4a O 82/10 – ISDN-Basis-Anschluss

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1523

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. September 2010, Az. 4a O 82/10

Rechtsmittelinstanz: 15 U 4/14

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dem früheren Patent- und Gebrauchsmusterinhaber Dr. A im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 07.03.2008 dadurch entstanden ist oder entstehen wird,

dass die Beklagte Vorrichtungen zur Übertragung von Daten, insbesondere das so genannte B Fon WLAN XXXX und das so genannte B Fon WLAN XXXX, in der Bundesrepublik Deutschland herstellt, anbietet, in Verkehr bringt oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken einführt oder besitzt,

die eine Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses aufweisen, wobei für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird.

II. Die Beklagte wird verurteilt,

1. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie vom 01.01.2005 bis zum 07.03.2008 vorstehend zu Ziffer I. bezeichnete Vorrichtungen zur Übertragung von Daten hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt hat;

2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten und vom 01.01.2005 bis zum 07.03.2008 begangenen Handlungen Rechnung zu legen und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten;

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeiträumen und Verbreitungsgebiet;

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und den Wirtschaftsprüfer ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist, und

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die jeweilige Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Patents DE 102 11 XXX B4 (Klagepatent) und des Gebrauchsmusters DE 202 04 XXX U1 auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 17.03.2002 vom Erfinder Dr. Michael A angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 09.10.2003, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 22.07.2004 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Das Klagegebrauchsmuster wurde von Herrn Dr. A am 17.03.2002 angemeldet und am 16.05.2002 im Patent- und Gebrauchsmusterregister eingetragen. Die Eintragung wurde am 20.06.2002 bekannt gemacht.

Am 10.03.2008 unterzeichnete Dr. A eine Abtretungserklärung und Prozessführungsermächtigung, mit der er unter anderem die Abtretung der sich aus unerlaubten Benutzungshandlungen ergebenden Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Schadensersatz und Entschädigung an die Klägerin, vertreten durch die B S.A., Panama, Republic of Panama, diese wiederum vertreten durch den Generalbevollmächtigten Michael C, erklärte. Die Erklärung wurde ebenfalls von Herrn C unterzeichnet. Bereits am 07.03.2008 wurden die Klageschutzrechte vom damaligen Patentinhaber Herrn Dr. A auf die Klägerin übertragen. Seit dem 28.08.2008 ist die Klägerin als Inhaber des Klagepatents und seit dem 29.09.2008 als Inhaber des Klagegebrauchsmusters im Patent- und Gebrauchsmusterregister eingetragen.

Das Klagepatent bezieht sich auf eine Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses. Der von der Klägerin geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 lautet wie folgt.

Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses
dadurch gekennzeichnet, dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird.

Das Klagegebrauchsmuster bezieht sich auf eine Interfaceschaltung zur Realisierung einer S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430. Der hier maßgebliche Schutzanspruch 1 lautet wie folgt.

Interfaceschaltung zur Realisierung einer S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430
dadurch gekennzeichnet, dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird.

Die Klägerin macht den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nur eingeschränkt geltend. Die eingeschränkte Fassung entspricht dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1.

Die nachfolgenden Abbildungen finden sich identisch in den beiden Klageschutzrechten und zeigen eine erfindungsgemäße Sendestufe und Signalverläufe an den Messpunkten A und B aus der Figur 1.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem Vorrichtungen zur Datenübertragung. Dazu gehören die Geräteserien B, C, B Fon, D und OEM-Versionen für Kunden wie E AG, F AG oder die Freenet AG, deren Geräte in einer Vielzahl verschiedener, aber technisch weitgehend identischer Versionen vermarktet werden (angegriffene Ausführungsformen). Zu diesen Geräten gehören auch das B Fon WLAN XXXX und das B Fon WLAN XXXX. Die Sendeschaltung wurde von der Klägerin entsprechend der nachstehenden Abbildung extrahiert. Die beiden Ausgänge der integrierten Schaltung wurden von der Beklagten eingekreist.
Unter anderem für das B Fon WLAN XXXX wird eine vom Gerätehersteller – also der Beklagten – programmierbare integrierte Schaltung („Field Programmable Gate Array“, kurz: FPGA) der „G“-Familie des Herstellers H verwendet. Ein vereinfachtes Diagramm der Verschaltung der im G-FPGA verwendeten „Input/Output-Blocks“ (IOB) ist nachfolgend in verkleinerter Form abgebildet. Dabei wurde von der Klägerin der Ausgangsbuffer des IOB farbig eingekreist.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 und des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch. Aus dem von ihr extrahierten Stromlaufplan gehe hervor, dass die Sendestufe aus einer Vielzahl von externen Bauteilen aufgebaut sei. Diese externe Beschaltung werde aus dem FPGA über die beiden Ausgänge X_P6 und X_P7 angesteuert. Aus dem vereinfachten IOB-Diagramm sei ersichtlich, dass es sich bei den zu den beiden Ausgängen gehörigen Buffern um Tristate-Buffer handele. Der G-FPGA verfüge bei den Ausgangsbuffern ausschließlich über Tristate-Ausgänge. Dies nähmen in den angegriffenen Ausführungsformen auch alle drei Zustände (high, low und hochohmig) an. Jedenfalls gebe es nach dem Einschalten der Geräte einen Zustand, in dem die Tristate-Ausgänge hochohmig seien.

