Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. November 2010, Az. 4b O 153/09
Rechtsmittelinstanz: 2 U 137/10
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist,
in der Bundesrepublik Deutschland
zu unterlassen,
a) Fixationssysteme für Knochen mit einer Knochenplatte mit wenigstens einem Durchgangsloch, wenigstens einer in ein Durchgangsloch eingesetzten Knochenschraube, eine gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Winkeln ermöglichenden Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube und Mitteln zum Festlegen der Knochenschraube in einem bestimmten Winkel zur Knochenplatte, wobei Mittel zum Festlegen eine durch Eindrehen der Knochenschraube in dem bestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde an mindestens einer Sitzfläche gebildete Gewindeverbindung der Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube aufweisen,
anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
b) Knochenplatten mit den vorstehend unter a) aufgezählten, den Knochenplatten zugeordneten Merkmalen anzubieten und/oder zu liefern;
c) Knochenschrauben gemäß dem vorstehenden Spiegelstrich mit den vorstehend unter a) aufgezählten, den Knochenschrauben zugeordneten Merkmalen anzubieten und/oder zu liefern, ohne innerhalb der Produktbeschreibung durch Unterstreichung und/oder Fettdruck darauf hinzuweisen, dass sie nicht ohne Zustimmung des Inhabers des deutschen Patentes DE 43 43 XXX benutzt werden dürfen;
2.
der Klägerin über den Umfang der unter 1. genannten Handlungen Rechnung zu legen durch Vorlage eines geordneten und vollständigen, nach Kalendervierteljahren und Artikelnummern – unter Einschluss von Artikeln, die vorgenannte Knochenplatten und/oder Knochenschrauben als Komponenten enthalten – aufgeschlüsselten Verzeichnisses unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen, Artikelnummern sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei Belege (Rechnungen oder Lieferscheine) beizufügen sind, der Abnehmer, der Angebote und Angebotsempfänger,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, – zeiten und -preisen, Artikelnummern sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs-kosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Angaben zu d) nur für Handlungen ab dem 4.12.1999 zu machen sind;
3.
die vorstehend zu Ziffer 1a) bezeichneten, nach dem 29.4.2008 ausgelieferten, im Besitz Dritter in Deutschland befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht auf eine Verletzung des Klagepatents DE 4343XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse die Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Kosten zugesagt wird, und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
4.
an die Klägerin EUR 7.789,60 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2009 zu zahlen.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist
1.
der Klägerin eine angemessene Entschädigung für die in der Zeit vom 22.7.1995 bis 3.12.1999 begangenen unter Ziffer I.1a) genannten Handlungen zu zahlen;
2.
die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 04.12.1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 500.000 vorläufig vollstreckbar.
VI.
Der Streitwert wird auf EUR 500.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist einfache Lizenznehmerin des deutschen Patents DE 43 43 XXX (im Folgenden: „Klagepatent“, Anlage K 1), das am 17.12.1993 angemeldet und am 22.06.1995 offen gelegt wurde. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 04.11.1999. Inhaber des Klagepatents ist Herr Prof. Dr. A, welcher mit „Ermächtigungs- und Abtretungsvertrag“ (Anlage K 12) die Klägerin ermächtigte, unter anderem Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf aus den Vertriebswegen gegen die Beklagte gerichtlich geltend zu machen, und der Klägerin unter anderem Ansprüche auf Schadensersatz, Entschädigung, Auskunft und Rechnungslegung abtrat.
Die Beklagte reichte eine Nichtigkeitslage beim Bundespatentgericht ein (Anlage B 1), über die bislang nicht entschieden ist.
Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet ohne Bezugszeichen wie folgt:
„Fixationssystem für Knochen mit einer Knochenplatte mit wenigstens einem Durchgangsloch, wenigstens einer in ein Durchgangsloch eingesetzten Knochenschraube, eine gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Winkeln ermöglichenden Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube und Mitteln zum Festlegen der Knochenschraube in einem
bestimmten Winkel zur Knochenplatte, dadurch gekennzeichnet, dass die Mittel zum Festlegen eine durch Eindrehen der Knochenschraube in dem bestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde an mindestens einer Sitzfläche gebildete Gewindeverbindung der Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube aufweisen.“
Wegen der lediglich „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 2, 3, 5, 6, 9, 13, 15 und 18 wird auf die Klageschrift (Bl. 2 f GA) verwiesen.
