2 U 68/10 – Türlagerwinkel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1672

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. August 2011, Az. 2 U 68/10

Vorinstanz: 4a O 220/09

I.
Die Berufung gegen das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29.04.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. I. 3) des landgerichtlichen Tenors wie folgt gefasst wird:

die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und seit dem 12.03.2009 in Verkehr gelangten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 203 21 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklage zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Beklagte die Vernichtung der Erzeugnisse beim jeweiligen Besitzer veranlasst;

II.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 150.000,- € festgesetzt.

V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 203 21 XXX (Klagegebrauchsmuster), das einen Türlagerwinkel für ein schrankartiges Haushaltsgerät zum Gegenstand hat. In der am 13.05.2003 angemeldeten und am 08.01.2009 eingetragenen Fassung lauteten seine ersten beiden Schutzansprüche wie folgt:

„1. Schrankartiges Haushaltsgerät mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm (1) und einen von dem Trägerarm (1) in einer ersten Richtung abstehenden Lagerzapfen (3) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Lagerzapfen (3) mit dem Trägerarm (1) über einen auf einen Endabschnitt des Trägerarms (1) aufschiebbaren und an diesem verrastbaren Steckschutz (2) verbunden ist.

2. Haushaltsgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Lagerzapfen (3) hohl zum Aufnehmen des Stiftteiles eines Fußes (4) ausgelegt ist.“

Die Bekanntmachung der Eintragung dieser Ansprüche erfolgte am 12.02.2009. Auf das von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17.08.2009 eingeleitete Löschungsverfahren verteidigte die Klägerin das Klagegebrauchsmuster mit Schriftsatz vom 26.11.2009 dahingehend eingeschränkt, dass Anspruch 1 durch eine Kombination der Ansprüche 1 und 2 und der Begriff „Steckschutz“ durch „Steckschuh“ ersetzt wurde. In dieser Fassung wurde Schutzanspruch 1 von der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes durch – von der Beklagten angefochtenen – Beschluss vom 29.11.2010 vollständig aufrechterhalten. Er lautet deshalb nunmehr wie folgt:

„Schrankartiges Haushaltsgerät mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm (1) und einen von dem Trägerarm (1) in einer ersten Richtung abstehenden Lagerzapfen (3) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Lagerzapfen (3) mit dem Trägerarm (1) über einen auf einen Endabschnitt des Trägerarms (1) aufschiebbaren und an diesem verrastbaren Steckschuh (2) verbunden ist, und dass der Lagerzapfen (3) hohl zum Aufnehmen des Stiftteiles eines Fußes (4) ausgelegt ist.“

Die nachfolgend eingeblendeten Skizzen der Klagegebrauchsmusterschrift erläutern die erfindungsgemäße Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt die perspektivische Ansicht eines erfindungsgemäßen Türlagerwinkels mit Trägerarm, Lagerzapfen und verstellbarem Fuß, Figur 2 eine perspektivische Ansicht des unteren Bereich eines Kältegerätegehäuses mit daran montiertem Lagerzapfen, Figur 4 den Türlagerwinkel mit im Schnitt dargestelltem Lagerzapfen:

Die Beklagte stellt her und vertreibt Kühlgeräte, insbesondere Kühlschränke. Soweit diese mit Lagerwinkeln ausgestattet sind, deren Aufbau in den nachfolgend eingeblendeten, der klägerischen Anlage K 5 entnommenen Fotografien wiedergegeben ist, sind sie Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits (angegriffene Ausführungsformen). Die Fotografien zeigen einen Lagerwinkel (1) und einen Lagerzapfen (3), in den ein Fuß (4) eingeschraubt wird. Der Lagerzapfen ist von unten dergestalt in eine Öffnung des Winkels eingesetzt, dass er horizontal nicht verschiebbar ist, aber ohne weitere Maßnahmen auch wieder herausfällt, wenn kein Druck auf den Fuß aufgebracht wird. Auf den Winkel (1) aufgeklipst wird deshalb das mit der Bezugsziffer (2) gekennzeichnete Kunststoffteil, welches mit einer Ausnehmung den Zapfen von unten gegen den Winkel drückt. Lichtbild 2 zeigt den in den Winkel (1) eingesetzten Zapfen (3) ohne aufgeschobenes Kunststoffteil (2). Auf den Lichtbildern 1, 3 und 4 ist das Kunststoffteil (2) auf den Winkel (1) geschoben und dort verrastet, wobei die Fotos 3 und 4 die Unterseite der verrasteten Teilekombination zeigen und insbesondere auf Foto 4 zu erkennen ist, wie das Kunststoffteil über seine Ausnehmung das Bauteil Ziffer 13 am Winkel hält.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch. Sie hat die Beklagte deshalb mit anwaltlichem Schreiben vom 10.07.2009 (Anlage B 13) abgemahnt, wobei sie den Schutzanspruch 1 in der vorliegenden, der Selbstbeschränkung im Löschungsverfahren entsprechenden Fassung geltend machte (siehe S. 3 und 6 des der Abmahnung anliegenden Klageentwurfs). Die Beklagte wies den Vorwurf nach rechts- und patentanwaltlicher Prüfung mit Schreiben vom 14.08.2009 zurück.

Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht seit dem 12.03.2009, Rückruf seit dem 01.09.2008 in den Verkehr gelangter Erzeugnisse und Erstattung vorprozessualer Kosten i.H.v. 3.110,57 € in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat – unter Hinweis auf die im Löschungsverfahren erhobenen Einwendungen – eine Bestandsfähigkeit des Klagegebrauchsmusters ebenso in Abrede gestellt wie eine Verletzung desselben. In Bezug auf letzere hat sie die Auffassung vertreten, erfindungsgemäß müssten Lagerzapfen und Steckschuh einteilig ausgebildet sein. Widerklagend hat sie ihrerseits die Erstattung vorprozessualer Kosten i.H.v. 3.729,26 € begehrt.

Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen und der Klage mit folgendem Tenor vollumfänglich stattgegeben:

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1) es zu unterlassen,
schrankartige Haushaltsgeräte mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm und einen von dem Trägerarm in einer ersten Richtung abstehenden Lagerzapfen aufweist,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Lagerzapfen mit dem Trägerarm über einen auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbaren und an diesem verrastbaren Steckschuh verbunden ist, wobei der Lagerzapfen hohl zum Aufnehmen des Stiftteils eines Fußes ausgelegt ist;

2) der Klägerin in einem geordneten, nach Kalenderjahren aufgeteilten Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.03.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, der seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3) die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und seit dem 01.09.2008 in Verkehr gelangten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 203 21 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklage zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Beklagte die Vernichtung der Erzeugnisse beim jeweiligen Besitzer veranlasst;

4) an die Klägerin 3.110,57 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2009 zu zahlen.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 12.03.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Klagegebrauchsmuster sei im Umfang des verteidigten Schutzantrages 1 – aus jeweils näher dargelegten Gründen – schutzfähig, nicht unzulässig erweitert und auch nicht im Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen; seine technische Lehre sei erfinderisch. Von dieser technischen Lehre machten die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß Gebrauch. Dies gelte auch für die zwischen den Parteien streitige Verbindung von Trägerarm und Lagerzapfen durch den Steckschuh. Schutzanspruch 1 in der verteidigten Fassung lasse offen, wie die durch den Steckschuh vermittelte Verbindung zwischen Trägerarm und Lagerzapfen zu gestalten sei. Es könne sich daher um eine unmittelbare oder eine mittelbare Verbindung handeln. Eine Beschränkung des Anspruchs auf die in den bevorzugten Ausführungsbeispielen gezeigte Ausformung des Steckschuhs als vermittelndem Zwischenstück zwischen Lagerzapfen und Trägerarm sei unzulässig. Bei den angegriffenen Ausführungsformen finde eine erfindungsgemäße Verbindung von Trägerarm und Lagerzapfen dadurch statt, dass der Lagerzapfen mittels des Steckschuhs in einer Ausnehmung des Trägerarms so festgelegt werde, dass er nicht herausfallen und auch bei einem Anheben oder Verschieben des Haushaltsgerätes nicht wackeln oder verkanten könne.

Sowohl ihre Verurteilung als auch die Abweisung der Widerklage greift die Beklagte mit der Berufung an. Sie macht unter anderem geltend, das Klagegebrauchsmuster sei trotz seiner Aufrechterhaltung durch das Deutsche Patent- und Markenamt nicht bestandsfähig und werde auf die von ihr eingelegte Beschwerde gelöscht werden. Das Klagegebrauchsmuster sei durch das Vertauschen der Begriffe „Steckschuh“ und „Steckschutz“ sowie durch Weglassen in den angemeldeten Ansprüchen 1 und 3 weiter vorgesehener Merkmale unzulässig erweitert. Merkmalsgruppe 4 – der unten wiedergebenen Merkmalsanalyse – sei in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht offenbart. Der Fachmann lese die Beschreibungsstelle Seite 2 letzter Absatz der Anmeldungsunterlagen, die die mittels Steckschuh erfolgende Verbindung zwischen Lagerzapfen und Trägerarm in ihrer Gestaltung in der Tat offen lasse, in Verbindung mit dem angemeldeten Anspruch 7. Da dieser eine feste Verbindung von Lagerzapfen und Steckschuh vorsieht, sei für den Fachmann offensichtlich, dass nur die in Anspruch 7 wiedergegebene Steckschuh-Variante offenbart sei. Die Steckschuh-Verbindung müsse zudem die einzige Verbindung sein und, wie die Formulierung „über“ vermittele, durch den Steckschuh als zwischen Trägerarm und Lagerzapfen geschaltetes Zwischenelement erfolgen. Dies alles sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall. Es werde nach der Argumentation der Klägerin in einem parallelen Patentverletzungsverfahren noch nicht einmal der Zapfen mit dem Trägerarm verbunden, da das in den Trägerarm eingreifende Bauteil zwar am Zapfen angeformt sei, aber selber einen Teil des Trägerarms darstelle. Auch fehle dem der Klage zugrunde liegenden Schutzanspruch 1 u.a. im Hinblick auf diversen, von ihr – der Beklagten – nachrecherchierten Stand der Technik die Schutzfähigkeit. Da die einzelnen Merkmale des geltend gemachten Schutzanspruchs verschiedene Funktionen erfüllten, bedürfe es hierzu noch nicht einmal einer Kombination, sondern nur einer Aggregation bekannter Merkmale. Selbst die Kombination der Entgegenhaltung liege für den Fachmann in vielerlei Hinsicht nahe und führe zu einem Steckschuh im Sinne des Merkmals 4. Aus dem Gesagten folge, dass nicht nur die Klage unbegründet, sondern auch die Widerklage begründet sei. Jedenfalls sei bis zur Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung das für einen Schadensersatzanspruch notwendige Verschulden der Beklagten zu verneinen, da der bis dahin im Anspruch beanspruchte Steckschutz etwas anderes als der nunmehr beanspruchte Steckschuh darstelle.

