Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2533
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 04. August 2016, Az. 4a O 132/15
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
– ohne Tatbestand gemäß § 313a Abs. 1 ZPO –
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von EUR 595,00 sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
I.
Der Klägerin stehen vertragliche Ansprüche auf den geltend gemachten Betrag nicht zu.
Die Klägerin behauptet eine Vereinbarung über EUR 500,00 (netto) für die Durchführung der streitgegenständlichen Zerkleinerungsarbeiten. Hierfür ist sie darlegungs- und beweispflichtig. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme und Anhörung der Geschäftsführer der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2016 lässt sich eine solche Vereinbarung nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen.
Der Zeuge A hat den Abschluss einer Lizenzvereinbarung über EUR 500,00 (netto) für die Zerkleinerung der Transformatorplatten im Gespräch am 28.01.2015 lediglich pauschal bekundet. Auf Nachfrage hat der Zeuge nur bekundet, es sei klar gewesen, dass hierfür Lizenzgebühren anfallen würden. Dies genügt vorliegend nicht, um das Gericht von dem Abschluss der behaupteten Vereinbarung zu überzeugen. Die Behauptung der Klägerin, diese sei per Handschlag besiegelt worden, hat der Zeuge bereits nicht bestätigt, sondern den Handschlag auf die Beendigung der Kooperationsvereinbarung bezogen. Nach der Aussage des Zeugens dürften die Beendigung der bisherigen Kooperationsvereinbarung und die bei einem Verkauf einer Maschine anfallenden Lizenzgebühren im Vordergrund des Gespräches am 28.01.2015 gestanden haben. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass vom Geschäftsführer der Klägerin hierbei Lizenzgebühren für die streitgegenständlichen Zerkleinerungsarbeiten thematisiert worden sind. Es lässt sich ebenfalls nicht feststellen, dass der Geschäftsführer der Beklagten dem ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat. Der Zeuge A konnte auch keine Angaben zur Reaktion des Geschäftsführers der Beklagten auf die Lizenzgebührenforderung der Klägerin machen.
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Zeuge A klar im Lager der Klägerin steht und sich selbst als rechte Hand von deren Geschäftsführer bezeichnet. Er hat insofern ein starkes Interesse am Ausgang des Prozesses.
Auch die im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden Angaben (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rn. 14) der Geschäftsführer der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2016 können die behauptete Vereinbarung nicht beweisen. Die Angaben der Geschäftsführer widersprechen sich. Aus Sicht des Gerichts kann keine der beiden Anhörungen für sich eine höhere Glaubhaftigkeit in Anspruch nehmen.
II.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 500,00 (netto) aus Art. II § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 IntPatüG. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte den Gegenstand der europäischen Patentanmeldung genutzt hat.
1.
Zur Bestimmung des Gegenstands der Anmeldung ist auszugehen von der Anmeldung Nr. 12 799 165.1-1710 in der Fassung, für die das Europäische Patentamt mit Bescheid vom 16.06.2016 die Erteilungsabsicht erklärt hat (im Folgenden: Klageanmeldung; vgl. Anlage 4 der Klägerin). Reicht der Anmelder geänderte Ansprüche ein, so gilt für die Bestimmung des „Schutzbereichs“ der Anmeldung die jeweils engere Fassung. Dieses Verhältnis ist auch maßgeblich, wenn das Patent schließlich mit geänderten, weiter eingeschränkten Ansprüchen erteilt worden ist (Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl. 2015, § 33 Rn. 4c).
2.
Die Klageanmeldung betrifft ein Verfahren zum Aufbereiten und zur Gewinnung von Fasern für die Papierherstellung oder die Herstellung von Dämmstoffen aus einem faserhaltigen Material, insbesondere aus Altpapier. Sie betrifft auch eine Nutzung dieses Verfahrens für die Aktenvernichtung.
a)
In ihrer einleitenden Beschreibung führt die Klageanmeldung aus, dass Verfahren zur Aufbereitung von Altpapier bekannt sind. Dabei wird grundsätzlich Altpapier in gebündelter und gegebenenfalls gepresster Form zunächst in einem Pulper aufgelöst. Dafür wird der Pulper mit Wasser gefüllt. Anschließend wird das Altpapier oder der Zellstoff eingetragen und dort unter Einsatz eines Propellers aufgelöst und zerkleinert. Auch kann das Papier im Pulper ein De-Inking-Verfahren unter Einsatz von Chemikalien durchlaufen. Danach wird die Faserstoffsuspension abgepumpt und weiterverarbeitet.
b)
Aus Sicht der Klageanmeldung sollte grundsätzlich vermieden werden, dass die Altpapierfasern verkürzt oder beschädigt, insbesondere in Längsrichtung gespalten werden, oder dass der Mahlgrad erhöht wird, da die Altpapierfasern ja bereits mindestens einmal für die Papierherstellung aufbereitet wurden. Des Weiteren sollten im Altpapier enthaltene Kunststofffolien, Plastikteile, Sand oder Ähnliches möglichst nicht zerkleinert werden, damit sie nachträglich leicht aussortiert werden können.
