2 U 48/08 – Aufzugssysteme IV

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 983

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. November 2008, Az. 2 U 48/08

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Mai 2008 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft,
oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

ein Aufzugsystem, aufweisend eine Kabine, ein Gegengewicht, ein Zugelement mit einer elastomeren Umhüllung zum Bewegen der Kabine und des Gegengewichts und eine Abschlussvorrichtung zum Befestigen eines Endes des Zugelements, bei denen das Zugelement ein Aufhängseil zum Aufhängen und Bewegen der Kabine und des Gegengewichts ist, die Abschlussvorrichtung eine Basis mit mindestens einer Backenfläche und einen Keil mit einer Mittellinie und mindestens einer unter einem vorbestimmten Winkel () von der Mittellinie positionierten Klemmfläche aufweist, der Keil in der Basis angeordnet ist, wobei die mindestens eine Klemmfläche neben der Backenfläche liegt, wobei das Zugelement zwischen der Klemmfläche und der Backenfläche angeordnet ist, wobei die Abschlussvorrichtung derart ist, dass für eine gegebene Länge (L) und Breite (W) der Klemmfläche bzw. des Zugelements der vorbestimmte Winkel () derart ist, dass bei Verwendung eine Zugkraft auf das Zugelement eine Normalkraft (Fn) gegen das Zugelement liefert, die eine Belastung erzeugt, die geringer ist als die maximale Druckbelastbarkeit (c) der elastomeren Umhüllung,

und/oder

eine Kombination aus Abschlussvorrichtung und Zugelement, die daran angepasst ist, an das soeben bezeichnete Aufzugsystem angeschlossen zu werden, wobei das Zugelement eine elastomere Umhüllung aufweist, wobei die Abschlussvorrichtung eine Basis mit mindestens einer Backenfläche und einen Keil mit einer Mittellinie und mindestens einer unter eine vorbestimmten Winkel () von der Mittellinie des Keils positionierten Klemmfläche aufweist, wobei der Keil in der Basis angeordnet ist, wobei mindestens eine Klemmfläche neben der Backenfläche liegt, wobei das Zugelement zwischen der Klemmfläche und der Backenfläche angeordnet ist, wobei die Abschlussvorrichtung derart ist, dass für eine gegebene Länge (L) und Breite (W) der Klemmfläche bzw. des Zugelements der vorbestimmte Winkel () derart ist, dass wenn die Abschlussvorrichtung bei Verwendung mit dem Zugelement in dem Aufzugssystem verbunden ist, eine Zugkraft an dem Zugelement eine Normalkraft (Fn) gegen das Zugelement liefert, die eine Belastung erzeugt, die geringer ist als die maximale Druckbelastbarkeit (c) der elastomeren Umhüllung,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

2.
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000 € erbringt.

Der weitergehende Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

3.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

4.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000.000 € festgesetzt.

G r ü n d e :

Von einer tatbestandlichen Darstellung wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagte ein patentrechtlicher Unterlassungsanspruch zu, den sie nach § 940 ZPO im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann. Zurückzuweisen war der Verfügungsantrag lediglich insoweit, als die Verfügungsklägerin die Vollziehung der Verfügung ohne Sicherheitsleistung verlangt hat.

I.

Der Zulässigkeit des Verfügungsantrags steht § 145 PatG nicht entgegen. Mit Recht hat das Landgericht sich an der Feststellung gehindert gesehen, die Verfügungsbeklagte sei von der Verfügungsklägerin bereits aus einem anderen Patent wegen derselben oder einer gleichartigen Verletzungshandlung, wie sie hier Streitgegenstand ist, in Anspruch genommen worden. Hiergegen wendet sich die Beklagte im Berufungsrechtszug auch nicht mehr.

II.

Der Verfügungsanspruch ergibt sich daraus, dass die Verfügungsbeklagte das Verfügungspatent (EP 1 140 XXX) verletzt.

1.
Das Verfügungspatent betrifft Aufzugsysteme, insbesondere die hierfür notwendigen Zugelemente und Abschlussvorrichtungen.