Die Beklagte beantragt,

I. in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage vollumfänglich abzuweisen,

II. in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 3.729,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen,

III. hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagegebrauchsmuster eingereichten Löschungsantrag auszusetzen.

Die Klägerin hat die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen, soweit mit ihr ursprünglich der Rückruf vor dem 12.03.2009 in den Verkehr gebrachter Erzeugnisse begehrt worden war.
Sie beantragt,
den Aussetzungsantrag und die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, selbst wenn der Trägerarm der angegriffenen Ausführungsform als zweiteilig angesehen werden sollte, erfolge die Verbindung des Lagerzapfens mit dem Trägerarm (als Ganzem) erst durch den Steckschuh. Da das Klageschutzrecht die besondere Standfestigkeit des Gerätes erst durch die Kombination von Fuß und Lagerzapfen erreiche, genüge eine Aggregation von Entgegenhaltungen nicht. Eine nahe liegende Kombination, die zur vorliegenden Erfindung führe, gebe es nicht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist im noch geltend gemachten Umfang begründet. Die Widerklage ist unbegründet.

1.) Klage

a)
Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Türlagerwinkel für die drehbare Aufhängung einer Tür eines schrankartigen Haushaltsgerätes, insbesondere eines Kühl- oder Gefrierschrankes.
Solche Türlagerwinkel beschreibt das Klagegebrauchsmuster, ohne konkreten druckschriftlichen Stand der Technik zu benennen, als in der Form bekannt, dass die herkömmlichen Türlagerwinkel einen am Gehäuse des Haushaltsgerätes zu befestigenden Trägerarm umfassen, der an einem Ende einen im Wesentlichen vertikal abstehenden Zapfen trägt. Dieser ist vorgesehen, um in eine Bohrung der Tür eingesteckt zu werden und so eine vertikale Schwenkachse für die Tür zu definieren. Er ist im Allgemeinen als massiver Metallstift ausgeformt, der in eine Bohrung des ebenfalls metallischen Trägerarms eingesteckt und in diesem verschweißt oder vernietet ist. Das Klagepatent erachtet einen Nachteil der Verwendung dieser Türlagerwinkel darin, dass die Standfestigkeit des Gerätes gefährdet ist und das Gerät dazu neigen kann, vornüber zu kippen, wenn das Gehäuse, das infolge des technischen Fortschritts als solches immer leichter wird, nur gering beladen, die Tür hingegen mit Getränkeflaschen etc. umfangreich befüllt und daher schwer ist.

Als Aufgabe der Erfindung stellt die Klagegebrauchsmusterschrift daher heraus, einen Türlagerwinkel zu schaffen, der solchen Haushaltsgeräten eine verbesserte Standfestigkeit verleiht. Dieses Ziel wird mit der Erfindung dadurch erreicht, dass mittels des Türlagerwinkels ein Fuß des Haushaltsgeräts in gleicher Weise wie der Lagerzapfen der Tür über die Vorderseite des Gerätegehäuses vorstehend platziert wird, so dass sich beim Öffnen der Tür der Schwerpunkt des Gesamtgeräts nicht nur nach vorn, sondern gleichzeitig auch zu der Seite der Türaufhängung hin verlagert.

In seinem eingeschränkt aufrechterhaltenen Hauptanspruch sieht das Klagegebrauchsmuster deshalb die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Schrankartiges Haushaltsgerät mit einem Türlagerwinkel.

2. Der Türlagerwinkel weist auf
a. einen Trägerarm (1) und
b. einen Lagerzapfen (3).

3. Der Lagerzapfen (3)
a. steht in einer ersten Richtung von dem Trägerarm (1) ab,
b. ist hohl zum Aufnehmen eines Stiftteils eines Fußes (4) ausgelegt und
c. mit dem Trägerarm (1) über einen Steckschuh verbunden.