Nachfolgend eingeblendet ist die Figur 1 des Klagepatents, welche eine Knochenschraube vor Verbindung mit verschiedenen Knochenplatten a-c im Teilschnitt zeigt.
Die Beklagte vertreibt bundesweit ein „LCP volares extrarikuläres distales Radiussytem 2.4 mit Briablem Winkel“ („angegriffene Ausführungsform 1“, siehe den Prospektauszug in Anlage K 5). Die nachfolgende Ablichtung ist der Seite 2 des aus Anlage K 5 ersichtlichen Prospekts der Beklagten entnommen.
Die angegriffene Ausführungsform 1 umfasst verschiedene Arten von Knochenplatten („Locking Compression Plate (LCP“), nachfolgend auch: „angegriffene Ausführungsform 2“) und zugehörige Knochenschrauben („angegriffene Ausführungsform 3“), die von der Beklagten jeweils auch einzeln vertrieben werden. Die Plattenlöcher der angegriffenen Ausführungsform 2 verfügen über Bereiche ohne Gewindesegmente („Ausnehmungen“) und Bereiche mit Gewindesegmenten („Säulen“). Der Kopf der angegriffenen Ausführungsform 3 ist tulpenförmig ausgestaltet.
Der Aufbau der in den Knochenplatten enthaltenen Plattenlöcher sieht wie folgt aus:
Das nachfolgend wiedergegebene Lichtbild zeigt die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform 3:
Mit Schreiben vom 13.7.2009 (Anlage K 6) ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten verletzten das Klagepatent durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 1 unmittelbar sowie durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 mittelbar. Die angegriffene Ausführungsform 1 verfüge über wenigstens eine in ein Durchgangsloch „eingesetzte“ Knochenschraube. Die Mittel zum Festlegen der Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube wiesen eine Gewindeverbindung auf, welche durch Eindrehen der Knochenschraube in den bestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde an mindestens einer Sitzfläche gebildet werde. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Entschädigung und Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Rückruf aus den Vertriebswegen in Anspruch.
Die Klägerin beantragt, nachdem sie ihren Antrag auf Entfernung aus den Vertriebswegen zurückgenommen hat,
im Wesentlichen wie erkannt, wobei sie Auskunft und Rechnungslegung zusätzlich auch bezüglich Herstellungsmengen und -zeiten begehrt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Die Beklagte meint, bei der angegriffenen Ausführungsform 1 sei nicht wenigstens eine Knochenschraube in ein Durchgangsloch der Knochenplatte eingesetzt; sie vertreibe
Einzelteile, so dass die Knochenschraube allenfalls in die Knochenplatte einsetzbar sei. Die Lehre des Klagepatents erfordere, dass die Gewindeverbindung durch eine Materialumformung gebildet werde. Demgegenüber basiere die angegriffene Ausführungsform 1 auf dem „Prinzip der Schraubverbindung“, d.h. sie erfolge ohne Materialumformung oder Verhakung. Es komme zu einer – ihrer Ansicht nach vom Klagepatent nicht erfassten – formschlüssigen Verbindung. Ihren hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag begründet die Beklagte damit, dass die Lehre des Klagepatents nicht hinreichend offenbart, neu bzw. nicht erfinderisch sei.
Die Klageschrift ist der Beklagten am 23.10.2009 zugestellt worden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Entschädigung und Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Rückruf aus den Vertriebswegen. Ein Anlass für eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage besteht nicht.
I.
Das Klagepatent betrifft ein Fixationssystem für Knochen. Mit Hilfe eines solchen Fixationssystems wird eine Fraktur z.B. durch eine Knochenplatte, die mit Knochenschrauben am Knochen befestigt ist, überbrückt.
Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents ist es wünschenswert, die Knochenschraube in Anpassung an die Gegebenheiten der zu verbindenden Knochenteile unter verschiedenen Winkeln in die Knochenplatte einzubringen. Um dies zu ermöglichen, weist nach einem bekannten Fixationssystem die Knochenschraube einen Kopf mit einer etwa halbkugelförmigen Sitzfläche auf, der eine im Durchgangsloch der Knochenplatte angeordnete Sitzfläche zugeordnet ist. Nach dem Eindrehen der Schraube sind beide Sitzflächen aneinander gepresst, so dass eine feste Verbindung von Knochenteilen, Knochenplatte und Knochenschrauben hergestellt ist.
Das Klagepatent kritisiert das vorbekannte Fixationssystem dahingehend, dass sich die Knochenschrauben-Knochenplattenverbindung lockere, was vor allem auch auf die ungenügende Stabilität der Winkelverbindung von Knochenschraube und Knochenplatte zurückzuführen sei, weil diese nur durch die Reibkräfte zwischen Schraubenkopf und Plattenloch gesichert sei.
In der Beschreibung des Klagepatents werden daran anknüpfend mehrere im Stand der Technik bekannte Lösungen vorgestellt, mit denen eine winkelstabile Verbindung von Knochenschraube und Knochenplatte hergestellt werden kann (vgl. dazu im Einzelnen: Klagepatent, Sp. 1, Z. 34 ff.). Insbesondere sei es bekannt, den Schraubenkopf mit einem Außengewinde und das Plattenloch mit einem Innengewinde zu versehen, so dass mit dem Eindrehen der Schraube eine Gewindeverbindung entstehe, bei der eine winkelstabile Ausrichtung von Platte und Schraube verwirklicht sei. Diese Lösung habe jedoch den gravierenden Nachteil, dass die Schraube nicht in einem beliebigen Winkel, sondern nur in der durch die Gewindeachsen vorgegebenen Ausrichtung in das Plattenloch eingebracht werden könne.
Vor diesem technischen Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, ein Fixationssystem mit wählbarem und fixierbarem Winkel zwischen Knochenplatte und Knochenschraube vorzuschlagen werden, das überdies einen geringen Platzbedarf hat und weniger aufwendig ist.
Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 vor:
1. Fixationssystem für Knochen,
2. mit einer Knochenplatte (8) mit wenigstens einem Durchgangsloch (9),
3. mit wenigstens einer in ein Durchgangsloch (9) eingesetzten Knochenschraube (1),
4. mit Sitzflächen von Knochenplatte (8) und Knochenschraube (1), die eine
gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Winkeln ermöglichen, und
5. Mitteln zum Befestigen der Knochenschraube (1),
5.1 in einem bestimmten Winkel zur Knochenplatte (8),
5.2 wobei die Mittel zum Festlegen eine Gewindeverbindung der Sitz-flächen von Knochenplatte (8) und Knochenschraube (1) aufweisen,
5.3 wobei die Gewindeverbindung an mindestens einer Sitzfläche (4, 11) von einem Gewinde (6, 10) gebildet ist, das durch Eindrehen der Knochenschrau-be (1) in dem bestimmten Winkel vorgeformt ist.
II.
Die Klägerin ist aktiv legitimiert.
Im Hinblick auf die Ansprüche auf Unterlassungsanspruch und Rückruf ergibt sich die Aktivlegitimation der Klägerin nach den Grundsätzen der sog. gewillkürten Prozessstandschaft. Die hierfür erforderliche Ermächtigung durch den Inhaber des Klagepatents Prof. Dr. A ergibt sich aus der Anlage K 12. Als einfache Lizenznehmerin hat die Klägerin auch ein eigenes Interesse an der Durchsetzung dieser Ansprüche. Der Beklagte entstehen zudem keine Nachteile dadurch, dass die Klägerin anstelle des Patentinhabers die Ansprüche gerichtlich durchsetzt.
In Bezug auf die Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz folgt die Aktivlegitimation der Klägerin daraus, dass der Patentinhaber Prof. Dr. As ihr durch die Erklärung gemäß Anlage K 12 sämtliche insoweit gegen die Beklagte gerichtete Ansprüche abgetreten hat und die Klägerin diese Abtretungserklärung annahm.
Sämtliche der vorgenannten tatsächlichen Voraussetzungen stellte die Klägerin zu Protokoll des Haupttermins vom 7.10.2010 unstreitig.
III.
1.
Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform 1 die Merkmale 1, 2, 4, 5 und 5.1 verwirklicht, so dass es insoweit keiner weitergehenden Ausführungen der Kammer bedarf. Allerdings sind auch die Anforderungen der weiteren Merkmale des Anspruchs 1 erfüllt.
a)
Nach Merkmal 3 verfügt das Fixationssystem über wenigstens eine in ein Durchgangsloch eingesetzte Knochenschraube. Entgegen der im Haupttermin vertretenen Ansicht der Beklagten wird der Fachmann dieses Merkmal nicht in der Weise auslegen, dass eine Patentverletzung nur anzunehmen sei, wenn die Knochenschraube schon vor dem Vertrieb eingesetzt wird. Zwar bezieht sich der Wortlaut des Patentanspruchs in diesem Merkmal auf die fertig montierte Vorrichtung. Allerdings folgt aus dem Gesamtzusammenhang des Schutzanspruchs, dass das Klagepatent zwei aufeinander abgestimmte Bauteile, nämlich eine Knochenplatte und eine Knochenschraube, schützt, die es als ein „Fixationssystem“ bezeichnet. In den Merkmalen des Schutzanspruchs wird näher beschrieben, wie die beiden Bauteile ausgestaltet werden müssen, damit sie ihre Funktion erfüllen können. So muss die Knochenplatte ein Durchgangsloch aufweisen, die Sitzflächen eine gegenseitige Ausrichtung beider Teile unter verschiedenen Winkeln ermöglichen, und es müssen Mittel zum Festlegen der Knochenschraube vorhanden sein, die eine Gewindeverbindung aufweisen, die durch Eindrehen der Knochenschraube gebildet werden soll. Sämtliche Merkmale sind folglich so formuliert, dass sie die einzelnen Bauteile in ihrer Ausgestaltung beschreiben und erläutern, wie sie zusammenwirken sollen. Hingegen lässt das Klagepatent es offen, wie die einzelnen Bauteile im montierten Zustand tatsächlich zueinander angeordnet werden. Der Fachmann erkennt insbesondere mit Rücksicht darauf, dass das gelehrte Fixationssystem dem Operateur eine Ausrichtung unter verschiedenen Winkeln ermöglichen soll, dass trotz der Formulierung „eingesetzt“ nicht etwa vorgegeben wird, die Knochenschraube müsse vom Hersteller vorab in die Knochenplatte eingesetzt sein. Das wäre erkennbar technisch nicht sinnvoll, weil die Knochenschraube dann nämlich wieder herausgenommen werden müsste, um sie alsdann wieder auf die dem Knochen aufliegende Knochenplatte in einer bestimmten Ausrichtung einzuschrauben.
Demgemäß führt es nicht aus der Verletzung des Klagepatents heraus, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform nicht in einem vormontierten Zustand vertreibt.
Ebenso wenig steht es der Verwirklichung des Merkmals 3 entgegen, dass bei Verwendung der angegriffenen Ausführungsform 1 nach dem Einschrauben der Knochenschraube keine Winkelveränderung mehr möglich ist. Dass dies der Verwirklichung der Lehre des Klagepatents nicht entgegen steht, folgt daraus, dass das Klagepatent aufgabengemäß die WinkelBriabilität unter Aufrechterhaltung der Stabilität der Verbindung erzielen möchte.
b)
Nach der technischen Lehre der Merkmale 5.2 und 5.3 weisen die Mittel zum Festlegen eine Gewindeverbindung der Sitzflächen von Knochenplatte und Knochenschraube auf, welche durch Eindrehen der Knochenschraube in den bestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde an mindestens einer Sitzfläche zu bilden ist.
aa)
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die technische Lehre dieser beiden Merkmale sei dahingehend zu verstehen, dass die betreffende Gewindeverbindung stets durch eine Materialumformung erzielt werden müsse.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Anspruchswortlaut lediglich folgende Vorgaben in Bezug auf den Ort, das zu verwendende Mittel und die Art und Weise der Gewindeverbindung macht: Sie soll – zusammengefasst – an der Sitzfläche mittels eines vorgeformten Gewindes durch Eindrehen erfolgen. Hingegen enthält der Anspruch keine darüber hinausgehenden zwingenden Vorgaben, auf welche Art und Weise die Gewindeverbindung herzustellen ist und welche Wirkungen dabei eintreten sollen. Insbesondere schreibt der Anspruch seinem Wortlaut nach nicht vor, dass es beim Eindrehen zu einer Materialumformung kommen müsse.
