindet, welche ebenfalls über die Oberseite der angegriffenen Ausführungsform hinausragt. Dadurch, dass diese weniger weit vorsteht als das äußere Ende der Stege, findet eine Verklemmung zunächst über die betreffenden Stege statt. Zwar mag es sein, dass z.B. unter stärkerer Windlast die zwei Isolierglasscheiben derart zusammengepresst werden, dass die Stege so weit nach innen gedrückt werden, dass die linsenförmigen Erhebungen ebenfalls an der Scheibe anliegen. Dies führt allerdings nicht aus einer wortsinngemäßen Benutzung hinaus. Bestimmt der Patentanspruch zur Erzielung eines bestimmten patentgemäßen Erfolgs konkrete Lösungsmittel (hier das Vorsehen der Zentrierstützen zur klemmenden Zentrierung), so kann von einer wortsinngemäßen Benutzung nur ausgegangen werden, wenn die vorhandenen Mittel nicht nur irgendeinen untergeordneten Lösungsbeitrag beisteuern, sondern in einem solchen Maße den klagepatentgemäßen Erfolg herbeiführen, dass die patentgemäße Wirkung in einem technisch beachtlichen Umfang eintritt (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, Abschnitt A, Rn 97).
- So liegt der Fall hier. Primär wird die Klemmung durch die Stege vollzogen, die sich näher an den Isolierglasscheiben befinden als die linsenförmigen Erhebungen. Die linsenförmigen Erhebungen leisten lediglich einen untergeordneten, mitursächlichen Beitrag im Falle einer stärkeren Verschiebung der Scheiben.
- Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Inhalt der Anlage B 14 zu keinem anderen Ergebnis. Bei der Anlage B 14 handelt es sich unter anderem um Informationen zum Einbau einer „J“, die von zwei verschiedenen Unternehmen erstellt worden sind. In beiden Dokumenten heißt es, dass die innere Alusprosse so zwischen den Fensterscheiben anzuordnen sei, dass diese einen Abstand von 2 bzw. 2-3 mm halte. Im Fall eines Abstands von 3 mm wäre die angegriffene Ausführungsform zwar tatsächlich nicht in der Lage, sich mittels der Stege klemmend zwischen den Scheiben zu halten. Allerdings handelt es sich bei den betreffenden Informationen nicht um allgemein verbindliche Einbauregeln, wie sie z.B. DIN-Normen darstellen, die der Fachmann bei der Dimensionierung der angegriffenen Ausführungsform zwingend zu beachten hätte. In der Klagepatentschrift finden sich ebenfalls keine Angaben zum Scheibenabstand oder dazu, wie weit sich die Zentrierstützen über die obere Seite des Kreuzverbinders hinaus nach außen zu erstrecken haben. Es ist mithin in das Belieben des Fachmanns gestellt, eine geeignete Dimensionierung der angegriffenen Ausführungsform in Relation zum Abstand der Scheiben zueinander zu wählen, so dass die vorgesehenen Stege ihre Klemmwirkung entfalten können.
- Unerheblich ist auch, ob die angegriffene Ausführungsform tatsächlich lediglich wie in den oben genannten Einbauanleitungen beschrieben verbaut wird. Es macht keinen Unterschied, ob die patentgemäße Lehre planmäßig oder zufällig verwirklicht wird. Solange die angegriffene Ausführungsform auf Grund ihrer Beschaffenheit objektiv in der Lage ist, die Merkmale des Patentanspruchs zu erfüllen, liegt eine Patentbenutzung vor (BGH, GRUR 2006, 399, 401 – Rangierkatze; Kühnen, a.a.O. Abschnitt A, Rn 99).
- Dies ist, wie oben dargestellt, in Bezug auf Merkmal 1.3 der Fall.
- c)Die Stege sind im Sinne des Merkmals 2.1 einstückig an die angegriffene Ausführungsform angeformt; die angegriffene Ausführungsform wird einstückig mittels eines Spritzgussverfahrens hergestellt.
- d)Wie aus der mit dem Buchstaben B bezeichneten, unten eingeblendeten Abbildung ersichtlich, ragen die Stege, wie von Merkmal 2.1 gefordert, mit ihrem mit der Ordnungsziffer E gekennzeichneten Bereich beidseitig über die zu den Isolierglasscheiben benachbarten Außenseiten des Kreuzverbinders hinaus.
- 3.Es handelt sich bei den Stegen um federnde Klemmzungen im Sinne von Merkmal 2.3 in der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Merkmalsgruppe 3.