Die Klägerin beantragt,

I. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dem früheren Patent- und Gebrauchsmusterinhaber Dr. A im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 07.03.2008 und der Klägerin als jetzigem Patent- und Gebrauchsmusterinhaber im Zeitraum seit dem 08.03.2008 dadurch entstanden ist oder entstehen wird,

dass die Beklagte Vorrichtungen zur Übertragung von Daten, insbesondere die so genannte B und das so genannte C, in der Bundesrepublik Deutschland herstellt, anbietet, in Verkehr bringt oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken einführt oder besitzt,

die eine Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses aufweisen, wobei für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung mit nur zwei Tristate-Ausgängen und externer Beschaltung verwendet wird;

II. die Beklagte zu verurteilen,

1. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 01.01.2005 vorstehend zu Ziffer I. bezeichnete Vorrichtungen zur Übertragung von Daten hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt hat;

2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten und seit dem 01.01.2005 begangenen Handlungen Rechnung zu legen und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten;

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise;

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeiträumen und Verbreitungsgebiet;

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und den Wirtschaftsprüfer ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist, und

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage bereits unzulässig sei, weil die Klägerin keinen Inlandsvertreter bestellt habe. Im Übrigen werde durch die angegriffene Ausführungsform weder das Klagepatent, noch das Klagegebrauchsmuster wortsinngemäß verletzt. Der von der Klägerin extrahierte Stromlaufplan sei lückenhaft und interpretiere die Funktionen einiger Baugruppen falsch. Schematisch könne die S0-Empfangsschaltung des B Fon WLAN XXXX wie folgt auszugsweise wiedergegeben werden:
Die Beklagte ist der Auffassung, die von ihr genutzte integrierte Sendeschaltung sei nicht rein digital, da sie neben digitalen Signalen auch analoge Signale verarbeiten könne und analoge Baugruppen beinhalte. Insbesondere integriere der von ihr eingesetzt FPGA der G-Familie als wesentlichen Bestandteil LVDS-Zellen für die Empfangsschaltung. Außerdem benutze sie – die Beklagte – in den angegriffenen Ausführungsformen keine Tristate-Ausgänge. Zwar ließen sich die Ausgänge des verwendeten G-FPGA von H mit entsprechender Tristate-Funktionalität konfigurieren. Die Beklagte mache von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch, weil die ENABLE-Eingänge der Ausgangsbuffer fest und dauerhaft auf aktiviert gesetzt seien. Sie benutze vielmehr Buffer, die lediglich die beiden Zustände „high“ und „low“ und keinen dritten Zustand „hochohmig“ ausgeben könnten. Ein Buffer des eingesetzten FPGA schalte mit logisch 1 über eine externe Dioden-Torschaltung eine Transistorstromquelle frei zum Treiben in einen ersten Anschluss des Sendetransformators. Komplementär und gleichzeitig dazu führe ein zweiter Buffer mit logisch 0 auf den zweiten Anschluss des Sendetransformators eine FPGA-interne Stromsenke über eine zweite externe Diodenstrecke diesen Strom nach. Daher könne ein hochohmiger Zustand im Sinne einer Tristate-Funktionalität zu keinem Zeitpunkt eingenommen werden und sei auch unnötig.

Ursprünglich hatte die Klägerin auch einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung angekündigt, den sie aber im frühen ersten Termin zurückgenommen hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist die Klage teilweise begründet und teilweise unbegründet.

