Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. Dezember 2014, Az. 2 U 60/14
A. Auf die Berufung wird das am 31. Juli 2014 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:
I. Der Verfügungsbeklagten wird – bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist – untersagt,
einen Ausrüstsatz zum Aufblasen und Reparieren aufblasbarer Artikel, wobei der Ausrüstsatz eine Kompressoranordnung, einen Behälter einer Versiegelungsflüssigkeit, eine erste Verbindungseinrichtung zum Verbinden des Behälters mit der Kompressoranordnung und mit einem aufblasbaren Artikel zum Reparieren oder Aufblasen, ein äußeres Gehäuse, das die Kompressoranordnung aufnimmt und einen Sitz für den Behälter der Versiegelungsflüssigkeit definiert, wobei der Behälter entfernbar im Sitz aufgenommen ist, und eine zweite Verbindungseinrichtung zum stabilen Verbinden des Behälters mit der Kompressoranordnung derart aufweist, dass der Behälter, wenn er im Sitz aufgenommen ist, funktional mit der Kompressoranordnung verbunden bleibt, wobei die erste Verbindungseinrichtung eine dritte Verbindungseinrichtung in Form eines ersten Schlauchs oder einer Zufuhrleitung, die den Behälter mit der Kompressoranordnung verbindet, und eine vierte Verbindungseinrichtung in Form eines zweiten Schlauchs, der mit dem Behälter verbunden ist und mit einem Ventil des aufblasbaren Artikels verbunden werden kann, aufweist, um den aufblasbaren Artikel zu reparieren,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
sofern die vierte Verbindungseinrichtung dann, wenn sie nicht im Gebrauch ist, um das äußere Gehäuse gewickelt und in einer Umfangsnut des Gehäuses untergebracht ist.
II. Der Verfügungsbeklagten wird darüber hinaus aufgegeben, die sich in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum, namentlich auf dem Gelände B Straße 72, 32AAA C oder anderswo befindlichen, vorstehend unter I. bezeichneten Ausrüstsätze an den zuständigen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der vorläufigen Verwahrung bis zu einer Entscheidung über den Vernichtungsanspruch der Verfügungsklägerin herauszugeben.
B. Die Kosten des Verfahrens (beider Instanzen) trägt die Verfügungsbeklagte.
C. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,- € festgesetzt.
GRÜNDE :
I.
Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin hat Erfolg.
Zu Unrecht hat das Landgericht eine wortsinngemäße Benutzung des Verfügungspatents (EP 2 295 AAB ) durch die angegriffenen Ausführungsformen (nämlich die – untereinander baugleichen – Reifenreparatursets „D “ und „E “) verneint. Nachdem das Verfügungspatent mit Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes vom 30.04.2014 im erteilten Umfang aufrechterhalten worden ist, erscheint auch der Rechtsbestand hinreichend gesichert, so dass dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren der Verfügungsklägerin zu entsprechen ist.
1.
Das Verfügungspatent betrifft einen Ausrüstsatz zum Aufblasen und Reparieren von aufblasbaren Artikeln, insbesondere Fahrzeugreifen.
Wie die Verfügungspatentschrift einleitend erläutert, ist es aus dem Stand der Technik bekannt, statt vergleichsweise große und schwergewichtige Ersatzreifen mitzuführen, ein Reparaturset vorzusehen, welches eine Abdichtungs- bzw. Versiegelungsflüssigkeit zum schnellen Reparieren eines beschädigten Reifens erlaubt (Abs. [0005]). Die Abdichtflüssigkeit wird mittels Druckluft, die üblicherweise über einen Kompressor bereitgestellt wird, in den reparaturbedürftigen Reifen eingebracht, dringt dort in sämtliche Löcher oder Schlitze ein und wird beim Kontakt mit Luft fest, wodurch die Schadstelle im Reifen rasch abgedichtet wird (Abs. [0003]). Um den geschilderten Ablauf zu gewährleisten, wird der Kompressor herkömmlich an eine Strombuchse des Fahrzeuges angeschlossen; weiterhin ist der Flüssigkeitsbehälter einerseits mit dem Kompressor und andererseits mit dem Ventil des reparaturbedürftigen Reifens zu verbinden, so dass die Versiegelungsflüssigkeit unter dem durch den Kompressor bereitgestellten Druck aus dem Flüssigkeitsbehälter herausbefördert und in den Reifen eingebracht wird (Abs. [0009]). Versiegelungsflüssigkeitsbehälter und Kompressor sind dabei nach einer Lösungsvariante separate Teile, die vor der Verwendung miteinander verbunden werden müssen, was einen unerwünschten zusätzlichen Aufwand bedeutet (Abs. [0010]). Ist stattdessen der Behälter dauerhaft an der Ausgebereinheit angebracht, ergibt sich der Nachteil, dass bei einem Ablaufen des Haltbarkeitsdatums für die Versiegelungsflüssigkeit auch die Ausgebereinheit ersetzt werden muss, was die Kosten erhöht (Abs. [0012], [0013]).
