2 U 138/99 – Greifer-Webmaschinen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 28

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Mai 2001, Az. 2 U 138/99

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Mai 1999 verkündete Schlußurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Länder Deutschland und Belgien erteilten, in der Verfahrenssprache Englisch abgefaßten europäischen Patents 0 275 479 (im folgenden: Klagepatent), betreffend „Means to guide the motion of a pair of weft carrying grippers inside the shed of weaving looms“ (= Mittel zur Führung der Bewegung eines Paares von den Schußfaden tragenden Greifern im Webfach von Webmaschinen).

Das Klagepatent beruht auf einer unter Inanspruchnahme einer italienischen Priorität vom 23. Dezember 1986 am 14. Dezember 1987 eingegangenen und am 27. Juli 1988 veröffentlichten Anmeldung. Seine Erteilung ist am 29. April 1992 im Patent-blatt veröffentlicht worden. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 37 78 678 geführt.

Anspruch 1 des Klagepatents in der zunächst erteilten Fassung lautet (in englischer Sprache) wie folgt:

Die in der Klagepatentschrift enthaltene deutsche Übersetzung dieses Anspruchs lautet:

Mittel zur Führung der Hin- und Herbewegung eines Paares von den Schußfaden tragenden Greifern (G) im Fach einer Webmaschine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung, von der Art mit zwei gestreckten Steuerbügeln (1), die eine im wesentlichen horizontale Lage haben und entlang einer Richtung parallel zu dem Blatt (P) und der Weblade hin- und herbewegt werden, und mit einer Mehrzahl von zu dem Blatt weisenden und in einer Ebene rechtwinklig zu diesen positionierten Hakenführungselementen (3) für die auf der Weblade ausgerichteten Bügel,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Bügel (1) wenigstens eine unterschnittene Kerbe (2) aufweisen, die sich in deren Längsrichtung in einer der Breitseiten des Bügels (1) selbst erstrecken, und daß die Hakenführungselemente (3) die unterschnittene Kerbe (2) des Bügels (1) berühren und für diese ein Paar von bilateralen, entsprechend wenigstens zweier orthogonaler Ebenen wirkenden Führungen bilden, wobei die Hakenführungselemente (3) in Richtung auf das Blatt (P) offen sind und die Bügel (1) sich wenigstens zu dem Blatt hin über die Hakenführungselemente hinaus erstrecken.

Auf eine von der Beklagten im Jahr 1997 erhobene Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 30. April 1998 das Klagepatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß in dem erteilten Patentanspruch 1 (englische Fassung) in Spalte 7 Zeile 30 vor dem Wort „said“ die Worte „passend übereinstimmend“ eingeführt worden sind, während das Bundespatentgericht die weitergehende Nichtigkeitsklage abgewiesen hat. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 1 A und 2 aus der Klagepatentschrift zeigen Ausführungsbeispiele der geschützten Erfindung, und zwar Figur 1 eine vertikale Schnittansicht einer patentgemäßen Vorrichtung, die in Figur 2 in einem horizontalen Schnitt dargestellt ist, und Figur 1 A einen modifizierten Aufbau eines der hakenförmigen Führungselemente:

Die Beklagte stellt in Belgien Webmaschinen her, die sie u.a. nach Deutschland liefert; dazu gehören auch Greifer-Web-maschinen mit Mitteln zum Führen der Hin- und Herbewegung eines Paares von den Schußfaden tragenden Greifern. In einer am 3. Juni 1993 eingegangenen europäischen Patentanmeldung der Beklagten (0 576 854) ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5 ein hakenförmiges Führungselement dargestellt, und zwar zusammen mit dem Greiferband (1), das mit einem Führungsteil (13) versehen ist und einen Greifer (2) trägt:

Nach der Behauptung der Klägerin hat die Beklagte derartig ausgestaltete Greifer-Webmaschinen auch nach Deutschland geliefert.

Unstreitig hat die Beklagte in Deutschland eine von ihr in Belgien hergestellte Ausführungsform einer Greifer-Web-maschine in Verkehr gebracht, die Mittel zum Führen eines Paares von den Schußfaden tragenden Greifern aufweist. Wegen der Ausgestaltung dieser Mittel wird auf die von der Beklagten als Anl. B 5 überreichten Lichtbilder, ferner auf die nachfolgend wiedergegebenen, von der Beklagten als Anl. B 4 überreichten Zeichnungen sowie auf die von der Klägerin als Anl. K 20 überreichte weitere Zeichnung Bezug genommen.

Die eigentlichen Greiferbänder dieser Ausführungsform weisen einen Querschnitt auf, wie er in Figur 2 der Anl. B 4 dargestellt ist. Auf etwa den letzten 13 cm ihrer Länge werden die Greiferbänder selbst schmaler; in diesem Bereich sind sie über Schrauben mit einer aus Kunststoff bestehenden, etwa 23 cm langen und das Ende des eigentlichen Greiferbandes überragenden Platte verbunden, die einen nach unten zeigenden Führungssteg (von der Beklagten als „Rippe“ bezeichnet) aufweist, wie aus Figur 3 der Anl. B 4 und auch aus der Zeichnung gemäß Anl. K 20 ersichtlich ist. Diese Kunststoffplatte trägt den Greifer, der sich überwiegend auf dem Teil der Kunststoffplatte befindet, der das Ende des eigentlichen Greiferbandes überragt.

