2 U 82/05 – Sicherheits-Karton-Messer II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  586

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Januar 2006, Az. 2 U 82/05

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 31. Mai 2005 verkündete Urteil der 4 b. Zivilkammer des Landge-
richts Düsseldorf wird zurückgewiesen. Der Antragsgegnerin werden auch die Kosten des Berufungsrechtszuges auferlegt.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 250.000,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 314 xxx ( Anlage Ast 1; nachfolgend: Verfügungspatent). Der Hinweis auf die Erteilung dieses Patents ist am 10. April 1991 bekannt gemacht worden. Zu den für das Verfügungspatent benannten Vertragsstaaten gehört die Bundesrepublik Deutschland. Das Verfügungspatent steht in Kraft.
Der Patentanspruch 1 des Verfügungspatents lautet wie folgt:
„Messer mit einem hohlen Griffkörper (13), in welchem ein stationäres Halte- und Führungselement (18) aufgenommen ist, das endseitig aus dem Griffkörper (13) hinausragt, in welchem außerdem zu diesem relativ verschieblich eine Klingenhalterung (11) aufgenommen ist, welche
über eine Zugfeder (31) mit dem stationären Halte- und Führungselement (18) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Griffkörper als im Querschnitt im wesentlichen rechteckförmige Griffhülse (13) ausgebildet ist und am dem Halte- und Führungselement (18) abgewandten, klingenseitigen Ende Eingriffsaussparungen (43) aufweist, in welche die Klingenhalterung (11) hineinragt, die aus zwei die Klinge (12) zwischen
sich einschließenden Seitenelementen (15,16) besteht.“
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 bis 4 sowie 6 der Verfügungspatentschrift verdeutlichen die Erfindung anhand einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Messers, wobei die Figur 1 eine Seitenansicht des Messers in Ruheposition, Figur 2 eine der Figur 1 entsprechende Darstellung des Messers in ausgefahrener Arbeitslage, Figur 3 einen Querschnitt durch das Messer entlang der Schnittlinie III – III der Figur 1 , Figur 4 eine Seitenansicht des Messers mit abgezogener Griffhülse und abgenommenem ersten Seitenteil der Klingenhalterung und Figur 6 eine der Figur 4 entsprechende Darstellung mit aufgesetztem ersten Seitenteil der Klingenhalterung zeigt.

Die Antragsgegnerin bietet an und bringt in den Verkehr Sicherheits-Karton-Messer unter der Bezeichnung „XYZ Automatic Knife“, deren nähere Ausgestaltung sich aus dem als Anlage Ast 7 überreichten Musterstück ergibt. Die nachfolgend wiedergegebenen und den Anlagen Ast 7 a, 9, 10, 10 a und 11 entnommenen Abbildungen verdeutlichen dieses von der Antragstellerin mit ihrem Antrag als das Verfügungspatent verletzend beanstandete Messer.

Auf einen Antrag der Antragstellerin vom 7. Januar 2005 hat die 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom selben Tage in der Sache antragsgemäß wie folgt erkannt:
I.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung, untersagt,
Messer mit einem hohlen Griffkörper, in welchem ein stationäres Halte- und Führungselement aufgenommen ist, das endseitig aus dem Griffkörper hinausragt, in welchem außerdem zu diesem relativ verschieblich eine Klingenhalterung aufgenommen ist, welche über eine Zugfeder mit dem stationären Halte- und Führungselement verbunden ist,
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der Griffkörper als im Querschnitt im wesentlichen rechteckförmige Griffhülse ausgebildet ist und an dem Halte- und Führungselement abgewandten, klingenseitigen Ende Eingriffsaussparungen aufweist, in welche die Klingenhalterung hineinragt, die aus zwei die Klinge zwischen sich einschließenden Seitenelementen besteht.
II.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben,