Der Fachmann erkennt, dass auch der technische Sinn und Zweck der gelehrten Gewindeverbindung nicht zwingend eine Lösung mittels Materialumformung gebietet. Die Gewindeverbindung soll eine winkelstabile Verbindung von Knochenschraube und Knochenplatte bewirken – die Schraube soll sich nicht von selbst lockern. Anders als bei jenem Stand der Technik, bei welchem die Knochenschraube ohne Gewinde lediglich gegen die Knochenplatte gepresst wird und lediglich ein Reibschluss entsteht [vgl. Sp. 1, Zeilen 24 – 33 des Klagepatents], soll eine Gewindeverbindung als entsprechende Sicherung dienen, wobei die freie Wählbarkeit des Winkels innerhalb eines bestimmten Radius gewahrt bleiben soll [vgl. Spalte 1, Zeilen 51 – 57 des Klagepatents].
Einen entsprechenden eingeschränkten technischen Sinngehalt, wonach eine Materialumformung zwingend notwendig sei, entnimmt der Fachmann dem Anspruch auch nicht unter Berücksichtigung der weiteren Erläuterungen des Klagepatents. Zwar wird in der Beschreibung der Klagepatentschrift ausgeführt, dass die Gewindeverbindung durch Umformung des Materials entstehen kann (Spalte 2, Zeilen 13 f.). Dabei handelt es sich jedoch lediglich um ein Beispiel, wie bereits die Formulierung „kann… entstehen“ zeigt. Zudem nennt die Beschreibung des Klagepatents eine andere Möglichkeit der Herstellung der „Gewindeverbindung“, beispielsweise in der Spalte 2, Zeile 44-50, wo es heißt:
„Sowohl die Sitzflächen der Knochenplatte als auch die Sitzfläche der Knochenschraube können ein vorgeformtes Gewinde aus voneinander beabstandeten Gewindesegmenten haben. Durch das Eindringen der Knochenschraube in die Knochenplatte kann es dann zu einer Verhakung der Segmente verschiedener Gewinde kommen, die ein sekundäres Lockern und Herausdrehen erschwert“.
Diese Passage der Beschreibung des Klagepatents verdeutlicht, dass die Gewindeverbindung auch dadurch hergestellt werden kann, dass eine Verhakung stattfindet. Dieses „Verhaken“ versteht der Fachmann als eine Alternative zu der Verbindung mittels Materialumformung und nicht etwa – wie die Beklagte meint – nur als ein diese ergänzendes Verbindungsprinzip. Soweit es dort heißt, dass die Verhakung ein „sekundäres Lockern und Herausdrehen“ erschweren solle, wird damit nicht etwa impliziert, dass die Verkantung nur eine zusätzliche Sicherung einer bereits
durch Materialumformung geschaffenen Gewindeverbindung darstellen solle. Vielmehr ist der Begriff des „sekundären Lockerns“ so verstehen, dass damit eine unerwünschte Lockerung gemeint ist, die sich zeitlich nach dem Einsatz des Fixationssystems, also nach der Operation, ereignet. Bei dem Prinzip der Verhakung greifen die jeweiligen Gewindegänge ineinander und führen so zu einer hinreichend stabilen Gewindeverbindung, ohne dass es einer Materialumformung bedarf. Die gewünschte Winkelflexibilität wird dadurch erreicht, dass Segmente vorhanden sind, zwischen denen sich zurückgesetzte Teile ohne Gewinde befinden. Auch aus den Zweckangaben in Spalte 2, Zeilen 28 ff., 34 ff. und Spalte 4, Zeilen 65 ff. des Klagepatents ergibt sich nicht, dass die Segmentierung allein eine zusätzliche Maßnahme zur Materialumformung sei.
