4a O 60/09 – Prepay-Verfahren

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1481

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. September 2010, Az. 4a O 60/09

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, im Falle der Beklagten zu 1) und 4) zu vollstrecken an deren Geschäftsführern, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland

ein Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusam-menhang mit öffentlichen Telefonen, anzuwenden, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:

a) Programmieren eines jeweiligen öffentlichen Zweig-amts (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind und die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden;

b) einem Anrufer ermöglichen, eine Verbindung mit ei-nem Angerufenen herzustellen;

c) Unterbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;

d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus einer Datenbank;

e) Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäuflichen Trägerelement in Form einer Karte oder eines Tickets in unsichtbarer, jedoch leicht frei-legbarer Weise, wobei die Nummer aufgedruckt und durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag bedeckt ist; und

f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum,

so dass Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der je-weiligen Nummer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen;

2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter I.1. be-zeichneten und – für die Beklagten zu 1), 2) und 4) seit dem 16.01.2008, für den Beklagten zu 3) seit dem 14.11.2008 – begangenen Handlungen Rechnung zu legen und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses mit der Angabe der einzelnen Lieferungen von verkäuflichen Trägerelementen (Code-Karten) unter Nennung

a) der damit erzielten Nettoumsätze und Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns,

und unter Angabe der einzelnen Angebote und der Wer-bung unter Nennung

c) der Angebotszeiten und Angebotspreise sowie Na-men und Anschriften der Angebotsempfänger und

d) der einzelnen Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) wobei den Beklagten nachgelassen wird, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin auf eigene Kosten einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Ver-schwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf kon-krete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,

f) wobei die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) die entsprechenden Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch ver-pflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der durch die Handlungen der Beklagten nach Ziffer I.1. der Klägerin seit dem 16.01.2008 entstanden ist und noch entstehen wird, wobei diese Verpflichtung den Beklagten zu 3) erst seit dem 14.11.2008 trifft.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamt-schuldnern auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem auch mit Wir-kung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfah-renssprache veröffentlichten europäischen Patent 0 572 XXX (Klagepatent, Anlage K 1; deutsche Übersetzung Anlage K 1a). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Aus-kunftserteilung sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 02.06.1993 unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 02.06.1992 eingereicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 30.10.1996 bekannt gemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 693 05 XXX geführt. Er steht in Kraft.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahl-ten Telefonanrufen. Der erteilte Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

„Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit öffentlichen Telefonen, welches die folgenden Schritte umfasst:

a) Programmieren eines jeweiligen öffentlichen automatischen Zweigamts (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind;
b) einem Anrufer ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufe-nen herzustellen;
c) Unterbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;
d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Da-tenbank;
e) Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäuflichen Trägerelement in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise; und
f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum,

so dass Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der jeweiligen Num-mer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen.“

Auf eine von dritter Seite erhobene Nichtigkeitsklage erklärte das Bundespa-tentgericht durch Urteil vom 01.08.2001 den deutschen Teil des Klagepatents im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig. Auf die Berufung der Klägerin hob der Bundesgerichtshof diese Entscheidung durch Urteil vom 07.03.2006 (X ZR 213/01, Anlage K 5, GRUR 2006, 663 – Vorausbezahlte Telefongespräche) auf und wies die Nichtigkeitsklage im vollen Umfang ab.

Auf eine weitere Nichtigkeitsklage von dritter Seite erklärte das Bundespatent-gericht durch Urteil vom 02.09.2009 (vgl. Anlage K 12) das Klagepatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teil-weise für nichtig, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhalten hat (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind in Kursivschrift hervorgehoben):

„Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit öffentlichen Telefonen, welches die folgenden Schritte umfasst:

(a) Programmieren eines jeweiligen öffentlichen automatischen Zweigamts (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind und die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden;
(b) einem Anrufer ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufe-nen herzustellen;
(c) Unterbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;
(d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Da-tenbank;
(e) Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäuflichen Trägerelement in Form einer Karte oder eines Tickets in unsichtba-rer, jedoch leicht freilegbarer Weise, wobei die Nummer aufge-druckt und durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag bedeckt ist; und
(f) Anbieten der verkäuflichen zum Verkauf an das öffentliche Publi-kum,

so dass Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der jeweiligen Num-mer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen.“

Die Beklagten zu 1) und 4), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und zu 3) sind, liefern und bieten in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere unter den Bezeichnungen „A“, „B“, „C“, „D“, „E“ und „F“ Code-Karten an (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen), welche wie nachfolgend beispielhaft dargestellt gestaltet sind:

Diese Code-Karten bewerben die Beklagten insbesondere mit den als Anlage K 8 vorgelegten Werbeplakaten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Bei Verwendung der durch die Beklagten angebotenen und vertriebenen Codekarten wählt der Nutzer zunächst eine (für ihn kostenfreie) Einwahlnummer. Anschließend gibt der Nutzer nach Auswahl der gewünschten Sprache eine auf der Karte abgedruckte Pin ein, die er erst erkennen kann, nachdem er sie „freigerubbelt“ hat. Im Anschluss wählt der Nutzer nach einem Signalton die Rufnummer des Teilnehmers mit der zugehörigen nationalen und internationalen Vorwahl.

Nach Auffassung der Klägerin stellt das Verhalten der Beklagten eine unmittelbare, hilfsweise zumindest eine mittelbare Patentverletzung dar.

Die Klägerin beantragt daher,

zu erkennen wie geschehen;

I. 1. a. hilfsweise: die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, im Falle der Beklagten zu 1) und 4) zu vollstrecken an deren Geschäftsführern, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland

Trägerelemente (Code-Karten), insbesondere mit der Bezeichnung „A“, „B“, „C“, „D“, „E“ und „F“ an andere als berechtigte Personen zur An-wendung mit einem Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit öffentlichen Telefonen, anzubieten oder zu liefern, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:

a) Programmieren eines jeweils öffentlichen automatischen Zweig-amts (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind und die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden;

b) einem Anrufer ermöglichen, eine Verbindung mit einem Ange-rufenen herzustellen;

c) Unterbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;

d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus einer Datenbank;

e) Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäufli-chen Trägerelement in Form einer Karte oder eines Tickets in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise, wobei die Nummer aufgedruckt und durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag bedeckt ist; und

f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum,

so dass Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der jeweiligen Num-mer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen.

Hinsichtlich der auf den unter Ziffer I. 1. a. formulierten Hilfsantrag rückbezogenen, ebenfalls hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzverpflichtung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 29.12.2009 Bezug genommen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der technischen Lehre des Klagepatents weder unmittelbar, noch mittelbar Gebrauch machen. Insbesondere sei es nach dem Klagepatent zwingend, dass jede vorherige Kommunikation zwischen der „automatischen Nebenstellenanlage“ und dem Anrufenden nicht mehr erforderlich sei. Demgegenüber finde bei dem Telefonkartensystem der Beklagten eine wechselseitige Kommunikation zwischen dem Telefonkartenanbieter bzw. dessen Nebenstelle statt, sobald eine der auf den angegriffenen Ausführungsformen angegebenen gebührenfreien Nummern der Nebenstellenanlage des Telefonkartenanbieters angewählt worden sei. Darüber hinaus müsse nach der technischen Lehre des Klagepatents eine einmal gewählte geheime Zugangsnummer unmittelbar nach dem ersten Anruf gelöscht werden, so dass keine wiederholten Anrufe mit dieser Zu-gangsnummer möglich seien. Bei dem durch die Beklagten eingesetzten Ver-fahren könnten demgegenüber sowohl die Zugangsnummer als auch die Codenummer (PIN) mehrfach verwendet werden, bis das Guthaben aufgebraucht oder ein 90-tägiger Gültigkeitszeitraum abgelaufen sei.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Schadenersatz sowie Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2,
140 b Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahl-ten Telefonanrufen (prepaid telephone calls).