Die Klägerin hat geltend gemacht: Sowohl mit der in ihrer
Patentanmeldung gezeigten als auch mit der anderen Ausführungsform mache die Beklagte von der Lehre des Klagepatents Gebrauch, dem es vor allem darauf ankomme, die Greifer selbst bei ihrer Hin- und Herbewegung zu führen, weshalb es ausreichend sei, wenn die Greiferbänder im Bereich der Greifer
die vom Klagepatent gelehrte unterschnittene Aussparung („undercut groove“) aufwiesen, die mit dazu passenden Führungselementen zusammenarbeite. Die bei den angegriffenen Ausführungsformen am Ende der Greiferbänder vorhandenen Kunststoffplatten bildeten dort einen Teil des Greiferbandes. Hilfsweise hat die Klägerin sich darauf berufen, die Beklagte mache jedenfalls in äquivalenter Weise vom Klagepatent Gebrauch.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Pflicht zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadensersatz wegen der Benutzungshandlungen sowohl in Deutschland als auch in Belgien in Anspruch genommen. Nachdem das Landgericht die Klage, soweit sie Benutzungshandlungen in Belgien betraf, mit Teilurteil vom 25. August 1998 als unzulässig abgewiesen hatte (was der Senat anschließend im Berufungsverfahren bestätigt hat), hat die Klägerin, die sich nunmehr hauptsächlich auf die Fassung des Anspruchs 1 des Klagepatents stützt, die dieser durch das – nicht rechtskräftige – Urteil des Bundespatentgerichts vom 30. April 1998 erhalten hat, während sie hilfsweise Ansprüche aufgrund der ursprünglichen Fassung des Anspruchs 1 verfolgt, noch beantragt,

I.
die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-
land Mittel zum Führen der Hin- und Herbewegung
eines Paares den Schußfaden tragender Greifer im
Fach einer Webmaschine mit kontinuierlicher Schuß-
fadenzuführung von der Art mit zwei gestreckten,
steuernden Greiferbändern, die eine im wesentlichen
horizontale Lage haben und entlang einer Richtung
parallel zu dem Webkamm und der Weblade hin- und
herbewegt werden, und mit einer Mehrzahl von auf
der Weblade ausgerichteten, zu dem Webkamm weisen-
den und in einer Ebene senkrecht dazu angeordneten
hakenförmigen Führungselementen für die Greifer-
bänder herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu
bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten
Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen die
Greiferbänder wenigstens eine unterschnittene Aus-
sparung aufweisen, die sich in deren Längsrichtung
auf wenigstens einer der Breitseiten der Greifer-
bänder erstreckt, und die hakenförmigen Führungs-
elemente mit der genannten unterschnittenen Aus-
sparung passend übereinstimmend in Eingriff stehen
und für diese beidseitige Führungspaare bilden, die
mindestens in zwei rechtwinkligen Ebenen wirken, wo-
bei die genannten hakenförmigen Führungselemente in
Richtung des Webkamms offen sind und die Greifer-
bänder aus den genannten hakenförmigen Führungs-
elementen zumindest in Richtung des Webkamms hervor-
ragen,

hilfsweise,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Mittel zum
Führen der Hin- und Herbewegung eines Paares den
Schußfaden tragender Greifer im Fach einer Webma-
schine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung von
der Art mit zwei gestreckten, steuernden Greiferbän-
dern, die eine im wesentlichen horizontale Lage haben
und entlang einer Richtung parallel zu dem Webkamm
und der Weblade hin- und herbewegt werden, und mit
einer Mehrzahl von auf der Weblade ausgerichteten, zu
dem Webkamm weisenden und in einer Ebene senkrecht
dazu angeordneten hakenförmigen Führungselementen für
die Greiferbänder herzustellen, anzubieten, in Ver-
kehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den ge-
nannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei
denen die Greiferbänder wenigstens eine unterschnit-
tene Aussparung aufweisen, die sich in deren Längs-
richtung auf wenigstens einer der Breitseiten der
Greiferbänder erstreckt, und die hakenförmigen Füh-
rungselemente mit der genannten unterschnittenen Aus-
sparung in Eingriff stehen und für diese beidseitige
Führungspaare bilden, die mindestens in zwei recht-
winkligen Ebenen wirken, wobei die genannten haken-
förmigen Führungselemente in Richtung des Webkamms
offen sind und die Greiferbänder aus den genannten
hakenförmigen Führungselementen zumindest in Rich-
tung des Webkamms hervorragen;

2. ihr – der Klägerin – darüber Rechnung zu legen, in
welchem Umfang sie – die Beklagte – die vorstehend
zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 27. August
1988 begangen habe, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach
Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Ein-
schluß von Typenbezeichnungen sowie der Namen
und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach An-
gebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Ein-
schluß von Typenbezeichnunen sowie der Namen und
Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach
Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungs-
zeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-
schlüsselten Gestehungskosten und des erzielten
Gewinns,

wobei

– sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die
vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf
solche im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in
den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen be-
schränke,

– die Angaben zu a) nur für die Zeit seit dem 1. Juli
1990 zu machen seien

und

– der Beklagten vorbehalten bleiben möge, die Namen
und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und
der Angebotsempfänger statt ihr – der Klägerin –
einem von ihr zu bezeichnenden und ihr gegenüber
zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten
Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie – die Be-
klagte – dessen Kosten trage und ihn ermächtige und
verpflichte, ihr – der Klägerin – auf konkrete An-
frage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder
Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sei;

ferner

II.
festzustellen,

1. daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr – der Klä-
gerin – für die zu I.1. bezeichneten und in der Zeit
vom 27. August 1988 bis zum 29. Mai 1992 begangenen
Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr – der Klä-
gerin – allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die
zu I.1. bezeichneten, seit dem 29. Mai 1992 be-
gangenen Handlungen entstanden sei und noch ent-
stehen werde.