Gleichwohl lässt sich insbesondere eine weitere Zerkleinerung der Altpapierfasern nicht vollständig vermeiden, so dass die Altpapierfasern nach fünf- bis siebenmaligem Recycling nicht mehr für die Papierherstellung geeignet sind, da sie dann keine ausreichende Länge mehr haben.
c)
Die Klageanmeldung diskutiert drei Schriften aus dem Stand der Technik. Vor diesem Hintergrund nennt es die Klageanmeldung als ihre Aufgabe, ein Verfahren der in der Beschreibung eingangs genannten Art zur Verfügung zu stellen, bei dem die Verkürzung der Fasern minimiert ist.
2.
Zur Lösung schlägt die Klageanmeldung ein Verfahren nach Anspruch 1 vor, das in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden kann:
1. Verfahren zum Aufbereiten und zur Gewinnung von Fasern
1.1 für die Papierherstellung oder die Herstellung von Dämmstoffen
1.2 aus einem faserhaltigen Material, insbesondere aus Altpapier,
1.3 wobei das faserhaltige Material bei einer Stoffdichte von 40% bis 99 %
1.4 unter einer kontinuierlichen Schlageinwirkung
1.5 in einem Querstromzerspaner aufgeschlossen wird.
3.
Durch das patentgemäße Verfahren kann das Altpapier trocken aufgeschlossen werden. Hierunter versteht die Klageanmeldung, dass das Altpapier nicht innerhalb einer Suspension in Wasser aufgeschlossen wird, also Wasser beim Aufschließen des Altpapiers nicht als Träger und Transportmittel für das Altpapier eingesetzt wird, sondern so aufgeschlossen wird, dass das Altpapier, nachdem es durch Schlagen aufgeschlossen wurde, in Form eines Feststoffgemisches vorliegt.
Durch eine trockene Aufschließung unter kontinuierliche Schlageinwirkung werden die gequollenen Fasern des Altpapiers wesentlich besser geschont. So werden durch die Schlageinwirkung, insbesondere wenn sie intensiv und pulsierend ist, auf das Altpapier Energieimpulse übertragen, die zu Reibung zwischen den Fasern bzw. zwischen Fasern und Füllstoffen des Altpapiers führen. Hierdurch werden die Fasern voneinander gelöst und unter anderem von Füllstoffen und Schmutz befreit. Gleichzeitig werden die Fasern aufgeraut, wodurch sie sich bei der Papierherstellung besonders gut miteinander vernetzen.
4.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte durch die streitgegenständliche Zerkleinerung von der Lehre der Klageanmeldung Gebrauch gemacht hat. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat eine Verwirklichung von Merkmal 1.5, wonach das Material
„in einem Querstromzerspaner aufgeschlossen wird“,
nicht nachgewiesen. Sie hat keinen Beweis dafür angeboten, dass bei der streitgegenständlichen Zerkleinerung die Transformatorplatten zu Fasern zerkleinert wurden.
a)
Was „Gegenstand der Anmeldung“ im Sinne von Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG ist, wird in erster Linie durch den Patentanspruch definiert, der Bestandteil der offengelegten Anmeldungsunterlagen ist. Die Ansprüche sind wie bei einem erteilten Patent auszulegen (Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl. 2015, § 33 Rn. 4c). Hierbei bestimmt sich der Schutzbereich eines Patents durch die Ansprüche, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind (vgl. § 14 S. 1 PatG bzw. Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ). Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH, GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube; GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Hierbei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Der Fachmann orientiert sich also an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck eines Merkmals, womit der technische Sinn der in der Patentschrift benutzten Worte und Begriffe – nicht die philologische oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung – entscheidend ist. Die Patentschrift stellt dabei gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; GRUR 1999, 909 – Spannschraube).
b)
Die Anwendung eines Verfahrens (§ 9 S. 1 Nr. 2 PatG) setzt eine vollständige Durchführung der beanspruchten Maßnahmen voraus, d.h. sämtlicher Merkmale des Patentanspruchs (Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl. 2016, § 9 Rn. 49; Rinken/Kühnen in Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 9 Rn. 73).
