2 U 134/01 – Temperierblock für Laborthermostate

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 209 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. September 2003, Az. 2 U 134/01 

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. August 2001 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeder der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 17.500 € abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Insgesamt braucht die Klägerin zur Abwendung der Vollstreckung und brauchen die Beklagten zusammen zur Ermöglichung der Vollstreckung keine höhere Sicherheit als 23.200 € zu leisten.

5. Streitwert für das Berufungsverfahren: 256.000 €. Dieser Wert entfällt auf die Berufung, der gegenüber die Anschlussberufung keinen besonderen Wert hat.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Deutschen Gebrauchsmusters 296 23 597 (im folgenden: Klagegebrauchsmuster), das aus dem am 8. November 1996 angemeldeten Deutschen Patent 196 46 115 abgezweigt und am 7. Januar 1999 eingetragen worden ist. Die Eintragung ist am 18. Februar 1999 im Patentblatt bekannt gemacht worden. Die Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters ist bis zum 8. November 2004 verlängert worden.

Das Klagegebrauchsmuster ist zunächst mit 8 Ansprüchen eingetragen worden, von denen die Ansprüche 1 und 6 wie folgt lauteten:

1.
Temperierblock (8, 48, 58, 68) für Laborthermostaten mit Aufnahmen (11, 11‘, 71, 72) an einer Aufnahmeseite (10) zur Aufnahme der mit Probeflüssigkeit gefüllten Bereiche von Behältern (1) in großflächigem Kontakt, und mit wenigstens zwei den Temperierblock wärmeleitend
kontaktierenden Temperiereinrichtungen (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) zur Erzeugung unterschiedlicher Temperaturen an unterschiedlichen Stellen des Temperierblockes,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Temperiereinrichtungen (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) mit aneinandergrenzenden Feldern der der Aufnahmeseite (10) gegenüberliegenden Kontaktierseite (15) des Temperierblockes (8, 48, 58, 68) in großflächigem Kontakt stehen.

6.
Temperierblock nach Anspruch 1,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Kontaktierseite (15) sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder unterteilt ist, die mit getrennten Temperiereinrichtungen (59, 59‘, 60, 60‘) kontaktiert sind.

Nachdem die Beklagte zu 1. die Löschung des Klagegebrauchsmusters beantragt hatte, hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Marken-amtes mit Beschluss vom 23. Mai 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Löschungsantrages das Klagegebrauchsmuster beschränkt aufrechterhalten, und zwar mit sieben Ansprüchen, von denen Anspruch 1 wie folgt lautete:

Gradienten-Temperierblock (8, 48, 58, 68) für Laborthermostaten mit Aufnahmen (11, 11‘, 71, 72) an einer Aufnahmeseite (10) zur Aufnahme der mit Probeflüssigkeit gefüllten Bereiche von Behältern (1) in großflächigem Kontakt, und mit wenigstens zwei den Temperierblock wärmleitend kontaktierenden Temperiereinrichtungen (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) an unterschiedlichen Stellen des Temperierblockes, die an Regelkreise angeschlossen sind, welche zur Erzeugung unterschiedlicher Temperaturen in den Temperiereinrichtungen ausgebildet sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass in jedem von mehreren aneinandergrenzenden Feldern der der Aufnahmeseite (10) gegenüberliegenden Kontaktierseite (15) des Temperierblockes (8, 48, 58, 68) jeweils eine Temperiereinrichtung (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) in großflächigem Kontakt mit der Kontaktierseite stehend angeordnet ist, wobei die Temperiereinrichtungen an eine Regeleinrichtung angeschlossen sind, die zur Steuerung der Temperiereinrichtungen derart ausgebildet ist, dass wahlweise alle Temperiereinrichtungen auf gleiche Temperaturen oder in einer Richtung hintereinanderliegende Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche, in dieser Richtung ansteigende Temperaturen bringbar sind, wobei in Bezug auf die Kontaktierseite jeder Temperiereinrichtung Aufnahmen gegenüberliegen und wobei die Kontaktierseite (15) sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder unterteilt ist, wobei die Temperiereinrichtungen gleich groß sind.

Gegen diesen Beschluss hatten sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1. Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 4. Juli 2002 hat daraufhin das Bundespatentgericht unter Zurückweisung der Beschwerde der Beklagten zu 1. das Klagegebrauchsmuster in der Weise aufrechterhalten, dass es am Ende des Anspruchs 1 (in der Fassung gemäß dem Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes) die Worte „wobei die Temperiereinrichtungen gleich groß sind“ gestrichen hat.