Die Beklagte hat um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage und außerdem hilfsweise darum gebeten, ihr für den Fall der Verurteilung einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.

Sie hat eingewendet, weder eine Ausführungsform, wie sie in ihrer – der Beklagten – europäischen Patentanmeldung 0 576 854 gezeigt sei (die sie im übrigen in Deutschland nicht in den Verkehr gebracht habe), noch eine solche gemäß den Anl. B 4 und B 5 verletze das Klagepatent, da die dort vorhandenen Greiferbänder keine „undercut groove“ aufwiesen; auch seien ihre Webmaschinen nur mit einer diskontinuierlichen Schußfadenzuführung ausgerüstet.

Das Landgericht hat die Klage auch hinsichtlich der zuletzt gestellten Anträge abgewiesen. Auf das Schlußurteil vom 20. Mai 1999 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie nur noch Ansprüche wegen des Vertriebs von Webmaschinen mit der aus den Anl. B 4, B 5 und K 20 ersichtlichen Ausgestaltung geltend macht. Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

I.
die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
unterlassen,

Mittel zum Führen der Hin- und Herbewegung eines
Paares den Schußfaden tragender Greifer im Fach einer
Webmaschine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung
von der Art mit zwei gestreckten, gesteuerten Grei-
ferbändern, die eine im wesentlichen horizontale Lage
haben und entlang einer Richtung parallel zu dem Web-
kamm und der Weblade hin- und herbewegt werden, und
mit einer Mehrzahl von auf der Weblade ausgerichte-
ten, zu dem Webkamm weisenden und in einer Ebene
senkrecht dazu angeordneten hakenförmigen Führungs-
elementen für die Greiferbänder

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Ver-
kehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den ge-
nannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen ein vorderer Abschnitt der Greiferbänder
über den den Antriebszahnrädern zugewandten Bereich
der Greifer hinaus eine unterschnittene Aussparung
aufweist, die sich in Längsrichtung der Greifer-
bänder auf einer der Breitseiten der Greiferbänder
selbst erstreckt, und die hakenförmigen Führungs-
elemente mit der genannten unterschnittenen Aus-
sparung passend übereinstimmend in Eingriff stehen
und für diese beidseitige Führungspaare bilden, die
mindestens in zwei rechtwinkligen Ebenen wirken,
wobei die genannten hakenförmigen Führungselemente
in Richtung des Webkamms offen sind und die Greifer-
bänder aus den genannten hakenförmigen Führungs-
elementen zumindest in Richtung des Webkamms her-
vorragen,

hilfsweise,

Mittel zum Führen der Hin- und Herbewegung eines
Paares den Schußfaden tragender Greifer im Fach einer
Webmaschine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung
von der Art mit zwei gestreckten, gesteuerten Grei-
ferbändern, die eine im wesentlichen horizontale
Lage haben und entlang einer Richtung parallel zu dem
Webkamm und der Weblade hin- und herbewegt werden,
und mit einer Mehrzahl von auf der Weblade ausge-
richteten, zu dem Webkamm weisenden und in einer
Ebene senkrecht dazu angeordneten hakenförmigen
Führungselementen für die Greiferbänder

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Ver-
kehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den ge-
nannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen ein vorderer Abschnitt der Greiferbänder
über den den Antriebszahnrädern zugewandten Bereich
der Greifer hinaus eine unterschnittene Aussparung
aufweist, die sich in Längsrichtung der Greiferbänder
auf einer der Breitseiten der Greiferbänder selbst
erstreckt, und die hakenförmigen Führungselemente
mit der genannten unterschnittenen Aussparung in
Eingriff stehen und für diese beidseitige Führungs-
paare bilden, die mindestens in zwei rechtwinkligen
Ebenen wirken, wobei die genannten hakenförmigen
Führungselemente in Richtung des Webkamms offen sind
und die Greiferbänder aus den genannten hakenförmigen
Führungselementen zumindest in Richtung des Webkamms
hervorragen,

wobei im Rahmen dieses Hilfsantrages gleichzeitig be-
antragt werde, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung
über die Berufung der Klägerin (und Nichtigkeitsbe-
klagten) in dem das Klagepatent betreffenden Nichtig-
keitsverfahren auszusetzen;

außerdem stellt die Klägerin auch im Berufungsver-
fahren die oben wiedergegebenen Anträge zu I.2. und
zu II.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise: ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden;

außerdem hilfsweise: die Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihr gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Die Berufung ist nicht begründet.

I.

Das Klagepatent betrifft Mittel zum Führen der Hin- und Herbewegung eines Paares von den Schußfaden tragenden Greifern im Fach einer Webmaschine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung.