Auch aus der Passage des Klagepatents in Spalte 4, Zeilen 44 ff. ergibt sich nicht die zwingende Notwendigkeit einer Materialumformung. Dort wird lediglich exemplarisch die Möglichkeit geschildert, bei segmentierten Gewinden umgeformtes Material über Ausnehmungen („Spannuten“) abzutransportieren.
Insoweit zielt die Argumentation der Beklagten letztlich darauf ab, die Funktionsweise des patentgemäßen Fixationssystems auf bloße Ausführungsbeispiele zu reduzieren. Eine solche einschränkende Auslegung des Patentanspruchs aufgrund der Beschreibung ist jedoch unzulässig (vgl. BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe). Das Klagepatent beschreibt zwei verschiedene Arten, wie eine Gewindeverbindung hergestellt werden kann, wobei diese selbständig nebeneinander stehen: zum einen das Prinzip der Materialumformung (Spalte 2, Zeilen 13-16 und Spalte 2 Zeilen 58 – 64 des Klagepatents) und zum anderen das Prinzip der Verhakung (Spalte 2, Zeilen 44-50 des Klagepatents).
Der Auffassung der Beklagten, „die Unteransprüche 3 ff. dürften nicht zu einer anderen Beurteilung der Reichweite von Anspruch 1 führen“, so dass diese ebenfalls so zu verstehen seien, dass eine Materialumformung notwendig sei, ist zu widersprechen. Der breiter formulierte Hauptanspruch umfasst sämtliche der in den rückbezogenen Unteransprüchen gelehrten speziellen Ausgestaltungen. Da letztere nicht zu Materialumformungen führende Gewindeverbindungen umfassen, die auf der Verwendung von Segmenten basieren, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass auch die
technische Lehre des Hauptanspruchs entsprechende Alternativen zur Lösung mittels Materialumformung einschließt.
Soweit die Beklagte ihre Auslegung des Klagepatents auf Ausführungen des Erfinders in anderen Patenten stützt, in denen der Aspekt der Materialumformung im Fokus steht, stellen diese kein taugliches Auslegungsmaterial dar, weil das Klagepatent sein eigenes Lexikon darstellt.
Nach alledem scheitert eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform 1 jedenfalls nicht daran, dass es beim Eindrehen der Knochenschraube in die Knochenplatte nicht zu einer Materialumformung kommt.
bb)
Bei der angegriffenen Ausführungsform 1 ist ein klagepatentgemäßes „Verhaken“ verwirklicht.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Einwand der Beklagten, wonach die technische Lehre des Klagepatents hinsichtlich der Alternative einer Gewindeverbindung durch Verhaken nicht hinreichend offenbart sei, im Verletzungsrechtsstreit a priori unbeachtlich ist. Abgesehen davon erläutert das Klagepatent in Spalte 2, Zeilen 44 ff., wie ein „Verhaken“ beispielsweise erzielt werden kann. Zudem ist ein „Verhaken“ in den Figuren 3 und 7 des Klagepatents illustriert.
Im Unteranspruch 9 sowie dem korrespondierend in Spalte 5, Zeilen 3 ff. des Klagepatents wird klargestellt, dass ein Verhaken auch in der Weise erzielt werden kann, dass die Ausführungen entsprechend Figuren 3 und 7 miteinander kombiniert werden, indem beispielsweise ein vierfach segmentiertes Plattenloch-Innengewinde sowie ein durchgehendes Außengewinde an einem sphärisch geformten Schraubenkopf vorgesehen werden. Wie die Beklagte zu Recht nicht bestreitet, entspricht die angegriffene Ausführungsform 1 in tatsächlicher Hinsicht einer solchen Ausgestaltung entsprechend dem Unteranspruch 9: Wie die Beklagte selbst erläutert, greift bei der angegriffenen Ausführungsform 1 im Kopf der Knochenschraube bereits vorhandenes Außengewinde in bereits vorhandene Gewindegänge im Loch der Knochenplatte ein.
Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die angegriffene Ausführungsform 1 basiere gleichwohl auf einem völlig anderen Prinzip, nämlich demjenigen einer – vom Klagepatent ihrer Ansicht nach nicht erfassten – Schraubverbindung. Die technische Lehre des Klagepatents ist nämlich nicht auf kraft- oder stoffschlüssige Verbindungen beschränkt. Zu einer derartigen einschränkenden Auslegung des auch insoweit offen formulierten Anspruchs 1 besteht auch mit Rücksicht auf die Beschreibung des Klagepatents kein Anlass. Soweit die Beklagte auch in diesem Zusammenhang auf Spalte 2, Zeilen 13 – 15 des Klagepatents Bezug nimmt, ist wiederum zu entgegnen, dass es sich dabei um ein bloß bevorzugtes Ausführungsbeispiel handelt. Denn es heißt dort lediglich, dass die Gewindeverbindung durch Kraftschluss (Reibschluss) und/oder Stoffschluss (Reibschweißen) zwischen den Sitzflächen gesichert sein kann. Entsprechendes gilt hinsichtlich der im selben Abschnitt enthaltenen Erläuterung, wonach die reibschlüssige bzw. stoffschlüssige Verbindung eine Folge der Materialumformung sein kann (Spalte 2, Zeilen 20 f.). Ebenso wenig schließen die Ausführungen in Sp. 2, Zeilen 44 ff. des Klagepatents formschlüssige Verbindungen aus, sondern beschreiben das Verhaken so, dass es darauf zurückzuführen sei, dass die Sitzflächen der Platte und der Schraube vorgeformte Gewinde aus voneinander beabstandeten Gewindesegmenten haben.
Der Fachmann entnimmt daher alldem keinen Anhalt dafür, dass formschlüssige Verbindungen nicht patentgemäß seien. Vielmehr erkennt er, dass eine winkelstabile, aber zugleich flexible Verbindung auch mittels Formschlusses erzielt werden kann. Wie die Beklagte selbst einräumt, ist damit sogar eine noch stabilere Verbindung möglich – insoweit sind formschlüssige Verbindungen zumindest unter dem Gesichtspunkt einer „verbesserten Ausführungsform“ patentgemäß.
2.
Das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 stellt eine mittelbare Patentverletzung dar (§ 10 PatG).
Die Knochenschrauben und -platten sind jeweils wesentliche Elemente der Erfindung, da sie im Patentanspruch benannte Merkmale darstellen (vgl. BGH GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug).
Die von der Beklagten vertriebenen Knochenschrauben und -platten sind nach dem unter 1. Gesagten zur Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents objektiv geeignet. Dass sie hierzu auch bestimmt sind und dass die Beklagte als Lieferantin dies auch weiß, ergibt sich aus deren Prospekt (Anlage K 5), wo sie beispielsweise auf Folgendes hinweist (Seite 3, links oben):
„Das B Verriegelungsloch enthält vier Gewindesäulen. Diese Säulen bilden vier Punkte für die Gewindeverriegelung zwischen B-LCP Platte und B Verriegelungsschraube, so dass ein winkelstabiler Aufbau im gewünschten Schraubenwinkel gebildet wird.“
IV.
Da die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland widerrechtlich Produkte vertreibt, die von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen, ist sie der Klägerin gemäß §§ 9 f., 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2 macht die Klägerin zu Recht ein Schlechthinverbot geltend, weil für diese unstreitig keine technisch und wirtschaftlich sinnvolle patentfreie Verwendungsmöglichkeit besteht (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 5, 173 – Wandverkleidung). Bezüglich der angegriffenen Ausführungsform 3 besteht der Unterlassungsanspruch mit Rücksicht auf patentfreie Verwendungsmöglichkeiten nur dahingehend, dass der Beklagten beim Anbieten und Liefern derselben ein schriftlicher Warnhinweis abzuverlangen ist (vgl. BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat).
Der Anspruch auf Entschädigung ergibt sich aus § 33 PatG.
Die Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach beruht auf § 139 Abs. 2 PatG. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können (§ 276 BGB).