Die Verfügungspatentschrift weist einleitend darauf hin, dass herkömmliche Traktionsaufzugssysteme eine Kabine, ein Gegengewicht, zwei oder mehr Seile, die die Kabine und das Gegengewicht miteinander verbinden, eine Treibscheibe und eine Antriebseinrichtung aufweisen. Die Zugseile bestehen dabei typischerweise aus einem gelegten oder verdrillten Stahldraht.

Zwar sind die herkömmlichen Stahlseile und Gusseisentreibscheiben zuverlässig und kosteneffizient, jedoch erweisen sich die zwischen dem Seil und der Scheibe wirkenden Traktionskräfte als nachteilig. So hebt die Patentschrift u.a. hervor, dass der notwendigerweise vorhandene relativ dicke Querschnitt des Stahlseils seine inhärente Flexibilität reduziert. Das macht eine Treibscheibe mit relativ großem Durchmesser erforderlich, welche wiederum von einer entsprechend groß dimensionierten Maschine angetrieben werden muss. Das erhöht die Größe und damit die Kosten des Aufzugssystems. Auch ist ein Nachteil herkömmlicher runder Stahlseile, dass ein geringer Durchmesser der Treibscheibe den Seildruck erhöht, was die mögliche Betriebsdauer des Seiles verkürzt.

Um einen sicheren Abschluss für das Seil auszubilden, ist die Verwendung von Klemmeinrichtungen bekannt gewesen, wie sie beispielsweise in der Druckschrift FR-A 2 293 392 (Anlage WKS 1), deren Figur 2 nachfolgend abgebildet ist, offenbart ist.

Bei dieser Art von Klemmeinrichtung wird das Zugseil um einen Keil gewunden, der sich in einer in Zugrichtung offenen Basisvorrichtung mit zur Keilfläche korrespondierend ausgebildeten Wänden befindet. Wird das Seil gespannt, wird der Keil in Seilzugrichtung in die Basis gezwungen und klemmt mit seinen Seitenflächen das Seil gegen die Wände der Basis. Die Patentschrift hebt insoweit hervor, dass der Keil einen relativ scharfen Winkel aufweisen darf, da Stahlseile eine hohe Druckfestigkeit besitzen und die auftretenden Klemmkräfte deshalb keine Beschädigung des Seils herbeiführen, wie sie z.B. in einem Quetschen oder einem Kriechen ihren Ausdruck findet.

Die Verfügungspatentschrift verweist des weiteren auf neuartige flache Zugelemente, die eine Mehrzahl von einzelnen lasttragenden Strängen aufweisen, welche innerhalb einer gemeinsamen Ummantelungsschicht eingeschlossen sind. Die Schicht umgibt die einzelnen Stränge und bildet eine Oberfläche, die mit der Treibscheibe zusammenwirkt. Da infolge dessen der Seildruck gleichmäßiger über das Zugelement verteilt wird, können bei Verwendung derartiger Zugseile Treibscheiben mit geringerem Durchmesser verwendet werden.

Zur Bildung eines Abschlusses ist es nach Angaben der Klagepatentschrift vorbekannt gewesen, das flache Zugelement um eine Stange herumzulegen und das Ende mit einem Plattenpaar einzuklemmen. Auch gab es im Stand der Technik eine keilförmige Endbefestigungseinrichtung, bei der ein Keil am Ende des Zugelements angeordnet wird und durch ein Plattenpaar geklemmt wird. Als nachteilig bezeichnet die Patentschrift, dass bei solchen Typen von Abschlussvorrichtungen die Zugaufnahmefähigkeit allein auf den durch die Befestigungseinrichtungen bereitgestellten Klemmkräften beruht.

Ausgehend hiervon stellt sich das Verfügungspatent die Aufgabe, effizientere und dauerhaftere Verfahren und Vorrichtungen für den Antrieb von Aufzugsystemen zu entwickeln. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch ein Aufzugsystem mit folgenden Merkmalen vor:

1. Aufzugsystem, aufweisend
1.1 eine Kabine (14),
1.2 ein Gegengewicht (16),
1.3 ein Zugelement (22) und
1.4 eine Abschlussvorrichtung (30).

2. Die Abschlussvorrichtung (30) weist auf
2.1 eine Basis (34) mit mindestens einer Backenfläche (62, 64) und
2.3 einen Keil (32).