Das Grundprinzip einer solchen „Greifer-Webmaschine“, auf welches in der Klagepatentschrift nicht näher eingegangen wird, läßt sich anhand der nachstehend wiedergegebenen Zeichnungen gemäß Anl. B 1 näher erläutern:

Auf Webmaschinen wird ein Gewebe (13) aus einer Vielzahl nebeneinander durch die Webmaschine laufender Kettfäden (12) einer sogenannten Kettfadenschar, und einzeln eingetragenen Schußfäden (4) gebildet. Die Schußfäden (4) werden von einer Vorratsspule (17) abgezogen und zunächst auf einen Speicher (18) aufgewickelt, von welchem sie dann jeweils mit einer vorgegebenen Fadenlänge abgezogen werden. Vor dem Eintragen eines Schußfadens (4) wird ein Teil der Kettfäden (12), und zwar jeder zweite, angehoben und der andere Teil der Kettfäden abgesenkt, so daß ein sogenanntes Webfach entsteht. Das Anheben und Absenken jeweils eines Teiles der Kettfäden (12) erfolgt mittels Fachbildungselementen (9), beispielsweise Webschäften, die die Kettfäden (12) einzeln aufnehmen und entsprechend absenken oder anheben können. Nach dem Eintragen eines Schußfadens (4) wird dieser an dem sogenannten Warenrand des Gewebes (13) angeschlagen. Dieses Anschlagen erfolgt mittels eines Webblattes (11), auch Webkamm genannt, das aus einer Vielzahl von die Kettfäden (12) zwischen sich führenden Lamellen besteht und das auf der Weblade (10) angeordnet ist. Die Weblade (10) wird von einem zentralen Antrieb (14) zu einer Schwenkbewegung angetrieben. Sie schwenkt aus der in der vorstehend wiedergegebenen Figur 1 dargestellten Stellung in die Stellung, in der das Webblatt (11) einen Schußfaden am Warenrand anschlägt, und dann wieder zurück. Von dem zentralen Antrieb (14) wird auch ein Antrieb (8) für die Fachbildungselemente (9) abgeleitet. Nach dem Anschlagen des Schußfadens wird das Webfach gewechselt, d.h. die Fachbildungselemente (9) heben den bisher unten befindlichen Teil der Kettfäden an und senken den anderen Teil ab. Danach wird der nächste Schußfaden (4) eingetragen, wonach sich das Anschlagen und das Neubilden eines Webfaches wiederholt.

Nach der herkömmlichen Webtechnik wurde der Schußfaden durch ein sogenanntes Schütz („Schiffchen“) in das Webfach eingebracht. Das Klagepatent bezieht sich dagegen auf modernere schützenlose Webmaschinen, die ein Paar von Greifern aufweisen, welche den Schußfaden tragen. Eine solche Greifer-Webmaschine ist in den vorstehend wiedergegebenen Figuren dargestellt.

Der in der dortigen Figur 2 gezeigte Greifer (2) ist ein sogenannter Gebergreifer, der in seiner äußeren Endstellung (also außerhalb des Webfaches) einen Schußfaden (4) (vgl. Figur 1) übernimmt, der ihm von einer Vorrichtung (19) so präsentiert wird, daß er ihn übernehmen kann. Der Gebergreifer greift diesen Schußfaden, während das mit dem Warenrand verbundene Ende des Schußfadens abgetrennt wird. Danach wird der Gebergreifer in das Webfach hinein bis zur Webmaschinenmitte gefahren. Dort trifft er auf einen von der anderen Seite einfahrenden Nehmergreifer (3), der den Schußfaden übernimmt. Danach bewegen sich Nehmergreifer (3) und Gebergreifer (2) in ihre Ausgangsposition zurück, wobei der Nehmergreifer (3) den Faden auf die der Zuführseite gegenüberliegende Seite mitnimmt.

Die dargestellte Greifer-Webmaschine weist sogenannte Greiferbänder (1) auf. Diese bestehen grundsätzlich aus flexiblen Kunststoffleisten, die in ihrer Längsmitte mit einer Lochung versehen sind. In diese Lochung der Greiferbänder (1) greifen Zähne von Antriebszahnrädern (6) ein, die sich hin- und herdrehen und entsprechend die Greiferbänder (1) mit den Greifern (2, 3) in ein Webfach hineinbewegen und wieder herausziehen. Die Greiferbänder (1) werden mittels Führungselementen (7) um die Antriebszahnräder (6) herumgebogen. Zwischen dem Bereich der Kettfadenschar und den Antriebszahnrädern (6) sind stationäre Führungselemente (5) angeordnet, die die Greiferbänder (1) horizontal zu dem Webfach ausrichten. Zusätzlich sind an der Weblade (10) hakenförmige Führungselemente (12) angeordnet, die sich mit der Weblade (10) bewegen. In der zurückgeschwenkten Stellung der Weblade (10) dringen sie jeweils zwischen den unteren Kettfäden hindurch in das Webfach ein. In dieser Position, in der sie mit den stationären Führungen (5) übereinstimmen, werden die Greiferbänder (1) mit den Greifern (2, 3) in das Webfach hineingefahren. Die Greiferbänder (1) und die Greifer (2, 3) müssen so geführt werden, daß sie möglichst nicht mit den Kettfäden in Berührung kommen und sich in der Mitte der Webmaschine möglichst exakt treffen, so daß der von dem Gebergreifer (2) gebrachte Faden von dem Nehmergreifer (3) sicher übernommen werden kann. Hierbei ist zu beachten, daß moderne Greifer-Webmaschinen mit hohen Geschwindigkeiten arbeiten, bei denen die Schußeinträge in Bruchteilen von Sekunden aufeinander folgen und bei denen Gewebebreiten bis zu etwa 3,5 m erzeugt werden.