1.
die in ihrem Eigentum oder unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen, vorstehend unter I. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Antragstellerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der vorläufigen Aufbewahrung und der späteren, nach einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehaltenen Vernichtung auf Kosten der Antragsgegnerin herauszugeben,
2.
der Antragstellerin innerhalb einer Frist von 7 Tagen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Antragsgegnerin die vorstehend zu I. bezeichneten Handlungen seit dem 10. Mai 1991 begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse,
b)
der Liefermenge sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer.
III.
Der Antragsgegnerin werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot zu I. als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro , ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Gegen diese Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 1. Februar 2005 Widerspruch eingelegt und beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 7. Januar 2005 aufzuheben und den
auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 7. Januar 2005 zu be-
stätigen .
Das Landgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Mai 2005 mit Urteil vom 31. Mai 2005 die einstweilige Verfügung vom 7. Januar 2005 aufrecht erhalten und der Antragsgegnerin auch die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund des Sach- und Streitstandes sei es offensichtlich, dass das angegriffene Sicherheits-Karton-Messer von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch mache. Da das Verfügungspatent nicht angegriffen sei, entspreche es der Interessenlage, die Antragstellerin nicht auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen, sondern ihr die aufgrund des Verletzungstatbestandes zustehenden Ansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuzuerkennen (§ 940 ZPO).
Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Partien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.
Eine von der Antragsgegnerin mit Datum vom 13. Mai 2005 beim Bundespatentgericht eingereichte Nichtigkeitsklage betreffend das Verfügungspatent, die auf die Klagegründe von § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG (unzulässige Erweiterung) und 3 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG (fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützt war (vgl. Anlage K 1 der Antragsgegnerin), ist seitens der Antragsgegnerin noch vor Zustellung an die Antragstellerin durch Erklärung vom 6. September 2005 zurückgenommen worden (vgl. Anlagen Ast 14 und Ast 15).
Die Antragsgegnerin macht mit ihrer Berufung geltend, das Verfügungspatent sei nicht schutzfähig (vgl. Berufungsbegründung vom 12. September 2005 Seiten 1 – 4 – Bl. 99 – 103 GA). Überdies habe das Landgericht die Bedeutung der Merkmale 6 a und 6 b seiner Merkmalsanalyse verkannt und sei nur deshalb zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass die angegriffene Ausführungsform diese Merkmale dem Wortsinne nach verwirkliche. Mit dem Merkmal 6 a, wonach der Griffkörper als im Querschnitt im wesentlichen rechteckförmige Griffhülse ausgebildet sei, grenze sich der Gegenstand des Verfügungspatents von dem aus der deutschen Auslegeschrift 27 36 395 bekannten Gegenstand ab. Die weite Auslegung dieses Merkmals durch das Landgericht führe nun aber dazu, dass dieses Merkmal wortsinngemäß aber auch schon bei dem Stand der Technik verwirklicht sei, von welchem sich die Verfügungspatentschrift gerade abgrenze, nämlich von der deutschen Auslegeschrift 27 36 395 und dem dort in Figur 6 gezeigten Querschnitt. Aufgrund der Tatsache, dass sich das Merkmal 6 a im kennzeichnenden Teil des Patentanspruches 1 des Klagepatents befinde, müsse dieses so ausgelegt werden, dass ein Unterschied gegenüber dem Stand der Technik vorliege. Die ovale Querschnittsform der Griffhülse des angegriffenen Messers liege sehr viel näher am Stand der Technik als an einer beanspruchten Rechteckform. Was das im angefochtenen Urteil als Merkmal 6 b bezeichnete Merkmal angehe, so sei eindeutig, dass der Wortlaut dieses Merkmals mehr als eine Eingriffsaussparung fordere, wobei ursprünglich in den Anmeldeunterlagen ohnehin nur einander gegenüberliegende Eingriffsaussparungen offenbart gewesen seien. Wenn die Antragstellerin und das Landgericht die im streitbefangenen Messer ausgebildete einzige Eingriffsaussparung dahingehend deute, dass sie tatsächlich aus drei Eingriffsaussparungen bestehe, die ineinander übergingen, zeige dies deutlich, das aus dem durch die unzulässige Erweiterung entstandenen größeren Schutzbereich Ansprüche hergeleitet würden. Einander gegenüberliegende Eingriffsaussparungen könnten nämlich nicht ineinander übergehen. Schließlich sei bei der angegriffenen Ausführungsform auch das Merkmal 7 der landgerichtlichen Merkmalsanalyse nicht verwirklicht. Dieses Merkmal besage, dass die Klingenhalterung eine gewisse Symmetrie aufweisen müsse. Bei der Klingenhalterung der angegriffenen Ausführungsform liege diese Symmetrie jedoch nicht vor.
Die Antragsgegnerin beantragt,
das am 31. Mai 2005 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Land
gerichts Düsseldorf abzuändern und unter Aufhebung der einstweiligen
Verfügung vom 7. Januar 2005 den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung gegen das am 31. Mai 2005 verkündete Urteil der 4b. Zi
vilkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend und verweist überdies darauf, dass angesichts der Rücknahme der Nichtigkeitsklage durch die Antragsgegnerin vom Rechtsbestand des Verfügungspatents auszugehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung angegriffene Messer gemäß Anlage Ast 7 macht von der technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Verfügungspatents Gebrauch. – Nachdem die Antragsgegnerin ihre beim Bundespatentgericht eingereichte Nichtigkeitsklage betreffend das Verfügungspatent wieder zurückgenommen hat, ist überdies ihm Rahmen der nach §§ 935, 940 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung bei der Entscheidung, ob die Antragstellerin ihre Ansprüche aus dem Verfügungspatent auch im Eilverfahren durchsetzen kann und nicht auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen ist, vom Rechtsbestand des Verfügungspatents auszugehen mit der Folge, dass einer Zuerkennung der der Antragstellerin zustehenden, hier geltend gemachten Ansprüche aus dem Verfügungspatent im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nichts entgegensteht.

