2 U 67/07 – Entkopplungsmatte II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1070

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Januar 2009, Az. 2 U 67/07

Vorinstanz: 4b O 308/06

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. Juni 2007 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangsweise durchzusetzenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,– € festgesetzt.

G r ü n d e:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des im. April 1999 angemeldeten europäischen Patents 1 073 ZZZ (Anlage rop 4, Klagepatent), dessen Erteilung im Januar 2004 veröffentlicht wurde und das eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff betrifft.
Anspruch 1 des Klagepatentes hat folgenden Wortlaut:
„Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in eine Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3,
N 5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) ist.“

Die nachfolgenden Abbildungen geben ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Trägerplatte wieder, wobei Figur 1b eine dreidimensionale und Figur 4 eine senkrechte Schnittdarstellung in der Einbausituation zeigen.

Gegen die Erteilung des Klagepatents ist ein Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt anhängig.

Die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2 stehende Beklagte zu 1 vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A“ eine Entkopplungsmatte und Verbundabdichtung für Fliesenbeläge, mit der die Verlegung auf Untergründen, die auf thermische Veränderungen bzw. Veränderungen der Luftfeuchtigkeit reagieren, ermöglicht wird. Struktur und Aufbau der Entkopplungsmatte sind aus dem von der Klägerin als Anlage rop 10 zur Akte gereichten Musterstück sowie aus der als Anlage rop 9 vorgelegten Produktinformation ersichtlich, die nachfolgend wiedergegeben wird.

Am 8./9. Juni schloss die Klägerin mit der B-Kunststoffverarbeitungs-GmbH (nachfolgend B) einen in seiner Tragweite von den Parteien dieses Rechtsstreits unterschiedlich beurteilten Vergleich (Anlage L 6), in dem sich die Klägerin verpflichtete, keine rechtlichen Schritte gegen den konstruktiven Aufbau einer von B entwickelten und der Klägerin vorgestellten Entkopplungsplatte einzuleiten.
Die Klägerin ist der Auffassung, die von den Beklagten vertriebene Entkopplungsmatte mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Zumindest stelle es eine patentrechtlich äquivalente Maßnahme dar, anstelle eines Hinterschnitts ein in eine Kammer hineinragendes Gitter an einem Teil eines Steges bzw. einer Ausprägung anzubringen. Die Klägerin nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die angegriffene Ausführungsform mache von den Merkmalen des Patentanspruchs 1 weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Unter ergänzender Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens machten sie geltend, Voraussetzung für das Vorliegen eines patentgemäßen Hinterschnitts sei lediglich, dass er in eine Kammer hineinrage und Teil eines Steges bzw. einer Ausprägung sei. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, da das auf die Trägerplatte aufkaschierte Gitter Teil der Stege werde und die Fäden des Gitters zu einer Verkleinerung des freien Eintrittsquerschnitts jeder Kammer führten, also in die Kammern hineinragen würden. Zumindest liege ausgehend von der deutschen Offenlegungsschrift 37 01 XYZ (Anlage rop 6) sowie dem deutschen Gebrauchsmuster 85 31 XYY (Anlage rop 14) unter Äquivalenzgesichtspunkten eine Verletzung des Klagepatents vor.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und
I. die Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies vorgesehen ist,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) ist;
– hilfsweise: und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragendes Gitter an einem Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) angebracht ist;
insbesondere wenn
die vorgenannte Platte weiter dadurch gekennzeichnet ist, dass die zu einer Seite offenen Ausprägungen bzw. Stege (N 1 bis N 6 bzw. S 1 bzw. S 6) Nuten mit einem im wesentlichen rechteckigen Querschnitt bilden, so dass sich kreuzende Nutenscharen gebildet sind;
und/oder
wenn die Platte weiter dadurch gekennzeichnet ist, dass zwei sich kreuzende Nutenscharen (N 1 bis N 6 bzw. S 1 bzw. S 6) vorgesehen sind;
und/oder
wenn die Platte weiter dadurch gekennzeichnet ist, dass der Abstand der Nuten (N 1, N 3, N 5) der ersten Nutenschar voneinander und der Abstand der Nuten (N 2, N 4, N 6) der weiteren bzw. zweiten Nutenschar voneinander gleich ist;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 2. Februar 2004 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Trägerplatten sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigten und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder nicht gewerblicher Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigten und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder nicht gewerblicher Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Rechnungen und Lieferpapiere vorzulegen haben;
3. die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer 1. beschriebenen Trägerplatten zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten heauszugeben.
II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I. 1. bezeichneten, seit dem 2. Februar 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da der zwischen der Klägerin und ihrem Lieferanten, der B, geschlossene Vergleich, die Verpflichtung enthalte, keine rechtlichen Schritte gegen die angegriffene Ausführungsform einzuleiten. Zumindest seien die Rechte aus dem Klagepatent insoweit erschöpft. Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über keinen in die Kammern hineinragenden Hinterschnitt, der Teil der Stege bzw. Ausprägungen sei. Das Aufkaschieren eines grobmaschigen Gitters stelle auch kein patentrechtlich äquivalentes Mittel dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.
Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist – wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat – zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt der zwischen der Klägerin und der B geschlossene Vergleich (Anlage L 6) den Beklagten gegenüber weder die Klagbarkeit der geltend gemachten Ansprüche noch das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.