A
Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin als Schutzrechtsinhaber aus eigenem Recht für den Zeitraum seit dem 08.03.2008 Rechte aus dem Klagepatent beziehungsweise dem Klagegebrauchsmuster geltend macht, weil sie entgegen § 25 Abs. 1 PatG beziehungsweise § 28 Abs. 1 GebrMG keinen Inlandsvertreter bestellt hat. Die Klägerin hat in der Bundesrepublik Deutschland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung im Sinne der vorgenannten Regelungen, da es sich bei ihr um eine in England ansässige Private Limited Company handelt, deren Directors in Panama beziehungsweise Österreich ansässig sind. Dass sich der Sitz der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland befindet, ist nicht dargelegt. In einem solchen Fall kann die Beklagte gemäß § 25 Abs. 1 PatG und § 28 Abs. 1 GebrMG Rechte aus dem Patent nur geltend machen, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentamt, dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, sowie zur Stellung von Strafanträgen bevollmächtigt ist. Bei den von der Klägerin für den Zeitraum seit dem 08.03.2008 geltend gemachten Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung handelt es sich um Rechte aus dem Patent im Sinne von § 25 Abs. 1 PatG und § 28 Abs. 1 GebrMG (vgl. Benkard/Schäfers, PatG 10. Aufl.: § 25 PatG Rn 30; Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG 8. Aufl.: § 25 Rn 23). Gleichwohl ist die Bestellung eines Inlandsvertreters mit einer Vollmacht im Umfang des § 25 Abs. 1 PatG beziehungsweise § 28 Abs. 1 GebrMG vorliegend unterblieben. Darauf hat die Beklagte schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass sich die Klägerin dazu geäußert oder eine Schriftsatzfrist beantragt hat. Mangels Bestellung eines Inlandsvertreters besteht ein Hindernis für den Fortgang des Verfahrens (BT-Drs. 14/6203 zu Art. 7 Nr. 9). Die Klage ist insoweit unzulässig (Benkard/Schäfers, PatG 10. Aufl.: § 25 PatG Rn 30; Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG 8. Aufl.: § 25 Rn 54).

Die Klage ist jedoch zulässig, soweit die Klägerin Schadensersatz und Auskunftsansprüche für den Zeitraum bis zum 07.03.2008 aus abgetretenem Recht geltend macht. Denn nach dem Schutzzweck von § 25 Abs. 1 PatG und § 28 Abs. 1 GebrMG wird lediglich den Schutzrechtsinhabern, gegebenenfalls noch den am Schutzrecht dinglich Berechtigten (vgl. Benkard/Schäfers, PatG 10. Aufl.: § 25 PatG Rn 3), die Verpflichtung zur Bestellung eines Inlandsvertreters auferlegt, nicht aber beliebigen Dritten, die Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung aus abgetretenem Recht geltend machen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, in Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, dem Bundespatentgericht sowie in zivilgerichtlichen Verfahren, die ein Patent betreffen, den Verkehr mit auswärtigen Beteiligten zu erleichtern; insbesondere sollen nur schwer durchzuführende Auslandszustellungen vermieden werden (BT-Drs. 14/6203 zu Art. 7 Nr. 9). Dieses Schutzbedürfnis besteht aber nicht, wenn ein Dritter aus abgetretenem Recht wie im vorliegenden Fall Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung aus §§ 139 Abs. 2, 140b PatG und §§ 242, 259 BGB geltend macht. Denn durch die gemäß § 143 Abs. 1 PatG begründete ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für die Entscheidung über diese Ansprüche und den dort herrschenden Anwaltszwang sind Auslandszustellungen regelmäßig nicht zu besorgen. Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass für Verfahren vor dem Patentamt und dem Patentgericht kein Anwaltszwang vorgesehen ist. Denn ein Dritter, dem vom Patentinhaber Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung übertragen wurden, kann bezüglich dieser Ansprüche und des zugrunde liegenden Patents grundsätzlich nicht Beteiligter eines Verfahrens vor dem Patentamt oder dem Patentgericht sein, weil er nicht Patentinhaber ist. Es ist daher auch nicht einzusehen, warum jeder Dritte, dem Schadensersatzansprüche aus einer Schutzrechtsverletzung abgetreten werden, gemäß § 25 Abs. 1 PatG und § 28 Abs. 1 GebrMG einen Inlandsvertreter bestellen muss, der zur Vertretung in solchen Verfahren bevollmächtigt sein muss. Gleiches gilt für die Verpflichtung aus § 25 Abs. 4 PatG und § 28 Abs. 4 GebrMG, die Beendigung und Bestellung eines neuen Vertreters gegenüber dem Patentamt oder dem Patentgericht anzuzeigen. Soweit damit sichergestellt werden soll, dass der auswärtige Beteiligte nicht durch die Beendigung der Bestellung des Vertreters willkürlich den Verkehr mit ihm erschwert, wird dieser Schutzzweck im vorliegenden Fall durch § 87 ZPO erreicht, demzufolge die Kündigung der Prozessvollmacht gegenüber dem Prozessgegner erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit erlangt. Dass im vorliegenden Fall der Abtretungsempfänger zugleich auch Schutzrechtsinhaber ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Abtretung der vor dem 08.03.2008 entstandenen Ansprüche rechtlich unabhängig von der Übertragung der Klageschutzrechte am 07.03.2008 ist und daher zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen kann.