- a)Der Begriff der federnden Klemmzunge wird in der Klagepatentschrift nicht näher beschrieben. Unter Zugrundelegung einer technisch-funktionalen Betrachtung versteht das Klagepatent unter einer Klemmzunge den Bereich des Kreuzverbinders, der derart elastisch ausgestaltet ist, dass durch ihn der Kreuzverbinder zwischen den Scheiben klemmend gehalten wird. Denn wie aus Spalte 1, Z. 58 ff. der Klagepatentschrift ersichtlich, dient gerade die Ausbildung der Zentrierstützen als federnde Klemmzungen der Lösung der klagepatentgemäßen Aufgabe, nämlich der Verbesserung des Klapperschutzes.
- Wie oben dargestellt, verfügen die betreffenden Stege der angegriffenen Ausführungsform über eine hinreichende Elastizität zur Ermöglichung einer klemmenden Fixierung des Kreuzverbinders.
- b)Die betreffenden Stege sind bogenförmig blattfederartig ausgestaltet im Sinne von Merkmal 3.1.
- Wie aus der mit dem Buchstaben C beschrifteten, oben eingeblendeten Abbildung der angegriffenen Ausführungsform ersichtlich, beschreibt der mit der Ordnungsziffer 4A gekennzeichnete Steg einen nach außen (zur Isolierglasscheibe hin) gerichteten Bogen (nach Lesart der Beklagte ein Buckel), an dessen Ende der Steg nach einem Absatz über einen weiteren, dünner ausgebildeten Steg mit der mit der Ordnungsziffer 31 gekennzeichneten Innenwand verbunden ist. Eine Bogenförmigkeit ist mithin gegeben.
- Unter „blattfederartig“ versteht das Klagepatent, wie in Spalte 2, Z. 28 f. deutlich gemacht wird, dass die Klemmzunge „als eine Blattfeder wirkt“. Sie muss also von ihrer Funktion her und gerade nicht in ihrer äußeren Ausgestaltung eine Blattfeder darstellen. Dies ist hier der Fall. Der Steg liegt mit seinem „Buckel“ an der Isolierglasscheibe auf und kann durch seine elastische Federung die durch Windlast erzeugten Veränderungen der Scheibe aufnehmen und ausgleichen.
- c)Die Klemmzungen der angegriffenen Ausführungsform erstrecken sich ebenfalls von einer Rahmeninnenwand in den freien Kreuzungsbereich im Sinne von Merkmal 3.2.
- Unter der Rahmeninnenwand versteht der Fachmann nach der Lehre des Klagepatents die vier seitlichen, dem freien Kreuzungsbereich des Kreuzverbinders zugewandten und diesen begrenzenden Wandbereiche, die mit ihrer oberen Kante an die Oberseite des Kreuzverbinders angrenzen. Hierbei unterscheidet das Klagepatent durch seine Abgrenzung zum Stand der Technik zwischen der Rahmeninnenwand und der Oberseite des Kreuzverbinders wie aus Spalte 1, Z. 14 ff., Z. 27 ff. und Z. 32 ff. deutlich wird, in welchen es heißt:
- „Dieser weist im rahmenartig eingefassten Kreuzungsbereich eine durchgehende mittlere Wand auf […] von der senkrecht […] Fortsätze herausgeführt sind […] Diese Ausgestaltung der Stützen gibt ihnen nur eine geringe Elastizität […]”
- „Weiterhin sind aus […] Kreuzverbinder bekannt, die im Kreuzungsbereich mit Kappen bestückt sind.“
- „Weiterhin sind Kreuzverbinder mit einer im Kreuzungsbereich angeordneten Durchgangsbohrung bekannt, in welche beidseitig je ein pilzartig ausgebildeter Dämpfer als Klapperschutz angebracht wird.“
- Das Klagepatent stellt damit durch die Beschreibung des Stands der Technik und deren Nachteile klar, dass es zur erfindungsgemäßen Lösung gerade darauf ankommt, die Zentrierstützen an der Innenwand und nicht an der Oberseite anzubringen.
- Allerdings stellt es das Klagepatent in das Belieben des Fachmannes, in welchem Bereich der Rahmeninnenwand die Klemmzungen ansetzen. So unterfallen Klemmzungen, die sich vom unteren Rand der Rahmeninnenwand nach oben erstrecken ebenso dem Schutzbereich des Klagepatentes wie Klemmzungen, die sich vom oberen Rand der Rahmeninnenwand weiter nach oben hin zu den Isolierglasscheiben erstrecken. Das Klagepatent trifft dahingehend keine räumliche Eingrenzung.
- Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Die Stege sind am oberen Ende der Rahmeninnenwand angeformt. Der Verbindungsbereich zwischen Steg und Rahmeninnenwand erstreckt sich über die gesamte Stärke des Stegs, also mehrere Millimeter weit. Vom oberen Bereich der Rahmeninnenwand erstrecken sich die Stege in den freien Kreuzungsbereich hinein. Zwar befindet sich im Kreuzungsbereich noch ein zusätzliches dreieckiges, mit einer kreisförmigen Ausnehmung durchbrochenes Element. Zwischen dieser Wand und dem Steg befindet sich allerdings ein schlitzartiger Zwischenraum, so dass der Steg zu beiden Seiten von einem freien Kreuzungsbereich umgeben ist.
- d)Merkmal 3.3, wonach sich die Klemmzungen mit ihren Zungenenden zu je einer der Isolierglasscheiben erstrecken, ist ebenfalls verwirklicht.
- Das Zungenende des Stegs – der Buckel – der angegriffenen Ausführungsform erstreckt sich über die Außenkante des Kreuzverbinders hin zu der jeweiligen Isolierglasscheibe, wie aus der oben eingeblendeten, mit dem Buchstaben B bezeichneten Abbildungersichtlich.
- 4.Die Merkmalsgruppe 4, wonach die federnden Klemmzungen im eingesetzten Zustand des Kreuzverbinders zwischen den Isolierglasscheiben jeweils an der Innenseite der benachbarten Isolierglasscheibe mit ihren freien Zungenenden unter elastischer Druckspannung anliegen, wodurch der Kreuzverbinder klemmend zentriert gehalten ist, ist ebenfalls verwirklicht.
- Bei den in der Abbildung C mit dem Buchstaben E gekennzeichneten Bereichen der Stege handelt es sich um ein freies Zungenende im Sinne der Merkmalsgruppe. Unter freien Zungenenden versteht der Fachmann unter funktionaler Betrachtung den Bereich der Klemmzunge, der die größte Elastizität aufweist, sich im nicht verklemmten Zustand oberhalb der Außenkante des Kreuzverbinders befindet und der im verklemmten Zustand an der Isolierglasscheibe anliegt. Dies folgt aus der Anspruchssystematik. In der Merkmalsgruppe 4 heißt es nämlich, dass die Klemmzungen mit ihren freien Zungenenden „unter Druckspannung“ an der Scheibe anliegen. Zum Aufbau einer solchen Druckspannung ist zum einen ein gewisser Grad an Elastizität und zum anderen erforderlich, dass das Zungenende zur Verklemmung nach innen hin, also in den Kreuzverbinder hinein gepresst wird.
- Nicht erforderlich hingegen ist, dass das Zungenende gleichsam das Ende der Klemmzunge bildet und keine weitere Verbindung zur gegenüberliegenden Rahmeninnenwand besteht. Zur Erreichung der erfindungsgemäßen Wirkung ist es allein notwendig, dass das Zungenende den Bereich bildet, der an der Scheibe anliegt, ein möglicher, weiterer Verbindungbereich nicht an der Scheibe aufliegt und dass das Zungenende die nötige Bewegungsfreiheit aufweist, um die ihm zugedachte Klemmfunktion gemäß Merkmal 4.2 zu erfüllen. Frei im Sinne der Klagepatentschrift bedeutet damit „frei zur Isolierglasscheibe hin mit hinreichender Bewegungsfreiheit“.
- Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Der mit E gekennzeichnete Buckel des Stegs liegt frei an der Scheibe an. Es besteht zwar eine weitere Verbindung des Stegs über eine schmale Verbindungsstelle zur zweiten Rahmeninnenwand. Diese Verbindungsstelle liegt allerdings nicht an der Scheibe an und beeinträchtigt die Elastizität des Zungenendes nicht im Rahmen der ihm zugedachten Funktion.
- Das Zungenende des Stegs liegt ebenfalls mit Druckspannung an der Scheibe an und führt, wie oben dargelegt, zu einer klemmenden Zentrierung der angegriffenen Ausführungsform. Mithin ist die Merkmalsgruppe 4 in ihrer Gesamtheit unmittelbar und wortsinngemäß verwirklicht.
