4a O 159/09 – Abmahnkosten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1467

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. April 2010, Az. 4a O 159/09

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 4.914,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2009 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Bei der Klägerin handelt es sich um die Inhaberin einer exklusiven Lizenz an dem europäischen Patent 0 566 XXX (nachfolgend: Klagepatent), das eine Abschnürvorrichtung für Körperteile, insbesondere Venenstauer, betrifft.

Am 25.07.2006 gab die AGmbH, die Muttergesellschaft der Beklagten, wegen einer Verletzung des Klagepatents durch den Venenstauer „B“ auf eine Abmahnung durch die anwaltlichen Vertreter der Klägerin hin die von ihr geforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab (vgl. Anlagen K 2 und K 3).

Nach Abgabe dieser strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die AGmbH bot die Beklagte auf ihrer Internetseite wie aus der Anlage K 15 ersichtlich den Venenstauer „C“ an, welcher zwar im Unterschied zu dem früher durch die AGmbH angebotenen Venenstauer eine Aussteifung zwischen dem Rasthaken der Bandbefestigungskappe aufweist, im Übrigen jedoch mit dem Venenstauer der AGmbH im Wesentlichen identisch aufgebaut ist.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.07.2009 mahnte die Klägerin die Beklagte daher in Bezug auf den durch die Beklagte auf ihrer Internetseite angebotenen Venenstauer „C“ ab, woraufhin die Beklagte am 27.07.2009 ebenfalls eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Die Abmahnkosten erstattete die Beklagte der Klägerin, welche die durch die Abmahnung angefallenen Abmahnkosten bereits gezahlt hat, demgegenüber nicht.

Mit Schriftsatz vom 24.08.2009 hat die Klägerin daher beim Landgericht Düsseldorf Klage erhoben, welche der Beklagten am 30.09.2009 zugestellt wurde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 4.914,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung vom 17.07.2009 entstandenen Kosten bereits deshalb nicht zu, da eine anwaltliche Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Die Monate zwischen Ende März 2009, als sich die Klägerin wegen des im Internetauftritt der Beklagten vergessenen Venenstauers an die AGmbH bzw. die Beklagte gewandt habe, und der hier streitgegenständlichen Abmahnung seien mit der gemeinschaftlichen Suche nach einem Weg geprägt gewesen, die Klägerin zufrieden zu stellen. Weder habe Herr D, ein Mitarbeiter der AGmbH, in einem im April 2009 geführten Telefonat mit der Geschäftsführerin der Klägerin bezweifelt, dass die Beklagte das Patentrecht der Klägerin ebenso zu beachten habe wie die AGmbH, noch habe die Geschäftsführerin der Klägerin in diesem Telefonat zum Ausdruck gebracht, sie erwarte auch namens der Beklagten eine förmliche Unterlassungserklärung. Vielmehr hätte, so die Beklagte weiter, ein einziger Anruf bei der Beklagten oder der AGmbH ausgereicht, um auch die Beklagte zur Abgabe einer förmlichen Unterwerfungserklärung zu veranlassen. Der Klägerin sei es im Rahmen der Korrespondenz allein darum gegangen, die Beklagte beziehungsweise die AGmbH dazu zu bringen, Werbung für die Produkte der Klägerin durchzuführen und mit deren Hilfe zugleich anderen Patentverletzern beizukommen.