Ausweislich seiner Präambel dient der Vergleich der Beilegung von Patent- und Gebrauchmusterstreitigkeiten zwischen der Klägerin und B. In diesem Rahmen gingen die Parteien des Vergleichs gegenseitige Verpflichtungen ein. Soweit sich die Klägerin unter III. 2 des Vergleichs gegenüber B verpflichtete, keine rechtlichen Schritte gegen den konstruktiven Aufbau einer von dieser entwickelten und der Klägerin vorgestellten Entkopplungsmatte einzuleiten, ist nichts dafür ersichtlich, dass es dem Willen der Parteien des Vergleichs entsprach, dass sich auch Dritte unmittelbar auf die Regelungen des Vergleichs berufen können sollen. Allein der Umstand, dass B nicht nur Endkunden, sondern auch Zwischenhändler beliefert, lässt auf einen solchen Parteiwillen nicht schließen. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass B solche Lieferhandlungen gestattet sein sollten, erfordert dies keine unmittelbare Geltung der Vergleichsregelung für Zwischenabnehmer von B. Denn eine derartige Ge- stattung hat zur Folge, dass in Bezug auf mit Erlaubnis der Klägerin vertriebene Gegenstände die Rechte aus dem Patent erschöpft sind.

2.
Zu Recht hat das Landgericht auch entschieden, dass die Klage unbegründet ist. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

a.
Das Klagepatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung.

Das Aufbringen von Bekleidungen, insbesondere Keramikplatten, ist nach den einleitenden Angaben der Klagepatentschrift problematisch. Denn aufgrund unterschiedlicher Wärmeausdehnungen und den damit verbundenen Spannungen können Risse in der Bekleidung entstehen. Auch das Ablösen von Bekleidungsplatten ist aufgrund solcher Spannungszustände feststellbar. Bei Keramikplattenbelägen, die vielfach im sogenannten Dünnbettverfahren verlegt werden, bereiten die unterschiedlichen Haftungsbedingungen an der Unterseite einer solchen Platte bzw. an dem Untergrund Schwierigkeiten.

Um in solchen Anwendungsfällen auftretende Spannungsunterschiede abzubauen bzw. den Aufbau bezüglich der auftretenden Spannung vom Untergrund zu entkoppeln, sind der Klagepatentschrift zufolge im Stand der Technik Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff vorgeschlagen worden. Die Klagepatentschrift verweist insoweit auf eine Platte, die aus der deutschen Offenlegungsschrift 37 01 XYZ (Anlage rop 6) vorbekannt ist. Wie aus der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der Offenlegungsschrift ersichtlich, wird durch abwechselnd nach beiden Plattenseiten hin offene schwalbenschwanzförmige Nuten eine Trägerplatte gebildet, die sich bei Druck- und Zugbeanspruchung quer zum Verlauf dieser Nuten bewegen kann.