1.
Die Erfindung nach dem Verfügungspatent betrifft ein Messer mit hohlem Griffkörper. Der Griffkörper nimmt ein stationäres Halte- und Führungselement und eine zu diesem relativ verschiebliche Klingenhalterung auf. Das Halte- und Führungselement ragt endseitig aus dem Griffkörper hinaus. Die Klingenhalterung ist über eine Zugfeder mit dem stationären Halte- und Führungselement verbunden (vgl. Spalte 1, Zeilen 3 – 10).

Ein derartiges Messer ist nach Spalte 1, Zeilen 11/12 der Verfügungspatentschrift aus der DE- B – 27 36 395 (Anlage Ast 3) bekannt. Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 6 der Auslegeschrift 27 36 395 stellen das danach bekannte Messer dar, wobei Figur eine Seitenansicht des Messers, Figur 2 eine Draufsicht und Figur 6 einen Querschnitt gemäß der Schnittlinie VI – VI der Figur 1 in vergrößertem Maßstab zeigt.

Das aus der DE-B-27 36 395 bekannte Messer wird in der Verfügungspatentschrift dahin gewürdigt, dass es in seiner Arbeitsstellung bei ausgefahrener Klinge durch eine nach außen ragende Betätigungshandhabe durch Daumen-Querdruck arretierbar sei. Bei Freigabe der Handhabe werde die Klingenhalterung samt Klinge durch den Federzug in den hohlen Messergriff zurückgeführt. Dieses Merkmal stelle ein wesentliches Sicherheitsmoment gegenüber Verletzungen der Bedienungsperson dar (Spalte 1, Zeilen 11 – 19).

Kritisiert wird an dem bekannten Messer jedoch, dass der Klingenwechsel, der in bestimmten Zeitintervallen durchzuführen sei, zu aufwändig, nämlich zu langdauernd sei. Er solle rascher durchführbar sein. Zudem sei die Bauweise des bekannten Messers recht aufwändig, so dass es nur in bevorzugten Anwendungsbereichen eingesetzt werden könne (vgl. Spalte 1, Zeilen 20 – 26).

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das Messer der vorgenannten Art so auszugestalten, dass sich der Klingenwechsel in einfacher Weise rasch und gefahrlos durchführen lasse und eine einfache, weniger kostenaufwändige Bauform erreicht werde, die Voraussetzung für ein in vielen Arbeitsgebieten, insbesondere beim Aufschneiden von Kartons, einsetzbares Messer bilde (Spalte 1, Zeilen 27 – 35).

Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß dem Patentanspruch 1 des Verfügungspatent ein Gegenstand vorgeschlagen, der sich merkmalsmäßig gegliedert wie folgt darstellt:

1. Messer mit einem hohlen Griffkörper (13),
2. in welchem ein stationäres Halte- und Führungselement (18) aufgenommen ist,
3. das endseitig aus dem Griffkörper (13) hinausragt.
4. In dem hohlen Griffkörper (13) ist außerdem zu diesem relativ verschieblich eine Klingenhalterung (11) aufgenommen,
5. welche über die Zugfeder (31) mit dem stationären Halte- und Führungselement (18) verbunden ist.
-Oberbegriff-

6. Der Griffkörper ist als im Querschnitt im wesentlichen rechteckförmige Griffhül-
se (13) ausgebildet.
7. Er weist am dem Halte- und Führungselement (18) abgewandten , klingenseiti-
gen Ende Eingriffsaussparungen (43) auf.
8. In die Eingriffsaussparungen ragt die Klingenhalterung (11) hinein.
9. Die Klingenhalterung (11) besteht aus zwei die Klinge (12) zwischen sich ein-
schließenden Seitenelementen (15,16).
– Kennzeichen –

Von dieser Lösung heißt es in der Verfügungspatentschrift, dass bei ihr die Klingenhalterung durch bloßes Herausziehen des Halte- und Führungselements aus der Griffhülse ohne weiteres zugänglich sei, so dass der angestrebte rasche Klingenwechsel ermöglicht werde (vgl. Spalte 1, Zeilen 49 -53). Wie der durch die Verfügungspatentschrift angesprochene Fachmann der erfindungsgemäßen Lösung entnimmt, geschieht die Betätigung des Messers selbst in einfacher Weise dadurch, dass über Eingriffsaussparungen des Griffkörpers unmittelbar auf die Klingenhalterung zugegriffen und durch deren Betätigung die Messerklinge aus dem hohlen Griffkörper herausgeschoben werden kann. Dadurch, dass die Klingenhalterung im Bereich der Eingriffsaussparungen freigegeben wird, kann die Klinge – umgekehrt – unter der Wirkung der Zugfeder wieder in die Griffhülse eingefahren werden.

Angesichts des Streites der Parteien über die Auslegung der kennzeichnenden Merkmale 6 bis 9 ist darauf zu verweisen, dass der durch die Verfügungspatentschrift angesprochene Fachmann durch das Merkmal 6 nicht die Anweisung erhält, eine Geometrieaufgabe zu lösen. Was die Verfügungspatentschrift unter „im wesentlichen rechteckförmig“ versteht, erschließt sich dem Fachmann bei der gebotenen funktionalen Betrachtungsweise insbesondere auch aus der Beschreibung der Figur 3 in Spalte 4, Zeilen 6 ff. Die Griffhülse soll so ausgestaltet sein, dass sie die Klinge und die diese haltenden beiden Seitenteile aufzunehmen vermag. Klinge und Seitenelemente haben, weil sie aufeinander abgestimmt sind, eine im Querschnitt im wesentlichen rechteckförmige Form. Die den Seitenelementen und der Griffhülse zugewiesene Funktion, die Klinge sicher und ohne Verdrehungs- und Verkantungsgefahr leicht auswechselbar zu halten, ist, wie der Fachmann ohne weiteres erkennt, nicht davon abhängig, ob Schmalseiten und Längsseiten der Griffhülse und der Seitenelemente in exakt senkrechten Winkel zueinander ausgerichtet sind. Die Übergänge können auch abgerundet sein und es schadet auch nicht, wenn etwa die Seitenteile nach außen eine gewisse Wölbung aufweisen.

Gegen ein solches Verständnis des Merkmals 6 spricht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht der Umstand, dass sich das Merkmal 6 im Kennzeichen der Patentanspruches 1 und angesichts des Standes der Technik, von dem das Verfügungspatent ausgeht, nämlich der DE-B- 27 36 395 (Anlage Ast 3), nicht im Oberbegriff befindet, obwohl auch die Figur 6 dieser Schrift einen Querschnitt der Griffhülse zeigt, den man bei der hier vorgenommenen funktionalen Betrachtungsweise noch als „im wesentlichen rechteckförmig“ ansehen könnte. Für die Auslegung eines Merkmals in einem Patentanspruch ist es unerheblich, ob es sich im Oberbegriff oder im Kennzeichen befindet. Die Verfügungspatentschrift kritisiert den vorgenannten Stand der Technik ausweislich Spalte 1, Zeilen 11 – 26 auch nicht im Hinblick auf den dortigen Querschnitt der Griffhülse, dem sie einen anderen Querschnitt entgegensetzen will, sondern im Hinblick auf den verbesserungsbedürftigen Klingenwechsel und im Hinblick auf die aufwändige Bauweise.