Die Klagepatentschrift führt einleitend aus, bei solchen modernen schützenlosen Webmaschinen sei das Problem der effizienten Führung der den Schußfaden tragenden Greifer im Webfach zu lösen, um zu garantieren, daß die Hin- und Herbewegungen der Greifer sowie ihre Bewegung relativ zur Weblade und zum Webkamm korrekt seien, und um gleichzeitig so weit wie möglich Abnutzungen der Greifer, der Greiferbänder (die Parteien sind sich darüber einig, daß das im englischen Text der Klagepatentschrift insoweit verwendete Wort „straps“ zutreffend mit „Greiferbänder“ statt mit „Bügel“ zu übersetzen ist) und der anderen an deren Bewegung mitwirkenden Elemente sowie Spannungen auf die Kettfäden, über die das Einführen des Schußfadens ausgeführt werde, zu begrenzen.

Die Klagepatentschrift weist sodann darauf hin, insbesondere in den letzten Jahren sei zwar eine große Zahl an Verbesserungen für die genannten Führungsmittel eingeführt worden; die bisher unternommenen Versuche hätten sich aber nicht als erfolgreich im Sinne einer zufriedenstellenden Erfüllung der unterschiedlichen und einander widersprechenden Anforderungen an diesen wesentlichen Aspekt des Planens und des Aufbaues von Webmaschinen erwiesen.

Bei den ersten schützenlosen Webmaschinen (und auch bei solchen, die nach wie vor hergestellt würden) sei die Bewegung der Greifer über zwei parallele und eng zusammenstehende Reihen von Elementen zum Führen der Greiferbänder auf beiden Seiten, nämlich auf der Seite des Webkamms und der Seite des herzustellenden Gewebes, geführt worden; diese Elemente seien in Form von sich gegenüberstehenden Haken auf der Weblade angebracht und wiesen im wesentlichen rechteckige Sitzflächen auf, in welche die Greiferbänder eingriffen, um mit ihren Seitenflächen sowie mit ihrer Ober- und Unterfläche zu gleiten. Bei einer solchen Anordnung würden zwar die Greifer im wesentlichen korrekt geführt, es trete aber eine übermäßige Abnutzung der Greiferbänder ein, verursacht durch die besondere Anordnung und die sehr beschränkte Ausdehnung des Bereiches der Reibungsflächen, die mit ansteigenden Webgeschwindigkeiten bald untolerierbar gewachsen sei; vor allem verursache die nahe dem Webkamm befindliche Reihe von Führungselementen häufig Schäden an den Kettfäden.

Die Klagepatentschrift hebt sodann hervor, die bisherigen Bemühungen zur Überwindung der genannten Nachteile der Mittel zur Führung von den Schußfaden tragenden Greifern hätten nur zu sehr partiellen Lösungen der Probleme geführt.

Die Klagepatentschrift nennt insoweit zunächst den aus der EP-A-0 137 376 ersichtlichen Stand der Technik, bei welchem die Verbesserung die Form des Sitzes der das Greiferband führenden hakenförmigen Elemente (der herkömmlichen Art) betreffe, um das Risiko zu eliminieren oder zu reduzieren, daß die Kettfäden in der Nähe der genannten Elemente zwischen dem Sitz derselben und dem Greiferband ergriffen würden.

Sodann erwähnt die Klagepatentschrift den aus der
EP-A-0 204 274 (= Anl. B 3) ersichtlichen Stand der Technik, der die Verbesserung gebracht habe, auf die Reihe von Führungselementen nahe dem Webkamm zu verzichten und die Funktion des Ergreifens und effizienten Führens sowohl der Greiferbänder als auch der Greifer den verbliebenen Reihen von – in Form und Aufbau entsprechend angepaßten – Führungselementen zu überlassen.

Die Klagepatentschrift beanstandet an dem erörterten Stand der Technik gemäß den beiden genannten Patentanmeldungen, daß er zwar jeweils eine effiziente Lösung der speziell anvisierten Probleme geliefert habe, die übrigen Nachteile aber nicht überwunden habe, wodurch sich beide Lösungen als fast unbrauchbar erwiesen hätten. Insbesondere löse der Stand der Technik gemäß der EP-A-0 204 274 nicht die Probleme, für die die Vorrichtung gemäß der EP-A-0 137 376 erdacht worden sei, und umgekehrt. Keine der beiden Anordnungen habe die Probleme der Abnutzung angegangen, die besonders bei der Lösung gemäß der EP-A-0 204 274 aufgetreten seien, welche auch den Nachteil des Greiferbandschwingens oder -flatterns („strap hunting“) stromabwärts („downstream“) der Greifer habe, während die andere genannte Lösung nicht alle Nachteile verbessert habe, die mit irregulär gelockerten und/oder abgesenkten Schußfäden verbunden seien.