Um die besagten Nachteile zu vermeiden, sieht Patentanspruch 1 des Verfügungspatents die Kombination folgender Merkmale vor:
(1) Ausrüstsatz (1) zum Aufblasen und Reparieren aufblasbarer Artikel.
(2) Der Ausrüstsatz (1) weist auf:
(a) eine Kompressoranordnung (2),
(b) einen Behälter (3) einer Versiegelungsflüssigkeit,
(c) eine erste Verbindungseinrichtung (4, 5),
(d) eine zweite Verbindungseinrichtung (4, 40) und
(e) ein äußeres Gehäuse (6).
(3) Das äußere Gehäuse (6) nimmt die Kompressoranordnung (2) auf und definiert einen Sitz (7) für den Behälter (3) der Versiegelungsflüssigkeit,
– wobei der Behälter (3) entfernbar im Sitz (7) aufgenommen ist.
(4) Die erste Verbindungseinrichtung (4, 5)
(a) dient dem Verbinden
o des (Versiegelungsflüssigkeits-)Behälters (3)
o mit der Kompressoranordnung (2) und
o einem aufblasbaren Artikel zum Reparieren oder Aufblasen;
(b) weist auf:
o eine dritte Verbindungseinrichtung in Form eines ersten Schlauches (4) oder einer Zufuhrleitung, die den Behälter (3) mit der Kompressoranordnung (2) verbindet;
o eine vierte Verbindungseinrichtung in Form eines zweiten Schlauches (5), der mit dem Behälter (3) verbunden ist und mit einem Ventil des aufblasbaren Artikels verbunden werden kann, um den aufblasbaren Artikel zu reparieren;
o die vierte Verbindungseinrichtung (5) ist dann, wenn sie nicht im Gebrauch ist, um das äußere Gehäuse (6) gewickelt und in einer Umfangsnut (56) des Gehäuses (6) untergebracht.
(5) Die zweite Verbindungseinrichtung (4, 40) dient dem stabilen Verbinden
o des (Versiegelungsflüssigkeits-)Behälters (3)
o mit der Kompressoranordnung (2),
o und zwar derart, dass der Behälter (3), wenn er im Sitz (7) aufgenommen ist, funktional mit der Kompressoranordnung (2) verbunden bleibt.
Das Verfügungspatent erreicht die angestrebten Vorteile einer komfortablen Handhabung des Ausrüstsatzes bei gleichzeitiger Kosteneffizienz auf folgende Weise: Dadurch, dass der Behälter mit Versiegelungsflüssigkeit im Gehäusesitz entfernbar angeordnet ist (Merkmal 3), wird gewährleistet, dass allein der Flüssigkeitsbehälter, wenn sein Inhalt verbraucht oder das Haltbarkeitsdatum überschritten ist, abgenommen und ausgetauscht werden kann, ohne dass weitere, noch intakte Teile des Ausrüstsatzes mit entsorgt werden müssen. Die dauerhafte Positionierung von Flüssigkeitsbehälter und Kompressoranordnung in einem Gehäuse stellt andererseits sicher, dass der Benutzer im Bedarfsfall (d.h. bei Auftreten eines Reifenschadens) stets eine einsatzbereite Vorrichtung zur Hand hat, die zur Herbeiführung ihrer Betriebsbereitschaft nicht eigens zusammenmontiert werden muss. Nach Anschließen des Kompressors an eine Stromquelle braucht lediglich der zweite Schlauch aus der Umfangsnut des Gehäuses entnommen und mit dem Ventil des Reifens verbunden werden, um nach Betätigung des Startschalters am Kompressor die Abdichtung des Reifens in Gang zu setzen.