Gemäß den Merkmalen 7 und 8 weist der Griffkörper an dem dem Halte- und Führungselement abgewandten klingenseitigen Ende Eingriffsaussparungen auf, in die die in Merkmal 9 beschriebene Klingenhalterung hineinragt, um dem Benutzer ein Verschieben von Klingenhalterung und Klinge zu ermöglichen.

Das Ausführungsbeispiel des Verfügungspatents und insbesondere Unteranspruch 9 gehen wohl davon aus, dass entsprechend den Profilierungen in der Mitte der Seitenteile gegenüberliegende Aussparungen in den Längsseiten der Griffhülse bzw. des Griffkörpers vorhanden sind, wie dies die Figuren 1 und 2 der Verfügungspatentschrift gemäß einer Seitenansicht zeigen. Das ist aber nur eine spezielle Besonderheit des Ausführungsbeispiels. Der Patentanspruch 1 des Verfügungspatents enthält derartige Festlegungen und Einschränkungen nicht. Es kann im vorliegenden Fall auch offen bleiben, ob das Wort „Eingriffsaussparungen“ eine Mehrzahl von derartigen Aussparungen bedingt oder nur die Gattung bezeichnet. Offen bleiben kann auch, ob der erläuternden Beschreibung zu entnehmen ist, dass die Eingriffsaussparungen dem Benutzer den Zugang zur Klingenhalterung von beiden gegenüberliegenden Längsseiten des Griffkörpers aus ermöglichen soll. Jedenfalls kann der durch das Verfügungspatent angesprochene Fachmann dem Anspruch 1 keine Anweisung entnehmen, die beidseitigen Eingriffsaussparungen voneinander – etwa durch am Griffkörper vorhandene Materialstege – getrennt zu halten. Vielmehr ist dem Fachmann ohne weiteres klar, dass die beidseitigen Eingriffsaussparungen durchaus miteinander verbunden sein können und so den Eindruck einer einzigen Aussparung in der Griffhülse bzw. im Griffkörper erweckt werden kann, ohne dass die patentgemäßen Funktionen beeinträchtigt sind.

Was die Ausgestaltung der Klingenhalterung angeht, beschränkt sich der Patentanspruch 1 auf die Angaben in den Merkmalen 4, 5, 8 und 9 und sagt dabei nichts darüber aus, dass eine, wie die Beklagte geltend macht, „gewisse Symmetrie“ vorhanden sein müsse. Es wird mit Merkmal 8 lediglich gelehrt, dass die Klingenhalterung in die oben näher erläuterten Eingriffsaussparungen hineinragt, um, wie der Fachmann erkennt, dem Benutzer ein Verschieben der Klingenhalterung und der Klinge zu ermöglichen.

2.
Von der sich so darstellenden technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Verfügungspatents wird bei dem angegriffenen Messer gemäß Anlage Ast 7 wortsinngemäß Gebrauch gemacht, wie das Landgericht im angefochtenen Urteil unter Ziffer II. seiner Entscheidungsgründe zutreffend dargelegt hat, so dass im Wesentlichen darauf verwiesen werden kann.

Wie der Augenschein der Anlage Ast 7 lehrt, handelt es sich bei dem angegriffenen Gegenstand um ein Messer mit einem hohlen Griffkörper im Sinne des Merkmals 1. Innerhalb des Griffkörpers ist entsprechend Merkmal 2 ein stationäres Halte- und Führungselement aufgenommen, das in der oben wiedergegebenen Abbildung der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage Ast 9 das Bezugszeichen 18 trägt.

Dieses Halte- und Führungselement ragt auch entsprechend Merkmal 3 endseitig aus dem Griffkörper 13 hinaus. (vgl. die oben wiedergegebene Abbildung gemäß Anlage Ast 10).

In dem hohlen Griffkörper ist, wie die oben wiedergegebenen Abbildungen gemäß Anlagen Ast 10 und Ast 10 a deutlich machen, entsprechend Merkmal 4 außerdem zu diesem relativ verschieblich eine Klingenhalterung 11 aufgenommen (vgl. im Hinblick auf die relative Verschieblichkeit auch das Muster gemäß Anlage Ast 7).

Da ausweislich der oben wiedergegebenen Abbildung nach Anlage Ast 9 die Klingenhalterung 11 über die Zugfeder 31 mit dem stationären Halte- und Führungselement 18 verbunden ist , ist auch das Merkmal 5 verwirklicht.