Nachfolgend sind Zeichnungen aus der Klagegebrauchsmusterschrift wiedergegeben, von denen die Figuren 3 und 4 unterschiedliche Ausführungen eines Temperierblockes zur Erzeugung eines Temperaturgradienten und die Figuren 3 a und 4 a die zu den jeweiligen Temperierblöcken gehörenden Temperaturgradienten zeigen. In Figur 5 ist ein Temperierblock in Ansicht von der Kontaktierseite her gezeigt, der 4 in Quadrantenanordnung befindliche Temperiereinrichtungen aufweist:

Die Beklagte zu 2. stellt in Großbritannien Laborthermostaten unter der Bezeichnung „Bz“ her, die sie über die Beklagte zu 1. in Deutschland vertreibt. Die Ausgestaltung dieser Thermostaten ergibt sich aus den nachfolgend wiedergegebenen, von der Klägerin als Anlage 5 überreichten Abbildungen:

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der genannten Thermostaten in Deutschland eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters und hat mit der vorliegenden Klage die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen, während die Beklagten um Klageabweisung, hilfsweise um Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts gebeten haben. Darüber hinaus haben sie hilfsweise beantragt,

die Verhandlung des Rechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss des damals gegen das Klagegebrauchsmuster anhängigen Löschungsverfahrens auszusetzen,

und außerdem hilfsweise,

die Verhandlung auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob § 12 Patentgesetz, soweit er für den Erwerb eines Vorbenutzungsrechts die Betätigung des Erfindungsbesitzes im „Inland“ voraussetze, im Einklang mit den Bestimmungen des EG-Vertrages stehe.

Sie haben eingewendet:

Die angegriffenen Laborthermostaten verwirklichten die Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht; sie wiesen keine „aneinandergrenzenden Felder“ im Sinne dieser Lehre auf, auch bestehe bei ihnen kein „großflächiger Kontakt“ zwischen Feldern der Kontaktierseite und den Temperiereinrichtungen, sondern nur eine Mehrzahl kleinflächiger Kontakte, die zudem keine unmittelbaren Kontakte bildeten, weil zwischen den Temperiereinrichtungen und der Kontaktierseite des Temperierblockes eine Zwischenschicht vorgesehen sei. Schließlich erlaube die angegegriffene Ausführungsform entgegen der Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht die Bildung von Temperaturgradienten in Längs- und Querrichtung, sondern ausschließlich in Längsrichtung.

Darüber hinaus haben die Beklagten sich auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen und dazu vorgetragen, die Beklagte zu 2. habe bereits vor dem Prioritätstage des Klagegebrauchsmusters in Großbritannien Laborthermostaten entwickelt und Anstalten zu ihrer Produktion getroffen, die im wesentlichen den angegriffenen Thermostaten entsprochen hätten. Eine sachgerechte Auslegung des gemäß § 13 Abs. 3 GebrMG hier anwendbaren § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG, die auch die Artikel 28 und 30 EGV beachte, ergebe, dass unter „Inland“ in § 12 PatG das „EG-Inland“ zu verstehen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und

I. die Beklagten verurteilt,

1.
es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu
unterlassen,
Laborthermostaten mit Gradienten-Temperierblöcken mit Aufnahmen an
einer Aufnahmeseite zur Aufnahme der mit Probeflüssigkeit gefüllten
Bereiche von Behältern in großflächigem Kontakt, und mit mehreren den
Temperierblock wärmeleitend kontaktierenden Temperiereinrichtungen an
unterschiedlichen Stellen des Temperierblockes, die an Regelkreise an-
geschlossen sind, welche zur Erzeugung unterschiedlicher Temperaturen in den Temperiereinrichtungen ausgebildet sind,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen in jedem von mehreren aneinandergrenzenden Feldern der der Aufnahmeseite (10) gegenüberliegenden Kontaktierseite des Temperierblockes jeweils eine Temperiereinrichtung in großflächigem Kontakt mit der Kontaktierseite stehend angeordnet ist, wobei die Temperiereinrichtungen an eine Regeleinrichtung angeschlossen sind, die zur Steuerung der Temperiereinrichtungen derart ausgebildet ist, dass wahlweise alle Temperiereinrichtungen auf gleiche Temperaturen oder in einer Richtung hintereinander liegende Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche, in dieser Richtung ansteigende Temperaturen bringbar sind, wobei in Bezug auf die Kontaktierseite jeder Temperiereinrichtung Aufnahmen gegenüberliegen und wobei die Kontaktierseite sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder unterteilt ist, wobei die Temperiereinrichtungen gleich groß sind;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. Februar 1999 begangen hätten, und zwar unter Angabe

a)
der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu a. nur von der Beklagten zu 1. zu machen seien;

sowie

II.

festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 7. Februar 1999 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Auf das Urteil vom 9. August 2001 wird Bezug genommen.

Die Beklagten haben Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge (außer dem Antrag auf Aussetzung bis zum Abschluss des Löschungsverfahrens) weiterverfolgen, während die Klägerin um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet und im Wege der Anschlussberufung beantragt,

den Unterlassungsausspruch dahin abzuändern, dass der letzte Halbsatz „wobei die Temperiereinrichtungen gleich groß sind“ gestrichen werde.

Die Beklagten bitten um Zurückweisung der Anschlussberufung.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet, während die Anschlussberufung der Klägerin keinen Erfolg hat. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Thermostaten verletzen die Beklagten nämlich das Klagegebrauchsmuster nicht.

I.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Gradienten-Temperierblock für Labor-thermostaten.
Derartige Temperierblöcke sind an ihrer Oberseite mit einer Mehrzahl von Aufnahmeöffnungen oder Einsenkungen versehen, in die mit entsprechender Kontur geformte Behälter eingesetzt werden können, welche zur Reaktion zu bringende Reagenzien enthalten. Die Temperierblöcke weisen außerdem Temperiereinrichtungen auf, um die Temperierblöcke (und damit auch die Behälter und die in ihnen befindlichen Reagenzien) auf gewünschte Temperaturen zu bringen, die für die angestrebte Reaktion erforderlich sind. Ein möglicher Einsatzzweck solcher Temperierblöcke besteht darin, zu ermitteln, wo die optimale Temperatur für die gewünschte Reaktion der in den Behältern befindlichen Reagenzien liegt, z. B. wenn DNA-Sequenzen gezielt amplifiziert werden sollen, was bei bestimmten Temperaturen besonders gut gelingt. In derartigen Fällen ist es zweckmäßig, bei den verschiedenen Probeaufnahmebehältern einen Temperaturgradienten zu erzeugen, um dann festzustellen, bei welcher Temperatur die gewünschte Amplifikation am besten abläuft.

Die Klagegebrauchsmusterschrift führt einleitend aus, ein Temperierblock, der einen Temperaturgradienten erzeugen könne, sei aus der US-PS 55 25 300 (Anlage K 2 = D 7) bekannt. Nachfolgend wird die Figur 2 der genannten US-Patentschrift wiedergegeben, die ein Ausführungsbeispiel des aus dieser Schrift ersichtlichen Temperierblockes zeigt:

Dieser Temperierblock weist Aufnahmeöffnungen (3) auf. Er wird von seinem einen Ende her aufgeheizt, und zwar durch eine Heizpatrone (5), die in die Öffnung (4) eingeschoben wird, und von dem anderen Ende her durch eine Kühlvorrichtung (7) gekühlt, was zur Folge hat, dass sich zwischen den beiden Enden ein Temperaturgradient bildet, der sich vom geheizten zum gekühlten Ende hin absenkt.

Die Klagegebrauchsmusterschrift kritisiert an diesem Stand der Technik die Temperierung des Temperierblockes nur von seinen Enden her. Beim Einschalten des Gerätes oder bei einer Veränderung des im Temperierblock einzustellenden Temperaturniveaus ergäben sich deshalb längere Temperierzeiten, bis das gewünschte Gleichgewicht hergestellt sei. Ferner könne im mittleren Bereich des Temperierblockes durch Umgebungseinflüsse die Temperatur vom gewünschten Temperaturprofil abweichen.

Die Klagegebrauchsmusterschrift bezeichnet es sodann als Aufgabe der geschützten Erfindung, einen Temperierblock der gattungsgemäßen Art zu schaffen, bei dem das gewünschte Temperaturprofil schneller und störungsfreier einstellbar sei.