- IV.Die Beklagte verletzt das Klagepatent durch die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform. Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen:
- 1,Der Kläger hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 2 PatG folgt.
- a)Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch den Kläger aber noch nicht beziffert werden kann, weil er den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne sein Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
- b)Die Ansprüche des Klägers sind jedoch teilweise – soweit Handlungen vor dem 15.08.2006 betroffen sind – nicht durchsetzbar, da insoweit die Einrede der Verjährung Wirkung entfaltet. Im Übrigen greifen aber weder die Einrede der Verjährung noch die der Verwirkung durch.
- aa)Die kenntnisabhängige Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB greift hier allerdings nicht durch. Diese beträgt regelmäßig 3 Jahre (§ 195 BGB) gerechnet ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Wer sich auf Verjährung beruft, hat deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (BeckOK BGB/Henrich, 42. Ed. 01.02.2017, BGB, § 194 Rn. 10; Kühnen, a.a.O., Rn. E. 558), hier also die Beklagten.
- Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners seitens des Klägers vor dem Jahre 2016 lässt sich nicht feststellen.
- Eine positive Kenntnis des Klägers hat die Beklagte schon nicht schlüssig vorgetragen.
- Aus dem unter dem Aktenzeichen 4a O 28/09 erhobenen Klage des Klägers gegen die F lässt sich keine Kenntnis von den streitgegenständlichen Verletzungshandlungen ableiten. Zum einen handelt es sich ausweislich der im dortigen Verfahren als Anlage rop 6 vorgelegten Fotografien um eine abweichende angegriffene Ausführungsform. Darüber hinaus fehlen tatsächliche Anknüpfungspunkte dafür, dass der Kläger Kenntnis davon hatte, dass der Beklagte damals bereits Vertriebspartner der F war. Dem Vortrag des insoweit beweisbelasteten Beklagten fehlt es an tauglichen Beweisantritten. Es erschließt sich der Kammer nicht, inwieweit ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen B im Jahr 2006 eine solche Kenntnis generieren soll. Gänzlich ohne Beweisantritt bleibt die bestrittene Behauptung des Beklagten, der Kläger habe Kenntnis davon gehabt, dass der Zeuge B Werkzeuge der F aus der Insolvenzmasse erworben habe. Aus dem als Anlage K 16 vorgelegten Schreiben des damaligen Insolvenzverwalters ergibt sich lediglich, dass der Kläger die Kenntnis hatte, dass die Werkzeuge bei der Schuldnerin – der F – am 28.09.2009 nicht mehr vorhanden waren.
- Den in der Klageerwiderung der Beklagten auf Seite 15 f. aufgeführten Beweisantritten bezüglich des Zeugen K und des Zeugen B war nicht nachzugehen. Es handelt sich insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Hiervon spricht man, wenn die Tatsachen, über die der Zeuge aussagen soll, nicht hinreichend konkretisiert sind (Damrau in Münchener Kommentar ZPO, 5. Auflage 2016, § 373, Rn 18). Dies ist hier der Fall. Allein die Aussage, es handele sich um eine überschaubare Branche und deshalb sei den genannten Zeugen bekannt, dass der Kläger den Marktauftritt des Zeugen B respektive der Beklagten kenne, reicht für einen Substantiierung nicht aus.
- Gleiches gilt für den insoweit ergänzten Beweisantritt nach dem entsprechenden gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2017. Zwar bezieht sich der Beweisantritt nunmehr auf mit Kunden geführte Gespräche. Angesichts dessen, dass keine Angaben zu Zeitpunkt, Ort und den weiteren Teilnehmern dieser Gespräche gemacht worden sind, fehlt es weiterhin an einer hinreichenden Substantiiertheit.
- Dem Beweisantritt im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 25. Oktober 2017 war ebenfalls nicht nachzugehen. Es handelt sich insoweit um verspätetes Vorbringen im Sinne von § 296a ZPO.
- Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis ist nicht erkennbar.
- Eine grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger deshalb die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder naheliegende Erkenntnis- oder Informationsquellen nicht genutzt und ungeachtet gelassen hat, was jedem hätte einleuchten müssen, so dass ihm ein schwerer Obliegenheitsverstoß bei der Verfolgung seiner Ansprüche vorzuwerfen ist. Hierfür genügt eine fehlende Marktbeobachtung nicht (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Abschnitt E Rn. 564).