Neben den Merkmalen des Oberbegriffs verwirklicht der angegriffene Gegenstand entgegen der Auffassung der Beklagten auch die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruches 1 des Verfügungspatentes , so wie diese nach den oben unter Ziffer II. 1. erfolgten Erläuterungen auszulegen sind.

Aus dem überreichten Muster gemäß Anlage Ast 7 sowie der oben wiedergegebenen Abbildung gemäß Anlage Ast 11 ergibt sich, dass der Griffkörper als im Querschnitt „im wesentlichen rechteckförmige“ Griffhülse 13 ausgebildet ist. Der Querschnitt ist zwar geometrisch nicht exakt rechteckförmig, weil die ideale Rechteckform dadurch verlassen ist, dass die beiden Stirnseiten des Griffkörpers eine etwas geringere Breite als der Mittelbereich haben (vgl. die oberen und unteren Bereiche der Abbildung gemäß Anlage Ast 11 im Vergleich zum mittleren Bereich), so dass die stirnseitigen Enden der Seitenflächen leicht nach innen geneigt verlaufen. Wie
oben unter Ziffer II.1. im Einzelnen ausgeführt, zielt dieses Merkmal 6 aber auch nicht auf eine exakte Rechteckform des Querschnitts ab, sondern wie durch die Worte „im wesentlichen“ verdeutlicht, nur auf eine annähernd rechteckförmige Ausgestaltung, die gewährleistet, dass Klinge und Seitenelemente der Klingenhalterung , die eine im wesentliche rechteckige Form haben, sicher und ohne Verdrehungs- und Verkantungsgefahr leicht auswechselbar in der Griffhülse gehalten werden, was bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist.

Entsprechend dem Merkmal 7 weist der Griffkörper in Form der Griffhülse am dem Halte- und Führungselement abgewandten, klingenseitigen Ende auch Eingriffsaussparungen auf, wie dem Muster gemäß Anlage Ast 7 und auch der oben wiedergegebenen Abbildung der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage Ast 10 zu entnehmen ist. An den an einer Schmalseite der Griffhülse angrenzenden Seitenflächen der Griffhülse, die sich am dem Halter- und Führungselement 18 abgewandten, klingenseitigen Ende befindet, ist jeweils Material ausgespart (vgl. Bezugszeichen 43 in Anlage Ast 10). Der Umstand, dass dort auch Material im Bereich der Schmalseite ausgespart ist, so dass die Aussparungen auf den beiden sich gegenüberliegenden Seitenflächen miteinander verbunden sind, steht, wie oben unter Ziffer II.1. im Einzelnen ausgeführt, der Verwirklichung dieses Merkmals nicht entgegen.

Entsprechend dem Merkmal 8 ragt , wie neben dem Muster gemäß Anlage Ast 7 auch die oben wiedergegebene Abbildung gemäß Anlage Ast 10 deutlich macht, die Klingenhalterung in die Eingriffsaussparungen hinein, so dass der Benutzer in der Lage ist, mit seinen Fingern die Klingenhalterung und Klinge zu verschieben. Dies reicht, wie oben dargetan aus, um dieses Merkmal als verwirklicht anzusehen.

Schließlich ist auch das Merkmal 9 dem Wortsinne nach bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht, da die Klingenhalterung aus zwei die Klinge zwischen sich einschließenden Seitenelementen besteht. Insoweit ist neben der Anlage Ast 7 insbesondere auf die oben wiedergegebene Abbildung gemäß Anlage Ast 10 a zu verweisen, die die Klinge mit dem Bezugszeichen 12 und die Seitenelemente mit den Bezugszeichen 15 und 16 zeigt.

3.
Das Landgericht hat einleitend seiner Entscheidungsgründe im Einzelnen ausgeführt aufgrund welcher weiteren Tatumstände und Rechtsvorschriften der Antragstellerin die zuerkannten Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zustehen. Auf diese zutreffenden Ausführungen, die sich der Senat zu eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Die Berufung der Antragsgegnerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit kam nicht in Betracht, weil dieses Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einem Rechtsmittel nicht mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 ZPO) und daher ohne besonderen Ausspruch nicht nur vorläufig, sondern endgültig voll-
streckbar ist.

R1 R2 Dr. R3