Der patentgemäße Ausrüstsatz besitzt zwei Verbindungseinrichtungen, die sich hinsichtlich ihrer technischen Funktion deutlich voneinander unterscheiden. Die erste Verbindungseinrichtung bindet den Flüssigkeitsbehälter einerseits an die Kompressoranordnung und andererseits an das Ventil des Reifens an und weist zu diesem Zweck zwei Schläuche auf, nämlich einen ersten Schlauch („ dritte Verbindungseinrichtung“), der den Behälter mit dem Kompressor verbindet, und einen zweiten Schlauch („ vierte Verbindungseinrichtung“), der es im Bedarfsfall erlaubt, den Behälter mit dem Reifenventil zu koppeln. Sinn dieser zweifachen Anbindung des Flüssigkeitsbehälters ist folgender: Der Kompressor stellt Druckluft bereit. Mit ihrer Hilfe soll die Versiegelungsflüssigkeit aus dem Behälter herausgetrieben und in den abzudichten Reifen befördert werden. Der erste Schlauch zwischen Kompressor und Flüssigkeitsbehälter verschafft der Druckluft den notwendigen Zugang zum Behälterinneren, der erforderlich ist, damit die Versiegelungsflüssigkeit der Druckluft ausgesetzt ist. Der zweite Schlauch erlaubt es der Versiegelungsflüssigkeit, sich – druckluftgetrieben – aus dem Behälter in den abzudichtenden Reifen zu bewegen. In Anbetracht der erläuterten technischen Zusammenhänge ist dem Durchschnittsfachmann einsichtig, dass durch die erste Verbindungseinrichtung (mit ihrem ersten Schlauch zwischen Flüssigkeitsbehälter und Kompressor und ihrem zweiten Schlauch zwischen Flüssigkeitsbehälter und Reifenventil) eine Fluidverbindung geschaffen werden soll, die sich vom Kompressor über den Behälter mit Versiegelungsflüssigkeit bis hin zum Ventil des beschädigten Reifens erstreckt.
Die zweite Verbindungseinrichtung hat mit der Herstellung einer Fluidverbindung nichts zu tun, wie sich schon daraus ergibt, dass sämtliche Vorkehrungen, die dafür nötig sind, dass Kompressor, Flüssigkeitsbehälter und Reifenventil in fluidmäßiger Verbindung miteinander stehen, vollständig bereits mit der ersten Verbindungseinrichtung getroffen sind. Der zweiten Verbindungseinrichtung kommt – wie die Verfügungsklägerin mit Recht geltend macht – eine rein mechanische Verbindungsaufgabe zu. Sie besteht darin, den Flüssigkeitsbehälter mit der Kompressoranordnung „stabil“ zu verbinden, so dass der Behälter, wenn er im Gehäusesitz aufgenommen ist, „funktional“ mit dem Kompressor verbunden „bleibt“. Mit den besagten Anforderungen zieht das Verfügungspatent die Konsequenz daraus, dass der Flüssigkeitsbehälter (für den Fall eines Verbrauchs oder einer Unbrauchbarkeit der Versiegelungsflüssigkeit) aus seinem Gehäusesitz entfernbar ist, im Übrigen jedoch eine mechanisch stabile Einheit mit dem Kompressor bilden soll, damit der Anwender jederzeit über einen voll funktionstüchtigen Ausrüstsatz verfügt. Der Flüssigkeitsbehälter soll deswegen nicht beliebig leicht aus seinem Gehäusesitz und seiner Anbindung an die Kompressoranordnung geraten können; vielmehr soll eine zweite Verbindungseinrichtung dafür sorgen, dass der Behälter derart stabil an den Kompressor gekoppelt ist, dass die „funktionale“ Anbindung zwischen Flüssigkeitsbehälter und Kompressoranordnung unter den praktischen Verwendungsbedingungen eines Ausrüstsatzes bestehen bleibt. Mit der „funktionalen“ Verbindung zwischen Behälter und Kompressor (die bestehen „bleiben“ soll und deshalb schon unabhängig von der zweiten Verbindungseinrichtung vorhanden sein muss) ist diejenige (funktionswichtige) Fluidverbindung gemeint, die zwischen den beiden Bestandteilen des Ausrüstsatzes (nämlich dem Flüssigkeitsbehälter und der Kompressoranordnung) dank der ersten Verbindungseinrichtung, d.h. genauer gesagt ihrer dritten Verbindungseinrichtung (= erster Schlauch), existiert.
2.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 des Verfügungspatents wortsinngemäß.
Die nachfolgende Abbildung zeigt die streitgegenständliche Vorrichtung in einer Gesamtansicht. Ihr lässt sich ein äußeres Gehäuse (welches unstreitig eine Kompressoranordnung beherbergt), ein Behälter mit Versiegelungsflüssigkeit (rechte Seite) sowie ein roter, von einer Umfangsnut des Gehäuses aufgenommener Schlauch entnehmen.
