4a O 238/09 – Infrarotthermometer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1343

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. März 2010, Az. 4a O 238/09

Die einstweilige Verfügung wird im Kostenausspruch im Verhältnis der Antragstellerin zur Antragsgegnerin zu 1) abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst: Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin die Hälfte der Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1), die Antragsgegnerin zu 2) trägt die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin mit Ausnahme der weiteren Kosten des Verfahrens. Diese trägt die Antragstellerin allein. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 XXX 983 B1 (Verfügungspatent). Mit Antragsschrift vom 16.11.2007, bei Gericht eingegangen am Folgetag, hat die Antragstellerin unter anderem beantragt, den Antragsgegnerinnen im Wege einer einstweiligen Verfügung die weitere Benutzung der mit dem Verfügungspatentanspruch 1 geschützten technischen Lehre unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen und ihnen aufzugeben, Auskunft über bisherige Benutzungshandlungen zu erteilen und die in ihrem Besitz befindlichen patentverletzenden Erzeugnisse zwecks Sicherung eines Vernichtungsanspruchs herauszugeben.

Nach Rücknahme eines ebenfalls von der Antragstellerin beantragten dinglichen Arrestes hat die Kammer am 19.11.2009 antragsgemäß die einstweilige Verfügung mit folgendem Inhalt erlassen:

I. Den Antragsgegnerinnen wird im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen der besonderen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung – untersagt,

Infrarotthermometer zur Temperaturmessung eines Patienten, umfassend: einen Hauptgriffskörper, der dazu bestimmt ist, mindestens einen Griffabschnitt für den Benutzer festzulegen, Erfassungsmittel zur Erfassung der vom Körper eines Patienten abgegebenen Infrarotstrahlung, dessen Temperatur man kennen möchte, wobei die Erfassungsmittel dem Hauptgriffkörper wirksam zugeordnet sind und mindestens ein Fühlerelement der Infrarotstrahlungsstärke und eine einzelne Wellenführung besitzt, die ein erstes Ende, das eine erste in Richtung des Körpers, dessen Temperatur man kennen möchte, gerichtete Öffnung festlegt, und ein zweites Ende aufweist, das eine zweite Öffnung festlegt, die in Richtung des Fühlerelements gerichtet ist, wobei die Wellenführung eine Innenfläche besitzt, die mindestens einen in Richtung des zweiten Endes zusammenlaufenden Abschnitt aufweist,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Innenfläche einen Durchgang festlegt, um die erste und die zweite, voneinander abgewandten Öffnungen in Verbindung zu setzen, wobei der zusammenlaufende Abschnitt der Innenfläche eine Konvergenz aufweist, die allmählich und ununterbrochen von der ersten Öffnung in Richtung der zweiten Öffnung zunimmt, wobei die zweite Öffnung zwischen der ersten Öffnung und dem Fühlerelement der Infrarotstrahlungsstärke zwischengeschaltet ist, das außerhalb der Wellenführung angeordnet ist.

II. Den Antragsgegnerinnen wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, angedroht.

III. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben,

a) der Antragstellerin unverzüglich, spätestens aber zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses, schriftlich und vollständig Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter I. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit folgenden Angaben:

– Menge und Zeitpunkt der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie der Preise für alle bestellten und erhaltenen Erzeugnisse,

– einzelne Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und Lieferzeiten, die Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, sowie der Preise für alle ausgelieferten Erzeugnisse,

– unter Beifügung von Belegen in Form gut lesbarer Kopien der Auftragsschreiben oder Auftragsbestätigungen und der Lieferscheine oder Rechnungen;

b) die im Besitz oder Eigentum der Antragsgegnerinnen befindlichen unter I. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Antragstellerin zu beauftragenden, örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der vorläufigen Verwahrung herauszugeben, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.

IV. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerinnen.

Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 19.11.2009 auf, bis zum 28.11.2009 eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Zunächst erhielt die Antragsgegnerin zu 1) per Telefax zwei Seiten der Abmahnung. Das vollständige Schreiben lag ihr erst am 23.11.2009 vor und enthielt neben einer Vollmacht und einem vorgefertigten Entwurf einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung eine Produktspezifikation eines Infrarotsensors mit integrierter Wellenführung des Typs TPS XXX von A und das Verfügungspatent in deutscher Übersetzung. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die als Anlage AG 3 zur Akte gereichte Kopie verwiesen.