Die Klagepatentschrift bezeichnet es in ihrer Einleitung als neueste Entwick-lung, die mit Münzen zu bedienenden öffentlichen Telefonapparate durch Apparate zu ersetzen, bei denen eine Magnetkarte zum Einsatz kommt. Diese Entwicklung hat sich nach den Angaben der Klagepatentschrift aus der Erkenntnis der Nachteile der Münztelefone ergeben, die darin bestehen, dass der Benutzer im Besitz von passenden Münzen sein muss sowie dass die Apparate regelmäßig gewartet werden müssen und Vandalismus und Diebstahl ausgesetzt sind (deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift, DE 693 05 XXX T2, Anlage K 1a, Seite 1 zweiter Absatz).

Bei dem Einsatz von bekannten Magnetkarten, speziellen Telefonkarten oder Kreditkarten, ist zwar dieses Problem zum Teil, nämlich insofern gelöst, als eine Karte für eine größere Anzahl von Telefonanrufen eingesetzt werden kann. Als nachteilig sieht das Klagepatent aber die beträchtliche Anfangsinvestition in die Ausstattung, Einrichtung und Instandhaltung für die mit Magnetkarten zu betreibenden Telefonapparate an (Anlage K 1a, Seite 1 unten bis Seite 2 oben).

Die Klagepatentschrift geht sodann auf den Stand der Technik gemäß der US-Patentschrift 4 706 275 ein. Sie führt aus, dass diese Druckschrift ein Verfahren und System zur Verarbeitung von im Voraus bezahlten Telefon-anrufen vorschlage, das sich auf spezielle, zertifizierbare Codezahlen stütze. Diese würden den anrufenden Parteien gegen Erwerb eines Guthabens („Kre-dits“) zugeteilt. Die Guthaben würden im Computer spezieller zentraler Statio-nen gespeichert, was ermögliche, dass von jedem beliebigen privaten Telefon angerufen werden könne (Anlage K 1a, Seite 2 3. Abs.). An diesem bekannten Verfahren kritisiert die Klagepatentschrift als nachteilig, dass derjenige, der interessiert sei, dieses Verfahren zu nutzen, eine ganze Reihe vorbereitender Schritte durchlaufen müsse – meistens über Kreditkartenunternehmen –, um eine entsprechende Berechtigung zur Nutzung des Systems zu erhalten (An-lage K 1a, Seite 2 dritter Absatz).

Das Klagepatent bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die Nachteile der öffentlichen Münz- und Magnetkartentelefonanschlüsse zu vermeiden und zugleich jede vorherige Verbindung mit Telefonkarten- und/oder Kreditkartenunternehmen überflüssig zu machen (Anlage K 1a, Seite 2 vierter Absatz).

Patentanspruch 1 des Klagepatents in der nunmehr von der Klägerin geltend gemachten Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 02.09.2009 schlägt dazu als Lösung ein Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen mit folgenden Schritten vor:

(a) Programmieren einer öffentlichen automatischen Nebenstellen- (oder TK-) Anlage (Public Automatic Branch exchange – PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind und die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden;

(b) Ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen;

(c) Abbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/einem festgesetzten Zählimpulszeitraum;

(d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Da-tenbank;

(e) Notieren jeder Nummer aus der Serie auf einem verkäuflichen Trä-gerelement in Form einer Karte oder eines Tickets in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise, wobei die Nummer aufgedruckt und durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag bedeckt ist; und

(f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum.

Die vorstehende Merkmalsgliederung lehnt sich an die Merkmalsgliederung des Bundesgerichtshofs in seinem im ersten Nichtigkeitsverfahren ergangenen Nichtigkeitsurteil vom 07.03.2006 (X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 6 – 7 = GRUR 2006, 663 unter Tz. 13 – Vorausbezahlte Telefonanrufe) an und berücksichtigt zudem die Einschränkungen, die der Patentanspruch 1 im zweiten Nichtigkeitsverfahren erfahren hat. Sie gibt den Patentanspruch in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 02.09.2009 in inhaltlich zutreffender Weise wieder. Soweit auf die Wiedergabe der Merkmale 1 und 2 der durch die Klägerin vorgelegten Merkmalsanalyse verzichtet wird, haben diese Merkmale keine eigenständige Bedeutung. Dass die Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der jeweiligen Nummer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Merkmale.

Angesichts des Streits der Parteien bedürfen vor allem die Merkmale (a) und (d) der obigen Merkmalsgliederung näherer Erläuterung.

Merkmal (a) verlangt das Programmieren einer öffentlichen automatischen Ne-benstellen- (oder TK-) Anlage (PABX)

• zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe
• durch Wählen einer Nummer.

Vorausgesetzt wird danach eine Stelle, bei der die Anrufe eingehen. Diese Stelle ist im Anspruch 1 in der maßgeblichen englischen Fassung als „Public Automatic Branch exchange“ („PABX“) bezeichnet, was sich mit „öffentliche automatische Nebenstellenanlage“ ins Deutsche übersetzen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seiten 6 = GRUR 2006, 663 un-ter Tz. 13). In der in der Klagepatentschrift mitgeteilten Übersetzung des Pa-tentanspruchs 1 ist der Begriff „Public Automatic Branch exchange“ – ebenso wie in der vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlichten deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift – mit „öffentliches automatisches Zweigamt“ übersetzt. Diese Übersetzung ist allerdings etwas missverständlich. Denn die in Rede stehende Stelle soll für eingehende Anrufe eine Prüfung von Daten in einer Datenbank durchführen und im positiven Fall an einen anderen Teilnehmer im öffentlichen Netz weitervermitteln. Es handelt sich also nicht um ein „Amt“ im herkömmlichen Sinne, sondern um eine ein Computersystem umfassende Stelle zur Weitervermittlung von Telefonverbindungen, so dass es sich dabei um nichts anderes handelt als um eine automatische Nebenstellanlage (so auch das BPatG in seinem Urteil vom 02.09.2009, S. 14 unten). „Öffentlich“ („Public“) ist diese Stelle insofern, als sie von beliebigen Teilnehmern angerufen werden kann. Mit der Verwendung des Wortes „öffentlich“ will das Klagepatent hingegen nicht etwa von Privatunternehmen betriebene Anlagen ausschließen. Die in Merkmal (a) bezeichnete Anlage muss nicht unbedingt vom Netzbetreiber selbst betrieben werden.