B
Die Klage ist nur teilweise begründet.

I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz dem Grunde nach, Auskunft und Rechnungslegung aus §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB aus abgetretenem Recht, weil die Beklagte mit den angegriffenen Geräten B Fon WLAN XXXX und B Fon WLAN XXXX von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch macht. Für die übrigen angegriffenen Geräte ist hingegen eine Verletzung des Klagepatents nicht dargelegt.

1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, weil ihr die geltend gemachten Ansprüche wirksam durch den bisherigen Inhaber, Herrn Dr. A, abgetreten wurden.

Die Einigung über die Abtretung der geltend gemachten Ansprüche ist nicht gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 3 RDG unwirksam. Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Abtretung sei unwirksam, weil die von der Klägerin beauftragte I GmbH für den Zedenten Herrn Dr. A beziehungsweise für die Klägerin rechtsberatend tätig werde, ohne dazu die entsprechende Genehmigung zu haben. Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist gemäß § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Die Abtretungserklärung und Prozessführungsermächtigung vom 10.03.2008 hat jedoch keinerlei Rechtsdienstleistungen in diesem Sinne zum Gegenstand. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass bereits die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts gegebenenfalls zur Unwirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts – hier der Abtretung als Verfügungsgeschäft – führen kann. Zum Inhalt des Verpflichtungsgeschäfts ist aber nichts vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Form die I GmbH – selbst wenn sie durch ihre Tätigkeit gegen § 3 RDG verstoßen sollte – überhaupt an der Verpflichtung zur Übertragung der geltend gemachten Ansprüche beteiligt war. Dies ergibt sich auch nicht aus der als Anlage B-10 vorgelegten (ursprünglichen) Prozessvollmacht, die einen unmittelbaren Bezug zur Abtretung der geltend gemachten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche nicht erkennen lässt.

Die Klägerin hat die Abtretungserklärung des Herrn Dr. A auch wirksam angenommen. Die Beklagte hat insofern eingewandt, der weitere Unterzeichner, Herr C, habe die Klägerin nicht wirksam vertreten können, weil Herr C als Generalbevollmächtigter der B S.A., Panama, Republic of Panama, aufgetreten sei und die Klägerin, eine britische Private Limited Company (Ltd.), gemäß Art. 155 Abs. 2 Companies Act 2006 mindestens eine natürliche Person als Director hätte haben müssen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Denn aus einem Verstoß gegen diese Regelung folgt nicht zwingend, dass die von einer juristischen Person für die Private Limited Company vorgenommenen Rechtsgeschäfte unwirksam sind. Selbst wenn die B S.A., Panama, Republic of Panama, vertreten durch Herrn C, die Klägerin nicht wirksam vertreten konnte, war die Wirksamkeit der Annahmeerklärung gemäß § 177 Abs. 1 BGB lediglich von der Genehmigung durch die Klägerin abhängig. Diese wurde jedoch spätestens durch die Ernennung von Herrn J als weiteren Director der Klägerin und dessen Erteilung einer Prozessvollmacht und Genehmigung der bisherigen ProzessJungen im vorliegenden Verfahren schlüssig erteilt. Denn die erfolgreiche gerichtliche Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche setzt die Wirksamkeit ihrer Übertragung voraus. Ebenso ist davon auszugehen, dass die Genehmigungserklärung Herrn Dr. A beziehungsweise der B S.A., vertreten durch Herrn C, zugegangen ist, weil Herr Dr. A selbst an der Prozessführung beteiligt ist (entsprechend war er in der mündlichen Verhandlung anwesend) und die B S.A., vertreten durch Herrn C, weiterer Director der Klägerin ist. Dass beiden Personen die Erteilung der Prozessvollmacht und die Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen unbekannt blieben, behauptet auch die Beklagte nicht.

2.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 eine Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses.