Da die genaue Höhe des Schadensersatzes und der Entschädigung derzeit noch nicht feststehen, jedoch hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist bzw. eine Entschädigung geschuldet ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatz- bzw. Entschädigungsverpflichtung dem Grunde nach gegeben (§ 256 Abs. 1 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (§ 140b PatG). Unbegründet ist die Klage, soweit die Klägerin auch Angaben zu Herstellungsmengen und –zeiten begehrt, obwohl sie der Beklagten kein Herstellen der angegriffenen Ausführungsformen vorwirft.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen: Für die Zeit ab dem 1.9.2008 ergibt sich dieser aus § 140a Abs. 3 Alt. 1 PatG, für den davor liegenden Zeitraum aus einer unmittelbaren Geltung der enforcement-Richtlinie wegen Ablaufes der Umsetzungsfrist in nationales Recht (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 12.2.2008, 4a 427/06 – WC-Duftspüler).
Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von insgesamt EUR 7.789,60 im Zusammenhang mit der Beauftragung von Rechts- und Patentanwälten mit der Abmahnung der Beklagten ergibt sich – basierend auf einem Streitwert von EUR 500.000,00 – aus § 139 Abs. 2 PatG. Insbesondere begegnet der Ansatz einer 1,3-Verfahrensgebühr im Hinblick darauf, dass es sich um eine patentrechtliche Streitigkeit handelt, keinen Bedenken. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs.2, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.
IV.
Ein Anlass für eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent besteht nicht
(§ 148 ZPO), weil keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Vernichtung des Klagepatents feststellbar ist.
1)
Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die Kammer bei Ausübung ihres Aussetzungsermessens nur solche Entgegenhaltungen berücksichtigen kann, welche bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Verletzungsverfahren bereits Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens waren. An dieser Voraussetzung fehlt es – wie die Beklagtenvertreter im Haupttermin angaben – hinsichtlich sämtlicher Entgegenhaltungen, die nach der Klageerwiderung zum Gegenstand des Verletzungsverfahrens gemacht wurden.
Die demnach allein als neuheitsschädlich in Betracht kommenden Entgegenhaltungen D1 (Us 5 067 XXX), D 2 (EP A 0530XXX) und D 3 (GB 997 XXX) hat die Beklagte entgegen der ausdrücklichen Auflage gemäß Verfügung der Vorsitzenden vom 1.12.2009 (Blatt 39 GA) nicht in deutscher Übersetzung eingereicht, so dass diese Entgegenhaltungen bereits deshalb keine taugliche Grundlage für eine Aussetzung sein können. Die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 11.10.2010 eingereichten Übersetzungen können gemäß § 296a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.
2)
Soweit die Beklagte die Erfindungshöhe damit in Abrede stellt, dass die Herstellung winkelvariabler und –stabiler Verbindungen ein allgemeines, fast jedem Heimwerker geläufiges Prinzip beinhalte, vermag dies keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür zu begründen, dass das BPatG das Klagepatent vernichten wird. Angesichts der hohen Anforderungen, die an eine Aussetzung wegen vermeintlich fehlender erfinderischer Tätigkeit zu stellen sind, rechtfertigt dieser Vortrag keine Aussetzung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erteilungsbehörde derartige allgemeine Prinzipien übersehen haben sollte.
3)
Schließlich besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Klagepatent mangels hinreichender Offenbarung (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 PatG) vernichtet werden wird. Eine patentierte Erfindung ist nur dann nicht hinreichend offenbart, wenn der Fachmann anhand der Patentschrift unter Zuhilfenahme seines Fachwissens mit zumutbarem Aufwand nicht in der Lage ist, diese in ausreichendem Maße im gesamten beanspruchten Bereich praktisch zu verwirklichen, wobei der Nichtigkeitskläger die Beweislast für eine unzureichende Offenbarung trägt und er die Ausführbarkeit nicht ohne Vorlage eigener Versuchsergebnisse bezweifeln darf (Schulte/Moufang, 8. Auflage, PatG mit EPÜ, § 21 PatG, Rn 29, Rn 38). Das Klagepatent beschreibt die Segmentierung, deren fehlende hinreichende Offenbarung die Beklagte rügt, in Spalte 2, Zeilen 28 ff. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass es sich bei der Umsetzung dieser Erläuterungen um schlicht handwerkliche Maßnahmen handelt, die der Fachmann bei Durchführung zumutbarer Versuche herausfinden kann. Jedenfalls hat die Beklagt dies nicht mittels Vorlage eigener Versuchsergebnisse widerlegt.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 11.10.2010 und der Klägerin vom 14.10.2010 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).