Das Computersystem des PABX wird erfindungsgemäß so „programmiert“, dass es für die eingehenden Anrufe Daten überprüfen kann (BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 7 = GRUR 2006, 663, unter Tz. 14). Der Kunde gibt hierzu eine Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern ein („durch Wählen einer Nummer“). Nach der geltend gemachten Anspruchsfassung hat diese Nummer in einer Datenbank des PABX gespei-chert zu sein und sie hat sich von der Masse der relevanten Teilnehmernum-mern zu unterscheiden. Die Klagepatentbeschreibung gibt hierzu an, dass es sich bei der betreffenden Nummer um eine geheime Codenummer („secret code number [SCN]“) handelt, die je nach den Programmiermöglichkeiten des PABX aus einer geeigneten Anzahl von Ziffern zusammengesetzt ist, die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden (Anlage K 1a, Seite 4 vorletzter Absatz), die zufällig aus einer Reihe von Nummern aus-gewählt wird und von einem zuverlässigen Druckunternehmen in rechnerge-steuerter Weise auf die vom Telefonkunden zu erwerbende Karte aufgedruckt und mit einer undurchsichtigen Schicht überzogen wird, die leicht beseitigt werden kann, z. B. durch Abkratzen mit einer Münze (Anlage K 1a, Seite 5 zweiter Absatz). Diese vom Kunden eingegebene Codenummer wird in der Datenbank des PABX gesucht, identifiziert und das Gebührenguthaben analysiert. Ist ein solches vorhanden, gibt das PABX für eine dem im Voraus gezahlten Betrag entsprechende begrenzte Zeitdauer oder Anzahl von Zählimpulsen den Weg für das Wählen der Teilnehmernummer frei (Anlage K 1a, Seite 5 vierter Absatz; BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 7 = GRUR 2006, 663, 664, unter Tz. 14).

Der Zugang zu dem im vorbeschiebenen Sinne programmierten PABX soll ge-mäß Merkmal (a) so eingerichtet sein, dass dieses für den Kunden gebührenfrei zugänglich ist („zum gebührenfreien Zugang“). Mit der Angabe „Programmieren … für eingehende Anrufe zum gebührenfreien Zugang“ meint das Klagepatent hierbei nicht, dass der gebührenfreie Zugang zum PABX ursächlich durch eine Programmierung des PABX ermöglicht werden muss, d. h. das PABX so programmierbar sein muss und zu programmieren ist, dass der „gebührenfreie Zugang“ zum PABX als solcher eine Folge der Programmierung ist. Der Begriff „Programmieren“ ist insoweit technisch sinnvoll nicht im Sinne strenger Informatik zu verstehen. Denn dem Klagepatent geht es, was den „gebührenfreien Zugang“ anbelangt, allein darum, den Zugang zum PABX so einzurichten, dass für den Kunden allein durch den Zugang zum PABX keine Gebühren anfallen. Auf welche konstruktive Weise dies gewährleistet wird, überlässt das Klagepatent dem freien Belieben des Fachmanns. Lediglich als vorteilhafte Variante ist vorgesehen, dass zunächst eine gebührenfreie Zugangsnummer des PABX gewählt werden muss (vgl. Unteranspruch 2 und Anlage K 1a, Seite 4 unten bis Seite 5 oben). Allein hieraus ergibt sich eine „Zweistufigkeit“, bei der zunächst dank der gebührenfreien Zugangsnummer (z. B. „0800“) das öffentliche Telefonnetz herangezogen wird, um das PABX zu erreichen und erst danach durch die Eingabe der Codenummer die weiteren Verfahrensschritte initiiert werden.

Soweit die Beklagten demgegenüber meinen, wesentliches Merkmal der pa-tentgemäßen Lehre sei, jede vorherige Verbindung mit dem Telefonkartenan-bieter überflüssig zu machen, finden sich hierfür im Klagepatent keine Anhaltspunkte. Dem Klagepatent geht es darum, im Vorfeld der Verarbeitung von im Voraus bezahlten Telefonanrufen einen individuellen Zahlungsverkehr zu vermeiden. Nach dem Stand der Technik (US 4 706 275) erwirbt der Kunde durch Einzahlung eines Geldbetrages ein Guthaben, welchem in der Datenbank des Diensteanbieters der Spezialcode zugeordnet und dem Kunden sodann dieser Code mitgeteilt wird. Das setzt eine Mehrzahl von Schritten im Zusammenhang mit dem Erwerb des im Computer gespeicherten Guthabens und der Ausgabe des Codes voraus, die individuell bei dem Geschäft mit dem Kunden abgewickelt werden. Demgegenüber werden nach der Lehre des Klagepatents vorkonfektionierte Nummern aus einer Serie in einer Datenbank des PABX gespeichert, die dann dem Kunden in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise auf einem Trägerelement angeboten werden (so auch BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, S. 12 oben).

Dass es dem Klagepatent nicht darum geht, jeden Kontakt zwischen Kunden und Telefonkartenbetreiber zu vermeiden, erkennt der Fachmann aus Unteranspruch 2, der ausdrücklich eine zweistufige Gestaltung des Einwahlvorgangs zulässt, bei dem der Nutzer zunächst eine gebührenfreie Zugangsnummer zum PABX wählt (vgl. auch Anlage K 1a, S. 4, zweiter Absatz). Exakt so verfährt der Betreiber eines PABX, wenn er die Dienste eines Telekommunikationsproviders in Anspruch nimmt, der unter einer von ihm be-schafften gebührenfreien Rufnummer eingehende Anrufe an das PABX des betreffenden Betreibers weiterleitet. Das Klagepatent schließt es damit keines-wegs aus, dass die Verbindung zum PABX – wie zu einer gewöhnlichen Tele-fonanlage – über die Leitungen eines anderen Telekommunikationsproviders hergestellt wird, der eine gebührenfreie Rufnummer von der Netzagentur erhält, diese in seiner eigenen Nebenstellen-Anlage einrichtet und dann Anrufer, die diese gebührenfreie Telefonnummer wählen, zu dem PABX weiterleitet, in dessen Computersystem die Codenummern in einer Datenbank gespeichert sind und das so programmiert ist, dass es nach der Identifizierung die vom Kunden gewünschte Verbindung zu einer Zielrufnummer ermöglicht. Ein PABX selbst so zu programmieren, dass dieses für den Kunden gebührenfrei erreichbar ist, ist im Übrigen technisch auch gar nicht möglich, wenn das PABX nicht gerade vom Netzbetreiber selbst betrieben wird. Dass die Anlage vom Netzbertreiber selbst betrieben wird, verlangt Anspruch 1 aber – wie ausgeführt – nicht.

Wie bereits erwähnt, verlangt Patentanspruch 1 in der geltend gemachten Fas-sung des Nichtigkeitsurteils des Bundespatentgerichts vom 02.09.2009 auch, dass die in einer Datenbank des PABX gespeicherten Codenummern „sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden“. Unter „rele-vanten Teilnehmernummern“ versteht das Klagepatent die Telefonnummern der
(End-)Teilnehmer, mit denen eine Telefonverbindung hergestellt werden kann, also die möglichen Zielrufnummern. Dadurch, dass sich die gespeicherten Nummern von diesen Telefonnummern unterscheiden, soll verhindert werden, dass durch die Eingabe der Codenummer eine Telefonverbindung hergestellt wird. Durch die Eingabe der Codenummer soll erfindungsgemäß vielmehr die Verifikation eines Guthabens eingeleitet werden.

Schritt (b) ermöglicht es dem Anrufer, eine Verbindung mit dem von ihm ge-wünschten Anschluss herzustellen. Patentanspruch 1 gibt auch insoweit nicht an, wie dies im Einzelnen geschieht (vgl. BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 7 unten bis Seite 8 oben = GRUR 2006, 663, 664, unter Tz. 15).

Merkmal (c) besagt, dass die Verbindung abgebrochen, also beendet wird, wenn die festgesetzte Zeit/ein festgesetzter Zählimpulszeitraum verstrichen ist.