Als Lösung schlägt Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der jetzt geltenden Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1.
Es handelt sich um einen Gradienten-Temperierblock (8, 48, 58, 68) für
Laborthermostaten.

2.
Der Temperierblock weist

2.1
Aufnahmen (11, 11‘, 71, 72) an einer Aufnahmeseite (10) zur Aufnahme der mit Probeflüssigkeit gefüllten Bereiche von Behältern (1) in großflächigem Kontakt

und

2.2.
wenigstens zwei den Temperierblock wärmeleitend kontaktierende Temperiereinrichtungen (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) an unterschiedlichen Stellen des Temperierblockes auf.

3.
Die Temperiereinrichtungen (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) sind an Regelkreise angeschlossen, welche zur Erzeugung unterschiedlicher Temperaturen in den Temperiereinrichtungen ausgebildet sind.

4.
In jedem von mehreren aneinandergrenzenden Feldern der der Aufnahmeseite (10) gegenüberliegenden Kontaktierseite (15) des Temperierblockes (8, 48, 58, 68) ist jeweils eine Temperiereinrichtung (20, 19, 19‘, 59, 59‘, 60, 60‘) in großflächigem Kontakt mit der Kontaktierseite stehend angeordnet.

5.
Die Temperiereinrichtungen sind an eine Regeleinrichtung angeschlossen, die zur Steuerung der Temperiereinrichtungen derart ausgebildet ist, dass wahlweise alle Temperiereinrichtungen auf gleiche Temperaturen oder in einer Richtung hintereinanderliegende Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche, in dieser Richtung ansteigende Temperaturen bringbar sind.

6.
In Bezug auf die Kontaktierseite liegen jeder Temperiereinrichtung Aufnahmen gegenüber.

7.
Die Kontaktierseite (15) ist sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder unterteilt.

Die Klagegebrauchsmusterschrift hebt hervor (Seite 2, Absatz 4, bis Seite 3, Absatz 1), erfindungsgemäß seien die mehreren am Temperierblock angreifenden Temperiereinrichtungen großflächig mit aneinandergrenzenden Feldern der Kontaktierseite kontaktiert. Überraschend zeige sich bei dieser Konstruktion, dass trotz des großflächigen Kontaktes mit Temperiereinrichtungen, die dem Temperierblock gleichmäßig Wärme zuführten oder aus diesem Wärme abführten, auch über die Temperiereinrichtungen hinweg ein Temperaturgradient eingestellt werden könne. Die bekannte endständige Anordnung der Temperiereinrichtung sei hierzu nicht notwendig. Es ergebe sich der Vorteil einer direkten Temperaturbeeinflussung des Temperierblockes über seine ganze Fläche. Umgebungseinflüsse, z. B. durch die umgebende Luft, würden weitgehend ausgeschaltet. Durch den großflächigen Eingriff über die gesamte Fläche des Temperierblockes seien auch die Zeiten zur Einstellung des gewünschten Temperaturprofils wesentlich geringer, wenn beispielsweise der Temperierblock von einem Temperaturprofil im Bereich 40 Grad auf ein Temperaturprofil im Bereich 90 Grad umgeschaltet werden solle. Es sei also ohne weiteres möglich, Proben in einem Temperierblock rasch nacheinander auf unterschiedliche Temperaturniveaus zu bringen, entweder mit einem Temperaturgradienten oder auch mit über den gesamten Block gleichmäßiger Temperatur. Die großflächige Kontaktierung mit Temperiereinrichtungen lasse sich in einer alternativen Betriebsart sehr einfach zur gleichmäßigen Temperierung aller Aufnahmen verwenden. Es sei dazu nicht erforderlich, wie bei der Konstruktion der eingangs genannten US-Patentschrift zusätzlich zu den heizenden und kühlenden endständig angeordneten Temperiereinrichtungen eine zusätzliche auf der Kontaktierseite angeordnete Temperiereinrichtung vorzusehen.