- Bei Anwendung dieser Grundsätze lässt sich eine grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Klägers nicht feststellen. Die Beklagte trägt keine Tatsachen vor, aus welchen der Kläger hätte schließen können, dass der Zeuge B die Werkzeuge von F erworben hat. Auch oblag es nicht dem Kläger, weiter beim Insolvenzverwalter nach den Werkzeugen nachzuforschen. Denn aus dem Schreiben des Insolvenzverwalters geht noch nicht einmal hervor, dass die Werkzeuge tatsächlich durch ihn verkauft worden waren. Es ist schlicht davon die Rede, dass diese nicht mehr vorhanden seien. Dies mag unterschiedliche Gründe gehabt haben. Ein Verkauf war angesichts der schwammigen Wortwahl jedenfalls nicht ganz naheliegend.
- Ebenso unerheblich ist der Vortrag, das Gebaren des Zeugen B sei im Markt bekannt gewesen und es habe Begegnungen auf Messen gegeben. Denn der Kläger hatte nicht die Pflicht, den Markt und das Verhalten des Zeugen B konkret zu beobachten und in regelmäßigen Abständen Testkäufe durchzuführen.
- Aus der als Anlage B 14 vorgelegten Rechnung vom 20.10.2008, aus welcher hervorgeht, dass ein „C“ an das Unternehmen D. H durch den Zeugen B geliefert worden war, lässt sich ebenfalls keine Kenntnis des Klägers ableiten. Denn es mag zwar sein, dass diese Rechnung den gleichen Kreuzverbinder betrifft, der auch in der als Anlage K 15 vorgelegten Rechnung der Firma H an die F aufgeführt ist. Allerdings fehlt eine Nennung des Zeugen B als Ursprungslieferanten in der als Anlage K 15 vorgelegten, dem Kläger bekannten Rechnung. Es wird keine Tatsache vorgetragen, aus der der Kläger schließen konnte, dass der Kreuzverbinder ursprünglich vom Zeugen B stammt.
- b)Die Ansprüche des Klägers sind nicht verwirkt.
- aa)Der Tatbestand der Verwirkung erfordert zunächst, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen und der Berechtigte über diesen Zeitraum untätig geblieben ist. Der hierfür erforderliche Zeitraum richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Zeitmoment und Umstandsmoment stehen dabei nicht als zwei unabhängige Tatbestandsvoraussetzungen selbstständig nebeneinander, vielmehr besteht zwischen ihnen eine Wechselwirkung (BGH GRUR 2001, 323; BeckOK/Sutschet, 27. Edition 2013, § 242 Rn. 136). Eine Orientierungshilfe geben hierbei die Verjährungsfristen. Die Verwirkungsfrist ist in der Regel deutlich kürzer als die Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren. Im Verhältnis zu den kürzeren Verjährungsfristen von bis zu etwa vier Jahren kommt dagegen eine Verwirkung nur ganz ausnahmsweise in Betracht (BeckOK/Sutschet, 27. Edition 2013, § 242 Rn. 137).
- Das Zeitmoment dürfte hier erfüllt sein, da nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten dieser die angegriffenen Ausführungsformen seit dem Jahr 2008 vertreibt.
- bb)Zur Erfüllung des Umstandsmoment ist ein Vertrauenstatbestand erforderlich, wonach der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde; er also mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauchte, mit der Folge, dass die verspätete Geltendmachung des Rechts für ihn eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte bedeuten würde (BeckOK/Sutschet, 27. Edition 2013, § 242 Rn. 141). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob der Berechtigte sein Recht kannte. Zwar setzt die Verwirkung eine Kenntnis des Berechtigten nicht voraus, jedoch kann eine Verwirkung nicht eintreten, wenn der Verpflichtete die Unkenntnis des Berechtigten kennt (Palandt/Grüneberg, 70. Aufl. 2011, § 242 Rn. 95).
- Das Umstandsmoment ist hier nicht erfüllt.
- Bloße Begegnungen auf Messen führen nicht dazu, dass der Zeuge B objektiv betrachtet nicht mehr mit einer Inanspruchnahme hätte rechnen müssen.
- Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger die F klageweise in Anspruch genommen hatte. Es mag sein, dass der Zeuge B von der Klage gegen F erfahren hatte. Dies führt allerdings nicht dazu, dass er darauf vertrauen durfte, selbst nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Denn schließlich liegt es im Belieben des Verletzten, wann und wie viele Verletzer er in Anspruch nehmen möchte.