Die deutsche Übersetzung des Patentanspruchs spricht von „Unterbrechen“, die maßgebliche englische Fassung verwendet jedoch den Begriff „cutting-off“ und bringt damit zum Ausdruck, dass die Verbindung abgeschnitten, also beendet wird (BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 7 unten bis 8 oben = GRUR 2006, 663, 664, unter Tz. 15). In Übereinstimmung mit der Merkmalsgliederung des Bundesgerichtshofs in seinem im ersten Nichtigkeitsverfahren ergangenen Urteil (X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 6 = GRUR 2006, 663, unter Tz. 13) wird in Merkmal (c) der vorstehenden Merkmalsgliederung deshalb von „Abbrechen“ der Verbindung gesprochen.

Soweit die deutsche Übersetzung des Patentanspruchs von „festgesetzten Zeit/festgesetztem Zählimpulszeitraum“ spricht, ließe sich das in der engli-schen Fassung benutzte Wort „prefixed“ auch mit „vorbestimmt“ ins Deutsche übersetzen, ohne dass hiermit ein sachlicher Unterschied verbunden wäre. Merkmal (c) bringt so oder so nur zum Ausdruck, dass die Verbindung abge-brochen wird, wenn eine im Voraus festgelegte Zeit abgelaufen ist bzw. eine im Voraus festgelegte Anzahl von Zählimpulsen registriert wird, was beides einem Verbrauch des erworbenen Telefonguthabens entspricht. Es geht insofern schlicht darum, dass die Verbindung abgebrochen wird, wenn das Telefonguthaben verbraucht ist.

Die Notwendigkeit zur Beendigung der Verbindung nach einem vorgegebenen Wert ergibt sich daraus, dass aufgrund der Vorauszahlung das aktuelle Guthaben nach einer gewissen Zeit verbraucht ist und der Anrufer dann nicht weiter telefonieren können soll (vgl. a. Gutachten Kubicek, Anlage K 13, Seite 5 unten bis Seite 6 oben). Entsprechend der im Klagepatent angegebenen Aufgabenstellung (Anlage K 1a, Seite 2 letzter Absatz), die Verarbeitung von im Voraus bezahlten Telefonanrufen zu ermöglichen, soll die Codenummer den Zugang zum PABX und dessen Nutzung ermöglichen, wobei das PABX dafür programmiert ist, diese Art von Anrufen „eine vorher festgesetzte Zeit lang“ zu verarbeiten (vgl. Anlage K 1a, Seite 3 erster Absatz). Wie in der Klagepatentbeschreibung (Anlage K 1a, an Seite 4 vorletzter Absatz) erläutert wird, erwirbt der Kunde eine oder mehrere Karten, die entsprechend einer Auswahl von Gebühren „für im Voraus bezahlte Anrufe“ gültig sind. Das PABX identifiziert den eingehenden Anruf, analysiert dabei auch den im Voraus bezahlten Betrag der jeweiligen Codenummer und macht so „für eine begrenzte Zeitdauer oder Anzahl von Zählimpulsen, die durch den im Voraus bezahlten Betrag dargestellt ist“ und an deren Ende die Verbindung automatisch abgebrochen wird, den Pfad für das folgende Wählen der Teilnehmernummer frei (Anlage K 1a, Seite 5 vorletzter Absatz sowie BGH X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 6 = GRUR 2006, 663, unter Tz. 14; a. A. aber das BPatG, nach dessen Auffassung eine Analyse des Gesprächsguthabens nicht zwingend erforderlich ist, vgl. Anlage K 12, S. 15 Mitte). Dem entnimmt der Fachmann, dass der Zählimpulszeitraum ausschließlich durch das Guthaben repräsentiert wird, wobei es für den Fachmann selbstverständlich ist, dass das Gesprächsguthaben nach gewissen Umständen jeweils unterschiedlich gemindert werden kann, weil die Gesprächskosten regelmäßig von der Art der angerufenen Telefonnummer, dem Wochentag und/oder der Uhrzeit abhängen, so dass z. B. ein Auslandsgespräch oder ein Anruf zu einem Mobiltelefon zu einer höheren Guthaben- bzw. Zählimpulsbelastung pro Zeiteinheit führt als etwa ein Ortsgespräch. Damit, aufgrund welcher Faktoren oder in welcher Frequenz das Guthaben gemindert wird, befasst sich das Kla-gepatent nicht. Es verlangt auch nicht, dass die Zeit bzw. der Zählimpulszeit-raum bereits bei Verkauf des Trägeelements eindeutig in der Weise festgelegt ist, dass ein „absoluter“ Zeitraum bzw. eine „absolute“ Anzahl von Zählimpulsen von vornherein feststehen muss, die beim Telefonieren aufge-braucht werden kann. Das Klagepatent schließt weder aus, dass – je nach Nutzung – mit ein und derselben Karte und damit mit ein und demselben Ge-sprächsguthaben eine unterschiedlich lange Zeitspanne telefoniert werden kann, noch schließt es aus, dass das Gesprächsguthaben auch durch Faktoren gemindert wird, die von der vertelefonierten Zeit bzw. den beim Telefonieren verbrauchten Zählimpulsen unabhängig sind. Entscheidend ist allein, dass das Guthaben einen vorbestimmten Zählimpulszeitraum repräsentiert und dass beim Verbrauch dieser vorbestimmten Anzahl an Zählimpulsen und damit des Guthabens die Verbindung beendet wird.

Gemäß Schritt (d) wird eine Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank gelöscht. Der Fachmann – als solcher kann hier ein ausgebildeter Nachrichtentechniker und/oder Informatiker mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Telekommunikation angesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 13 unten = GRUR 2006, 663, 665, unter Tz. 29) – entnimmt dem, dass eine einmal gewählte Codenummer definitiv aus der Datenbank gelöscht wird, d. h. dass es keine Nummer geben darf, die einmal gewählt wurde, die aber nicht aus der Datenbank gelöscht wird. Die Löschung der Codenummer aus der Datenbank hat zur Folge, dass diese Nummer nach der Löschung nicht mehr verwendet werden kann. Wann die Löschung der Nummer erfolgen soll, lässt Anspruch 1 offen (so auch BPatG, Urteil v. 02.09.2009, Anlage K 12, S. 17 oben). Er verlangt – wovon auch der vom Bundesgerichtshof im ersten Nichtigkeitsverfahren beauftragte gerichtliche Sachverständige (Anlage K 13; Seite 6 dritter Absatz) ausgegangen ist – kein „sofortiges“ Löschen der SCN aus der Datenbank nach ihrem erstmaligen Gebrauch. Dem Anspruchswortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass die Löschung „unmittelbar“ nach dem erstmaligen Gebrauch der Codenummer erfolgt. Der Patentanspruch spricht weder von einer „sofortigen“ noch von einer „unmittelbaren“ Löschung. Aus dem Zusatz „einmal“ lässt sich eine entsprechende Vorgabe nicht herleiten. Soweit die Beklagten geltend machen, bei einer mehrfach gewählten Nummer würde es sich nicht um eine „einmal“ gewählte Nummer handeln, ist dem entgegenzuhalten, dass auch eine mehrfach gewählte Nummer zwangsläufig eine einmal gewählte Nummer ist.