3. Der Keil (32)
3.1 hat eine Mittellinie (83),
3.2 ist in der Basis (34) angeordnet und
3.3 weist mindestens eine Klemmfläche (33, 35) auf, die
3.3.1 unter einem vorbestimmten Winkel () von der Mittellinie (83) positioniert ist und
3.3.2 zur Backenfläche juxtapositioniert („juxtaposed“) ist.

4. Das Zugelement (22)
4.1 ist ein Aufhängeseil (22) zum Bewegen der Kabine (14) und des Gegengewichts (16),
4.2 weist eine elastomere Umhüllung auf und
4.3 ist zwischen der Klemmfläche (33, 35) und der Backenfläche (62, 64) angeordnet.

5. Die Abschlussvorrichtung ist so ausgebildet, dass der vorbestimmte Winkel () der Art ist, dass
5.1 für eine gegebene Länge (L) und Breite (W) der Klemmfläche bzw. des Zugelements
5.2 bei Verwendung eine auf die Zugelement wirkende Zugkraft
5.2.1 eine Normalkraft (Fn) gegen das Zugelement liefert,
5.2.2 die eine Belastung erzeugt, die geringer ist als die maximale Druckbelastbarkeit (c) der elastomeren Umhüllung.

Patentanspruch 17 stellt eine Kombination aus Abschlussvorrichtung und Zugelement unter Schutz, die daran angepasst ist, an ein Aufzugsystem gemäß Patentanspruch 1 angeschlossen zu werden.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 3 bis 6 der Verfügungspatentschrift zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele einer patentgemäßen Abschlussvorrichtung mit Zugelement.

Die Verfügungspatentschrift betrachtet die Geometrie des Keils als hauptsächliches Merkmal der Erfindung. Der Keil ist derart bemessen und sein Winkel derart ausgewählt, dass einerseits eine ausreichende Klemmkraft bereitgestellt wird, andererseits aber die Druckbelastbarkeit des Zugelements nicht überschritten wird.

Die zwischen Klemmfläche und Backenfläche auf das Zugelement wirkende Kraft, die entsteht, wenn die Zugspannung des Zugelements den Keil in die Basis zwingt, bezeichnet Patentanspruch 1 als Normalkraft (Fn). Welche Normalkraft im Einzellfall wirkt, hängt von der Geometrie des Keils ab. Wird der Keilwinkel zu klein gewählt, wird die Normalkraft zu groß mit der Folge, dass das Zugelement ein Kriechen unter Druck erfährt. Das ist der Verfügungspatentschrift zufolge insbesondere bei Zugelementen mit einer aus Urethan oder einem anderen flexiblen elastomeren Material bestehenden Ummantelung wichtig, da diese eine bestimmte maximale Druckbelastbarkeit aufweisen, bei deren Überschreiten eine nicht umkehrbare Deformation oder ein Kriechen des Materials eintritt. Wird andererseits der Keilwinkel zu groß gewählt, ist die auf das Zugelement wirkende Normalkraft zu klein, um ein Rutschen des Elements in der Abschlusseinrichtung zu verhindern.

Besondere Ausführungsvarianten der patentgemäßen Vorrichtung zielen auf eine Erhöhung des Reibungskoeffizienten zwischen dem Zugelement und den es einspannenden Flächen der Basis und des Keils ab. So können die Backenflächen und Keilklemmflächen beispielsweise eine aufgeraute Oberfläche aufweisen oder, wie aus der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 der Patentschrift ersichtlich ist, der Keil mit einer Vielzahl von Stegen und Tälern versehen werden.

Nach der Patentbeschreibung weist eine Urethanummantelung unter hohen Druckbedingungen die Eigenschaft eines Kaltfließens auf. Das Material fließt (kalt) in und um die Täler und Stege, wodurch eine effektive mechanische Blockierung entsteht. Solche Blockiermerkmale wirken einem Rutschen des Zugelements in der Abschlussvorrichtung entgegen und reduzieren die Normalkraft, welche erforderlich ist, um das Zugelement sicher in der Abschlussvorrichtung einzuklemmen.