Die Antragsgegnerin zu 1) bat daraufhin um eine Fristverlängerung bis zum 11.12.2009, die die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.11.2009 bis zum 07.12.2009 gewährte. Mit Schreiben vom 07.12.2010 teilte die Antragsgegnerin zu 1) der Antragstellerin mit, dass sie bereits Kontakt zu ihrer Lieferantin, der Antragsgegnerin zu 2) aufgenommen habe, aber noch keine Aussage über den Aufbau der streitgegenständlichen Fieberthermometer erhalten habe. Sie – die Antragsgegnerin zu 1) – habe aber unverzüglich nach dem Abmahnschreiben vom 19.11.2009 den Verkauf der Geräte gestoppt und teile bereits auf diesem Wege mit, dass etwas mehr als 400 der streitgegenständlichen Fieberthermometer – zum Teil im Ausland – verkauft worden seien. Sie erklärte, grundsätzlich zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bereit zu sein, wolle jedoch zunächst eine Rückäußerung der Antragsgegnerin zu 2) abwarten. Entsprechend bat die Antragsgegnerin zu 1) um eine weitere Fristverlängerung bis zum 09.12.2009.

Nachdem die Antragsgegnerin zu 1) von der Antragsgegnerin zu 2), der die einstweilige Verfügung bereits am 19.11.20090 auf der Messe „Medica“ zugestellt worden war, von der Existenz der einstweiligen Verfügung erfahren hatte, gab sie mit anwaltlichem Schreiben vom 08.12.2009 gegenüber der Antragstellerin eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung im Umfang des Antrags zu I. ab. Wegen des genauen Inhalts der Unterlassungserklärung wird auf die Anlage AG 2 Bezug genommen. Zugleich erklärte die Antragsgegnerin zu 1), grundsätzlich zur Auskunftserteilung bereit zu sein. Sie teilte mit, 5.000 streitgegenständliche Fieberthermometer von der Antragsgegnerin zu 2) erhalten zu haben, von denen 4.619 Stück zurückgesandt und 380 Stück – davon 72 nach Rumänien – verkauft worden seien. Im Übrigen stellte sie der Antragstellerin in Aussicht, dass ihr in den nächsten Tagen eine Aufstellung der gewerblichen Abnehmer zugehen werde.

Am 14.12.2009 ist der Antragsgegnerin zu 1) die einstweilige Verfügung vom 19.11.2009 durch den von der Antragstellerin beauftragten Gerichtsvollzieher zugestellt worden. Mit Schreiben vom 17.12.2009 erteilte die Antragsgegnerin zu 1) der Antragstellerin abschließend Auskunft. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage 9a zur Akte gereichte Kopie des Schreibens Bezug genommen.

Bereits mit Schriftsatz vom 11.12.2009 hat die Antragsstellerin aufgrund der Abgabe der vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung die Anträge zu I. und II. hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 23.12.2010 hat die Antragsgegnerin zu 1) der Erledigungserklärung der Antragstellerin zugestimmt und Kostenantrag gestellt. Außerdem hat sie Kostenwiderspruch hinsichtlich des Antrags zu III. eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

im Umfang des Kostenwiderspruchs die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt zu bestätigen und

der Antragsgegnerin zu 1) auch hinsichtlich des erledigten Teils die Kosten aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist der Ansicht, sie trage keine Verfahrenskosten, weil sie ohne vorherige Abmahnung keine Veranlassung zum Verfügungsantrag gegeben habe. Außerdem habe sie die Unterlassungserklärung noch vor Zustellung der einstweiligen Verfügung abgegeben. Auch der Kostenwiderspruch und die Auskunftserteilung seien sofort erfolgt. Im Übrigen sei die einstweilige Verfügung zu unrecht erlassen worden. Ein Verfügungsanspruch habe nicht bestanden, weil der genaue Aufbau der streitgegenständlichen Thermometer nicht belegt sei. An einem Verfügungsgrund fehle es, weil sie – die Antragsgegnerin zu 1) – das beanstandete Produkt schon länger vertreibe und auf der Messe „Medica“ im Jahr 2009 nicht als Aussteller aufgetreten sei. Eine Beeinträchtigung des Rufs der Antragstellerin sei nicht zu befürchten gewesen. Im Übrigen sei der Rechtsbestand des Verfügungspatents bereits durch das von der Antragstellerin selbst vorgelegte Gutachten aus dem italienischen Parallelverfahren, aber auch durch verschiedene offenkundige Vorbenutzungen in Frage gestellt.