In der Klagepatentschrift wird dazu ausgeführt, die S/T Schnittstelle sei eine in der Spezifikation ITU I.430 beschriebene Schnittstelle für das ISDN. Die Schnittstelle ermögliche einen ISDN-Basis-Zugang mit 2 x 64 kBit/s und 1 x 16 kBit/s (SB + D). Die Realisierung einer Interfaceschaltung für eine solche S/T-Schnittstelle sei beispielsweise aus der DE 196 30 515 A1 bekannt, die jedoch 4-Chip-Ausgänge zur Realisierung der Sendestufe benötige. Weiterhin sei aus der DE 196 01 XXX C2 die Realisierung einer Interfaceschaltung für eine S/T Schnittstelle bekannt, die aber mit 2 Open Drain Chip-Ausgängen für die Sendestufe arbeite. Als nachteilig wird in der Klagepatentschrift angesehen, dass bei Chips mit mehreren S/T-Schnittstellen und hoher Integration im Submicrometer-Bereich die benötigten Pins – das sind die Ein- und Ausgänge eines Chips – im Verhältnis zum gesamten Chip-Preis sehr teuer seien. Daher wolle man die Zahl der notwendigen Pins auf ein Minimum reduzieren.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, die Zahl der notwendigen Pins für die Sendeschaltung auf ein Minimum zu verringern und mit einfachen Mitteln eine normgerechte ISDN-Schnittstelle für den Basis-Zugang zu realisieren. Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Interfaceschaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses,
2. die eine Sendeschaltung aufweist,
3. für die eine rein digitale integrierte Schaltung verwendet wird mit
3.1 nur zwei Tristate-Ausgängen und
3.2 einer externen Beschaltung.

Diese Lösung hat nach der Beschreibung des Klagepatents den Vorteil, dass rein digitale integrierte Schaltungen einfacher und damit kostengünstiger herzustellen sind als gemischt analog/digitale integrierte Schaltungen. Insbesondere können mit jeder neuen Chip-Generation digitale Schaltungen problemlos verkleinert werden, was für analog/digitale integrierte Schaltungen nicht zutrifft. Die patentgemäße Erfindung ist dadurch sowohl hinsichtlich des Chip-Preises, als auch der Chip-Entwicklungskosten vorteilhaft.

3.
Bei der im Merkmal 1 genannten Interface-Schaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses handelt es sich üblicherweise um die Schaltung für eine nach dem ISDN-Standard arbeitende S0- beziehungsweise S/T-Schnittstelle für einen ISDN-Anschluss. Während die an das ISDN-Netz angeschlossenen Geräte wie zum Beispiel ISDN-Telefon oder NTBA mit digitalen Daten arbeiten, erfolgt die Datenübertragung über das Kabel mittels analoger Signale. Dies erfordert regelmäßig die Umwandlung binärer Daten in den durch verschiedene Spannungswerte charakterisierten modifizierten AMI-Code für die analoge Datenübertragung und umgekehrt. Entsprechend muss die S0-Schnittstelle in der Lage sein, Binärdaten entsprechend dem AMI-Code als elektrische Spannung auszugeben (Sendeschaltung) und analoge Spannungswerte in Binärdaten umzuwandeln (Empfangsschaltung).

Da die Verwendung rein digital integrierter Schaltkreise mit Kostenvorteilen in der Entwicklung und der Herstellung gegenüber gemischt analog/digitalen integrierten Schaltkreisen verbunden ist (Abs. [0006] der Anlage K 2.2), ist im Klagepatentanspruch vorgesehen, dass für die Sendeschaltung eine rein digitale integrierte Schaltung verwendet wird, die extern beschaltet wird (Merkmal 3 und 3.2). Das heißt, dass der IC jedenfalls in dem für die Sendung der Signale bestimmten Bereich nur zeitlich getaktete Signale verarbeitet, die als logisch 1 oder 0 interpretiert werden können. In dem Klagepatentanspruch wird jedoch keine Aussage darüber getroffen, wie der übrige Teil der integrierten Schaltung, insbesondere die Empfangsschaltung, gestaltet sein muss. Daher ist es nach der Lehre des Klagepatentanspruchs durchaus zulässig, diesen Teil der Schaltung mit Bauteilen zur analogen Signalverarbeitung zu versehen. Für den Fachmann erschließt sich ohne weiteres, dass bereits eine rein digital integrierte Sendeschaltung mit Kostenvorteilen gegenüber einer insofern gemischt digital/analog integrierten Schaltung verbunden ist.