4. Der Steckschuh ist
a. auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbar und
b. an diesem verrastbar.

Im Hinblick auf den Streit der Parteien sind das Merkmal 3c und die darin vorgesehene Verbindung des Lagerzapfens mit dem Trägerarm über einen Steckschuh erläuterungsbedürftig.
Was das erfindungsgemäße Verbindungsteil „Steckschuh“ anbelangt, ergibt sich bereits aus dem Wortsinn zweierlei. Zum einen soll dieses Teil, wie auch Merkmal 4a) bestätigt, auf ein anderes Teil aufgeschoben, mit anderen Worten aufgesteckt werden. Der zweite Begriffsteil „Schuh“ sagt dem Fachmann, so hat es ebenfalls die fachkundige Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes gesehen (siehe Seite 4 des Beschlusses vom 29.11.2010, Anlage WKS 1a), dass es sich um ein Teil handelt, das über ein anderes gezogen („gesteckt“) wird, um zu schützen. Dieses Begriffsverständnis vermittelt auch die Klagegebrauchsmusterbeschreibung. Dort heißt es in Abschnitt [0011], dass der Steckschuh nicht nur verbindet, sondern gleichzeitig auch eine optisch ansprechende Verkleidung des Endabschnitts des Trägerarms erlaubt, so dass auf eine aufwendige Oberfächenbearbeitung, Lackierung oder dergleichen des Trägerarms verzichtet werden kann. Der Schutz ist hier also optischer Natur. Er kann aber auch darüber hinausgehen, wie der von der Gebrauchsmusterabteilung thematisierte Abschnitt [0027] der Beschreibung verdeutlicht. Aus dem Gesagten folgt, dass – wie es auch die Gebrauchsmusterabteilung angenommen hat – die Begriffe „Steckschuh“ und „Steckschutz“, letzerer wurde vor der Einschränkung im Anspruch verwandt, synonym zu verstehen sind und keinen unterschiedlichen Schutzbereich aufweisen. Neben seiner Schutzfunktion soll der Steckschuh zudem verbinden. In der Technik bezeichnet der Begriff der Verbindung einen mechanischen Zusammenhalt. Dabei handelt es sich in der Regel um einen festen Zusammenhalt. Für Zusammenfügungen, die die Beweglichkeit zweier Teile zueinander nur einschränken, ist der Begriff des Gelenks gebräuchlich. Verbindungen hingegen dienen dem Zweck, die Beweglichkeit zweier Teile zueinander aufzuheben. Dass auch das Klagegebrauchsmuster den Begriff der Verbindung in diesem Sinn verwendet, erschließt sich dem Fachmann auf erste Sicht, gilt es doch, den Lagerzapfen in eine unverrückbare Position im Verhältnis zum Trägerarm zu bringen. Damit stellt sich die Frage, wie der Steckschuh diese Aufgabe erfindungsgemäß bewerkstelligen soll. Hierzu muss er sowohl mit dem Lagerzapfen als auch mit dem Trägerarm „verbunden“ werden. Im Allgemeinen können Verbindungen mittelbar und unmittelbar, lösbar (siehe Schraubverbindung oder Klettverschluss) oder nicht lösbar (siehe Nietverbindung, Schweißung, Klebung) sein und durch Formschluss, Kraftschluss oder Stoffschluss erfolgen. Bei einer formschlüssigen Verbindung ist einer der Verbindungspartner dem anderen „im Weg“. Kraftschlüssige Verbindungen setzen eine Krafteinwirkung auf die miteinander zu verbindenden Flächen voraus, die deren gegenseitige Verschiebung so lange verhindert, als die durch die Haftreibung bewirkte Gegen-Kraft nicht überschritten wird. Bei einer stoffschlüssigen Verbindung werden die Verbindungspartner durch atomare oder molekulare Kräfte zusammengehalten. Eine konkrete Auswahl innerhalb dieser diversen Möglichkeiten triff Schutzanspruch 1 nur für die Verbindung von Steckschuh und Trägerarm (Merkmalsgruppe 4). Im Gegensatz dazu lässt er – worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – die Gestaltung der Verbindung von Steckschuh und Lagerzapfen offen. Die Formulierung, dass Trägerarm und Lagerzapfen „über“ den Steckschuh verbunden werden, beinhaltet keine hierauf bezogene Vorgabe. Dies würde eine rein philologische Einschränkung darstellen, die unzulässig ist. Wortsinngemäß bedeutet die Verbindung „über“ im Lichte der Erfindung nichts anderes als eine Verbindung „durch“. Einschränkungen entnimmt der Fachmann auch nicht der Klagegebrauchsmusterbeschreibung, erst recht keine Einschränkung dahingehend, Steckschuh und Lagerzapfen einstückig auszuführen. Vielmehr erkennt er gerade anhand der Beschreibung, dass die konkrete Ausgestaltung dieser Verbindung seinem Belieben überlassen wird und eine stoffschlüssige Verbindung von Steckschuh und Lagerzapfen nur als bevorzugte Ausführungsform der Steckschuhverbindung vorgesehen ist. Denn die vorzugsweise einteilige Ausbildung von Steckschuh und Lagerzapfen beschreibt der separate Absatz [0012], während sich der vorangehende Abschnitt [0011] zu der – vor der Einschränkung ebenfalls nur als bevorzugte Ausführungsform vorgesehenen – Steckschuhverbindung als solchen verhält. Die absatzweise Trennung der Beschreibung bringt zum Ausdruck, dass die einteilige Ausbildung lediglich die bevorzugte Ausführungsform einer – ehemals – bevorzugten Ausführungsform ist. An diesem Verhältnis hat sich durch den Umstand, dass die Steckschuhverbindung nach der Schutzanspruchseinschränkung den Schutzbereich des Anspruchs 1 mitbestimmt, nichts geändert. Dies und nichts anderes bestätigt dem Fachmann auch Unteranspruch 7.

b)
Dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 1, 2a, 2b, 3a, 3b, 4a und 4b wortsinngemäß verwirklichen, ist zwischen den Parteien – zu Recht – nicht streitig.
Aber auch von der technischen Lehre des Merkmals 3c machen die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß Gebrauch. Das dort vorhandene Kunststoffteil (2) stellt nach dem Gesagten sowohl einen Steckschuh als auch einen Steckschutz dar. Ohne das Kunststoffteil (2) sind der Winkel (1) und der Zapfen (3) auch nicht vollständig verbunden. Vielmehr kann der Zapfen ohne weiteres aus dem Winkel nach unten herausrutschen, wenn – was in verschiedenen Situationen der Fall sein kann – auf den Fuß kein ausreichender Druck aufgebracht ist. Erst das aufgeschobene Kunststoffteil hält mittels seiner Ausnehmung den Zapfen vertikal am Winkel fest. Dass der Zapfen an horizontalen Verschiebungen bereits durch den ihn umgebenden Winkel gehindert wird, führt aus dem Schutzbereich von Klagegebrauchsmusteranspruch 1 nicht heraus. Dieser schreibt nicht vor, dass der Steckschuh das einzige Verbindungsmittel von Trägerarm und Lagerzapfen sein muss. Weitere Verbindungsmittel sind erfindungsgemäß nicht ausgeschlossen, solange jedenfalls auch der Steckschuh Verbindungsfunktion erfüllt. Ob der die Gewindebohrung enthaltende Bereich der angegriffenen Ausführungsform als verlängerter Teil des Lagerzapfens anzusehen ist oder nicht, kann im Ergebnis dahinstehen. Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Gestaltung der Verbindung von Steckschuh und Lagerzapfen vollständig in das Belieben des Fachmanns gestellt und damit auch eine mittelbare Verbindung erfindungsgemäß zugelassen.

c)
Die Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes, dass Schutzanspruch 1 in seiner eingeschränkten Fassung bestandsfähig ist, wird vom Senat geteilt. Eine Aussetzung des Verletzungsprozesses im Hinblick auf das noch laufende Löschungsverfahren ist daher weder gemäß § 19 S. 2 GebrMG notwendig noch nach § 19 S. 1 GebrMG angebracht.

aa) Das Klageschutzrecht ist nicht unzulässig erweitert.
Was den im Rahmen der Einschränkung erfolgten Austausch des Begriffs „Steckschutz“ durch den Begriff „Steckschuh“ angelangt, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Beide Begriffe beschreiben denselben Schutzbereich.
Aus dem bereits Gesagten ergibt sich ebenfalls, dass auch eine nicht stoffschlüssige Verbindung von Lagerzapfen und Steckschuh/-schutz als erfindungswesentliche Variante der Verbindung offenbart ist. Abschnitt [0011] der Gebrauchsmusterschrift entspricht dem letzten Absatz auf Seite 2 der Anmeldeunterlagen (Anlage B 22), Abschnitt [0012] entspricht Absatz 2 Seite 3 der Anmeldeunterlagen. Der Fachmann konnte den angemeldeten Anspruch 7 daher nur als Ausdruck der bevorzugten Ausführungsform (beschrieben im 2. Absatz Seite 3 der Anmeldeunterlagen, Anlage B 22) der bevorzugten Ausführungsform (beschrieben im letzten Absatz Seite 2 der Anmeldeunterlagen, Anlage B 22) verstehen.
Dass Schutzanspruch 1 nicht den in Anspruch 1 der Anmeldeunterlagen enthaltenen Zusatz aufweist, dass sich der Fuß in Verlängerung des Lagerzapfens in einer zur ersten Richtung entgegengesetzten zweiten Richtung befindet, ist ebenfalls unerheblich. Wie die Gebrauchsmusterabteilung zu Recht ausgeführt hat, liegt es in der Natur der Sache, dass sich der Fuß, dessen Stiftteil in den hohlen Aufnahmezapfen aufgenommen werden soll, nach Aufnahme in der Verlängerung des Lagerzapfens erstreckt, also entgegengesetzt angeordnet ist.
Die in Anspruch 3 der Anmeldeunterlagen aufgenommene Höhenverstellbarkeit des Fußes ist schließlich nicht die allein offenbarte Möglichkeit der Fußgestaltung, was sich bereits aus dem Umstand ergibt, dass sich der angemeldete Anspruch 2 ebenfalls über einen Türlagerwinkel mit Fuß verhält, ohne dass dieser Fuß als höhenverstellbar beschrieben ist.

bb) Die erfindungsgemäße Lehre ist auch schutzfähig. Sie ist gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch.

(a) Diese Lehre ist nicht im Stand der Technik vorweggenommen.

Das deutsche Gebrauchsmuster 77 34 650 (Entgegenhaltung D4 im Löschungsverfahren, Anlage B 23) betrifft zwar ein schrankartiges Haushaltsgerät mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm und einen Zapfen aufweist, welcher vom Trägerarm absteht. Auf den Zapfen kann eine Buchse aufgesteckt werden. Auf den Endabschnitt des Trägerarms ist ein Steckelement aufschiebbar, das mit diesem formschlüssig verbunden wird. Das Steckelement verrastet mit einem Kopf des Lagerzapfens, wobei der Lagerzapfen in einer Bohrung des Trägerarms angeordnet ist. Hierdurch verbindet das Steckelement den Lagerzapfen mit dem Trägerarm. Nicht offenbart wird in dieser Entgegenhaltung hingegen, den Zapfen hohl zur Aufnahme eines Fußes zu gestalten und das Steckelement mit dem Trägerarm zu verrasten.

Die japanische Offenlegungsschriften JP 09-033161 A (Entgegenhaltung D2/D3 im Löschungsverfahren, Anlagen B 18a und b, deutsche Übersetzung Anlage B 18c) und JP 62-284174 A (Entgegenhaltung D6 im Löschungsverfahren, Anlage B 25, deutsche Übersetzung Anlage B 25a) sowie die koreanische Druckschrift KR 10200000045677A (Entgegenhaltung D5 im Löschungsverfahren, Anlage B 24a, englische Übersetzung Anlage B 24b) offenbaren zwar ebenfalls einen Kühlschrank mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm und einen vom Trägerarm abstehenden Lagerzapfen aufweist. Hier ist ferner der Lagerzapfen zum Aufnehmen eines Stiffteils eines Fußes hohl ausgelegt. Es fehlt jedoch in allen drei Fällen ein aufschiebbarer, verrastbarer Steckschuh.

Von den weiteren von der Beklagten zitierten Druckschriften offenbaren die AT 28 23 92 (Entgegenhaltung D7, Anlage B 26), die US 3,328,832 (Entgegenhaltung D9, Anlage B 19), die DE 92 08 709 (Entgegenhaltung D10, Anlage B 27) und die DE 39 04 755 (Entgegenhaltung D11, Anlage B 28) noch nicht einmal ein schrankartiges Haushaltsgerät, sondern haben Fensterläden/Türen, verstellbare Gestellfüße, Scharniere für Schwingtüren oder Möbelstücke mit mindestens einem Fußstück zum Gegenstand.

Die DE 36 26 636 (Entgegenhaltung D1, Anlage B 5) und die DE 84 21 XXX (Entgegenhaltung D8, Anlage B 17) verhalten sich zwar zu Kühlgeräten, dies jedoch in einem anderen Zusammenhang als das Klagegebrauchsmuster. Einmal geht es um die Beaufschlagung einer Kühlvitrinentür mit elektrischer Energie, das andere Schutzrecht verhält sich zum Lager einer Gefrierfachklappe. Beide offenbaren die streitgegenständlichen Merkmale mithin ebenfalls nicht.

(b) Die genannten Entgegenhaltungen führen auch nicht in ihrer Vereinigung zum Gegenstand des vorliegenden Türlagerwinkels.

Entgegen der Ansicht der Beklagten genügte hier keine Aggregation der bekannten Elemente „Steckschuh“ und „Fuß“, da nach der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters die für sich gesehen bekannten Bauteile nicht lediglich ohne synergetischen Effekt addiert werden. Vielmehr sollen und müssen sie zur Erreichung des angestrebten technischen Gesamterfolgs einer besonderen Standfestigkeit des Geräts zusammenwirken. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Beschreibungsstelle Abschnitt [0011] der Klagegebrauchsmusterschrift, wonach es für Verbindung des Lagerzapfens mit dem Steckschuh über den Steckschuh unerheblich ist, ob der Lagerzapfen hohl und zum Aufnehmen des Stiftteiles eines Fußes ausgelegt ist oder nicht. Diese Beschreibungsstelle bezieht sich ersichtlich auf den nicht aufrecht erhaltenen Anspruch 1 ursprünglicher Fassung. Im Rahmen des eingeschränkt verteidigten und vorliegend der Prüfung zu unterziehenden Anspruchs ist offensichtlich, dass die einzelnen Merkmale nur in ihrem Zusammenwirken zur angestrebten Funktion beitragen können.

Eine Kombination der Entgegenhaltungen lag für den Fachmann nicht nahe.

Den nächstliegenden Stand der Technik stellt das einen Steckschuh verwendende deutsche Gebrauchsmuster 77 34 650 (Entgegenhaltung D4, Anlage B 23) dar, dessen ersten beiden Figuren nachfolgend eingeblendet werden.

Der dortige Lagerzapfen (17) ist aber nicht hohl und kann daher keinen Fuß aufnehmen. Dies können zwar die Lagerzapfen der Entgegenhaltungen D2/D3 (JP 09-033161 A) D5 (und D6 (JP 62-284174 A). Da letztere auf demselben technischen Gebiet liegen wie die Entgegenhaltung D4, nämlich der Lagerung von Kühlschranktüren, mag der Fachmann auch auf erste Sicht eine Kombination in Betracht ziehen. Das führt ihn jedoch trotzdem nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Klagegebrauchsmusters. Denn die Entgegenhaltung D4 weist den Fachmann von einem gleichzeitig als Fuß ausgebildeten unteren Türlager weg, was sie im Rahmen der Abgrenzung zum Stand der Technik auch konkret zum Ausdruck bringt (Seite 1 Anlage B 23). Zur Begründung führt sie an, dass zum einen die Ausbildung des bekannten Zapfens beim Einsetzen desselben in den Fuß besonderes Werkzeug erfordert. Zum anderen wird aber auch als nachteilig erkannt, dass in der unmittelbaren Nähe der Bohrung eine bestimmte Materialstärke vorhanden sein muss, damit die den Zapfen aufnehmende Bohrung mit den erforderlichen Absätzen und Hinterschnitten zum Verankern des Zapfens ausgestattet werden kann. Die hierdurch bestimmte Mindest-Materialstärke stehe bei einer aus einem Flacheisen gebogenen winkelförmigen Konsole, wie sie als unteres Türlager bei einem schrankartigen Möbel verwendet wird, nicht zur Verfügung (Seite 2 Absatz 1, Anlage B 23). Die Entgegenhaltung macht es sich daher zur Aufgabe, bei einem solchen Möbel das untere Spurzapfenlager so zu gestalten, dass auch bei Verwendung einer bereits am Gehäuse vormontierten winkelförmigen Konsole aus verhältnismäßig dünnem Flacheisen der Spurzapfen von unten in die Bohrung einsteckbar ist und durch einfache Maßnahmen in seiner Einbaulage gesichert werden kann (Seite 2 Absatz 2 der Entgegenhaltung D4, Anlage B 23). Dieses Ziel erreicht die Entgegenhaltung dadurch, dass der mit einem Kopf versehene und in einen waagerechten Schenkel eines Lagerwinkels einsteckbare Lagerzapfen bei montierter Tür am Lagerwinkel durch ein Formteil gesichert ist, welches formschlüssig auf den Endabschnitt dieses Schenkels aufsteckbar und mit einer den Kopf des Zapfens aufnehmenden Rast versehen ist (Seite 2 Absatz 3 der Entgegenhaltung D4, Anlage B 23). Dies zeigt auch das in der oben eingeblendeten Figur 2 wiedergegebene bevorzugte Ausführungsbeispiel. Der Lagerwinkel 14 weist einen mit einem Kopf 16 versehenen Lagerzapfen 17 auf, welcher von unten in eine entsprechende Bohrung 18 in den die Tür 12 tragenden horizontalen Schenkel des Lagerwinkels 14 einsteckbar ist. Der in die Bohrung 18 eingesteckte Lagerzapfen 17 ist am Lagerwinkel 14 durch ein Formteil 19 gesichert, welches formschlüssig auf den Endabschnitt des waagerechten Schenkels des Lagerwinkels 14 aufsteckbar und mit einer den Kopf 16 des Zapfens 17 aufnehmenden Rast 20 versehen ist. Soll hier nun noch zusätzlich ein Fuß in den Lagerzapfen integriert werden, müssen alle genannten Teile modifiziert werden. Dies legt die Entgegenhaltung, die im Wissen um eine mögliche Kombination von Zapfen und Fuß und die hiermit verbundenen Vorteile bewusst hierauf verzichtet, aus Sicht des Fachmanns nicht nahe.

Die übrigen Entgegenhaltungen sind aus den oben genannten Gründen für den Fachmann nicht naheliegend.

d)
Die damit vorliegende Schutzrechtsverletzung führt zu den vom Landgericht ausgeurteilten Rechtsfolgen, soweit sie nach der mit Zustimmung der Beklagten erfolgten teilweisen Klagerücknahme aufrecht zu erhalten waren. Die teilweise Neufassung des erstinstanzlichen Tenors trägt dieser Teilklagerücknahme Rechnung.
Ergänzend zu den landgerichtlichen Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist zu sagen:

Die Beklagte ist auch für die Zeit vor der teilweisen Löschung des Klagegebrauchsmusters durch die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, § 24 GebrMG. Es fehlt nicht an dem nach Absatz 2 der genannten Norm notwendigen Verschulden. Wird ein im Löschungsverfahren geändertes und schließlich teilweise aufrechterhaltenes Gebrauchsmuster verletzt, ist allerdings konkret auf den Einzelfall bezogen sorgfältig zu prüfen, ob der Benutzer im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte und musste, dass er ein rechtsbeständiges Klagegebrauchsmuster verletzt. Dabei dürfen seine Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden (vgl. BGH, GRUR 1977, 250 (252) – Kunststoffhohlprofil). Wird ein Gebrauchsmuster verletzt, kann, da es ohne materielle Prüfung seiner Schutzfähigkeit eingetragen wird, ein Verschulden nur angenommen werden, wenn der Benutzer mit der Schutzfähigkeit rechnen musste. Ein Verschuldensvorwurf hat demgegenüber zu unterbleiben, wenn der Benutzer begründete Bedenken gegen die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters in seiner eingetragenen Fassung erheben konnte. In Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten ist der Benutzer gehalten, sachkundigen Rat erfahrener Patent- oder auf dem Gebiet das gewerblichen Rechtsschutzes kundiger Rechtsanwälte einzuholen und seine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters in einer verfahrensrechtlich geeigneten Form, etwa durch die Einleitung eines Löschungsverfahrens, geltend zu machen (Senat, Urteil vom 12. November 2009 – I-2 U 121/08, Umdruck S. 19,20; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rdn. 886). Dürfen die Sorgfaltspflichten des Benutzers einerseits nicht überspannt werden, so dürfen sie andererseits auch nicht zu niedrig sein. Verschulden ist anzunehmen, wenn der Benutzer mit der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters rechnen musste. Der Benutzer kann sich nicht stets damit begnügen, nur auf den eingetragenen Hauptanspruch zu achten und weitere Prüfungen schon dann einstellen, wenn er dessen Schutzfähigkeit in Zweifel ziehen kann. Er muss mit der immer wieder eintretenden Möglichkeit rechnen, dass ein Gebrauchsmuster eingeschränkt aufrecht erhalten wird, indem sein eingetragener Hauptanspruch mit Unteransprüchen kombiniert wird. Vor diesem Hintergrund dürfen die Unteransprüche nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Das wird auch von der Beklagten – zu Recht – nicht in Zweifel gezogen. Welche Einzelheiten bei dieser Prüfung, die naturgemäß mit Blick auf das vom Benutzter hergestellte, angebotene oder vertriebene Produkt erfolgt, mit zu berücksichtigen sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles und hängt nicht zuletzt von der Komplexität der beanspruchten technischen Lehre und ihres technischen Sachgebietes, aber auch davon ab, wie leicht es für den Fachmann zu erkennen ist, ob die potenzielle Verletzungsform neben den Merkmalen des Hauptanspruches auch diejenigen eines Unteranspruches verwirklicht. Einerseits braucht der Benutzer in aller Regel nicht damit zu rechnen, dass diverse einzelne Merkmale aus mehreren Unteransprüchen in den aufrecht erhaltenen Schutzanspruch 1 aufgenommen werden (vgl. Senat, a.a.O., Umdruck S. 20), andererseits darf er bei einem einfach gelagerten Sachverhalt nicht die Augen davor verschließen, dass ein Unteranspruch mit in den Hauptanspruch aufgenommen wird, den das Produkt des Benutzers offensichtlich ebenfalls verwirklicht, so wie es hier der Fall ist. Der Sachverhalt ist ebenso einfach gelagert wie die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters, dessen Schutzansprüche in ihrem Sinngehalt nicht schwer zu erfassen sind. Das gilt auch für die nach Inhalt und Anzahl überschaubaren Unteransprüche. Danach hätte es sich ihr vorliegend aufdrängen müssen, dass der Schutzfähigkeit der Kombination der eingetragenen Ansprüche 1 und 2 keine wirklich begründeten Bedenken entgegenstehen und auch die Merkmale dieser Kombination bei den angegriffenen Gegenständen alle verwirklicht sind. Dass nach dieser Kombination noch von einem „Steckschutz“ und nicht von einem „Steckschuh“ die Rede war, ist aus den obigen Gründen unerheblich.

Ob der Klägerin bei dieser Sachlage ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorprozessuale Abmahnung der Beklagten zustehen würde, wenn sie der Abmahnung Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung zugrunde gelegt hätte, kann dahinstehen. Denn die Klägerin hat das Klagegebrauchsmuster vor der Abmahnung auf seine Schutzfähigkeit geprüft und in der Abmahnung nur in eingeschränktem und in dieser Fassung bestandsfähigen Umfang geltend gemacht. Ihre Abmahnung war daher rechtmäßig.

2.) Widerklage
Da die Abmahnung der Klägerin begründet war, steht der Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der ihr in Erwiderung auf die Abmahnung entstandenen vorprozessualen Kosten zu.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist dies in verhältnismäßig geringfügigem Umfang erfolgt und hat keine besonderen Kosten verursacht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.