Abgesehen davon hat sich die patentrechtliche Betrachtung nicht daran zu orientieren, was der Patentanspruch bei sprachwissenschaftlich-philologischer Betrachtung mit seinen Merkmalen begrifflich aussagt. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind vielmehr so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht. Vorliegend entnimmt der Fachmann der Klagepatentschrift schlechterdings nichts, was dafür sprechen könnte, dass es im Rahmen der Vorgabe, eine Codenummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank zu löschen, auf eine „unmittelbare“ Löschung nach ihrem erstmaligen Gebrauch ankommt. Von einer solchen Vorgehensweise ist auch in der Klagepatentbeschreibung nicht die Rede. Auf Seite 6 Absatz 3 der deutschen Übersetzung heißt es lediglich:

„Selbstverständlich wird eine SCN, die einmal benutzt worden ist, automatisch aus der SCN-Datenbank des PABX gelöscht.“

Damit wird – wie im Anspruch selbst – nur zum Ausdruck gebracht, dass eine einmal gewählte Nummer aus der Datenbank gelöscht wird. Wann dies ge-schieht, lässt auch die Beschreibung offen. Dass eine Codenummer, die einmal benutzt worden ist, „automatisch“ gelöscht wird, bedeutet nicht, dass diese Nummer unmittelbar nach ihrem ersten Gebrauch gelöscht wird. Vielmehr besagt dies nur, dass die einmalige Benutzung zu einem in der Folge automatisierten Löschen führt, ohne dass es einer weiteren Handlung bedarf.

Eine „unmittelbare Löschung“ der Codenummer aus der Datenbank nach ihrem erstmaligen Gebrauch würde – wie der Fachmann ohne weiteres erkennt – auch wenig Sinn machen, weil dies bedeuten würde, dass ein bei der ersten Einwahl nicht verbrauchtes Guthaben sogleich verfallen würde, was nicht als gewollt angesehen werden kann. Völlig zu Recht führt deshalb auch der vom Bundesgerichtshof im ersten Nichtigkeitsverfahren beauftragte Gutachter in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.08.2005 (Anlage K 13; Seite 6 dritter Absatz) aus, dass die Löschung einer einmal gewählten PIN/SCN ungewöhnlich wäre, da das per Vorauszahlung erworbene Gebührenguthaben in der Regel für mehrere Telefongespräche genutzt werden soll, eine einmal gewählte PIN/SCN also zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb eines bestimmten Gültigkeitszeitraumes erneut gewählt und benutzt werden können soll, um das Restguthaben zu verbrauchen. Diese Möglichkeit hätte der Nutzer bei einer unmittelbaren Löschung der Codenummer nicht. Folge wäre nicht nur eine – völlig grundlose – Einengung des Funktionsbereichs des erfindungsgemäßen Verfahrens, sondern auch eine Einengung des Gebrauchswerts für den Kunden (vgl. Gutachten Kubicek, Anlage K 13, Seite 11 zweiter Abs.).

Zwar schlägt Unteranspruch 4 ein besonderes Verfahren nach Anspruch 1 vor, bei dem eine verbleibende Menge eines Zeitraumes am Ende eines ausgehenden Anrufs einem ausgewählten Teilnehmerkonto durch weiteres Wählen „seiner Telefonnummer“ gutgeschrieben werden kann. Hierauf geht auch die Beschreibung ein (Anlage K 1a, Seite 6 zweiter Absatz). Abgesehen davon, dass diese Prozedur aus Sicht des Kunden eher umständlich ist, weil er bei einem weiteren Telefonieren nicht einfach noch einmal das „Trägerelement“ (Telefonkarte) nutzen kann, lässt sich aber weder Unteranspruch 4 noch der besagten Beschreibungsstelle entnehmen, dass dieser zusätzliche Schritt dem Schutz des Kunden davor dient, dass sein Restguthaben nicht aufgrund einer unmittelbaren (sofortigen) Löschung der Codenummer nach deren erstmaligen Gebrauch verloren geht. Die Patentbeschreibung deutet vielmehr darauf hin, dass dem Kunden hierdurch die Möglichkeit gegeben werden soll, sich sein Restguthaben zu sichern, bevor die unvollständige Zeitdauerausnutzung und damit das Guthaben „abgelaufen“ ist, und zwar deshalb, weil der Nutzer sein Guthaben innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (z. B. binnen zwei oder drei Monaten) aufbrauchen muss. Die Codenummer wird hiernach eine bestimmte Anzahl von Wochen oder Monaten nach dem Erstgebrauch unabhängig von einem etwaigen Restguthaben gelöscht. Dadurch wird erreicht, dass die Datenbank nicht dauerhaft mit eingetragenen Codenummern befüllt bleibt, denen entweder gar kein Guthaben mehr oder nur noch ein kleineres Restguthaben zugeordnet ist, das aber möglicherweise nicht mehr verwendet wird, die aber dennoch Speicherplatz in der Datenbank beanspruchen. Selbstverständlich bleibt es dem Anwender (Betreiber) aber unbenommen, die Codenummer im Interesse des Kunden erst zu löschen, wenn das Guthaben vollständig aufgebraucht ist. Patentanspruch 1 lässt dies offen.

Letztlich spricht gegen die Auslegung der Beklagten auch, dass bereits bei dem aus der US-Patentschrift 4 706 275 bekannten Verfahren das vor-ausbezahlte Guthaben für eine beim Kauf definierte Zeitspanne in der Daten-bank gespeichert blieb und mit erneuter Einwahl mit derselben Codenummer für weitere Anrufe benutzt werden konnte (vgl. Gutachten Kubicek, Anlage K 13, Seite 11 zweiter Abs.). Dass das Klagepatent daran etwas ändern will, lässt sich der Klagepatentschrift nicht entnehmen. Insbesondere enthält die Patent-schrift keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es das Bestreben des Klagepatents ist, das aus der US-Patentschrift 4 706 275 bekannte Verfahren „noch weiter gegen Missbrauch abzusichern“, etwa für den Fall des Verlusts des Trägerele-ments .

Merkmal (e) gibt an, wie die SCN dem Erwerber des Trägerelements, bei dem es sich nach dem vom Bundespatentgericht im Nichtigkeitsverfahren einge-schränkt aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 um eine Karte oder ein Ticket handelt, bekannt gegeben wird. Die SCN soll auf dem Trägerelement verdeckt angebracht sein, der Erwerber soll sie jedoch leicht freilegen können. Dies er-schwert es, dass die SCN einem anderen als dem Erwerber bekannt wird, falls dieser sie aus der Hand gibt oder verliert (BGH, Urt. v. 07.03.2006 – X ZR 213/01, Anlage K 5, Seite 8 zweiter Absatz = GRUR 2006, 663, 664, unter Tz. 16). Das im Nichtigkeitsverfahren neugefasste Merkmal (e) konkretisiert dies nunmehr weiter. Danach soll die SCN auf das Trägerelement aufgedruckt und dann durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag bedeckt werden. Diese Schicht kann vom Erwerber leicht entfernt werden, z. B. – wie bei einem Rubbellos – durch Abkratzen mit einer Münze (vgl. Anlage K 1a, Seite 5 zweiter Absatz).

Gemäß Schritt (f) sollen die Trägerelemente dem Publikum angeboten werden.

III.
Von der oben erläuterten Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents machen die Beklagten wortsinngemäß Gebrauch.