Die Antragstellerin ist dem gegnerischen Vortrag entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, dass bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise der Schluss nahegelegen habe, die Anrufung des Gerichts sei zur Rechtsdurchsetzung notwendig gewesen. Insofern lasse auch das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) nach Erlass der einstweiligen Verfügung Rückschlüsse auf ein etwaiges Verhalten vor Einleitung des Verfahrens zu. Tatsächlich habe die Antragsgegnerin zu 1) fast einen Monat gebraucht, um Auskunft zu erteilen. Durch die Rücksendung der angegriffenen Fieberthermometer an die Antragsgegnerin zu 2) habe sie sogar den durch die Sequestration zu sichernden Vernichtungsanspruch vereitelt. Auch den Unterlassungsanspruch habe die Antragsgegnerin zu 1) verspätet anerkannt. Eine Abmahnung sei aufgrund der Sequestration und der bevorstehenden Messe nicht erforderlich gewesen.

Entscheidungsgründe

Nachdem die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) die Anträge zu I. und II. übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die Antragsgegnerin zu 1) hinsichtlich des Antrags zu III. Kostenwiderspruch eingelegt hat, ist im Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese sind gemäß §§ 91a, 93 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen.

I.
Im Hinblick auf die übereinstimmende Erklärung der Erledigung der Anträge zu I. und II. ist gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Es kann dahinstehen, ob die einstweilige Verfügung hinsichtlich ihrer Anträge zu I. und II. in der Sache zu Recht ergangen ist und die Antragstellerin nach bisherigem Sach- und Streitstand obsiegt hätte. Denn im vorliegenden Fall trägt die Antragstellerin die Kostenlast in Anwendung der Grundsätze des § 93 ZPO nach billigem Ermessen. Gemäß § 93 ZPO sind die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat und er den Anspruch sofort anerkennt.

1. Im vorliegenden Fall hat sich die Antragsgegnerin zu 1) mit Abgabe der vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung im Schreiben vom 08.12.2009 unterworfen und der Unterlassungsverfügung durch den Wegfall der Wiederholungsgefahr die Grundlage entzogen. Damit ist das einstweilige Verfügungsverfahren insoweit erledigt. Die Unterwerfung erfolgte am 08.12.2009 hinsichtlich der einstweiligen Verfügung sofort im Sinne von § 93 ZPO, weil sie noch vor der Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Antragsgegnerin zu 1) am 14.12.2009 erfolgte.

2. Die Antragsgegnerin zu 1) hat der Antragstellerin durch ihr Verhalten keine Veranlassung gegeben, die einstweilige Verfügung zu beantragen. Maßgeblich ist insoweit das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) vor Klageerhebung. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfolgt die Klageerhebung – anders als im normalen Zivilprozess – bereits mit der Anbringung des Antrags bei Gericht; Anhängigkeit und Rechtshängigkeit fallen in diesem Fall zusammen. Um die Kostenfolge des § 93 ZPO auszuschließen, hätte die Antragsgegnerin zu 1) damit durch ihr Verhalten vor Einreichung des Antrags bei Gericht Anlass zum Verfügungsantrag gegeben haben müssen. Im gewerblichen Rechtsschutz ist in dieser Hinsicht anerkannt, dass im Falle eines Unterlassungsanspruchs der Schuldner, der vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht abgemahnt wurde, grundsätzlich so behandelt wird, als habe er keine Veranlassung zur Klage gegeben (BGH GRUR 2010, 257, 258 f – Schubladenverfügung). Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin hier erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung abgemahnt. Zum Zeitpunkt der Abmahnung konnte die Antragsgegnerin die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gar nicht mehr vermeiden, weil es bereits durchgeführt war.

Der Antragstellerin ist zwar zuzugeben, dass unter Umständen das Verhalten des Antragsgegners nach Erlass der einstweiligen Verfügung einen Rückschluss darauf zulässt, dass eine Abmahnung entbehrlich war. Dies kann sich beispielsweise aus der Art seiner Rechtsverteidigung ergeben (vgl. Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 41 Rn. 24). Hierbei ist jedoch Zurückhaltung geboten, weil stets auch andere Faktoren für das Verhalten des Antragsgegners maßgebend sein können (Teplitzky a.a.O.). Allein auf den Umstand, dass der Antragsgegner auf eine nach Erlass der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Abmahnung nicht adäquat reagiert, kann der Antragsteller seine Erwartung, er werde den Anspruch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht durchsetzen können, nicht stützen (OLG Düsseldorf Beschluss vom 09.11.2009, 20 W 100/09; vgl. auch OLG Frankfurt GRUR-RR 2001, 72; KG Urteil vom 2.10.1998, 5 U 5410/08).