- Das Klageverfahren des Unternehmens E gegen den Zeugen B kann schließlich ebenfalls keinen Vertrauenstatbestand schaffen. Hier hat gerade nicht der hiesige Kläger geklagt, sondern ein Drittunternehmen aus einem anderen Schutzrecht. Einem Patentverletzer kann kein schutzwürdiges Vertäuen dahingehend zugesprochen werden, dass er, wenn er einmal ein Verfahren wegen Patentverletzung über sich ergehen lassen musste, vor Klagen aus weiteren Schutzrechten Dritter gefeit ist.
- c)Jedoch greift die Einrede der Verjährung ein, soweit Ansprüche vor dem 9.9.2006 betroffen sind. Insoweit gilt die kenntnisunabhängige 10-jährige Verjährung aus §§ 199 Abs. 3, Abs. 4 BGB. Hiernach tritt die Verjährung von Schadensersatzansprüchen unabhängig von einer Kenntnis oder einem Kennenmüssen spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Anspruchs ein (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB) bzw. hinsichtlich anderer Ansprüche ebenfalls 10 Jahre nach deren Entstehung (§ 199 Abs. 4 BGB). Die Verjährung nach diesen Vorschriften ist keine „ultimo-Verjährung“ (wie nach § 199 Abs. 1 BGB), sondern wirkt taggenau (Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 199 Rn. 42).
- Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage, d.h. deren Zustellung (§ 253 ZPO, vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 204 Rn. 6), gehemmt. Bei alsbaldiger Zustellung ist allerdings das Datum der Anhängigkeit maßgeblich, § 167 ZPO. Die Klage wurde am 15.08.206 erhoben. Die Zustellung der Klage erfolgte hier bei dem Beklagten am 9.9.2016, also alsbald. Zu diesem Zeitpunkt waren aber Ansprüche des Klägers wegen Patentverletzung gegen den Beklagten, die vor dem 15.08.2006 entstanden sind, bereits nach §§ 199 Abs. 3, Abs. 4 BGB verjährt.
- Ein Restschadensersatzanspruch (§ 141 S. 2 PatG i.V.m. § 852 BGB), als Minus zum Schadensersatzanspruch, ist für Zeit vor dem 15.08.2006 ebenfalls nicht durchsetzbar, da dieser Anspruch gleichermaßen nach 10 Jahren verjährt (§ 852 S. 2 BGB). Die Verjährungsregel des § 852 S. 2 BGB entspricht inhaltlich der des § 199 Abs. 3 BGB (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 852 Rn. 2 a.E.).
- 2.Damit der Kläger in die Lage versetzt wird, seinen Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang nach § 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu, allerdings nur soweit nicht die Einrede der Verjährung durchgreift. Aus diesem Grunde können nur Ansprüche für Handlungen seit dem 15.08.2006 durchgesetzt werden.
- 3.Der Vernichtungs- und der Rückrufanspruch folgen aus § 140a Abs. 1, 3 PatG.
- 4.Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus § 139 Abs. 2 PatG, § 823 Abs. 1 BGB. Allerdings besteht er lediglich im tenorierten Umfang unter Zugrundelegung eins Streitwerts von 50.000,00 EUR.
- Der Streitwert ist vom Gericht gemäß § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung ankommt. Entscheidend ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus einerseits die Verhältnisse beim Kläger (wie dessen Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden geben, andererseits Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage außerdem Ansprüche auf Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz geltend gemacht, so ist der in der Vergangenheit (bis zur Einreichung der Klage) bereits entstandene Kompensationsanspruch überschlägig zu schätzen und der entsprechende Betrag dem Streitwert für den Unterlassungsanspruch hinzuzurechnen, um einen Gesamtstreitwert zu bilden. Der Streitwertangabe des Klägers kommt für die Festsetzung regelmäßig besonderes Gewicht bei, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Angabe ersichtlich zu niedrig oder offensichtlich überhöht ist. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2010, I-2 W 10/10).
- Unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Umsätze für die Jahre 2014-2016 von rund 38.000,00 EUR erachtet die Kammer einen Streitwert in Höhe von 50.000,00 EUR für angemessen. Der weitere Vortrag der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 war wegen Verspätung nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen.
- V.Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 25. Oktober 2017 gab keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, wenn diese ohne Verfahrensfehler geschlossen wurde und eine Partei in unzulässiger Weise entgegen dem § 296a ZPO neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel nachreicht, die ihrerseits aufklärungsbedürftig wären (BGH, NJW 1993, 134). Dies ist hier der Fall.
- VI.Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
- Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
- Streitwert: 50.000,00 EUR