2.
Die angegriffenen Aufzugsysteme der Verfügungsbeklagten (3100, 3300, 5300, 6200), von deren aus Keil und Basis bestehenden Abschlussvorrichtung die Verfügungsbeklagte nachfolgend wiedergegebene Fertigungszeichnung (GA 60) vorgelegt hat, machen von der technischen Lehre des Verfügungspatents wortsinngemäß Gebrauch.

a.
Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten weist ihre Abschlussvorrichtung eine Klemmfläche auf, die zur Backenfläche „juxtapositioniert“ ist (Merkmal 3.3.2).

Nach der Lehre des Verfügungspatents handelt es sich bei den Backenflächen der Basis und den Klemmflächen des Keils um technisch zusammenwirkende Funktionsteile. Das Zugelement wird nämlich mit einer bestimmten Klemmkraft von den Klemmflächen gegen die Backenflächen geklemmt, wenn der Keil durch die an dem Zugseil anliegende Spannung in die Basis gezwungen wird. Diese Funktion können die Flächen nur dann erfüllen, wenn sie dergestalt zueinander positioniert sind, dass das Zugelement zwischen ihnen eingespannt wird. Zur Bezeichnung dieses Sachverhalts wird in der maßgeblichen englischen Anspruchsfassung der Begriff „juxtaposed“ verwendet, der ins Deutsche übertragen ganz im Sinne des vorbezeichneten Funktionszusammenhangs ein Seite an Seite Stellen oder nebeneinander Platzieren bzw. Positionieren meint.

Danach ist dem Anspruchswortlaut nicht zu entnehmen, dass die Klemm- und Backenflächen parallel zueinander angeordnet sein müssen, also keine unterschiedlichen Winkel aufweisen dürfen. Auch aus der gelehrten technischen Funktion der Klemm- und Backenflächen lässt sich eine entsprechende einschränkende Auslegung des Merkmals 3.3.2 nicht herleiten. Entspricht der Winkel der Klemmfläche nicht dem Winkel der Backenfläche, hat dies zur Folge, dass der Abstand zwischen den Flächen unterschiedlich ist, wenn der Keil in die Basis gezwungen wird. Ist z.B. der Keilwinkel größer, vergrößert sich der Abstand der Klemmfläche zur Backenfläche in Richtung zur Keilspitze. Das führt dazu, dass im Bereich mit geringerem Abstand das Zugelement vom Keil mit größerem Druck gegen den korrespondierenden Teil der Backenfläche gepresst wird. Zur technischen Lehre des Verfügungspatents stünde das nur dann in Widerspruch, wenn die mit den unterschiedlichen Abständen verbundene unterschiedlich stark wirkende Klemmkraft es von vornherein ausschließen würde, die Abschlussvorrichtung gemäß den in der Merkmalsgruppe 5 niedergelegten Voraussetzungen auszugestalten. Derartiges lässt sich indes nicht feststellen. Auch wenn die Klemmkraft über die Fläche – mehr oder weniger – unterschiedlich stark verteilt sein mag, lassen sich – jedenfalls im Grundsatz – die Länge und Breite der Klemmfläche bzw. des Zugelements und der Winkel des Keils so wählen, dass die gegen das Zugelement wirkende Normalkraft (auch im Bereich mit der größten Druckbeanspruchung) kleiner ist als die maximale Druckbelastbarkeit der elastomeren Hülle. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ist der technischen Lehre des Verfügungspatents auch nicht zu entnehmen, dass die auf das Zugelement wirkende Normalkraft über die Gesamtfläche konstant verteilt sein und deshalb eine parallele Anordnung der Klemm- zu den Backenflächen vorliegen muss. Auf die in der Verfügungspatentschrift abgebildeten und ausgeführten Beispiele mag das zutreffen (vgl. Abs. 0035 der Übersetzung Anlag AS 2). Dass sich Beschreibung und Ausführungsbeispiele des Patents ausschließlich auf bestimmte Ausführungsformen beziehen, schränkt einen weiter zu verstehenden Sinngehalt des Patentanspruchs jedoch nicht auf diese Ausführungsformen ein. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts (im Sinn einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) des Patentanspruchs ist generell nicht zulässig; dies gilt insbesondere, wenn – wie hier – der Beschreibung eine Schutzbegrenzung auf bestimmt Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist (BGH, GRUR 2007, 309, 311 – Schlussfädentransport).