Für die Sendeschaltung einer erfindungsgemäßen Interface-Schaltung kommt es weiterhin entscheidend darauf an, dass die rein digitale integrierte Schaltung mit zwei Tristate-Ausgängen versehen ist. Im Stand der Technik waren Schaltungen mit vier Chip-Ausgängen bekannt und solche mit zwei Ausgängen, bei denen es sich aber um Open-Drain-Ausgänge handelte. Nach dem Klagepatentanspruch sind hingegen zwei Tristate-Ausgänge vorgesehen. Tristate-Ausgänge sind von den im Stand der Technik verwendeten Push-Pull-Ausgangsschaltkreisen und Open-Drain-Ausgängen zu unterscheiden. Bei einem Push-Pull-Ausgang wird durch einen durchgeschalteten Transistor (aktiver Pull-Up-Transistor) oder MOSFET der Ausgang in einem hohen oder niedrigen Spannungszustand („high“ oder „low“) gehalten; es wird also immer ein Signal ausgegeben. Da die entsprechende elektrische Leitung belegt ist, kann sie grundsätzlich nicht von anderen Logikkomponenten angesteuert werden. Bei einem Open-Collector- oder Open-Drain-Ausgang wird hingegen der aktive Pull-Up-Transistor weggelassen, stattdessen ist ein externer Pull-Up-Widerstand vorgesehen. Dadurch ist es möglich, eine einzige Leitung für die Ausgabe von mehreren Ansteuerungen gemeinsam zu nutzen. Dies ist ebenso möglich durch die Verwendung eines (einzelnen) Tristate-Ausgangs, der neben den beiden Zuständen „high“ und „low“ einen dritten Ausgangszustand in der Form eines offenen Stromkreislaufs kennt (vgl. zu vorstehendem Anlage B-4). Ein entsprechender Tristate-Buffer weist zwei Eingänge – einen A-Eingang und einen EN-Eingang – und einen Ausgang auf. Solange der EN-Eingang das Signal „high“ erhält, verhält sich der Buffer an seinem Ausgang wie eine herkömmliche Push-Pull-Schaltung und das am A-Eingang anliegende Signal wird zum Ausgang durchgeschaltet. Erhält der EN-Eingang hingegen das Signal „low“, wird der Ausgang hochohmig und der Buffer verhält sich, als sei er nicht mit der übrigen Schaltung verbunden („enable“).

4.
Vor dem Hintergrund dieser Auslegung machen das B Fon WLAN XXXX und das B Fon WLAN XXXX von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die beiden angegriffenen Geräte eine Interface-Schaltung zur Realisierung eines genormten ISDN-Anschlusses aufweisen (Merkmal 1). Dafür wird neben anderen Bauteilen ein G-FPGA von H verwendet. Zwar betreffen die in der Akte 4a O 295/08 vorgelegten Anlagen A.M1 und A.M2a lediglich das B Fon WLAN XXXX, was auch die Beklagte veranlasst hat anzunehmen, die Klägerin beziehe den Verletzungsvorwurf lediglich auf dieses Gerät. Die Klägerin hat jedoch anschließend klargestellt, dass (neben anderen Geräten) auch das B Fon WLAN XXXX angegriffen werde, anhand dessen die Stromlaufpläne extrahiert worden seien. Sämtliche Ausführungen der Klägerin zur Verletzung des Klageschutzrechte und zur Verwendung eines G-FPGA beziehen sich daher auch auf das B Fon WLAN XXXX. Für das B Fon WLAN XXXX ergibt sich die Verwendung des G-FPGA bereits aus den soeben genannten Anlagen zur Akte 4a O 295/08. Dem ist auch die Beklagte nicht weiter entgegengetreten.

Die Interface-Schaltung der beiden angegriffenen Geräte ist erfindungsgemäß mit einer Sendeschaltung versehen (Merkmale 2). Bei dieser Sendeschaltung handelt es sich überdies um eine rein digitale integrierte Schaltung mit externer Beschaltung (Merkmal 3 und 3.2). Die Klägerin hat dargelegt, dass die Sendestufe der beiden beanstandeten Geräte aus einer Vielzahl externer Bauteile aufgebaut sei, die von dem als integrierter Schaltung verwendeten G-FPGA über die beiden Ausgänge X_P6 und X_P7 angesteuert würden. Zwar könnten beim verwendeten G-FPGA unter Umständen analoge Funktionalitäten konfiguriert werden, dies sei aber allenfalls auf der Empfangsseite der Schaltung der Fall. Davon ausgehend ist die pauschale Behauptung der Beklagten, die von ihr genutzte integrierte Sendeschaltung sei nicht rein digital, da sie neben digitalen Signalen auch analoge Signale verarbeiten könne und digitale Baugruppen enthalte, mangels konkreter Erläuterung einer analogen Signalverarbeitung oder Benennung solcher Baugruppen innerhalb der Schaltung unerheblich. Sie hat lediglich ausgeführt, dass die Empfangsschaltung des G-FPGA Buffer verwende, die nach dem „Low Voltage Differential Signaling“-Standard und somit mit analoger Technik arbeiteten. Auf die Gestaltung der Empfangsschaltung kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, da nach dem Klagepatentanspruch lediglich gefordert ist, dass die Sendeschaltung eine rein digital integrierte Schaltung mit externer Beschaltung aufweist. Das ist hier der Fall.