Die Klagepatentschrift weist schließlich noch auf die Schweizer Patentschrift 589 736 (Anl. K 8) hin. Diese schlägt vor, die Führungselemente auf eine einzige Reihe von elementaren Haken zu beschränken, die zum Webkamm hinweisen. Dadurch sollen die greifertragenden Bänder nur an ihrer zum Gewebe hin verlaufenden Kante und nach oben geführt werden, während sie im übrigen ungeführt mit ihrer Unterseite auf der unteren Kettfädenlage und mit ihrer anderen Seite gegen den Webkamm gleiten sollen. Nach den Angaben der Klagepatentschrift ist eine derartige Führung des Greiferbandes und damit auch der Greifer unzureichend präzise; auch erfordere sie ein Trimmen des Webkamms und die Verwendung von speziellen (halbsteifen) Greiferbändern (die ihre Bewegungsbahn konstant halten könnten), was hohe Kosten mit sich bringe.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es sodann als Aufgabe der Erfindung, durch Liefern eines verbesserten Mittels zum Führen der Bewegung der Greifer alle genannten Probleme gründlich zu lösen. Geht man vom Gesamtinhalt der Klagepatentschrift unter Berücksichtigung auch der vom Klagepatent gelehrten Lösung aus, so läßt sich das dem Klagepatent objektiv zugrundeliegende technische Problem dahin präzisieren, die Führungselemente für die Greiferbänder so auszugestalten, daß sie sich zwischen den Kettfäden hindurch bewegen lassen, ohne einen Faden einzufangen, und außerdem die Greiferbänder sicher, d.h. ohne Flattern und unter geringem reibungsbedingtem Verschleiß zu führen (so auch das Bundespatentgericht auf Seite 7 unten/8 oben seines Urteils vom 30. April 1998, Anl. K 14).

Dieses technische Problem soll nach der von der Klägerin primär geltend gemachten Fassung des Anspruches 1 des Klagepatents gemäß dem genannten Urteil des Bundespatentgerichts vom 30. April 1998 durch folgende Ausgestaltung gelöst werden:

1. Mittel zur Führung der Hin- und Herbewegung eines
Paares von den Schußfaden tragenden Greifern im Fach
einer Webmaschine.

2. Die Webmaschine hat

2.1. eine kontinuierliche Schußfadenzuführung,

2.2. zwei langgestreckte, gesteuerte Greiferbänder
und

2.3. eine Vielzahl hakenförmiger Führungselemente
für die Greiferbänder.

3. Die Greiferbänder

3.1. haben eine im wesentlichen horizontale Lage und

3.2. werden entlang einer Richtung parallel zu dem
Webkamm und der Weblade hin- und herbewegt.

4. Die hakenförmigen Führungselemente

4.1. sind auf der Weblade ausgerichtet,

4.2. weisen zu dem Webkamm und

4.3. sind in einer Ebene senkrecht dazu angeordnet.

– Oberbegriff –

5. Die Greiferbänder weisen wenigstens eine unter-
schnittene Aussparung („undercut groove“) auf.

6. Die unterschnittene Aussparung erstreckt sich in
Längsrichtung auf wenigstens einer der Breitseiten
der Greiferbänder selbst.

7. Die hakenförmigen Führungselemente

7.1. stehen mit der unterschnittenen Aussparung der
Greiferbänder passend übereinstimmend in Ein-
griff,

7.2. bilden für die Greiferbänder beidseitige Füh-
rungspaare, die mindestens in zwei rechtwink-
ligen Ebenen wirken und

7.3. sind in Richtung des Webkamms offen.

8. Die Greiferbänder ragen aus den hakenförmigen Füh-
rungselementen zumindest in Richtung des Webkamms
hervor.

– Kennzeichen –

Der Gegenstand der Erfindung läßt sich anhand der Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift näher beschreiben, aus denen der Webkamm (P) und die Weblade (C) sowie die Stiche (L) der Webmaschinenlitzen erkennbar sind, aus denen die Kettfäden (obere Lage mit den Bezugszeichen OS, untere mit den Bezugszeichen OI gekennzeichnet) heraustreten. Die Kettfäden OS und OI bilden das Webfach, durch das der Schußfaden (senkrecht zur Zeichnungsebene, nicht dargestellt) eingetragen wird, und zwar im Bereich zwischen dem Webkamm (P) und dem fertigen Tuch (T). Das Einbringen des Schußfadens geschieht durch ein Paar von Greifern (G) – von denen in Figur 2 einer dargestellt ist -, die sich parallel zum Webkamm (P) bewegen und im Zentrum des Webfaches den Schußfaden austauschen. Die Greifer sind an Greiferbändern (1) befestigt, welche eine unterschnittene Aussparung (2) aufweisen, die in dem oben wiedergegebenen Ausführungsbeispiel die Form einer an der Unterseite der Bänder vorhandenen Nut mit rechteckigem Querschnitt hat. Die Greiferbänder werden durch hakenförmige Elemente (3) geführt, welche Plattenform aufweisen und in einer Reihe nebeneinander auf der Weblade (C) befestigt sind, und zwar auf Ebenen senkrecht zum Webkamm (P). Die Führungselemente haben einen in Richtung zum Webkamm hin offenen Sitz (6), der das Greiferband aufnimmt. Der Sitz besteht aus einer flachen Oberseite (7), die im dargestellten Ausführungsbeispiel mit dem größten Teil der Oberfläche des Greiferbandes zusammenpaßt, und einer ebenfalls flachen Rückseite (8), die mit der in Figur 1 rechten Seite des Greiferbandes zusammenpaßt. Schließlich hat der Sitz eine Unterseite (9), die im Ausführungsbeispiel abgestuft ist und mit der Unterfläche des Greiferbandes sowie jedenfalls mit dem rechten Teil der dort vorhandenen unterschnittenen Aussparung zusammenpaßt. Auf diese Weise entstehen zwei Führungspaare, die in zwei rechtwinklig zueinander stehenden Ebenen wirken, nämlich einmal das aus den Seiten 7 und 8 bestehende Führungspaar und zum anderen das Führungspaar, das aus den rechtwinklig zueinander stehenden Teilen der abgestuften Unterseite (9) des Sitzes (6) besteht.