Legt man dies zugrunde, steht der bei der Abschlussvorrichtung der Verfügungsbeklagten aus der Konstruktionszeichnung (GA 60) ersichtliche Winkelunterschied zwischen dem Keil (21,5 – 22°) und seiner Basis (20°) der Verwirklichung des Merkmals 3.3.2 nicht entgegen.

b.
Anders als die Verfügungsbeklagte meint, lässt sich auch die Feststellung treffen, dass ihre Abschlussvorrichtung gemäß den Vorgaben der Merkmalsgruppe 5 ausgebildet ist.

aa.
Die beim Einklemmen zwischen der Klemmfläche des Keils und der Backenfläche der Basis auf das Zugelement wirkende Kraft bezeichnet das Verfügungspatent als Normalkraft (vgl. Absatz 0029 Übersetzung). Die Normalkraft darf die maximale Druckbelastbarkeit der elastomeren Umhüllung des Zugelements nicht überschreiten (Merkmal 5.2.2). Welche Normalkraft auf das Zugelement übertragen wird, hängt nach der technischen Lehre des Verfügungspatents von der Wahl des Winkels der Keilklemmfläche sowie der Länge und Breite der Klemmfläche bzw. des Zugelements ab (Merkmal 5, 5.1; Absatz 0031 Übersetzung). Konkrete Vorgaben zu Länge und Breite, Grad des Winkels sowie Druckbelastbarkeit der Umhüllung macht Patentanspruch 1 nicht. Derartiges ist erst Gegenstand der Unteransprüche 4 und 5. Der Schutzbereich des Patentanspruchs 1 ist auch nicht darauf beschränkt, den Winkel auf Grundlage einer bestimmten mathematischen Formel berechnen zu können. Denn dies wird erst mit Unteranspruch 3 beansprucht. Maßstab für die Verwirklichung der durch Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre ist demgemäß, ob das Ziel erreicht wird, die auf das Zugelement wirkende Normalkraft unter der maximalen Druckbelastbarkeit der elastomeren Umhüllung zu halten. Ist das der Fall, weist die Klemmfläche für ihre konkret gegebene Länge und Breite den patentgemäßen Winkel auf. Solange die Abhängigkeit der auf das Zugelement übertragenen Normalkraft von der Wahl des Winkels der Keilklemmfläche sowie der Länge und Breite der Klemmfläche besteht, reicht daher für die Darlegung der Verwirklichung der Merkmalsgruppe 5 grundsätzlich aus, dass die Normalkraft geringer ist als die maximale Druckbelastbarkeit der Umhüllung. Der exakten Benennung der Winkelgröße sowie der Länge und Breite von Klemmfläche und Zugelement bedarf es dann nicht.

Nach den Erläuterungen der Verfügungspatentschrift wird die maximale Druckbelastbarkeit überschritten, sobald eine nicht umkehrbare Deformation der elastomeren Umhüllung auftritt oder es zu einem Kriechen des Materials kommt (Absatz 0031 Übersetzung). Wie der Patentbeschreibung zu entnehmen ist, führen allerdings solche bleibenden Deformationen nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents, die lediglich der Erhöhung des Reibungskoeffizienten zwischen dem Zugelement einerseits und den das Element einspannenden Flächen der Basis und des Keils andererseits dienen und dazu auf die Eigenschaft der elastomeren Ummantelung zurückgreifen, bei partiell hohen Druckbedingungen „kalt“ zu fließen (vgl. Abs. 0040 Übersetzung). Ein Kaltfließen ist etwa in und herum von Stegen und Tälern möglich, wie sie dem in Figur 7 der Patentschrift gezeigten Ausführungsbeispiel entsprechen (vgl. auch Absatz 0041 Übersetzung). Das steht, wie die fachkundige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts in ihrer den Einspruch gegen das Verfügungspatent zurückweisenden Entscheidung ausgeführt hat (Übersetzung Anlage AS 5a, S. 7), nicht in Widerspruch zur Lehre des Verfügungspatents, die maximale Druckbelastung der Umhüllung nicht zu überschreiten. Denn das Kaltfließen findet nur in einem begrenzten Bereich statt, so dass die maximale Druckbelastung der Umhüllung im Ganzen („makroskopisch“) betrachtet nicht überschritten wird.

Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, von einem patentgemäßen Kaltfließvorgang könne bereits dann nicht mehr die Rede sein, wenn die Verformungen optisch (deutlich) wahrnehmbar seien, kann vor diesem Hintergrund nicht beigetreten werden. Bei der gebotenen technischen Betrachtung ist nicht die optische Wahrnehmbarkeit der Verformung, sondern deren lokale Begrenztheit entscheidend. Werden die Druckspitzen lokal begrenzt in einer Weise abgebaut, dass nachfolgend die maximale Druckbelastung der Hülle nicht weiter überschritten wird, tritt bezogen auf die Klemmung im Ganzen keine nicht umkehrbare Materialdeformation ein und findet ein auf ihr beruhendes Kriechen des Materials nicht statt. Das ist für die Verwirklichung von Merkmal 5.2.2 ausreichend, welches nur gewährleisten soll, dass durch die Keilgeometrie insgesamt auf das verwendete Material kein Klemmdruck ausgeübt wird, dem es dauerhaft nicht standhalten kann. Gegen die optische Betrachtung der Verfügungsbeklagten spricht auch das in Figur 7 der Verfügungspatentschrift dargestellte Ausführungsbeispiel, bei welchem die Stege und Täler, um die das Material der Ummantelung fließen kann, deutlich sichtbar sind.

bb.
Dass bei der angegriffenen Ausführungsform die aus EPDM bestehende Umhüllung während des Betriebs überhaupt nicht dauerhaft verformt wird, lässt sich im vorliegenden Verfügungsverfahren nicht feststellen. Sowohl aus den von der Verfügungsklägerin mit der eidesstattlichen Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. April 2008 (GA 149 ff.) vorgelegten Fotografien (vgl. insbesondere Nr. 11 und Nr. 12 = GA 132 und 133) als auch dem von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Musterstück gemäß Anlage WKS 8 ist ersichtlich, dass es in dem Bereich, in welchem der Gurt eingeklemmt worden ist, zu – jedenfalls dem Augenschein nach – dauerhaften Deformationen des Umhüllungsmaterials kommt. Die Deformationen werden in Richtung des sich zwischen Keilklemmfläche und Basis verengenden Winkels immer ausgeprägter (vgl. auch die zeichnerische Darstellung dieses Sachverhalts GA 136 sowie Anlage WKS 6). Die auftretenden Deformationen sind jedoch zumindest dann unschädlich, wenn es sich um nach der Lehre des Verfügungspatents zulässige Deformationen im Wege des Kaltfließens handelt. Entscheidend hierfür ist, ob es sich im oben bezeichneten Sinn lediglich um lokal begrenzt eingetretene Deformationen handelt, die nicht zu einer Überschreitung der maximalen Druckbelastung der Umhüllung im Ganzen führen. Hiervon ist auszugehen, wenn es sich um eine Verformung handelt, bei der nur anfängliche Druckspitzen in bestimmten Bereichen abgebaut werden und die danach nicht mehr voranschreitet, weil die maximale Druckbelastbarkeit der Umhüllung ansonsten nicht überschritten wird.

Davon, dass derartige Verhältnisse bei den Zugelementen und Abschlussvorrichtungen der Verfügungsbeklagten vorliegen, ist der Senat nach dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung überzeugt. Ausweislich der als Anlage BK 8 (Seite 4 – 12) auszugsweise vorgelegten Eigentümerdokumentation der Verfügungsbeklagten werden die streitgegenständlichen Zugelemente (Riemen) erst nach 15 Jahren oder 1,5 Mio. Fahrten ausgetauscht. Eine derart lange Betriebsdauer ist unter Sicherheitsaspekten nicht denkbar, wenn die maximale Belastbarkeit der Umhüllung nicht nur zeitweise lokal begrenzt, sondern insgesamt auf Dauer überschritten würde. Dass lediglich eine lokal begrenzte Deformation in Form des Kaltfließens vorliegt, findet seine Bestätigung auch in dem von der Verfügungsbeklagten als Anlage WKS 8 vorgelegten Muster eines Zugelements. Dessen Außenummantelung verfügt über insgesamt sechs in Längsrichtung angeordnete Stege mit dazwischen befindlichen Tälern. Zwar sind im Klemmbereich die Stege deutlich – in Richtung zur Keilrundung immer stärker werdend – verformt. Das verformte Material konnte jedoch in die benachbarten Täler „fließen“, ohne dass die Täler vollständig ausgefüllt wurden. Bei einer dauerhaften Überschreitung der maximalen Druckbelastung wäre jedoch zu erwarten, dass die Stege vollständig eingeebnet und die Täler vollständig ausgefüllt werden. Soweit die Verfügungsbeklagte auf ihre als Anlage WKS 12a vorgelegte Analyse verweist, ergibt sich nichts anderes. Denn auch in dem von der Verfügungsbeklagten zitierten Ergebnis (7.3.1) wird lediglich von einer lokalen Beanspruchung des EPDM-Bandes gesprochen, ohne dass eine dauerhafte Überschreitung der Druckbelastungsgrenze des Bandes im Ganzen betrachtet ersichtlich ist. Da dort, wo die Materialstege der Umhüllung abgeplattet werden, sich die Auflagefläche zwischen Zugelement und Klemmfläche vergrößert, hat das Kaltfließen schließlich auch den erfindungsgemäßen Effekt, zu einer Erhöhung des Reibungskoeffizienten zwischen den genannten Elementen zu führen.