Wird eine solche Trägerplatte am Untergrund befestigt und darauf eine Bekleidung mit Kontaktmittel aufgebracht, so kann ein Spannungsausgleich in der vorgenannten Richtung herbeigeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass sich die gebildeten Nuten nicht mit dem Kontaktmittel, beispielsweise einem Mörtel, vollständig ausfüllen. Um dieses Ausfüllen zu verhindern, wird die Platte an der Rückseite mit einem netzartigen Textil oder einem Vlies versehen.

Als nachteilig an der vorbekannten Trägerplatte kritisiert die Klagepatentschrift, dass solche Trägerplatten nur in einer Richtung dehnfähig bzw. zusammendrückbar sind. Mit derartigen Platten werde ein Spannungsabbau in nicht ausreichender Weise ermöglicht.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das technische Problem zugrunde, eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für den plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine entsprechende Wand vorzuschlagen, mit der in optimierender Weise die auftretenden unterschiedlichen Ausdehnungen zwischen Untergrund und Bekleidung und daraus resultierende Spannungen abgebaut bzw. entkoppelt werden.

Zur Lösung dieses Problems sieht Patentanspruch 1 eine Trägerplatte für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Die Trägerplatte besteht aus folienartigem Kunststoff.

2. Die Trägerplatte weist auf einer Seite eine Strukturierung auf,
2.1 die Vertiefungen durch im Wesentlichen in eine Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) ausbildet und
2.2 die aus mindestens einer weiteren Schar weiterer Ausprägungen (N 2, N 4, N 6) besteht, die in einer weiteren Richtung verlaufen und die in die erste Richtung verlaufenden Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzen;
2.3 die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) sind umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt;
2.4 ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) ist Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6).

3. Die Trägerplatte weist auf der anderen Seite
3.1 niveaugleiche, erhabene Bereiche auf, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) gebildet sind zur Aufnahme eines aushärtenden Kontaktmittels zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung;
3.2 an der Unterseite der Platte ist ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen.

Den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift zufolge weist die erfindungsgemäße Platte aus folienartigem Kunststoff eine sich kreuzende Strukturierung auf, bei der auf einer Plattenseite sich kreuzende Ausprägungen ausgebildet sind, die jeweils umfänglich geschlossene Kammern bilden. Auf der anderen Seite bilden diese Ausprägungen Nuten, so dass die andere Plattenseite durch sich kreuzende Nutenscharen bestimmt ist. Beim Verlegen dieser Platten in der sogenannten Verbundabdichtungstechnik verklammert sich der Mörtel, der die Oberflächenbekleidungen trägt, stelzenartig in den hinterschnittenen Kammern, wodurch ein inniger Verbund entsteht. Die folienartige Platte ist in beiden Richtungen ihrer Erstreckungsebene dehnfähig bzw. zusammendrückbar. Die Schrumpfungsspalte zwischen den Mörtelstelzen und den Kammerwänden erlauben zusätzlich ein Bewegungsspiel der mit dem Untergrund fest verbundenen Trägerplatte.

b)
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Merkmal 2.4 ist weder wortsinngemäß noch in patentrechtlich äquivalenter Weise verwirklicht.

aa)
Die patentgemäße Trägerplatte besteht aus folienartigem Kunststoff (Merkmal 1). Diese Kunststoffplatte ist mit einer bestimmten Strukturierung versehen, die durch sich kreuzende Ausprägungen entsteht (Merkmale 2.1, 2.2; Sp. 2 Z. 2 der Beschreibung). Die sich kreuzenden Ausprägungen bilden (Mörtel-)Kammern aus, die umfänglich durch die Stege der Ausprägungen begrenzt sind (Merkmal 2.3; Sp. 2 Z. 2-5). Die so gebildeten Kammern weisen gemäß Merkmal 2.4 einen Hinterschnitt auf, von dem es wiederum heißt, dass er „Teil eines Steges bzw. einer Ausprägung“ ist. Betrachtet man die patentgemäße Merkmalskombination in ihrer Gesamtheit und ihrem technischen Zusammenhang steht für den Fachmann außer Zweifel, dass Ausprägungen, Kammern und der in die Kammern hineinragende Hinterschnitt durch die Strukturierung des folienartigen Kunststoffes gebildet werden, aus dem die gesamte Trägerplatte besteht.