Diese Darstellung verdeutlicht, daß das Klagepatent als Lösung ein ganz bestimmtes Zusammenspiel von Greiferbändern und hakenförmigen Führungselementen zeigt, bei dem den Greiferbändern gemäß den Merkmalen 5 und 6 eine besondere Form zugewiesen wird. Sie sollen nach der Anweisung des Merkmals 5 eine unterschnittene Aussparung (undercut groove) aufweisen und damit den hakenförmigen Führungselementen einen in Merkmalen 7.1 und 7.2 näher beschriebenen Eingriff in diese Aussparung ermöglichen, um jede unerwünschte Bewegung der Greiferbänder in vertikaler und seitlicher Richtung zu unterbinden. Die Anweisung, daß sich die den eingriff ermöglichende Aussparung in Längsrichtung (extending lengthwise) auf wenigstens einer der Breitseiten der Greiferbänder selbst erstrecken soll (Merkmal 6), mag rein sprachlich und isoliert gesehen das Ausmaß der Längserstreckung offen lassen. Der den technischen Zusammenhang mit den anderen Merkmalen beachtende Durchschnittsfachmann gelangt jedoch schon aufgrund des
Wortlauts des Anspruchs 1 zu der Überlegung, daß die Greiferbänder auf ihrer gesamten wirksamen Länge im Fach einer Webmaschine die patentgemäße Aussparung erhalten sollen.
Die Webmaschine hat, wie Merkmal 2.3 ausdrücklich bestimmt, eine Vielzahl hakenförmiger Fürhungselemente für die Greiferbänder, also nicht etwa nur für die Greifer selbst. Damit wird auch Bezug genommen auf die bereits oben erörterte
EP-A 0 204 274, von der das Klagepatent letztlich ausgeht. Die Führungselemente sind dort, wie das im übrigen auch von der Merkmalsgruppe 4 für den Gegenstand des Klagepatents zum Ausdruck gebracht wird, gleichmäßig über die gesamte Länge der Weblade verteilt parallel zum Riet bzw. zum Webkamm angeordnet und führen daher die Greiferbänder auf der entsprechenden Länge. Ebenso wie das Klagepatent in Spalte 1, Zeilen 32 ff lehnt die EP-A 0 204 274 eine Führung der Greiferbänder durch auf beiden Seiten, also auch auf der dem Riet oder Webkamm benachbarten Seite, angeordnete Führungselemente ab (Anlage B 3, S. 1, Zeilen 20 ff). Die EP-A 0 204 274 versucht eine Lösung der sich stellenden Probleme (vgl. Anl. B 3, S. 4, Zeilen 11 ff) durch Schaffung einer speziellen Führung im Bereich der Greifer selbst. Die Greifer und die Führungselemente werden, wie auf Seiten 2, 3 dieser Schrift beschrieben und in Figuren 2-6 dargestellt, durch besondere Formgebung – z.B. werden die Greifer mit Zungen oder Vorsprüngen versehen (Anl. B 3, S. 2, Zeilen 11-13, Anspruch 2) – so aufeinander abgestimmt, daß seitliche oder nach oben gerichtete Bewegungen des Greifers verhindert werden (Anlage B 3, S. 2, Zeilen 8-10; S. 4 und Anspruch 1). Demgegenüber ermöglichen die die Greiferbänder außerhalb des eigentlichen Greiferbereichs führenden hakenförmigen Führungselemente, wie sich u.a. aus der Figurendarstellung der EP-A 0 204 274 ergibt, nur eine gleichsam konventionelle, ein seitliches Ausweichen der Greiferbänder auf der gesamten wirksamen Länge nicht völlig unterdrückende Führung.

Diese Umstände machen auch die Kritik der Klagepatentschrift in Spalte 2, Zeilen 38 ff deutlich, die das Bundespatentgericht in seinem Urteil vom 30. April 1998 (Anlage K 14) auf Seiten 7, 8 zutreffend zusammengefaßt hat.

Die Lösung des Klagepatents besteht auf diesem Hintergrund darin, daß anstelle einer einen sicheren Eingriff von Greifer und Führungselementen ermöglichenden Formgebung von mit dem Greifer verbundenen Teilen den Greiferbändern selbst entsprechend der Anweisung des Merkmals 5 eine entsprechende Formgebung zuteil werden soll, und zwar nicht (mehr) beschränkt auf den Bereich, der den Greifer trägt, sondern auf der gesamten, der Führung bedürfenden Länge im Fach der Webmaschine.

Die Richtigkeit dieser Überlegungen findet der Fachmann
bestätigt durch die Beschreibungsstelle in Spalte 5, Zeilen 29 ff, von der er allen Anlaß hat, sie nicht als Besonderheit des Ausführungsbeispiels zu werten, sondern auf dem Hintergrund der Kritik am Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, als allgemeine Erläuterung dessen, was vor allem mit Merkmal 6 gemeint ist.