Schließlich verwendet die Sendeschaltung auch eine integrierte Schaltung mit zwei Tristate-Ausgängen (Merkmal 3.1). Die Klägerin hat insofern vorgetragen, der G-FPGA verfüge bei den Ausgangsbuffern ausschließlich über Tristate-Ausgänge. Diese sind zudem aus dem vereinfachten IOB-Diagramm des G Generation User Guide (Anlage B.M3b) ersichtlich. Dass es sich bei den für die Sendeschaltung verwendeten Ausgangsbuffern um Tristate-Buffer handelt, hat im Übrigen auch die Beklagte nicht bestritten. Sie hat lediglich vorgetragen, sie mache von der Tristate-Funktion keinen Gebrauch, weil sie die ENABLE-Eingänge der Ausgangsbuffer fest und dauerhaft auf aktiviert gesetzt habe, so dass sie Buffer benutze, die lediglich die beiden Zustände „high“ und „low“ und keinen dritten Zustand „hochohmig“ ausgeben könnten. Darauf kommt es aber nicht an, denn bereits eine Schaltung, die lediglich über Tristate-Ausgänge verfügt, ist erfindungsgemäß, selbst wenn der Status „Enable“ nicht verwendet wird. Abgesehen davon hat die Klägerin durch Vorlage eines Auszugs aus dem G Generation User Guide (Anlage K-B-1) vorgetragen, dass sich die Ausgangsbuffer jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem das Gerät eingeschaltet und die Konfiguration des FPGA geladen wird, im hochohmigen Zustand befinden.
5.
Für alle weiteren Geräte der angegriffenen Serien neben den B Fon WLAN XXXX und XXXX hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie von der Lehre des Klagepatentanspruchs Gebrauch machen. Dazu wäre erforderlich, dass für jedes Gerät der Serie gezeigt wird, aus welchen Bauteilen die S0-Schnittstelle besteht und wie diese – insbesondere bei der Verwendung von FPGA – konfiguriert sind. Daran fehlt es hier, worauf die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist. Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, es seien alle Geräte angegriffen, die die von der Beklagten als Anlage B-6 vorgelegte Schaltung benutzen. Dabei handele es sich nach ihrer Kenntnis um die B, C, B Fon, D und andere spezielle OEM-Versionen für Kunden wie K AG, F AG, Freenet AG und andere. Dieser Vortrag genügt jedoch nicht, um die Verletzung des Klagepatents darzulegen, da es sich bei der Anlage B-6 um eine Figur aus dem Klagepatent handelt und die Klägerin damit nichts anderes vorträgt, als dass alle Geräte angegriffen werden, die patentverletzend seien. Im Übrigen macht der Hinweis der Klägerin auf eine Anordnung nach § 142 ZPO mit der Begründung, die Beklagte könne einfach ermitteln, welche ihrer Geräteserien die auf einem FPGA der G-Familie basierende ISDN-Sendeschaltung beinhalte, deutlich, dass die Klägerin selbst nicht weiß, welche der angegriffenen Geräte mit Ausnahme des B Fon WLAN XXXX und des B Fon WLAN XXXX die patentverletzende Schaltung aufweisen. Im Übrigen hat die Kammer aufgrund des ihr eingeräumten Ermessensspielraums davon abgesehen, die Vorlage sämtlicher Stromlaufpläne aller auf einem FPGA basierenden ISDN-Sendeschaltungen aller Geräteserien der Beklagten und deren Typenbezeichnungen anzuordnen, da eine solche Anordnung unabhängig von einem schlüssigen Vortrag zum Zwecke der Informationsgewinnung unangebracht ist und die Grenzen der richterlichen Aufklärungspflicht überschreiten würde. Ebenso ist der Verweis der Klägerin auf § 140c Abs. 1 PatG und die Vorlage von Schaltplänen durch die Beklagte unbehelflich, weil der Anspruch aus § 140c Abs. 1 PatG im Wege einer entsprechenden Klage geltend zu machen ist. Abgesehen davon dürfte es für die Klägerin ein Leichtes sein zu überprüfen, ob sämtliche Geräte der angegriffenen Serien mit einem G-FPGA arbeiten.