c.
Dass die angegriffenen Aufzugsysteme von den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch machen, steht zwischen den Parteien außer Streit und begegnet keinen Bedenken.

d.
Da die angegriffenen Aufzugsysteme unstreitig eine Kombination aus Abschlussvorrichtung und Zugelement beinhalten, die entsprechend den soeben getroffenen Feststellungen daran angepasst sind, an ein Aufzugsystem gemäß Patentanspruch 1 angeschlossen zu werden, machen die angegriffenen Ausführungsformen auch von der technischen Lehre des Patentanspruchs 17 Gebrauch.

3.
Die Verfügungsbeklagte hat demgemäss entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt und ist der Verfügungsklägerin deshalb nach § 139 Abs. 1 PatG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2, 64 Abs. 3 EPÜ zur Unterlassung verpflichtet.

III.

Der Verfügungsklägerin steht auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Der Erlass der Verfügung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin nötig.

1.
Dem Verfügungsantrag fehlt es nicht an der erforderlichen Dringlichkeit. Die Verfügungsklägerin hat den Verfügungsantrag hinreichend früh, nämlich gut einen Monat nach Vorlage der Gründe der Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, mit der der Einspruch gegen das Verfügungspatent zurückgewiesen wurde, anhängig gemacht. Maßgeblich auf die Einspruchsentscheidung abzustellen, rechtfertigt sich daraus, dass sich mit der Entscheidung die für die Beurteilung des Verfügungsgrundes maßgebliche Tatsachengrundlage geändert hat. Das Patent hat sich mit der Entscheidung erstmals in einem kontradiktorischen Verfahren als bestandskräftig erwiesen, was für die Möglichkeit der Durchsetzung der Rechte aus dem Patent im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von entscheidender Bedeutung ist. Ändern sich aber die für die Beurteilung des Verfügungsbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse, lebt eine vor der Änderung möglicherweise bereits entfallene Dringlichkeit wieder auf; selbst ein zweites Gesuch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist möglich, wenn ein erstes Gesuch erfolglos war (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2005, 972 – Forum-Shopping; Baumbach/Hefermehl, UWG, 23. Aufl., § 12 Rz 3.19; Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 173; Berneke, Einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdn. 94; jeweils m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten steht daher der Annahme von Dringlichkeit nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin den Verfügungsantrag nicht schon vor der Einspruchsentscheidung anhängig gemacht hat. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Rechtsbestand des Verfügungspatents aus anderen Gründen bereits derart gesichert war, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung hierzu keinen wesentlichen Beitrag mehr leisten konnte. Hiervon kann beim Verfügungspatent aber schon deshalb keine Rede sein, weil mit den schriftlichen Gründen der Einspruchsentscheidung erstmals eine unabhängige sachverständige Äußerung dazu vorlag, wie das erfindungsgemäß erwünschte Kaltfließen von einer erfindungsgemäß unerwünschten Überschreitung der maximalen Druckbelastbarkeit der Umhüllung abzugrenzen ist.