Um das „Versehen“ der Beklagten wieder gutzumachen, habe Herr D der Klägerin angeboten, in der Firmenzeitschrift „E“ eine Gegenüberstellung der Venenstauer der Klägerin mit patentverletzenden, im Markt befindlichen Stauern zu erarbeiten. Aus dem Hause der Klägerin sei eine Korrekturvorlage gekommen, die weitestgehend angenommen worden sei. Diese „Gegenüberstellung und Werbemaßnahme“ sei der Klägerin am 08.05.2009 zugesandt und am 11.05.2009 in einer Auflage von mehr als 50.000 Exemplaren in Druck gegangen, die in der gesamten Bundesrepublik verteilt worden seien. Diese Werbemaßnahme habe einen Wert von 11.020,42 EUR (9.260,86 EUR zzgl. MwSt.). Hinsichtlich der einzelnen, durch die Beklagte angeführten Einzelpositionen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 25.02.2010 Bezug genommen.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Insbesondere habe die Klägerin von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Leistungen verlangt. Auch habe die Klägerin mit der Beklagten keine Vereinbarung getroffen, nach welcher die Klägerin die Beklagte nicht habe abmahnen dürfen. Darüber hinaus handele es sich bei der den Gegenstand der streitgegenständlichen Abmahnung bildenden angegriffenen Ausführungsform um ein neues Produkt, welches die Beklagte ohne Wissen der Klägerin habe anfertigen lassen. Im Übrigen habe die Werbung der AGmbH nicht den streitgegenständlichen Venenstauer, sondern ein anderes Produkt der AGmbH betroffen.

Mit Schriftsatz vom 25.02.2010 hat die Beklagte hilfsweise mit der nach ihrem Vortrag durch die Werbemaßnahme entstandenen Kosten in Höhe von 11.020,42 EUR die Aufrechnung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 4.914,40 EUR aus §§ 683 S. 1, 677, 679 BGB bzw. aus § 139 Abs. 2 PatG zu. Die Beklagte hat mit dem durch sie auf ihrer Internetseite angebotenen Venenstauer von der Lehre des Klagepatents unstreitig wortsinngemäß Gebrauch gemacht und ist der Klägerin daher grundsätzlich zur Erstattung der mit der außergerichtlichen Rechtsverfolgung verbundenen Kosten verpflichtet. Demgegenüber hat die Beklagte die Voraussetzungen der Prozessaufrechnung nicht hinreichend dargelegt.

I.
Regelmäßig sind die Kosten einer berechtigten Abmahnung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. aus Schadensersatzgesichtspunkten zu erstatten (vgl. Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Auflage, § 139 Rz. 205). Vorliegend wurde die Beklagte durch die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 17.07.2009 aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, wobei die Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung am 27.07.2009 auch abgegeben hat. Die Abmahnung war berechtigt, weil die Beklagte durch das Angebot des Venenstauers auf ihrer Internetseite, wie er aus den Anlagen K 15 bis K 17 ersichtlich ist, unstreitig das Klagepatent verletzt hat.

Die Abmahnung war objektiv nützlich und entspricht dem mutmaßlichen Willen der Beklagten, die mit der außergerichtlichen Unterwerfung die gerichtliche Inanspruchnahme wegen der Patentverletzung und die damit verbundenen höheren Kosten vermeiden konnte.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte demgegenüber ein, die streitgegenständliche Abmahnung sei deshalb nicht erforderlich gewesen, weil Herr D bereits im April 2009 zum Ausdruck gebracht habe, die Beklagte werde das Patentrecht der Klägerin ebenso beachten wie die AGmbH. Indem die Beklagte die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Internetseite angeboten hat, hat sie selbst eine (von der Patentverletzung durch die AGmbH zu unterscheidende) Patentverletzung begangen. Die dadurch begründete Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden (vgl. Schulte/Kühnen, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 8. Auflage, § 139 Rz. 43), welche die Beklagte jedoch vor der hier streitgegenständlichen Abmahnung nicht abgegeben hat.

Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass die Parteien eine vergleichsweise Regelung getroffen hätten, aufgrund derer die Wiederholungsgefahr beseitigt worden und eine Abmahnung der Beklagten damit entbehrlich geworden wäre. Den als Anlagen B 2 bis B 6 vorgelegten Schreiben von Herrn D ist eine derartige Einigung nicht zu entnehmen. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um einseitige Vorschläge, wobei auch nicht erkennbar ist, dass Herr D als Mitarbeiter der AGmbH überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine entsprechende Vereinbarung zugunsten der Beklagten zu schließen. Dass dieser vielmehr ausschließlich für die AGmbH auftrat, zeigt bereits das für die als Anlagen B 2 – B 5 vorgelegten Faxe verwendete Briefpapier. Darüber hinaus findet sich auch in der E-Mail gemäß Anlage B 6 nicht die Beklagte, sondern ausschließlich die AGmbH als Absender.