6.
Da die Beklagte von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch macht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 1 und 2 PatG, weil die Beklagte die patentierte Erfindung benutzte, ohne dazu berechtigt zu sein, und diese Patentverletzung außerdem schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

II.
Die vorstehend genannten Ansprüche stehen der Klägerin gegen die Beklagte auch aus §§ 24 Abs. 2, 24b Abs. 1 und 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB aus abgetretenem Recht zu, weil die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform auch von der Lehre des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch macht. Die Klägerin ist insofern aktivlegitimiert, weil ihr die Ansprüche ebenso wie die Ansprüche aus dem Klagepatent am 10.03.2008 abgetreten wurden.

1.
Das Klagegebrauchsmuster schützt mit dem Schutzanspruch 1 eine Interfaceschaltung zur Realisierung eines S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430. Die Ausführungen in der Gebrauchsmusterschrift zum Stand der Technik sind mit Ausnahme der Darstellung der DE 196 01 XXX C2 mit denen der Klagepatentschrift identisch, so dass auf die entsprechenden Ausführungen im Abschnitt I. 2. verwiesen wird.

Dem Klagegebrauchsmuster liegt vor dem Hintergrund des Standes der Technik die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, die Zahl der notwendigen Pins für die Sendeschaltung auf ein Minimum zu reduzieren. Dies soll durch den Schutzanspruch 1 erreicht werden, den die Klägerin jedoch nur eingeschränkt in einer mit dem Klagepatentanspruch 1 identischen Fassung geltend macht. Die Merkmale des Schutzanspruchs 1 stimmen daher mit den Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 überein und können in gleicher Weise gegliedert werden.

2.
Es kann dahinstehen, ob das Klagegebrauchsmuster mit dem Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung schutzfähig ist, da die Klägerin den Schutzanspruch 1 in zulässiger Weise lediglich in einer eingeschränkten Fassung geltend macht (vgl. BGH GRUR 2003, 867 – Momentanpol), in der von der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters auszugehen ist.

Mit der Einschränkung des Erfindungsgegenstandes ist keine unzulässige Erweiterung verbunden. Soweit nach dem Merkmal 1 die Interface-Schaltung geeignet sein muss, einen genormten ISDN-Basis-Anschlusses statt eine S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I. 430 zu realisieren, ist damit sachlich kein Unterschied verbunden. Für ISDN-Basis-Anschlüsse beziehungsweise deren Schnittstellen ist in der Bundesrepublik der Standard ITU-T I. 430 maßgeblich und bei der im Schutzanspruch 1 genannten S/T-Schnittstelle nach Spezifikation ITU-T I.430 handelt es sich um eine Schnittstelle eines genormten ISDN-Basis-Anschlusses. Die im Merkmal 3.1 genannte Verwendung von Tristate-Ausgängen findet sich bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, für die mangels abweichenden Vortrag der Beklagten davon ausgegangen werden kann, dass sie mit dem Inhalt des eingetragenen Klagegebrauchsmusters übereinstimmen. Da der Wortlaut des eingeschränkt geltend gemachten Schutzanspruchs mit dem Klagepatentanspruch 1 identisch ist, kann im Übrigen grundsätzlich von der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters ausgegangen werden. Es ist auch nicht der Löschungsgrund des § 15 Abs. 1 Nr. 2 GebrMG gegeben, weil die Anmeldung des Klagepatents und des Klagegebrauchsmusters zeitgleich erfolgten.

3.
Die angegriffenen Geräte B Fon WLAN XXXX und B Fon WLAN XXXX machen von der Lehre des geltend gemachten Schutzanspruchs wortsinngemäß Gebrauch. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zur Auslegung und Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 im Abschnitt I. 3. und 4. Bezug genommen. Für die übrigen angegriffenen Geräteserien ist eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters hingegen nicht dargelegt. Insofern gelten die im Abschnitt I. 5. aufgestellten Erwägungen gleichermaßen. Für die Rechtsfolgen wird auf den Abschnitt I. 6. verwiesen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 100.000,00 EUR