Bei der angegriffenen Ausführungsform ist der verwendete folienartige Kunststoff zwar in einer Weise strukturiert, dass Ausprägungen und Kammern entstehen. Hinterschneidungen, wie sie Merkmal 2.4 verlangt, werden durch die Strukturierung des folienartigen Kunststoffes jedoch nicht gebildet. Daran ändert auch nichts, dass auf der Seite mit den Kammern ein grobmaschiges Netz aufkaschiert ist. Denn zum einen handelt sich bei den Fäden dieses Netzes um keinen folienartigen und damit in patentgemäßer Weise strukturierbaren Kunststoff; zum anderen kann in technisch sinnvoller Weise nicht davon gesprochen werden, dass die aufkaschierten Netzfäden Teil der Stege bzw. Ausprägungen sind. Denn diese sollen – wie ausgeführt – gerade durch die Strukturierung des folienartigen Kunststoffes entstehen. Eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 2.4 scheidet damit aus.

bb)
Merkmal 2.4 ist auch nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.

Um feststellen zu können, dass eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführungsform unter Äquivalenzgesichtspunkten in den Schutzbereich fällt, ist erforderlich, dass sie (erstens) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst, (zweitens) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden und (drittens) die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH, GRUR 2002, 515, 516 – Schneidmesser I, m.w.N.).

Die patentgemäßen Kammern dienen zur Aufnahme des Mörtels, mit dem die Oberflächenbekleidung (z.B. Fliesen) befestigt wird (vgl. Abs. 0007 der Beschreibung). Den in die Kammern hineinragenden Hinterschneidungen kommt dabei die Funktion zu, den Mörtel nicht nur mit der Oberflächenbekleidung, sondern auch mit der Trägerplatte zu verbinden. Wird der Mörtel in die Kammern gegossen, hinterfließt er die Hinterschneidungen. Ist er ausgehärtet, verklammert er sich stelzenartig in den hinterschnittenen Kammern, wodurch ein inniger Verbund entsteht (Sp. 2 Z. 8-12). Eben in diesem Sinne heißt es in der Patentschrift (Sp. 3 Z. 49-52) zu einem bevorzugten Ausführungsbeispiel, dass der in die Kammer eingebrachte Mörtel nach seinem Aushärten formschlüssig in ihr gehalten und dadurch mit der Trägerplatte verbunden wird.

Wie bereits ausgeführt, entnimmt der Fachmann Patentanspruch 1 die technische Lehre, Ausprägungen, Kammern und auch den in die Kammern hineinragenden Hinterschnitt – kurz gesagt sämtliche auf der Seite der Oberflächenbekleidung befindlichen Funktionsteile der patentgemäßen Trägerplatte – durch die Strukturierung des folienartigen Kunststoffes zu bilden. Orientiert sich der Fachmann an diesem Sinngehalt des Anspruchs, wird er Lösungen, bei denen die patentgemäßen Wirkungen nicht durch die Strukturierung des folienartigen Kunststoffes, sondern durch Verbinden der Folie mit weiteren Materialien (wie Vliesstoffen oder Gitternetzen) nicht als gleichwertige Lösung in Betracht ziehen. Denn damit würde sich der Fachmann nicht nur von dem Lösungsprinzip verabschieden, sich die Eigenschaft der Kunststofffolie, in bestimmter Weise strukturiert werden zu können, zu Nutze zu machen, sondern auch den Eintritt der erfindungsgemäßen Wirkungen generell in Frage stellen. Zum einen kann eine zusätzliche Schicht die patentgemäß erwünschte, dem Spannungsabbau dienende Dehnungsfähigkeit der Trägerplatte beeinträchtigen. Zum anderen besteht die Gefahr, dass der Mörtel darin gehindert wird, (vollständig) in die Kammern zu fließen, diese auszufüllen und nach dem Aushärten einen festen Verbund zwischen Trägerplatte und Oberflächenbekleidung herzustellen. Diese Probleme mögen sich durch die Wahl eines grobmaschigen Netzes – wie es bei der angegriffenen Ausführungsform auf die Trägerplatte aufkaschiert wurde – abschwächen oder umgehen lassen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Fachmann eine derartige Vorgehensweise gegenüber der technischen Lösung der Lehre des Klagepatents nicht als gleichwertig angesehen und Betracht gezogen haben wird.