Die Klagepatentschrift (Spalte 5 Zeilen 29-49 = Seite 8 unten bis Seite 9 Mitte der von der Klägerin als Anl. K 2 überreichten deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift) hebt dort nämlich hervor, die gemäß der Erfindung ausgestalteten Mittel zum Führen der Hin- und Herbewegung eines Paares von Greifern innerhalb des Webfaches erlaubten eine komplette und zufriedenstellende Lösung aller eingangs der Beschreibung herausgestellten Probleme; die Verwendung der erfindungsgemäßen Mittel erlaube tatsächlich, eine sehr verläßliche Führung der Greiferbänder, eine reduzierte Abnutzung der Greiferbänder auf vertretbare Werte sowie auf ein Minimum reduzierte Spannungen auf die Kettfäden zu erhalten. Die Greiferbänder würden dank ihrer unterschnittenen Aussparung und der entsprechenden Form der Sitze der Führungselemente in beidseitige Führungspaare hineingeführt, die über ihre (gemeint ist ersichtlich: „der Bänder“, weil die plattenförmigen Führungselemente keine „Länge“ haben) komplette Länge innerhalb des Webfachs – und nicht nur über ihre Länge im Bereich der Greifer – eine Bewegung derselben exakt entlang der vorgesehenen Bewegungsbahn garantierten, weder mit der Möglichkeit einer Abweichung zur Seite oder nach oben noch mit der zum Flattern („hunting“).

Aus diesen die Erfindung allgemein und nicht nur die in der Klagepatentschrift enthaltenen Ausführungsbeispiele betreffenden Ausführungen entnimmt der Durchschnittsfachmann ohne weiteres, daß die in Merkmal 6 der obigen Merkmalsgliederung genannte, sich „in Längsrichtung auf wenigstens einer der Breitseiten der Greiferbänder selbst erstreckende unterschnittene Aussparung“ auf dem gesamten, beim Betrieb der Webmaschine in das Webfach hineinlaufenden Teil der Greiferbänder vorhanden sein muß, weil nämlich nur dann die Greiferbänder während ihrer gesamten Bewegung innerhalb des Webfaches entlang der vorgesehenen Bewegungsbahn geführt werden können und ein – Abnutzungen der Greiferbänder bewirkendes – Flattern der Greiferbänder zuverlässig verhindert werden kann.

II.

Die angegriffene Ausführungsform, nämlich eine Webmaschine mit der aus den Anl. B 4, B 5 und K 20 ersichtlichen Ausgestaltung, macht von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sie eine kontinuierliche Schußfadenzuführung (Merkmal 2.1.) aufweist und ob es sich bei dem nach unten weisenden Führungssteg („Rippe“) an der mit dem letzten Teil des jeweiligen Greiferbandes verschraubten Kunststoffplatte um eine unterschnittene Aussparung („undercut groove“) gemäß dem Merkmal 5 handelt, die als Teil des jeweiligen Greiferbandes anzusehen ist.

Denn jedenfalls ist bei der angegriffenen Ausführung das Merkmal 6 des Anspruchs 1 des Klagepatents weder wortsinngemäß noch äquivalent verwirklicht.

Wie oben unter I. ausgeführt, verlangt dieses Merkmal, daß sich die unterschnittene Aussparung („undercut groove“) über den gesamten, beim Betrieb der Webmaschine in das Webfach einlaufenden Teil der Greiferbänder erstreckt, während ein Vorhandensein einer „undercut groove“ nur im Bereich der Greifer und in deren unmittelbarer Nähe nicht ausreicht.

Bei der angegriffenen Ausführungsform bewegen sich die Greiferbänder über eine Strecke von jeweils fast 2 m in das Webfach hinein, es findet sich aber allenfalls auf ihren letzten etwa 23 cm eine „undercut groove“, die bei der Bewegung des Greiferbandes nur jeweils mit ganz wenigen Führungselementen gleichzeitig in Eingriff stehen kann, während das Band über den weitaus größten Teil seiner Länge nicht in der vom Klagepatent gelehrten Weise geführt wird.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 6 auch nicht in äquivalenter Weise (und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt „verschlechterte Ausführungsform“). Denn bei ihr tritt die u.a. von Merkmal 6 bezweckte Wirkung nicht ein, die (so Spalte 5 Zeile 41-49 der Klagepatentschrift) darin besteht, bei den Greiferbändern über ihre komplette Länge innerhalb des Webfachs (und nicht nur über ihre Länge im Bereich der Greifer) eine Bewegung exakt entlang der vorgesehenen Bewegungsbahnen zu garantieren, weder mit der Möglichkeit von Abweichungen zur Seite oder nach oben noch mit der zu einem „Flattern“. Eine etwas derartiges garantierende Führung der Greiferbänder „über ihre komplette Länge“ fehlt bei der angegriffenen Ausführungsform gänzlich, bei der nur das allerletzte Stück des jeweiligen Greiferbandes (nämlich praktisch nur der Bereich, in dem sich der Greifer befindet) in einer solchen Weise geführt wird, so daß die Führungselemente über den weitaus größten Teil der Greiferbänder deren „Flattern“ (welches zu einer stärkeren, von der patentgemäßen Lösung gerade zu vermeidenden Abnutzung der Bänder führt) nicht verhindern können.

Damit verletzt die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent weder in seiner ursprünglichen Fassung noch in der, die sich aus dem Urteil des Bundespatentgerichts vom 30. April 1998 ergibt und die hinsichtlich des Merkmals 6 keine Änderung aufweist.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.