1.
Die Beklagte zu 1) und 4) bieten durch den Verkauf der unstreitig von ihnen stammenden Telefonkarten ein Verfahren an und führen es aus, mit dem im Voraus bezahlte Telefonanrufe getätigt werden können. Die Kunden zahlen im Voraus für Telefonanrufe einen bestimmten Betrag. Dafür bekommen sie eine Telefonkarte mit einem bestimmten Guthaben ausgehändigt. Das erworbene Guthaben kann an unterschiedlichen Telefonen, insbesondere auch an öffentlichen Telefonen, „eingelöst“ werden.

a)
Das von den Beklagten zu 1) und 4) praktizierte Verfahren entspricht hierbei wortsinngemäß den Vorgaben des Merkmals (a). Auf den Telefonkarten der Beklagten zu 1) und 4) ist eine gebührenfreie Rufnummer angegeben, mit der der Kunde eine öffentliche automatische Nebenstellenanlage (PABX) im Sinne des Klagepatents erreichen kann. Dieses PABX wird unstreitig von den Beklagten zu 1) und 4) betrieben. Die Beklagten zu 1) und 4) bieten nicht nur Telefonkarten an, sondern sie selbst ermöglichen es dem Kunden auch, unter Verwendung dieser Telefonkarten Telefonate zu führen, und zwar über ihr ei-genes PABX. Dabei wirken die Beklagten zu 1) und 4) auch mittäterschaftlich zusammen. Dies lässt sich insbesondere daran erkennen, sich auf den als Anlage K 8 vorgelegten Werbeplakaten als „Herausgeber“ die Beklagte zu1) findet, während die Karte bei der Beklagten zu 4) einzulösen ist.

Ihr PABX haben die Beklagte zu 1) und 4) hierzu entsprechend eingerichtet. Es führt für eingehende Anrufe eine Prüfung von (PIN-)Nummern durch und gibt bei positiver Prüfung den Weg für das Wählen der Zielrufnummer frei. Die Anlage gibt dem Kunden die Möglichkeit, die auf seiner Telefonkarte angegebene PIN-Nummer, bei der es sich um eine geheime Codenummer handelt, einzugeben, um die von den Beklagten betriebene Vermittlungsstelle dazu zu benutzen, eine Verbindung mit einem (End-)Teilnehmer herzustellen. Die einzugebende PIN-Nummer stammt aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in dem Computersystem des PABX der Beklagten in einer Datenbank hinterlegt sind. Durch die Eingabe der PIN-Nummer wird unstreitig die Verifikation eines Guthabens eingeleitet. Nach positiver Prüfung kann die vom Kunden gewünschte Telefonverbindung durch Eingabe der Zielrufnummer hergestellt werden.

Das PABX der Beklagten zu 1) und 4) ist für den Kunden auch gebührenfrei zugänglich. Weder muss der Kunde neben dem im Voraus bezahlten Betrag für die Telefonkarte weitere Gebühren für die Herstellung der gewünschten Telefonverbindung durch das PABX der Beklagten zu 1) und 4) entrichten, noch ist der Anruf beim PABX für ihn gebührenpflichtig. Dass die Verbindung zu dem PABX über die Leitungen eines anderen Telekommunikationsproviders hergestellt wird, der eine gebührenfreie Rufnummer (0800-Nummer) von der Netzagentur erhalten hat, diese in seiner eigenen Nebenstellen-Anlage eingerichtet hat und der Anrufer, der diese Telefonnummer wählt, zu dem PABX weitergeleitet wird, steht einer Verwirklichung des Merkmals (a) aus den bereits angeführten Gründen nicht entgegen. Die Beklagten zu 1) und 4) verfahren exakt gemäß der bevorzugten Verfahrensvariante des Unteranspruchs 2, indem sie die Dienste eines Telekommunikationsproviders in Anspruch nehmen, der unter einer von ihm beschafften gebührenfreien Rufnummer eingehende Anrufe von Kunden an das PABX der Beklagten zu 1) und 4) weiterleitet.

Bei den in der Datenbank des PABX der Beklagten zu 1) und 4) gespeicherten Codenummern handelt es sich schließlich auch um Nummern, die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden. Nach Merkmal (a) ist nicht erforderlich, dass alle Codenummern von Zielrufnummern verschieden sind, sondern nur, dass dies für eine Serie („… aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind und die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden“) gilt, wobei im Extremfall schon zwei solche Nummern genügen.

Davon, dass die von den Beklagten zu 1) und 4) verwandten Nummern diese Anforderungen erfüllen, ist auszugehen. Bei den in der Datenbank des PABX der Beklagten hinterlegten PIN-Nummern handelt es sich nach dem unbestrit-tenen Vortrag der Klägerin um 10-stellige Nummern, die z. B. die Ziffernfolge „617 0382 622“ aufweisen. Diese Ziffernfolge stellt unstreitig keine nationale oder internationale Telefonvorwahl dar.

Soweit die Beklagten im Zusammenhang mit dem soeben erörterten Teilmerk-mal ferner geltend machen, dass ein „Mehr-Schritt-Verfahren“, wie es die Be-klagten zu 1) und 4) praktizieren, bei dem in einem ersten Schritt eine auf der Telefonkarte offen aufgedruckte 0800-Nummer vom Kunden gewählt werde, der Kunde in einem zweiten Schritt nach Auswahl der gewünschten Sprache aufgefordert sei, die auf der Telefonkarte mitgeteilte geheime PIN-Nummer einzugeben, welche Eingabe zur Überprüfung eines Guthabens führe, und der Kunde dann in einem dritten Schritt die gewünschte Zielrufnummer eingebe, nicht unter das Klagepatent falle, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Vorgehensweise der Beklagten zu 1) und 4) entspricht exakt dem bevorzugten Verfahren gemäß Unteranspruch 2. Danach soll der Kunde zuerst eine gebührenfrei Zugangsnummer (Einwahlnummer) wählen. Hiernach soll er dann die geheime Codenummer eingeben. Nach positiver Prüfung kann er dann die Zielrufnummer eingeben.

b)
Merkmal (b) wird von den Beklagten zu 1) und 4) ebenfalls wortsinngemäß ver-wirklicht. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ermöglichen es die Beklagten zu 1) und 4) mit ihrem PABX einem Anrufer (Kunden), eine Verbindung mit einem Angerufenen (= Teilnehmer) herzustellen.

c)
Wortsinngemäß erfüllt ist auch Merkmal (c). Denn bei dem von den Beklagten zu 1) und 4) praktizierten Verfahren wird die Verbindung beendet, wenn das Telefonguthaben verbraucht ist. Der Verbrauch des Guthabens erfolgt in be-stimmten Einheiten, die einem bestimmten Geldwert entsprechen und als Zählimpulse anzusehen sind. Haben sich diese Zählimpulse – je nach Nutzung – auf Null reduziert, ist das Guthaben aufgebraucht. Die Verbindung wird dann unstreitig beendet.

d)
Das von den Beklagten zu 1) und 4) praktizierte Verfahren entspricht auch wortsinngemäß den Vorgaben des Merkmals (d). Das Guthaben der Telefon-karten läuft innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem ersten Gebrauch der Karte ab. Je nachdem, ob zuerst das Guthaben aufgebraucht ist oder ob zuerst der Verfügungszeitraum abgelaufen ist, wird die Codenummer unstreitig aus der Datenbank des PABX gelöscht. Ein „sofortiges“ Löschen der Nummer nach ihrem erstmaligen Gebrauch verlangt das Klagepatent – wie ausgeführt – nicht.

e)
Merkmal (e) ist ebenfalls wortsinngemäß erfüllt. Auf den Telefonkarten der Be-klagten zu 1) und 4) ist jeweils auch eine – in der Datenbank des PABX hinter-legte – Codenummer (PIN-Nummer) aufgedruckt, welche mit einer Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag (sog. Rubbelschicht) bedeckt ist. Diese Schicht kann von dem Kunden leicht entfernt werden, so dass die geheime Codenummer ohne weiteres freilegbar ist.

f)
Die freiverkäuflichen Telefonkarten der Beklagten zu 1) und 4) werden schließlich auch von den Beklagten zu 1) und 4) in der Bundesrepublik Deutschland zum Verkauf an das öffentliche Publikum angeboten (Merkmal (f)).

g)
Ohne Erfolg wenden die Beklagten schließlich ein, die technische Gestaltung der angegriffenen Ausführungsformen sei bereits aus dem Stand der Technik, insbesondere aus der US 4 706 275 bekannt. Der damit erhobene Formsteineinwand ist grundsätzlich nur bei einer äquivalenten, nicht aber bei einer wortsinngemäßen Patentverletzung zugelassen (vgl. BGH GRUR 1999, 914 – Kontaktfederblock; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rz. 44).