Soweit es das Merkmal 7 betrifft (das ursprünglich den Unteranspruch 6 bildete), führt die Klagegebrauchsmusterschrift auf Seite 4, Absatz 2 aus:

Es sei vorteilhaft, dass in der Fläche verteilt angeordnete Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche Weise betrieben werden könnten. Es könnten seitlich benachbarte Temperiereinrichtungen gleich temperierend betrieben werden, so dass der Temperierblock in Längsrichtung oder Querrichtung einen Temperaturgradienten aufweise. Beispielsweise könne in einem Temperierblock nacheinander bei unterschiedlichen Temperaturniveaus in unterschiedlichen Richtungen ein Gradient eingestellt werden. Die Temperiereinrichtungen könnten auch alle unterschiedlich betrieben werden, so dass ein Temperaturgradient sowohl in x-Richtung als auch in y-Richtung (also, wie sich aus Figur 5 der Klagegebrauchsmusterschrift ergibt, sowohl in Längs- als auch in Querrichtung) eingestellt werde, z. B. mit unterschiedlichen Temperaturgradienten in den beiden Richtungen.

Angesichts des Streites der Parteien bedürfen die Merkmale 5 und 7 näherer Erörterung.

Das Merkmal 5 spricht davon, die Regeleinrichtung, an welche die Temperiereinrichtungen angeschlossen seien (vgl. dazu auch Merkmal 3), solle zur Steuerung der Temperiereinrichtungen derart ausgebildet sein, dass wahlweise alle Temperiereinrichtungen auf gleiche Temperaturen oder in einer Richtung hintereinanderliegende Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche, in dieser Richtung ansteigende Temperaturen bringbar seien.

Nach dem rein philologischen Wortlaut dieses Merkmals würde es ausreichen, dass der erfindungsgemäße Temperierblock in (irgend-) einer Richtung einen Temperaturgradienten erzeugen kann, wobei es Sache des die Lehre des Klagegebrauchsmusters ausführenden Durchschnittsfachmanns wäre, diese (eine) Richtung zu bestimmen. Nach der ursprünglichen Fassung des Anspruches 1 musste dieses Merkmal – auch und gerade unter Berücksichtigung des gesamten Offenbarungsgehalts der Klagegebrauchsmusterschrift – von dem durch das Klagegebrauchsmuster angesprochenen Durchschnittsfachmann auch in diesem Sinne verstanden werden. Denn der ursprüngliche Anspruch 1 schrieb nur vor, die – der Aufnahmeseite gegenüberliegende – Kontaktierseite des Temperierblockes solle „aneinandergrenzende Felder“ (vgl. Merkmal 4) aufweisen, ohne insoweit nähere Vorgaben zu machen; danach hätte es ausgereicht, wenn die Kontaktierseite nur in Längs- oder nur in Querrichtung in Felder unterteilt gewesen wäre mit der Folge, dass sich nur in dieser jeweiligen Richtung ein Temperaturgradient hätte erzeugen lassen. Dafür sprach auch, dass gemäß der ursprünglichen Fassung von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters nur von „wenigstens zwei den Temperierblock wärmeleitend kontaktierenden Temperiereinrichtungen“ die Rede war, es danach also ausgereicht hätte, dass nur zwei solche Einrichtungen und dementsprechend auch nur zwei Felder vorhanden gewesen wären, mit denen man von vornherein nur in einer Richtung einen Temperaturgradienten hätte erzeugen können.

Die Kontaktierseite sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder zu unterteilen – mit der Folge, dass sich mindestens vier Felder ergeben -, schlug erst der ursprüngliche Unteranspruch 6 des Klagegebrauchsmusters vor. Eine diesem Anspruch entsprechende Unterteilung, von welcher Figur 5 der Klagegebrauchsmusterschrift ein Beispiel zeigt, soll nach den Ausführungen auf Seite 4, Absatz 2 der Beschreibung „vorteilhaft“ sein. Als einzigen Vorteil einer solchen Ausgestaltung nennt die Klagegebrauchsmusterschrift a.a.O. die Möglichkeit, nicht nur seitlich benachbarte Temperiereinrichtungen jeweils gleich temperierend zu betreiben (so dass sich ein Temperaturgradient in Längs- oder in Querrichtung, also in nur einer Richtung ergebe), sondern auch alle unterschiedlich zu betreiben, so dass sich ein Temperaturgradient sowohl in Längs- als auch in Querrichtung einstellen lasse.

Bei der ursprünglichen Fassung der Schutzansprüche des Klagegebrauchsmusters war daher die Ausgestaltung mit vier oder mehr, schachbrettartig angeordneten Feldern nur eine Möglichkeit, die der Durchschnittsfachmann wählen konnte, aber nicht musste; auch war es in sein Belieben gestellt, ob er, wenn er eine solche Ausgestaltung wählte, die Regeleinrichtung so steuerte, dass man Temperaturgradienten sowohl in Längs- als auch in Querrichtung erzeugen konnte.