Dass zwischen den Parteien in Bezug auf die der Abmahnung zugrunde liegende Streitigkeit „Servolight“ gerade keine vergleichsweise Regelung zustande gekommen ist, betont die Klägerin in dem als Anlage B 7 vorgelegten Schreiben vom 11.05.2009, mit welchem die Klägerin auf die Zusendung der „Gegenüberstellung und Werbemaßnahme“ durch die AGmbH (vgl. Anlage B 6) reagierte. Darin hebt die Klägerin ausdrücklich hervor, dass der Fall „Servolight“ mit der Herausnahme aus dem Internet allein nicht getan sei, hier erwarte die Klägerin eine Gegenüberstellung mit dem Verletzungsmuster. Dass die Beklagte darauf eingegangen ist und es auf den Vorschlag der Klägerin aus dem Schreiben vom 11.05.2009 auch in Bezug auf die hier streitgegenständliche Auseinandersetzung bis zur Übersendung der Abmahnung doch noch zu einer vergleichsweisen Regelung gekommen ist, hat die Beklagte weder vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte die von ihr behauptete „Gegenüberstellung und Werbung“, hinsichtlich derer die Klägerin nunmehr vorträgt, es habe sich dabei ausschließlich um Werbung für die Produkte der AGmbH gehandelt, auch nicht vorgelegt.

Die durch die Klägerin geltend gemachten Abmahnkosten sind auch der Höhe nach gerechtfertigt. Zwar ist in rechtlich und technisch einfach gelagerten Patentverletzungsverfahren – wie hier – im Regelfall für die anwaltliche Abmahnung der Ansatz einer 1,5-Geschäftsgebühr angemessen. Allerdings ist dem Anwalt bei der Bestimmung seiner Gebühren ein Ermessen eingeräumt, so dass innerhalb eines 20% -igen Toleranzbereichs die Vergütungsbestimmung noch nicht als unbillig anzusehen ist (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 6, 37 – Erstattungsfähige Abmahnkosten bei Patentverletzung). Danach kann die Klägerin somit, wie geschehen, ihrer Gebührenberechnung auch eine 1,8 Geschäftsgebühr zugrunde legen. Auch der der Gebührenberechnung zugrunde gelegte Streitwert von 100.000,- EUR erscheint angemessen. Da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, hat sie zurecht lediglich die Nettogebühren geltend gemacht.

II.
Die der Klägerin zustehende Forderung ist auch nicht durch Aufrechnung erloschen, §§ 389, 388 BGB i.V.m. § 322 Abs. 2 ZPO.

Zwar hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.02.2010 hilfsweise die Aufrechnung erklärt. Jedoch fehlt es an einer Aufrechnungslage. Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Vergütung in Bezug auf die in der Zeitschrift „E“ geschaltete Werbung zu. Zum Einen handelt es sich bei dieser Zeitschrift um eine Publikation der AGmbH, nicht der Beklagten (vgl. Anlage B 1, S. 2 Mitte), so dass die durch die Beklagte zur Aufrechnung herangezogenen Vergütungsansprüche allenfalls der AGmbH, nicht aber der Beklagten zustehen würden. Für eine Abtretung dieser Ansprüche hat die Beklagte nichts vorgetragen.

Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 354 HGB nicht hinreichend dargelegt. Danach kann derjenige, der in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, dafür auch ohne Verabredung eine Provision verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Leistende gegenüber dem Anderen zur Leistung berechtigt ist, in der Regel aufgrund eines Vertrages (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 34. Auflage 2010). Dass dies in Bezug auf die durch die Beklagte geschaltete Werbung jedoch der Fall ist, hat die Beklagte weder vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Das gilt umso mehr, als sich mangels Vorlage der geschalteten Werbung nicht einmal beurteilen lässt, ob diese tatsächlich die Produkte der Klägerin oder – wie von der Klägerin nunmehr behauptet – Produkte der AGmbH betrifft.

III.
Die außergerichtlichen Kosten sind gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung auf 9.828,80 EUR festgesetzt, § 45 Abs. 3 GKG.