Darüber hinaus ist es widersprüchlich, wenn sich die Antragstellerin nunmehr auf das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) nach Erlass der einstweiligen Verfügung beruft. Ein Antragsteller, der ohne vorherige Abmahnung eine einstweilige Verfügung beantragt, gibt hierdurch zu erkennen, dass er eine vorherige Abmahnung für nicht erforderlich gehalten hat. Hieran muss er sich festhalten lassen (OLG Düsseldorf Beschluss vom 09.11.2009, 20 W 100/09). Zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung bestanden im Streitfall aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragsgegnerin zu 1) nicht unterwerfen würde. Insofern ist die Antragstellerin, indem sie ohne vorherige Abmahnung eine so genannte Schubladenverfügung erwirkt hat, bewusst das Risiko eingegangen, im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO mit den Kosten belastet zu werden.

Abgesehen davon rechtfertigt auch das Verhalten der Antragsgegnerin zu 1) nach Erhalt der Abmahnung nicht die Annahme, dass sie im Fall einer Abmahnung vor Erlass der einstweiligen Verfügung Veranlassung zum Verfügungsantrag gegeben hätte. Denn die vollständige Abmahnung erhielt die Antragsgegnerin zu 1) erst am 23.11.2009. Die vorherige Übersendung per Telefax am 20.11.2009 umfasste ausweislich des Sendeberichts (Anlage ASt 26) lediglich zwei Seiten und ließ eine zuverlässige Prüfung der geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Noch innerhalb der bis zum 07.12.2009 verlängerten, nunmehr zwei Wochen andauernden Frist teilte die Antragsgegnerin mit, den Verkauf der streitgegenständlichen Geräte gestoppt zu haben und grundsätzlich zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bereit zu sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich die zugleich geäußerte Bitte, die Frist um gerade einmal zwei Tage bis zum 09.12.2009 zu verlängern, nicht als unangemessen Verzögerung dar, auf die die Antragstellerin keine Rücksicht hätte nehmen müssen. Dass die Antragsgegnerin dann am 08.12.2009 die verlangte vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung in Kenntnis der – bereits erlassenen aber noch nicht zugestellten – einstweiligen Verfügung abgab, ist kein Beleg dafür, dass sie sich ohne Kenntnis von der einstweiligen Verfügung nicht unterworfen hätte.

3. Die Abmahnung vor Erlass der einstweiligen Verfügung war im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich. Der Auffassung der Antragstellerin, eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, weil andernfalls der Sequestrationsantrag (Antrag zu III. lit. b) vereitelt worden wäre, kann im vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Grundsätzlich ist der Antragstellerin zuzugeben, dass eine vorherige Abmahnung unzumutbar ist, wenn durch die damit verbundene Warnung des Schuldners der Rechtsschutz vereitelt würde, wie dies beispielsweise dann der Fall ist, wenn mit der einstweiligen Verfügung nicht nur Unterlassung, sondern auch eine Sequestration begehrt wird. Die Abmahnung könnte dem Verletzer die Möglichkeit eröffnen, zur Vermeidung wesentlicher Nachteile den vorhandenen angegriffenen Warenbestand beiseite zu schaffen und damit den Anspruch des Verletzten auf Vernichtung der Ware zu unterlaufen (KG GRUR 2008, 372 – Abmahnkosten; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 29 – Cerebro Card; GRUR-RR 2004, 191 – Flüchtige Ware; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1064; Hefermehl/Bornkamm, UWG 28. Aufl.: § 12 Rn 1.48 m.w.N.). Maßgeblich ist, ob die Umstände des konkreten Einzelfalls geeignet sind, bei dem Berechtigten die ernste Besorgnis zu begründen, dass der Unterlassungsschuldner sich bei einer vorherigen Abmahnung um schnelle Beseitigung eines etwa vorhandenen Warenbestandes bemühen werde (KG GRUR 2008, 372 – Abmahnkosten; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 191 – Flüchtige Ware; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1064). In Fällen der Weiterverbreitung schutzrechtsverletzender Ware darf der Unterlassungsgläubiger regelmäßig davon ausgehen, dass der Verletzer die Sequestrierung zu vereiteln versucht, um die sich aus einer Sequestrationsanordnung ergebenden wirtschaftlichen Nachteile zu vermeiden (KG GRUR 2008, 372 – Abmahnkosten; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 191 – Flüchtige Ware). Dies kann jedoch nicht einschränkungslos gelten. In Fällen der vorliegenden Art könnten Schutzrechtsinhaber sich veranlasst sehen, den Sequestrationsanspruch nur deshalb geltend zu machen, um auf diese Weise die hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs grundsätzlich bestehende Abmahnungsobliegenheit zu umgehen. Um einen solchen Missbrauch bzgl. der Beantragung der Sequestration auszuschließen, ist es notwendig, dass im Einzelfall geprüft wird, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand (KG GRUR 2008, 372 – Abmahnkosten; Hefermehl/Bornkamm, UWG 28. Aufl.: § 12 Rn 1.48a).