Da sich erst in Kenntnis der schriftlichen Gründe die Tragweite der Einspruchsentscheidung für den Erfolg eines hierauf gestützten Verfügungsantrages beurteilen ließ, kann der Verfügungsklägerin auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Verfügungsantrag nicht unmittelbar nach Abschluss der mündlichen Verhandlung, in der die Einspruchsentscheidung verkündet wurde, anhängig gemacht zu haben. Zwischen der Entscheidungsverkündung (25. September 2007) und Entscheidungsbegründung (4. Dezember 2007) liegt entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin auch kein derart langer Zeitraum, dass die Verfügungsklägerin gehalten war, auf eine Beschleunigung der Abfassung der Gründe zu drängen. Eine wesentliche Beschleunigung wäre damit auch nicht zu erreichen gewesen.

Anders als die Verfügungsbeklagte meint, beinhaltet schließlich auch das Gesuch der Verfügungsklägerin, den ursprünglich auf den 16. Oktober 2008 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung wegen Verhinderung in eine der ersten beiden Novemberwochen zu verlegen, noch keine Verfahrensverzögerung von einer Erheblichkeit, die mit dem Eilcharakter eines in einer komplexen Patentverletzungssache geführten Verfügungsverfahrens unvereinbar wäre.

2.
Nachdem die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das Verfügungspatent zurückgewiesen hat, ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert, um den Erlass der einstweiligen Verfügung zu rechtfertigen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die nachvollziehbar und schlüssig begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung im Beschwerdeverfahren keinen Bestand haben wird, lässt sich nicht feststellen. Soweit die Verfügungsbeklagte mit ihrem Beitrittsschriftsatz zum Einspruchsverfahren (Anlage AG 2) weiteren Stand der Technik vorgelegt hat, liegt dieser dem Verfügungspatent nicht näher als der bereits von der Einspruchsabteilung berücksichtigte Stand der Technik. Insbesondere kann der Ansicht der Verfügungsbeklagten nicht gefolgt werden, bei der vom Senat gewählten Auslegung der Merkmalsgruppe 5 sei die deutsche Offenlegungsschrift 2 300 361 (WKS 11) neuheitsschädlich. Dort ist lediglich offenbart, ein zusätzlich zum Hauptseil vorgesehenes Ersatzband mit Kunststoff zu beschichten (vgl. WKS 11, S. 4 vorletzter Absatz). Dass es sich hierbei um eine elastomere Umhüllung handelt, deren Druckbelastbarkeit für den sicheren Halt des Haupt- und Ersatzbandes in der Abschlussvorrichtung nicht überschritten werden darf, ist der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen. Die Einschätzung der Einspruchsabteilung (vgl. Anlage AS 5a, S. 11 letzter Absatz), es sei nicht naheliegend, ein eine elastomere Umhüllung aufweisendes Zugelement vom Gurttyp mit einer Abschlussvorrichtung für Stahlseile zu kombinieren, wird dadurch nicht in Frage gestellt.

Da die Verfügungsbeklagte entgegen der prozessleitenden Verfügung vom 21. Juli 2008 (GA 243) die Anmeldeschrift WO 00/40 YYY nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt hat, lässt sich auch nicht feststellen, dass das Verfügungspatent im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 17 in unzulässiger Weise über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

Nach alledem überwiegen die Interessen der Verfügungsklägerin, das ihr aus dem Verfügungspatent zustehende Ausschließlichkeitsrecht bereits im einstweiligen Rechtschutz durchzusetzen, um weitere Verletzungshandlungen zu unterbinden. Zur Sicherung eines etwaigen Schadenersatzanspruches nach § 945 ZPO hat der Senat allerdings von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung der Verfügungsklägerin in Höhe von 5.000.000 € abhängig zu machen. Auf diese Weise ist zugleich sichergestellt, dass die Verfügungsklägerin nicht bessergestellt ist als bei einem erstinstanzlichen Hauptsachetitel, der gemäß § 709 ZPO ebenfalls nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar wäre.

IV.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 5. November 2008 rechtfertigt keine andere Beurteilung und veranlasst auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dass die Verfügungsklägerin Unterlassung unabhängig von einer Sicherheitsleistung verlangt hat, stellt eine Zuvielforderung dar, die verhältnismäßig geringfügig ist und keine höheren Kosten verursacht hat.