Mit dem roten Schlauch kann der Ausrüstsatz – wie das folgende Foto verdeutlicht – an ein Reifenventil angeschlossen werden.
Die Anbindung des Flüssigkeitsbehälters an den (selbst nicht sichtbaren) Kompressor erschließt sich aus der nachstehend eingeblendeten Abbildung (wobei der linke schwarze Schlauch, der in dem vorstehenden Foto in seiner Gesamtlänge auszumachen ist, nicht von Interesse ist, weil er lediglich dafür sorgt, dass der Reifen – ohne jedes Abdichtungsmaterial – mit Druckluft aufgepumpt werden kann).
Der Flüssigkeitsbehälter (weiß) ist über einen kurzen schwarzen Schlauch an den Kompressor im Gehäuseinneren angeschlossen und mit einem gelben Verschlussteil versehen. Das gelbe Verschlussteil seinerseits besitzt einen Anschlussstutzen für den roten Schlauch mit dem Anschlussventil für den Reifen besitzt. An seinem äußeren Umfang besitzt das gelbe Verschlussteil Flansche, die mit entsprechenden halbkreisförmigen Aufnahmen im Gehäusesockel korrespondieren. Wird der Flüssigkeitsbehälter kopfüber in das Gehäuse eingesetzt, „verrasten“ das gelbe Verschlussteil und die halbkreisförmigen Aufnahmen miteinander, so dass der Flüssigkeitsbehälter verlässlich in seiner Position zum Kompressor gehalten wird.
Unter den gegebenen Umständen stellen der kurze schwarze Schlauch zwischen Kompressor und Flüssigkeitsbehälter und der rote Schlauch, der einerseits an den Flüssigkeitsbehälter angeschlossen ist und andererseits mit seinem freien Ende die Verbindung mit einem Reifenventil erlaubt, eine patentgemäße „erste Verbindungseinrichtung“ dar. Beide Schläuche schaffen gemeinsam eine Fluidverbindung, die von dem druckluftproduzierenden Kompressor über den Behälter mit Versiegelungsflüssigkeit bis zu dem abzudichtenden Reifen reicht.
Die zweite Verbindungseinrichtung ist bei den angegriffenen Ausführungsformen in Gestalt des gelben Verschlussteils und den halbkreisförmigen Aufnahmen des Gehäusesockels verwirklicht. Die aufeinander abgestimmten und korrespondierenden Kupplungsteile gewährleisten, dass der Flüssigkeitsbehälter, wenn er sich im Gehäusesitz befindet, eine mechanisch stabile, unwillkürlich nicht veränderbare, sondern dauerhafte Position einnimmt. Dass die Aufnahmen am Gehäuse (und nicht an der Kompressoranordnung) ausgebildet sind, stellt den Benutzungssachverhalt nicht infrage. Patentanspruch 1 fordert in seinem Merkmal (5) lediglich eine stabile Verbindung zwischen Flüssigkeitsbehälter und Kompressoranordnung, ohne dem Durchschnittsfachmann vorzugeben, auf welche genaue konstruktive Weise diese Verbindung herzustellen ist. Merkmal (5) enthält keinerlei Anweisung dazu, wo die eine entsprechende Wirkung erzielenden Verbindungsmittel auszugestalten sind, womit es dem freien Belieben des Fachmanns überlassen bleibt, ob er die mit dem Flüssigkeitsbehälter zusammenwirkenden Kopplungsmittel am Kompressor selbst oder aber am äußeren Gehäuse vorsieht, welches die Kompressoranordnung in sich aufnimmt und damit deren Lage bestimmt. Weil insofern auch Kopplungsmittel am Gehäuse die durch den ersten Schlauch der ersten Verbindungseinrichtung hergestellte Fluidverbindung zwischen Kompressor und Flüssigkeitsbehälter mechanisch stabilisieren und schützen können, sieht auch die Verfügungspatentschrift selbst ein Ausführungsbeispiel vor, bei dem die Kopplungsmittel (in Form eines Bajonettverschlusses) am Gehäuse ausgebildet sind (Abs. [0033] und Figur 2). Dass das gelbe Verschlussteil keinen fluidmäßigen Anschluss zwischen Flüssigkeitsbehälter und Kompressoranordnung bereitstellt, hat keine Bedeutung, weil der zweiten Verbindungseinrichtung eine derartige Aufgabe nach der technischen Lehre des Verfügungspatents nicht zukommt.