IV.
Die Beklagten zu 1) und 4) verstoßen damit gegen Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m.
§ 9 Nr. 2 PatG. Danach ist jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Pa-tentinhabers ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden. Ein Verfahren wird dadurch angewendet, dass die beanspruchten Maßnahmen vollständig durchgeführt werden (Benkard/Scharen, Patentgesetz/ Gebrauchsmustergesetz, 10. Aufl., § 9 PatG Rz. 49 m. w. Nachw.). Das ist hier – wie soeben ausgeführt – der Fall. Dass die Beklagten möglicherweise mehrere Verfahrensschritte im Ausland ausüben, steht dem nicht entgegen.

1.
Davon, dass die Beklagten zu 1) und 4) auch im Ausland agieren, ist allerdings auszugehen. Bei der Beklagten zu 1) und zu 4) handelt es sich um in Irland geschäftsansässige Unternehmen. Dies spricht dafür, dass die Beklagten zu 1) und 4) die von ihnen angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen von Irland aus, jedenfalls nicht von Deutschland aus erbringen und sich ihr PABX damit nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern im Ausland befindet. Dass das PABX der Beklagten in Deutschland steht, hat die Klägerin demgegenüber nicht aufgezeigt. Ebenso ist weder dargetan, noch ersichtlich, dass die Beklagten die Telefonkarten in Deutschland herstellen bzw. die Telefonkarten jedenfalls hier bedrucken und maskieren.

2.
Trotz dieses nicht zu leugnenden Auslandsbezugs liegt aber eine inländische Benutzung des Klagepatents durch die Beklagten vor.

a)
Ein Patent entfaltet seine materiellen Wirkungen grundsätzlich nur innerhalb des Gebiets des Erteilungsstaates (Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 8; Jestaedt, Patentrecht, 2. Aufl., Rz. 663; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 9 Rz. 95 jew. m. w. Nachw.). Im oder für das Inland erteilte Patente gewähren im Ausland keinen Schutz, während im oder für das Ausland erteilten Patenten im Inland kein Schutz verliehen ist (vgl. Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 8 m. w. Nachw.; Jestaedt, a.a.O., Rz. 663). Ein deutsches Patent oder ein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent verbietet demgemäß nicht die Benutzung der geschützten Erfindung im Ausland (BGH, GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung; Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 8 m. w. Nachw.; Schulte, a.a.O., § 9 Rz. 95 und 96). Das beruht auf dem Grundsatz der Territorialität des Patentrechts, welcher der Machtabgren-zung verschiedener Staaten zueinander entspringt und der den Patentschutz auf das Gebiet des Staates beschränkt, der das Patent verliehen hat oder für dessen Geltungsgebiet es erteilt worden ist (Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 8; vgl. zum Territorialitätsprinzip ferner: BGH, GRUR 1994, 798, 799 – Fol-gerecht bei Auslandsbezug; GRUR 1968, 195, 196 – Voran; BG, GRUR Int. 1997, 932 – Beschichtungsanlage; GRUR Int. 2000, 639, 640 – Kodak II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 9 PatG Rz. 116; Schulte, a.a.O., § 9 Rz. 95; Jestaedt, a.a.O., Rz. 663; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., S. 749 und 798).

Damit eine Handlung als Verletzung eines Schutzrechts in Betracht kommt, muss sie deshalb eine hinreichende Beziehung zu dessen räumlichem Gel-tungsbereich aufweisen (Kraßer, a.a.O., S. 749). Durch Benutzungshandlun-gen, die ausschließlich im Ausland vorgenommen werden, wird ein deutsches Patent oder ein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent nicht berührt (vgl. Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 10; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 9 PatG Rz. 116 und 129; Jestaedt, a.a.O., Rz. 663 jew. m. w. Nachw.). Die Herstellung, das Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen und Besitzen patentierter Erzeugnisse im Ausland (Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 10 m. w. Nachw.) ist ebenso wie die Anwendung eines geschützten Verfahrens im Ausland nicht patentverletzend (Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 10.; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 9 PatG Rz. 139). Die Anwendung ausschließlich im Ausland kann auch nicht durch eine Einbeziehung des Anbietens oder Lieferns von Mitteln zur Verfah-rensanwendung erfasst werden (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 9 PatG Rz. 139). Ein deutsches Patent oder ein vom Europäischen Patentamt mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent kann allerdings bereits verletzt sein, wenn die fragliche Handlung wenigstens teilweise im Inland vorgenommen wird und sie, soweit sie im Inland vorgenommen wird, den Tatbestand einer dem Patentinhaber allein vorbehaltenen, in § 9 PatG genannten Benutzungshandlungen erfüllt (vgl. Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 10 m. w. Nachw.; Kraßer, a.a.O., 749).

b)
Was den vorliegend in Rede stehenden Fall des Anwendens eines patentge-schützten Verfahrens anbelangt, sind zumeist – gleichzeitig oder in bestimmter Reihenfolge – mehrere Maßnahmen zu vollziehen. Wer ein in Deutschland patentiertes Verfahren vollständig durchführt, kann das Patent auch dann verletzen, wenn er die dazu erforderlichen Maßnahmen nur zum Teil im Inland ausführt (Kraßer, a.a.O., 767; Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 49; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 9 PatG Rz. 139). So soll z. B. ein Beginn der Anwendungen im Inland genügen, sofern deren im Ausland erfolgende Vollendung ebenfalls dem im Inland Handelnden zuzurechnen ist (Kraßer, a.a.O., S. 767; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 9 PatG Rz. 139). Eine Zurechenbarkeit kommt jedoch nicht nur dann in Betracht, wenn ein Beginn der Anwendungen im Inland und die Vollendung alsdann im Inland erfolgt. Sie ist vielmehr gerade im umgekehrten Fall möglich, wenn zum Beispiel bei einem Herstellungsverfahren die Herstellung eines Vorprodukts mittels der ersten Verfahrensschritte im Ausland erfolgt, dieses Zwischenprodukt anschließend ins Inland verbracht wird und hier die restlichen Verfahrensschritte zur Herstellung des Endprodukts durchgeführt werden. Gerade in einem solchen Fall muss sich der Anwender regelmäßig die zuvor von ihm (oder einem Dritten) im Ausland begonnene Durchführung des Verfahrens zurechnen lassen, weil er auf diesen Maßnahmen aufbaut und sich diese im Inland zu Nutze und zu Eigen macht. Folgerichtig geht auch der Bundesgerichtshof – im Falle inländischer Benutzungshandlungen – davon aus, dass, wenn z. B. ein in mehrere Verfahrensabschnitte aufgeteiltes Schweißverfahren vorsieht, in einem ersten Teil von Verfahrensschritten einen Datenträger mit Schweißdaten herzustellen, der in einem zweiten Teil von Verfahrensschritten zur Steuerung des Schweißvorgangs benutzt wird, der Verwender des Datenträgers von dem Verfahren mit allen seinen Merkmalen Gebrauch macht, wenn er das Schweißverfahren mittels der gespeicherten Schweißdaten durchführt (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren). Ob die zur Durchführung des weiteren Verfahrens erforderliche Vorrichtung in einem derartigen Fall im Inland oder Ausland hergestellt wird, kann keinen Unterschied machen. Andernfalls wäre es dem Anwender ohne weiteres möglich, den Patentschutz zu umgehen. Sein Verhalten würde weder in dem einen Staat noch in dem anderen Staat eine Verletzung des jeweiligen Verfahrenspatents darstellen.

Für den Tatbestand des Anwendens kann vor diesem Hintergrund die Vor-nahme einer von mehreren notwendigen Maßnahmen im Inland ausreichen, wenn die im Ausland bewerkstelligten anderen Maßnahmen dem im Inland Handelnden ebenfalls zuzurechnen sind (Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 49). Im Ausland begangene Teilakte sind hierbei dann wie inländische zu behandeln, wenn sich der Täter sie zu Eigen macht für einen im Inland eintre-tenden Verletzungserfolg. Um eine zu weitgehende Verantwortlichkeit auszu-schließen, ist in derartigen Fällen allerdings – auch wenn es ansonsten nicht erforderlich sein mag, ob ein Erzeugnis oder ein Verfahren, die Gegenstand des Patents sind, in eine örtliche Beziehung zum Bundesgebiet treten oder eine Handlung hier ihre Wirkung entfaltet (vgl. Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 PatG Rz. 10 m. w. Nachw.) – eine wirtschaftlich-normative Betrachtungsweise als geeignetes Korrektiv geboten, wonach das fragliche Verhalten für den notwendigen Zurechnungszusammenhang zielgerichtet auf eine Wirkung im inländischen Markt zugeschnitten sein muss. Dadurch erfolgt ein Eingreifen nationalen Patentschutzes nur in Fällen, die das nationale Schutzgebiet unmittelbar betreffen.

c)
Hiervon ausgehend stellt vorliegend das beanstandete Verhalten der Beklagten eine Verletzung des Klagepatents dar.

Die Beklagten zu 1) und 4) bieten die gemäß Merkmal (d) hergestellten Tele-fonkarten in der Bundesrepublik Deutschland zum Verkauf an das öffentlichen Publikum an, wodurch sie den Verfahrensschritt (f) vollständig im Inland ausführen. Dadurch ermöglicht sie den inländischen Kunden, mittels dieser Telefonkarten von Deutschland aus im Voraus bezahlte Telefonanrufe zu tätigen. Dies ist der Zweck ihres Handelns.

Die Telefonverbindung wird von den Beklagten zu 1) und 4) im Inland ermög-licht. Das PABX der Beklagten wählen die Kunden vom Inland aus an, hier ge-ben die Kunden auch die Codenummern ein und von hier aus wählen sie so-dann die Zielrufnummer. Die Verbindung zu dem PABX der Beklagten wird hierbei über die Leitungen eines deutschen Telekommunikationsproviders hergestellt, der eine gebührenfreie Rufnummer von einer deutschen Netzagentur erhalten hat. Kunden, die im Inland diese Telefonnummer wählen, werden automatisch zu dem PABX der Beklagten weitergeleitet. Dem Kunden wird aber nicht nur im Inland die Möglichkeit eröffnet, eine Verbindung mit einem von ihm gewünschten Anschluss herzustellen. Ist sein Guthaben aufgebraucht, wird auch sein vom Inland aus geführtes Telefongespräch im Inland beendet. Von der Verbindungsbeendigung ist der Kunde im Inland betroffen; dort tritt die Beendigungswirkung ein. Nach Löschung der Codenummer aus der Datenbank kann der inländische Kunde auch keine Telefongespräche mit der von ihm erworbenen Telefonkarte mehr führen; die Nummer ist dann für ihn nicht mehr verwendbar.

Damit dies bestimmungsgemäß geschehen kann, werden die entsprechenden Befehle (Ermöglichen der Verbindung; Unterbrechen der Verbindung; Entfernen der Codenummer aus der Datenbank) ins Inland vermittelt, weil sie dort benötigt und zur konkreten Verfahrensführung benutzt werden. Die zugrundeliegenden Maßnahmen – Identifizierung der Codenummer; Abgleich mit Guthaben; Löschen einer verbrauchten Codenummer – mögen als solche im Ausland vorgenommen werden. Indem auf ihre Ergebnisse im Inland zurückgegriffen wird und diese hier nutzbar gemacht werden, handelt es sich rechtlich um inländische Maßnahmen.

Sämtliche Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens treten überdies im In-land ein. Hier werden die Nachteile der öffentlichen Münz- und Magnetkarten-telefonanschlüsse vermieden; die beträchtlichen Anfangsinvestitionen in die Ausstattung, Einrichtung und Instandhaltung für die mit Magnetkarten zu betreibenden, im Inland stehenden Telefonapparate entfallen. Außerdem ist – anders als im Stand der Technik – keine Verbindung mit Telefonkarten- und/oder Kreditkartenunternehmen mehr erforderlich. Die in der Datenbank des PABX der Beklagten hinterlegten Codenummern werden von der Beklagten in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise auf einer Telefonkarte dem Kunden im Inland angeboten. Der Kunde, der im Inland eine solche Telefonkarte erworben hat, kann die Codenummer hier freilegen und das der Nummer zugeordnete Guthaben im Inland zum Telefonieren nutzen; weiterer Schritte bedarf es dazu nicht.

Es kann vor diesem Hintergrund auch kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass das von den Beklagten zu 1) und 4) praktizierte Verfahren, soweit das Anbieten der Telefonkarten in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, willentlich und zielgerichtet auf den deutschen Markt zugeschnitten ist und sich hier auswirkt.

Die Gefahr, dass das beanstandete Verhalten zugleich als Verletzung eines ausländischen Patents der Klägerin angesehen werden könnte, besteht schließlich nicht. Soweit die Beklagten zu 1) und zu 4) die Telefonkarten in der Bundesrepublik Deutschland anbieten, führen sie den Verfahrensschritt (e) al-lein in der Bundesrepublik Deutschland aus. Dieses Verhalten kann nicht An-knüpfungspunkt für die Verletzung eines ausländischen Patents sein.

V.
Da die Beklagten den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt ha-ben, rechtfertigen sich die folgenden Rechtsfolgen:

1.
Die Beklagten sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Die Beklagten zu 2) und 3) haften für den Zeitraum ihrer Tätigkeit als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1) beziehungsweise der Beklagten zu 4), welche sich das deliktische Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen muss, § 31 BGB analog.

2.
Die Beklagten haben der Klägerin außerdem Schadensersatz zu leisten, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG, denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforder-lichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverlet-zenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Außerdem sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadener-satzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Gemäß § 140b PatG haben die Beklagten schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift ge-schuldeten Angaben sind in den Anträgen mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,- EUR festgesetzt.