Bei der hier vorzunehmenden Auslegung des Klagegebrauchsmusters ist aber auf die Fassung abzustellen, die seine Schutzansprüche jetzt haben, bei der also der ursprüngliche Unteranspruch 6 (als Merkmal 7) Teil des (Haupt-) Anspruchs 1 geworden ist.

Maßgebend für den Schutzbereich eines Gebrauchsmusters (ebenso wie für den eines Patents) ist gemäß § 12 a GebrMG (der inhaltlich dem § 14 PatG entspricht) der Inhalt der Schutzansprüche, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Da „Inhalt“ nicht „Wortlaut“ bedeutet, sondern „Sinngehalt“, kommt es insoweit darauf an, welchen Sinngehalt der von einem Gebrauchsmuster oder Patent angesprochene Durchschnittsfachmann einem in einem Gebrauchsmuster- oder Patentanspruch verwendeten Begriff unter Berücksichtigung des gesamten Offenbarungsgehalts der Gebrauchsmuster- oder Patentschrift beimißt. Insoweit ist eine Gebrauchsmuster- oder Patentschrift im Hinblick auf die in ihr gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon; ergibt der Gesamtzusammenhang der Schrift, dass ein in ihr benutzter Begriff ausnahmsweise in einem anderen, z. B. einem engeren Sinne zu verstehen ist, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, so ist dieser Sinn maßgebend (vgl. dazu BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube).

Der Durchschnittsfachmann, der den Sinngehalt von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters ermitteln will, wird sich fragen, welche technische Bedeutung (und damit: welche Auswirkungen für die Auslegung des gesamten Anspruchs 1) das Merkmal 7 hat, wonach die Kontaktierseite sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder unterteilt sein soll. Da er in der Klagegebrauchsmusterschrift insoweit nur den oben genannten Text auf Seite 4, Absatz 2 findet, wird er annehmen, gerade der hier hervorgehobene Vorteil sei das, was das Merkmal 7 erreichen wolle. Denn einen anderen Grund dafür, die Kontaktierseite sowohl in Längs- als auch in Querrichtung in Felder zu unterteilen – insbesondere den in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin insoweit genannten Grund, in vorteilhafter Weise eine großflächige Bedeckung des Temperierblockes mit Temperiereinrichtungen zu ermöglichen -, lässt die Klagegebrauchsmusterschrift nicht erkennen.

Dann aber wird der Durchschnittsfachmann den Zweck, der nach den Ausführungen in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters mit der Unterteilung der Kontaktierseite in mehrere, schachbrettartig angeordnete Felder erreicht werden soll, auch bei der Auslegung des Merkmals 5 heranziehen, also dieses Merkmal in einem Sinne verstehen, der in Übereinstimmung mit Merkmal 7 steht, was nur dann der Fall ist, wenn die in Merkmal 5 genannte Regeleinrichtung so beschaffen ist, dass sie sowohl die in Längs- als auch die in Querrichtung hintereinanderliegenden Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche Temperaturen bringen kann.

II.

Von der oben dargestellten Lehre des Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters macht der Temperierblock in den angegriffenen Laborthermostaten der Beklagten keinen Gebrauch, weil bei ihm die – im Zusammenhang zu sehenden – Merkmale 5 und 7 nicht verwirklicht sind. Denn die jeweils zwei in Querrichtung hintereinander liegenden Temperiereinrichtungen sind bei diesen Thermostaten nur so temperierbar, dass sie jeweils die gleiche Temperatur aufweisen. Damit lässt sich hier ein Temperaturgradient ausschließlich in Längs- und nicht auch in Querrichtung erzeugen.

Weil mithin bei dem Temperierblock in den angegriffenen Laborthermostaten die mit den Merkmalen 5 und 7 von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters bezweckte Wirkung nicht eintritt, sind diese Merkmale auch nicht äquivalent erfüllt.

III.

Die Klage war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO abzuweisen, ohne dass es noch weiterer Erörterungen bedurft hätte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Zu einer Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) besteht kein Anlass, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Weder hat die vorliegende Sache – als reine Einzelfallentscheidung – rechtsgrundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.