Die vollständige Verfahrensdurchführung erfordert hier, dass das zu zerkleinernde Material am Ende des Prozesses in Fasern vorliegt. Dies folgt aus dem Begriff des „Aufschließens“ in Merkmal 1.5. Damit wird eine Zerkleinerung des faserhaltigen Materials in einzelne Fasern beschrieben. So führt die Klageanmeldung im Rahmen der allgemeinen Erfindungsbeschreibung als Ergebnis des Aufschließens aus:
„Hierdurch werden die Fasern voneinander gelöst und unter anderem von Füllstoffen und Schmutz befreit. Gleichzeitig werden die Fasern aufgeraut, wodurch sie sich bei der Papierherstellung besonders gut miteinander vernetzen.“
Bestätigt wird dies aus dem Gesamtzusammenhang des Anspruchs. Wie Merkmal 1.1 zeigt, dient das Verfahren der Gewinnung von Fasern. Dabei zielt das Klagepatent nicht auf eine Zwischenstufe bei der Faserherstellung ab; vielmehr sollen am Ende des anmeldungsgemäßen Verfahrens Fasern vorliegen.
Die (subjektive) Aufgabe der Anmeldung zielt ebenfalls auf die Herstellung von Fasern ab, wobei die Verkürzung der Fasern minimiert werden soll. Anhaltspunkte dafür, dass am Ende des angemeldeten Verfahrens etwas anderes stehen soll als Fasern lassen sich auch der sonstigen Beschreibung nicht entnehmen. Vielmehr werden mögliche weitere Verarbeitungsschritte der so hergestellten Fasern erörtert. So wird angeführt, dass das „aufgeschlossene Fasermaterial“ über Förderschnecken weiter transportiert werden kann.
Insofern ist das faserhaltige Material erst dann aufgeschlossen im Sinne von Merkmal 1.5, wenn es in Form von Fasern vorliegt. Eine Nutzung des angemeldeten Gegenstands liegt damit (noch) nicht vor, wenn das faserhaltige Material nicht so weit aufgeschlossen wird, dass es in Fasern vorliegt. Dabei reicht es zum Gebrauch der angemeldeten Lehre nicht aus, wenn einzelne Fasern entstehen, soweit dies nicht in einem technisch relevanten Maß erfolgt.
c)
Für eine Zerkleinerung in Fasern ist die Klägerin beweisfällig geblieben. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 06.07.2016 bestritten, dass bei der streitgegenständlichen Zerkleinerung die Transformatorplatten zu Fasern zerkleinert wurden. Diese seien vielmehr nur in Stücke gehackt worden, wofür sie zum Beleg Bilder des zerkleinerten Materials vorgelegt. Dies reicht für ein wirksames Bestreiten der Merkmalsverwirklichung aus.
Hieraufhin hat die Klägerin lediglich bestritten, dass keine Zerkleinerung in Fasern erfolgt sei. Dies ist zum Nachweis aber nicht ausreichend, da die Klägerin insofern darlegungs- und beweisbelastet ist. Daher reicht es nicht aus, die Zerkleinerung in Fasern zu bestreiten, insbesondere, da es an einem Beweisangebot fehlt, dass am Ende Fasern vorlagen.
5.
Eine Benutzung des Gegenstands der Anmeldung im Sinne von Art. II § 1 IntPatÜG kann nicht damit begründet werden, dass das zerkleinerte Material anschließend für den FRT-Prozess geeignet sein sollte, also das Material ggf. später in einem patentgemäßen Verfahren zu verwenden. Reine Vorbereitungshandlungen stellen keine Benutzung des Anmeldungsgegenstands dar (vgl. BGH, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung).
III.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 33 Abs. 1 PatG. Die Benutzung des Gegenstands der veröffentlichten, deutschen Patentanmeldung DE 10 2011 120 XXX A1 (nachfolgend kurz: DE-Anmeldung) kann nicht festgestellt werden. Anspruch 1 gemäß der Offenlegungsschrift der DE-Anmeldung lautet:
„Verfahren zum Aufbereiten von Fasern für die Papierherstellung aus einem faserhaltigen Material, insbesondere aus Altpapier, dadurch gekennzeichnet, dass das faserhaltige Material zum Aufschließen feucht bereitgestellt wird und unter einer kontinuierlichen Schlageinwirkung trocken aufgeschlossen wird.“
Eine Benutzung des Gegenstands der Anmeldung kann nicht festgestellt werden. Eine Anwendung des Verfahrens der DE-Anmeldung nach § 9 S. 1 Nr. 2 PatG erfordert ebenfalls ein Aufschließen des faserhaltigen Materials, bei dem dieses zu Fasern zerkleinert wird. Dies kann hier nicht festgestellt werden. Insofern gelten die Ausführungen zur Klageanmeldung (EP-Anmeldung) für die DE-Anmeldung entsprechend. Die Grundsätze der Entscheidung Drehzahlermittlung, wonach keine Entschädigung für Vorbereitungshandlungen zu zahlen ist (vgl. BGH, GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung), sind auch für § 33 Abs. 1 PatG anzuwenden.
IV.
Da die Klägerin keinen Anspruch auf die in der Hauptforderung geltend gemachten EUR 595,00 hat, kann sie auch keinen Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
VI.
Der Streitwert wird auf EUR 595,00 festgesetzt.