3.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann grundsätzlich nur dann von einem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinreichenden Rechtsbestand ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset. Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 41/11). Das gilt ungeachtet der Pflicht des Verletzungsgerichts, auch nach erstinstanzlichem Abschluss des Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (Senat, InstGE 8, 122 – Medizinisches Instrument). Mit dem Gebot eines effektiven vorläufigen Rechtsschutzes in Patentsachen (Art. 50 Abs. 1 TRIPS, Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a) Enforcement-RL) wäre es allerdings nicht zu vereinbaren, wenn das Verletzungsgericht, bevor es einstweilige Maßnahmen anordnet, stets den rechtskräftigen Abschluss des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abwarten würde. Vielmehr hat es die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 41/11). Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (Senat, Urteil vom 06.12.2012 – I-2 U 46/12). Demgegenüber ist es für den Regelfall nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (Senat, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 41/11).
Exakt so liegt der Sachverhalt auch hier.
Mit dem Einwand unzulässiger Erweiterung und der Argumentation mangelnder Erfindungshöhe, soweit letztere auf Patentdokumente gestützt ist, hat sich eingehend bereits die technisch fachkundige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes befasst. Deren Einschätzung, der Gegenstand von Anspruch 1 des Verfügungspatents sei weder unzulässig über den Offenbarungsgehalt der Anmeldeschrift hinaus erweitert noch für einen Durchschnittsfachmann anhand des entgegengehaltenen Standes der Technik nahe gelegt, erscheint dem Senat nachvollziehbar und vertretbar, so dass es im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens bei dieser Einschätzung sein Bewenden hat.
Soweit sich die Verfügungsbeklagte im Einspruchsbeschwerdeverfahren erstmals auf eine offenkundige Vorbenutzung des Produktes „F “ beruft, ist bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht glaubhaft, dass das fragliche Erzeugnis vor dem Prioritätstag des Verfügungspatents (27.02.2004) tatsächlich der Öffentlichkeit zugänglich gewesen ist. Aus den überreichten Katalogunterlagen ist kein Druckvermerk ersichtlich; die Verfügungsbeklagte präsentiert lediglich eine eidesstattliche Versicherung (Anlage AG 8), die jedoch weitgehend ohne Substanz ist. Die pauschale Bemerkung, die in Kopie überreichten Katalogblätter seien Bestandteil eines Kataloges, hinsichtlich dessen sich der Verfasser erinnere, dass er (der Katalog) im Jahr 1999/2000 gedruckt und international verbreitet wurde, ist genauso nichtssagend wie die weitere Aussage, das Produkt „F “ sei ab 1999 verkauft worden und der Verfasser erkenne die beigefügten Rechnungen, welche die fragliche Bezeichnung nirgends enthalten, als solche, die unter anderem das Produkt „F “ betreffen. Nachdem aufgrund der derzeitigen Sachlage mehr als zweifelhaft ist, ob der Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung überhaupt geführt werden kann, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die Argumentation der Verfügungsbeklagten nicht auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise beruht. Die Verfügungsbeklagte leitet aus der E6 (WO 2003/041949) als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe her, den dort offenbarten Gegenstand derart zu modifizieren, dass eine möglichst einfache, schnelle und saubere Aufbewahrung eines Schlauches ermöglicht wird, der dazu dient, Versiegelungsflüssigkeit von einem Behälter zu einem abzudichtenden Reifen zu leiten. Ob der Fachmann angesichts der E6 Veranlassung gehabt hätte, eine solche Modifikation überhaupt in Betracht zu ziehen, erscheint zumindest fraglich. Denn die E6 hat zum Ziel, den Betriebszustand eines Ausrüstsatzes derart zu optimieren, dass ein Reifen schnell und einfach aufgeblasen oder versiegelt werden kann. Der Ausrüstsatz im Stillstand spielt nach der Lehre der E6 keine Rolle für die Erreichung dieses Ziels, was sich u.a. daran zeigt, dass der Schlauch nach dem Versiegeln vom Ausrüstsatz abgenommen wird. Eine Kombination des Gegenstandes der E6 mit dem Aufblaskit „F “ hätte sich daher für den Fachmann nur anbieten können, wenn er im Nachhinein Kenntnis von der im Verfügungspatent gelehrten Erfindung erlangt hätte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Für eine gesonderte Anordnung zur Vollstreckbarkeit des Urteils besteht kein Anlass, weil einstweilige Verfügungen ohne weiteres vollstreckungsfähig sind.