Im Übrigen lässt sich auch nicht feststellen, dass es für den Fachmann naheliegend war, anstatt von in der Strukturierung der Kammern vorgesehenen Hinterschneidungen ein grobmaschiges Netz auf die Trägerplatte aufzukaschieren. Eine derartige Maßnahme erscheint schon deshalb fernliegend, weil insoweit von einem im allgemeinen Teil der Patentbeschreibung (Sp. 2 Z. 8-12) angesprochenen stelzenartigen Verklammern des Mörtels in der Kammer kaum die Rede sein kann. Darüber hinaus legt entgegen der Auffassung der Klägerin die deutsche Offenlegungsschrift 37 01 XYZ (Anlage rop 6) die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Abwandlung nicht nahe. In der Offenlegungsschrift (Sp. 2 Z. 55-57) wird zwar offenbart, dass es sinnvoll sein kann, nicht nur auf der Rück- sondern auch auf der Vorderseite der Kunststofffolie ein grobmaschiges Vlies anzuordnen. Das hat jedoch nicht den Zweck, die auch schon in dieser Druckschrift offenbarten Hinterschneidungen (Sp. 2 Z. 47 ff.) zu ersetzen, sondern ist nur für zwei bestimmte Anwendungsfälle vorgesehen. Danach kann in einem Fall ein grobmaschiges Vlies als zusätzliches Verklammerungselement eingesetzt werden, wenn keine Keramikplatten, sondern ein Putzmörtel direkt aufgebracht werden soll (Sp. 4 Z. 42 ff der Offenlegungsschrift). In einem weiteren Fall wird das grobmaschige Vlies aufgebracht, um zu erreichen, dass die hinterschnittenen Nuten sich zumindest zum Teil nicht mit Mörtel füllen und auf diese Weise Hohlräume verbleiben, die als zusätzliche Druckausgleichräume dienen sollen (Sp. 3 Z. 21-27 der Offenlegungsschrift). Aufgrund dieser andersartigen Zweckrichtung bietet die Offenlegungsschrift für den Fachmann keine Anregung, die patentgemäßen Hinterschneidungen durch Verwendung eines grobmaschigen Netzvlieses zu ersetzen. Er wird sich hiervon vielmehr abgehalten sehen, da dies nach der Offenbarung der Offenlegungsschrift zu einem unvollständigen Ausfüllen der Kammern mit Mörtel führen kann, so dass nicht nur die in der Klagepatentschrift (Sp. 2 Z. 18-21) angesprochenen Schrumpfungsspalte zwischen den die Oberflächenbekleidung tragenden Mörtelstelzen entstehen können, sondern die Gefahr besteht, dass nicht in hinreichendem Maße stabile Mörtelstelzen gebildet werden, die die Oberflächenbekleidung (insbesondere bei Belastung) sicher tragen können. Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem von der Klägerin erstmals im Berufungsverfahren eingeführten Gebrauchsmuster 85 31 XYY.7 (Anlage rop 14). Dieser Schrift kann der Fachmann schon deshalb keine Anregung entnehmen, weil sie einen Gegenstand betrifft, der mit der Lehre des Klagepatents in keinerlei Verbindung steht, nämlich eine Vorrichtung zur inneren Verkleidung von feuchten Gebäudewänden, bei der ein Kunststoffprofil mit Belüftungsöffnungen verwendet wird.

III.

Da die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 ZPO auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch fordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung.