2 U 47/08 – Metall-Schneidwerkzeug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1087

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Juli 2009, Az. 2 U 47/08

Vorinstanz: 4b O 158/07

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. April 2008 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der landgerichtliche Urteilsausspruch zu Abschnitt I. 1. im mittleren Absatz folgende Fassung erhält:

Schneidwerkzeuge, die mittels eines Verfahrens zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche hergestellt werden, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen werden und das Muster ein spanrichtungsgebendes und/oder die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussendes Muster ist, das in geringem Abstand zur Schneidkante angebracht ist.

II.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,– Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 400.000,– Euro festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Derteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 0 885 XXX (Klagepatent, Anlage K 1) betreffend ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen; aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch.

Das Klagepatent beruht auf einer im. Mai 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 197 24 XYZ vom Juni 1997 eingereichten und im. Dezember 1998 im Patentblatt veröffentlichten Anmeldung; im. Juli 2000 sind die Patentschrift veröffentlicht und der Hinweis auf die Patenterteilung bekannt gemacht worden. In der erteilten Fassung lautet Anspruch 1 des Klagepatentes wie folgt:

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster (20, 32) versehen werden, dadurch gekennzeichnet, dass das Muster 20, 32) im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird.

Die Beklagte hat unter dem 7. März 2008 Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatentes erhoben, über die das Bundespatentgericht noch nicht entschieden hat; Termin zur mündlichen Verhandlung ist auf den 13. Oktober 2009 bestimmt worden. In diesem Verfahren verteidigt die Klägerin das Klagepatent mit folgendem eingeschränkten Anspruch 1, den sie im Berufungsverfahren auch im vorliegenden Rechtsstreit geltend macht (neu hinzugekommene Merkmale sind kursiv gedruckt):

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen werden,
dadurch gekennzeichnet, dass ein spanrichtungsgebendes und/oder die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussendes Muster (20, 32) erzeugt und das Muster (20, 32) in geringem Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird.

Die nachstehend wiedergegebenen Figurendarstellungen aus der Klagepatentschrift zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung, und zwar Figur 1 perspektivisch eine Wendeschneidplatte mit dem erfindungsgemäßen Muster mit Abstand von der Schneidkante und Figur 2 perspektivisch die Spitze eines nach dem erfindungsgemäßen Verfahren bearbeiteten Schaftfräsers mit einem Muster aus parallel und im Abstand angeordneten Strichen im Abstand zur Schneidkante.

.

Die in Ö geschäftsansässige Beklagte stellt in einem in ihrer (deutsch- und englischsprachigen) Internetpräsentation mit „B“ bezeichneten Verfahren Schneidwerkzeuge her und vertreibt sie. Im Bereich der Schneidkante sind diese Werkzeuge mit einer dreidimensionalen etwa wellenförmigen Kontur versehen, die in den nachstehenden Figuren 2, 3, 4, 6 und 7 des deutschen Gebrauchsmusters 20 2006 002 YYZ der Beklagten (Anlage K 7) im Einzelnen gezeigt wird. Die Schneide (2, Bezugszeichen entsprechen der Gebrauchsmusterschrift), die schräg nach innen abfallende Spanfläche (4) und der daraus innen aufsteigende Spanbrecher (3 [vgl. insbesondere Figuren 2 und 3]) sind aus Diamant oder kubischem Bornitrid ausgeführt; Spanbrecher und Spanfläche sind wellenförmig ausgebildet. Außerdem bearbeitet die Beklagte Schneidwerkzeuge von Drittunternehmen und führt dabei das vorbezeichnete Verfahren aus.

Die Klägerin meint, die so hergestellten Werkzeuge der Beklagten seien Erzeugnisse des klagepatentgeschützten Verfahrens und hat in erster Instanz geltend gemacht, die Spanflächen wiesen ein geometrisches, nämlich schlangenlinienförmiges Muster auf, welches im geringen Abstand zur Seitenkante angebracht sei und zwangsläufig die ursprüngliche Oberflächenstruktur verändere. Die Beklagte hat eine Verletzung des Klageschutzrechtes in Abrede gestellt und vorgetragen, weder seien zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen noch sei dieses Muster in geringem Abstand zur Schneidkante angebracht. Auch sei der Gegenstand des Klagepatentes nicht schutzfähig.

Mit Urteil vom 29. April 2008 hat das Landgericht dem Klagebegehren entsprochen und wie folgt erkannt:

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Schneidwerkzeuge, die mittels eines Verfahrens zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche hergestellt wurden, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen werden und das Muster im geringen Abstand zur Schneidkante angebracht wird,

in der D anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen, einführen zu lassen oder zu besitzen;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Januar 1999 begangen hat, und zwar unter Angabe

a)
der Herstellungsmengen und –zeiten, oder bei Fremdbezug: der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
–preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und
–preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 19. August 2000 zu machen sind,

der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und nichtgewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.
Es wird festgestellt, dass

1.
die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 23. Januar 1999 bis zum 18. August 2000 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.
die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 19. August 2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Es hält die angegriffenen Werkzeuge der Beklagten für durch das klagepatentgeschützte Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnisse und führt zur Begründung aus, die angegriffenen Werkzeuge besäßen ein definiertes geometrisches Muster in Gestalt einer Kurve, die in Draufsicht ein im Wesentlichen gleiches Wellenmuster bilde, das vom Schutzumfang des Klagepatentes umfasst werde. Dieses Muster sei definiert, da es nicht zufällig entstanden sei, und es bilde nach den Ausführungen des Gebrauchsmusters der Beklagten mit seinen vorgeschobenen und zurückgezogenen Bereichen ein Profil, das auftreffende Späne in eine definierte Richtung umlenke. Das Muster weise einen geringen Abstand von der Schneidkante auf, so dass nicht die in der Klagepatentbeschreibung erwähnte Gefahr bestehe, dass durch die Umschmelzung und gegebenenfalls Oxidation das Material für die Zerspanung nicht mehr gut geeignet sei. Zu der hilfsweise beantragten Aussetzung der Verhandlung mit Blick auf das Nichtigkeitsverfahren bestehe keine Veranlassung, weil keine der Entgegenhaltungen lehre, das Muster mit geringem Abstand zur Schneidkante anzubringen. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter und führt zur Begründung unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages aus, das Landgericht habe Anspruch 1 des Klagepatentes unzutreffend ausgelegt. Das von den angegriffenen Werkzeugen verwirklichte Muster in Kurvenform falle nicht in dessen Schutzbereich; das Klagepatent lehre nur linienförmige gerade verlaufende Formationen, nämlich einzelne Striche oder Punkte oder eine Spur aus parallelen Strichen, die eine ihrem Winkel zur Schneidkante entsprechende definierte einheitliche Fließrichtung der Späne erzeugten, während sich die Fließrichtung bei kurvenförmigen Mustern ständig ändere. Auch zeigten die Figuren der Klagepatentschrift eine nur von den eingekerbten Strichen durchbrochene Ebene mit ansonsten zweidimensionaler Spanfläche, die die Fließrichtung der Späne eindimensional in eine einzige bestimmte Richtung lenke. Der Spanbrecher der angegriffenen Werkzeuge sei dagegen ein dreidimensionales Gebilde, das den Span in variierende Richtungen umlenke. Die angegriffenen Werkzeuge seien eine Fortbildung der in der Klagepatentbeschreibung als Stand der Technik erörterten europäischen Patentanmeldung 0 425 812 (Anlage K 3) und der parallelen US-Patentschrift 5 026 960 (Anlage K 6). Die Weiterentwicklung bestehe darin, neben der Schneidkante zunächst eine schräg laufende Vertiefung mit unterschiedlicher Neigung vorzusehen, an die sich der wellenförmig verlaufende Spanbrecher anschließe, der entgegen der unter Schutz gestellten Erfindung einen großen Abstand von der Schneidkante aufweise, der denjenigen im vorgenannten Stand der Technik noch übersteige. Hierdurch liege der Span nicht flächig, sondern nur tangential auf, was die Reibungsenergie und Wärmeentwicklung vermindere. Der Spanbrecher des angegriffenen Werkzeuges wirke auch anders; im Gegensatz zu Spänen aus kurzen Streifen erzeuge er kleine Kügelchen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,
das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichtes in dem den deutschen Teil des Klagepatentes betreffenden Nichtigkeitsverfahren
4 Ni 14/08 (EU) auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Beklagten sowie dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 24. Juni 2009 rechtfertigt keine andere Beurteilung und veranlasst auch nicht, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verfahren, nach dem die angegriffenen Werkzeuge gefertigt werden, der in Anspruch 1 des Klagepatentes beschriebenen technischen Lehre wortsinngemäß entspricht. Auch die – in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende – sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ergebende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hat das Landgericht zutreffend angenommen; zu Recht wird sie von der Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht in Frage gestellt.

1.
Die angegriffenen Werkzeuge der Beklagten stimmen mit der im Klagepatent in Anspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre auch in der im Nichtigkeitsverfahren eingeschränkten Fassung überein.

a)
Das Klagepatent betrifft mit seinem Anspruch 1 ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten spanerzeugender Werkzeuge, die wie z.B. Bohrer, Fräser oder dergleichen eine geometrisch bestimmte Schneide aufweisen.

Bei Dreharbeiten an Metallen wird mit Hilfe eines Schneidwerkzeuges ein bandähnlicher Metallstreifen vom Werkstück abgetrennt, der abgebrochen und abgeführt werden muss, damit er nicht in den Werkzeughalter oder andere Teile der Maschine gelangen und etwa Teile des Werkzeughalters beschädigen, die Sicht auf das zu bearbeitende Teil beeinträchtigen oder die Sicherheit des Arbeiters an der Maschine beeinträchtigen kann. Spanstau beeinträchtigt auch die Kontinuität der Werkstückbearbeitung und führt zu unerwünschten Temperatureinwirkungen auf der Oberfläche des Werkstückes. Um einen Spanstau zu vermeiden, wird ein günstiges Spanflussverhalten angestrebt; die Späne sollen sich nach Form und Länge leicht und schnell abführen lassen. Besonders erwünscht ist es, den Streifen in kleine Stücke oder Späne zu brechen, die problemlos in eine Auffangvorrichtung fallen und aus dem Werkzeug abgeführt werden können. Solche Materialstreifen entstehen auch bei Bohrarbeiten, etwa im Bergbau; auch dort ist das Brechen in kleine Stücke oder Späne wichtig, um eine optimale Bohrarbeit zu gewährleisten und eine Beschädigung des Werkzeuges zu vermeiden (so die gattungsbildende europäische Patentanmeldung 0 425 812 (Anlage K 2), Spalte 1, Zeilen 5 bis 29; vgl. a. deutsche Übersetzung Anlage K 1-Ü, S. 2 Zeilen 11 bis 29).

Das Spanflussverhalten wird durch die Geometrie des Schneidwerkzeuges und die Beschaffenheit des Schneidstoffes bestimmt; zu letzterem gehört neben Härte und Standfestigkeit auch der Reibkoeffizient. Je rauher die Oberfläche des Schneidwerkzeuges, desto langsamer die Geschwindigkeit des Spanflusses und umgekehrt (Klagepatentschrift, Absatz [0003]).

Ein Verfahren mit den den Oberbegriff des Klagepatentanspruches 1 bildenden Merkmalen 1 bis 2.2 der nachstehenden Merkmalsgliederung offenbart die bereits erwähnte europäische Patentanmeldung 0 425 812 (Anlage K 2 zur Klageschrift und Anlagen K 3 im Nichtigkeitsverfahren), die die Priorität des US-Patentes 5 026 960 (K 6) in Anspruch nimmt. Die dortigen Ansprüche 1 und 2 lehren (vgl. Anlage K 1 Ü S. 6), das Muster eines Spanbrechers für polykristalline, diamantbeschichtete oder kubische Bornitrid (CBN) – Kompaktscheiben u.a. mit Hilfe eines Lasers auf der Oberfläche der Kompaktscheibe anzubringen. Der dort beschriebene Einsatz eines Lasers führt jedoch zu einer starken Absplitterung der Ränder der Kompaktscheibe, weshalb eine überdimensionierte Kompaktscheibe benutzt werden muss, deren Ränder nach dem Aufbringen des Spanbrechermusters verkleinert werden (vgl. Anlage K 2 Spalte 3 Zeilen 10 bis 15; Übersetzung S. 4 Zeilen 27 bis 30).

Die aus der US-Patentschrift 4 708 542 bekannte Beschichtung des Schneidwerkzeuges mit Hartstoffen zur Erhöhung der Standfestigkeit verringert zwar auch den Reibkoeffizienten, hat aber den Nachteil, dass die höhere Fließgeschwindigkeit zu einer Spanbildung führt, welche die Spanabfuhr beeinträchtigen kann (Klagepatentschrift Absatz [0004]). Die Beseitigung dieses Nachteils durch Schleifen nach der Beschichtung verringert die Standzeit und ist umständlich, weil sie einen zusätzlichen Bearbeitungsgang erfordert; auch fehlen Erfahrungen, in welcher Form und in welchem Umfang die Beschichtung abgeschliffen werden muss, um ein optimales Spanflussverhalten zu erreichen (Klagepatentschrift Abs. [0005]).

Bei im Sinterpressverfahren hergestellten Werkzeugen kann die Rauhigkeit der Flächen, an denen die Späne entlang gleiten, beeinflusst werden, indem die Spanfläche entsprechend der deutschen Patentanmeldung 44 31 796 oder der PCT-Anmeldung WO 95/ 29 782 mit einer bestimmten Topographie versehen wird. Das Verfahren kann jedoch nur für durch Sinterpressen geformte Werkzeuge angewandt werden, zudem mangelt es solchen Werkzeugen häufig an hinreichender Präzision (Klagepatentschrift Abs. [0006]).

Weiterer in der Klagepatentschrift erörterter Stand der Technik (Abs. [0007]) befasst sich mit dem Einsatz von Laserstrahlen, um die Oberfläche von Werkzeugen in den Randzonen zu härten oder bestimmte verschleißschützende Schichten aufzubringen oder im Randbereich von Kreissägeblättern Laserspuren vorzusehen, um dort zur Kompensation von Lastspannungen hohe Zugspannungen zu induzieren.

Die Erfindung will ein Verfahren vorschlagen, bei dem mit den Spänen in Berührung kommende Flächen spangebender Werkzeuge mit geometrisch bestimmter Schneide in ihrem den Spanfluss bestimmenden Verhalten in wirtschaftlicher Weise verändert werden (Abs. [0009]); wie der Durchschnittsfachmann den Ausführungen in Abs. [0013] der Klagepatentbeschreibung entnimmt, sollen objektiv auch Beschädigungen der Schneide durch das Auflasern des Musters vermieden werden.

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Anspruch 1 des Klagepatentes in der im Nichtigkeitsverfahren verteidigten Fassung ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide mit folgenden Verfahrensschritten:

1. Die Werkzeugoberfläche wird mittels Laser bestrahlt,

2. zumindest die Spanflächen werden
2.1 mit Hilfe der Laserbestrahlung
2.2 mit einem die Oberflächenstruktur verändernden, geometrischen
Muster (20, 32) versehen;

3. das Muster (20, 32) ist
3.1 spanrichtungsgebend oder die Fließgeschwindigkeit der
Späne beeinflussend und
3.2 im geringen Abstand zur Schneidkante angebracht.

Merkmal 2.2 ist vom Landgericht zutreffend ausgelegt worden; die gegenteilige Auffassung der Beklagten reduziert den Wortsinn dieses Merkmals auf das in der Klagepatentschrift erörterte bevorzugte Ausführungsbeispiel. Der Wortsinn des allgemeiner gefassten Anspruches 1 beschränkt sich nicht auf Muster aus Strichen oder Punkten oder linienförmige Gebilde, wie sie in Abs. [0011] der Patentbeschreibung genannt werden; das zeigen schon die solche Konfigurationen beschreibenden Unteransprüche 2 und 3, während Anspruch 1 allgemeiner formuliert ist und solche Vorgaben nicht enthält. Der Begriff „geometrisches Muster“ ist allgemein gefasst und meint jede definierte und nicht zufällig entstehende Konfiguration, die entsprechend Merkmal 3.1 spanrichtungsgebend ist und/oder die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflusst, also auch kompliziertere Topographien (Abs. [0014]), zu denen man Kurven rechnen muss. Nur undefinierte Strukturen, wie sie etwa durch bloßes Aufrauhen der Oberfläche entstehen, entsprechen nicht der unter Schutz gestellten technischen Lehre, die sich auf konkrete Markierungen bezieht, die das Muster bilden (Klagepatentschrift Abs. [0012]). Da die in der Klagepatentschrift erörterten Formen für das Muster ersichtlich nur beispielhaft sind, reicht der Sinngehalt des Hauptanspruches weiter und umfasst auch Ausbildungen, die die Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt. Dementsprechend beschränkt er sich auch nicht auf zweidimensionale Gebilde als Muster; die Vorgabe einer Veränderung der Oberflächenstruktur setzt zwangsläufig eine dreidimensionale Gestaltung voraus. Es geht erkennbar nicht darum, ein Muster gewissermaßen „aufzumalen“, sondern es muss in die Oberfläche eingearbeitet, etwa eingekerbt oder eingeformt sein (vgl. Klagepatentschrift Abs. [0022]), damit die beim Schneidvorgang anfallenden Späne beeinflusst werden können, was zwangsläufig eine Erstreckung in die Tiefe voraussetzt. Wie tief die Markierung reicht, lässt Anspruch 1 dagegen offen; irgendeine Begrenzung enthält er nicht, insbesondere darf auch hier der Sinngehalt nicht auf die in der Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiele beschränkt werden, deren Muster möglicherweise nur geringe Tiefe haben. Dass unterschiedliche Tiefen möglich sind, erschließt sich dem angesprochenen Fachmann nicht zuletzt aus dem Hinweis in der Klagepatentschrift (Abs. [0022] = Spalte 4, Zeilen 28 bis 31), die Striche seien mehr oder weniger tiefe Furchen oder Rillen, die in die Oberfläche eingeformt sind.

Merkmal 3.1, das in den Absätzen [0012], [0022] und [0023] der Klagepatentschrift als zur Erfindung gehörig offenbart ist, lässt es genügen, dass eine der beiden dort genannten Eigenschaften vorliegt und das Muster entweder spanrichtungsgebend ist oder die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflusst; es erfasst auch Muster, die beide Eigenschaften in sich vereinigen. Ein Muster, das sowohl spanrichtungsgebend ist als auch die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflusst, hat selbstverständlich auch die jeweils andere Eigenschaft; dass und welchen Sinn es im Zusammenhang mit der unter Schutz gestellten technischen Lehre haben sollte, gezielt jeweils nur eine dieser beiden Eigenschaften vorzusehen, Gegenstände mit beiden Eigenschaften dagegen von der erfindungsgemäßen technischen Lehre auszunehmen, erschließt sich dem angesprochenen Durchschnittsfachmann aus der Klagepatentschrift nicht.

Mit Merkmal 3.2, dem geringen Abstand des Musters zur Schneidkante, befasst sich die Klagepatentbeschreibung u.a. in Abs. [0013]. Den dortigen Ausführungen zufolge soll die Beabstandung der Gefahr entgegenwirken, dass die Umschmelzung und gegebenenfalls Oxidation das Material für die Zerspanung schlechter geeignet macht; darüber hinaus sollen bruchinitiierende Kerbwirkungen ausgeschaltet werden. Konkrete Abstandsmaße gibt die Klagepatentschrift weder in Anspruch 1 noch in der Beschreibung an, so dass diejenige Beabstandung genügt, bei der der vorbezeichnete Zweck erreicht wird. Aus den von der Beklagten zitierten Entgegenhaltungen aus dem Nichtigkeitsverfahren, nämlich der PCT-Anmeldung WO 97/ 03 777 (Anlage B 3) und der US-Patentschrift 5 026 960 (Anlage K 6), ergeben sich keine weiteren Beschränkungen. Beide Druckschriften sind in der Klagepatentbeschreibung nicht als Stand der Technik gewürdigt (erwähnt wird nur die aus der US-Patentanmeldung hervorgegangene europäische Patentanmeldung 0 425 812) und können daher auch nicht zur Auslegung der unter Schutz gestellten technischen Lehre herangezogen werden. Da das Nichtigkeitsverfahren nicht abgeschlossen ist, ist es auch noch nicht zu einer rechtskräftigen Beschränkung des Klagepatentes gekommen, und es gibt auch noch kein Urteil, dessen auf diese Druckschriften bezugnehmende die Beschränkung tragende Ausführungen Teil der Patentbeschreibung werden und die bisherigen weiter gefassten Ausführungen ersetzen könnten. Dass die Klägerin das Klageschutzrecht im Nichtigkeitsverfahren nur eingeschränkt verteidigt, hat mit den beiden Druckschriften nichts zu tun, weil sie kein bestimmtes Maß an Beabstandung lehren und auch die Vermeidung der Gefahr einer Beschädigung der Schnittkante durch einen zu geringen Abstand nicht erörtert wird. Wesentlich ist, dass im Rahmen des Merkmals 3.2 als Muster die gesamte durch Laserbestrahlung bearbeitete Fläche und nicht nur etwa ein aus der übrigen Musterfläche aufragender Spanbrecher betrachtet wird, denn der Sinn der Beabstandung liegt gerade darin, bei der Anwendung des Laserverfahrens die im gattungsbildenden Stand der Technik noch notwendigen breiten und später zu entfernenden Ränder von Anfang an überflüssig zu machen. Besteht das Muster darin, dass zunächst eine nach innen abfallende Schrägfläche vorgesehen wird, aus der der Spanbrecher dann aufsteigt, ist auch sie Teil des Musters.

b)
Geht man hiervon aus, hat das Landgericht zu Recht eine wortsinngemäße Übereinstimmung des Herstellungsverfahrens der Beklagten mit dem in Anspruch 1 unter Schutz gestellten Verfahren angenommen. Insoweit kann hinsichtlich der Merkmale 2.2 und 3.2 auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden, die die Berufungsangriffe der Beklagten nicht zu erschüttern geeignet sind. Dass der Spanbrecher des angegriffenen Werkzeuges die Spanflussrichtung beeinflusst, räumt die Beklagte letztlich selbst ein (Brückenabsatz S. 3 / 4 der Berufungsbegründung; Bl. 120, 121 d.A.), indem dort ausgeführt ist, die dreidimensionale Verformung von Spanbrecher und Spanfläche bei der angegriffenen Ausführungsform führe dazu, dass der Spanfluss beeinflusst werde, der mittels der Schneide abgehobene Span komme nicht mehr vollflächig zur Auflage, was die Reibungswärme reduziere und ein Verkleben des Spans verhindere; der Span werde gleichsam im dreidimensionalen Raum umgelenkt, wobei die Umlenkung an jeder Stelle der Spanfläche in eine definierte Richtung erfolge. Eine zur Verwirklichung der schutzbeanspruchten Lehre ausreichende Beeinflussung des Spanfließverhaltens ergibt sich nicht zuletzt daraus, das der Span unstreitig nicht auf dem abgesenkten Teil der Musterfläche aufliegt, sondern nur auf dem Wellenmuster und gegebenenfalls auf dem äußeren Rand. Die so entstandene geringe Auflagefläche vermindert den Reibwiderstand und den Wärmeeinfluss, wodurch ein Verkleben des Spans verhindert (darauf weist die Gebrauchsmusterschrift der Beklagten selbst hin, vgl. Anlage K7, Absätze [0005] und [0014]) und die Fließgeschwindigkeit erhöht wird. Dass sich die Richtung, in die abgeführt wird, durch die Form des Spanbrechers ständig ändert, ist unerheblich, denn die unter Schutz gestellte Lehre beschränkt sich nicht auf Strukturen, bei denen die Späne nur in eine einzige Richtung abgeführt werden. Zur Spanrichtungsgebung genügt es, dass die Späne nicht unkontrolliert in beliebige Richtungen, sondern definiert abgelenkt werden. Zur Beeinflussung der Fließgeschwindigkeit reicht es aus, dass diese eine andere ist, als sie ohne das Muster wäre.

Dass die mit Hilfe des angegriffenen Verfahrens hergestellten Werkzeuge ihrerseits durch ein Gebrauchsmuster geschützt sind, ändert daran nichts. Die in den Schutzansprüchen des Gebrauchsmusters 20 2006 002 YYZ beschriebene Gestaltung des Musters stellt sich vielmehr als besondere Ausprägung der im Klagepatent geschützten allgemeiner formulierten Lehre dar, die, sofern ihre erfinderische Qualität zu bejahen ist, als vom Klagepatent abhängige Erfindung eingestuft werden muss.

c)
Dass die Beklagte wegen dieser Benutzungshandlungen zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zum Schadenersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung an die Klägerin verpflichtet ist, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend im einzelnen dargelegt; auf diese Ausführungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

2.
Eine Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsverfahren nach § 148 ZPO, um das Ergebnis des Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten, kommt nicht in Betracht. Die erstinstanzlichen Entgegenhaltungen hat das Landgericht zutreffend gewürdigt und zu Recht die hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit für die Nichtigkeitsklage verneint. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsreplik vom 25. Februar 2009 mit zusätzlichen Einwänden gegen das neu hinzugekommene Merkmal 3.1 befasst, gilt im Ergebnis nichts anderes. Wie bereits ausgeführt, ist es als zur Erfindung gehörig in der Klagepatentbeschreibung offenbart, und zur Nacharbeitbarkeit ist auch nicht erforderlich, dass der Fachmann in allen Einzelheiten darüber unterrichtet wird, wie im Einzelnen er die Vorgaben der unter Schutz gestellten technischen Lehre umsetzen muss. Soweit die Beklagte meint, die Vorgaben des Merkmals 3.1 seien in dieser Hinsicht unklar, wird zu berücksichtigen sein, dass der Kern der hier unter Schutz gestellten technischen Lehre nicht darin liegt, ein Muster zu schaffen, das entweder spanrichtungsgebend ist und/oder die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflusst, denn das war auch schon im Stand der Technik der Fall, der in dieser Hinsicht ebenso wenig konkrete Angaben enthielt, was dafür spricht, dass dem Durchschnittsfachmann entsprechende Konfigurationen bekannt sind, sondern es geht im Kern darum, das Muster von der Schneidkante in geringem Maße zu beabstanden, um die in Abs. [0013] der Patentbeschreibung erwähnten Nachteile zu vermeiden. Letztlich könnte die Frage, ob die Vorgaben des Anspruchs 1 zur Umsetzung des Merkmals 3.1 genügen, nur ein Sachverständiger beantworten, der im Verletzungsprozess aber nicht hinzugezogen wird, um die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage zu beurteilen.

III.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Es besteht keine Veranlassung, ihr mit Blick auf die Neufassung des Klageantrages einen Teil der Kosten des Rechtsstreits nach § 269 ZPO aufzuerlegen. Die Klägerin hat mit der Anpassung ihres Klageantrages an die im Nichtigkeitsverfahren verteidigte eingeschränkte Fassung des Hauptanspruches keine teilweise Klagerücknahme erklärt, denn die bisher streitgegenständlichen Werkzeuge werden weiterhin aus dem Klageschutzrecht angegriffen. Dass die Neufassung des Antrages keine Ausführungsformen mehr umfasst, deren Muster weder spanrichtungsgebend ist noch die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflusst, hat nur theoretische Bedeutung, weil es im vorliegenden Verfahren keine streitbefangene Ausführungsform gibt, die durch die Hinzunahme des neuen Merkmals aus der klagepatentgeschützten technischen Lehre herausfiele.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand auch keine Veranlassung, die Revision zuzulassen; als reine Einzelfallentscheidung hat die Angelegenheit weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des
§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.