Von einem solchen schützenswerten Sicherungsinteresse kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Denn dadurch, dass die Antragstellerin zeitgleich mit Erhalt der einstweiligen Verfügung die Antragsgegnerin zu 1) zunächst nur abmahnte und die einstweilige Verfügung weder zustellte, noch einen Auftrag zur Sequestration erteilte, hat sie jedenfalls einem objektiven Sicherungsinteresse zuwider gehandelt. Dann kann es aber nicht dabei verbleiben, nur allgemein ein objektives Sicherungsinteresse zu verlangen. Vielmehr ist zu verlangen, dass von der Antragstellerin schlüssig dargelegt wird, wieso trotz eines bestehenden Sicherungsinteresses gerade im vorliegenden Einzelfall auf Grund von welchen Erkenntnissen auf eine Sequestration verzichtet wurde (vgl. KG GRUR 2008, 372 – Abmahnkosten). Dies hat die Antragstellerin nicht getan. Hingegen spricht gegen die Annahme eines ernsthaften Sicherungsinteresses der Umstand, dass die Antragsstellerin damit rechnen musste, dass die Antragsgegnerin zu 1) über ihre Lieferantin, der die einstweilige Verfügung bereits am 19.11.2009 zugestellt worden war, Kenntnis von der bevorstehenden Sequestration erhalten und diese unter Umständen vereiteln würde.

Die Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund der unmittelbar bevorstehenden Messe „Medica“. Denn es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin zu 1) als Aussteller auf der Messe auftritt. Der pauschale Vortrag, der Hersteller – gemeint ist wohl die Antragsgegnerin zu 2) – weise bei einem Messeauftritt normalerweise Interessenten auf seine Vertriebspartner hin, bietet keine Erklärung, warum eine vorherige, gegebenenfalls auch nur kurzfristige Abmahnung nicht mehr zumutbar war.

II.
Die Kosten hinsichtlich des Antrags zu III. sind der Antragsstellerin gemäß § 93 ZPO aufzuerlegen.

Durch ihren Kostenwiderspruch hat die Antragsstellerin den Antrag zu III. anerkannt (Hefermehl/Köhler, UWG 28. Aufl.: § 12 Rn 3.42). Es handelt sich dabei um ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO, weil der Kostenwiderspruch auf die der Antragsgegnerin zu 1) am 14.12.2009 zugestellte einstweilige Verfügung bereits am 23.12.2010 eingelegt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin (mit Schreiben vom 08.12.2009) bereits in Aussicht gestellt, umfassend Auskunft zu erteilen. Dies erfolgte bereits am 17.12.2009. Zudem hat die Antragsgegnerin zu 1) durch ihr Verhalten keine Veranlassung zum Verfügungsantrag gegeben, weil zuvor keine Abmahnung erfolgte (vgl. BGH GRUR 2010, 257, 258 f – Schubladenverfügung). Diese war aufgrund der vorstehenden Ausführungen auch im Hinblick auf den geltend gemachten Sequestrationsanspruch nicht entbehrlich.

III.
Da aufgrund der vorstehenden Ausführungen eine von der Beschlussverfügung abweichende Kostenfolge ergeht, die Antragsgegnerin zu 2) von der Änderung der Kostenentscheidung aber nicht betroffen ist, wird die Kostenentscheidung ingesamt neu gefasst. Eine inhaltliche Änderung der auf die Antragsgegnerin zu 2) entfallenden Kostenlast ist damit nicht verbunden, weil bereits nach dem ursprünglichen Kostentenor die Antragsgegnerin zu 2) mangels Ausspruchs einer gesamtschuldnerischen Haftung der Antragsgegnerinnen nur die Hälfte der Kosten tragen musste.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: 1.000.000,00 EUR
bezüglich der Antragsgegnerin zu 1): 500.000,00 EUR