4a O 421/04 – Leitfähige Edelstahlfasern

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 373

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. September 2005, Az. 4a O 421/04

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, letztere zu vollziehen an dem jeweiligen Präsidenten der Beklagten, zu unterlassen,

Produkte

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen, die Metallfaser-Bündel enthalten,

die mittels eines Verfahrens zur Herstellung eines zwischen Zahnrädern gewellten Metallfaser-Bündels hergestellt worden sind, welches folgende Schritte umfasst:

a) Einbetten der Metallfasern in ein duktiles und kohärentes Matrix-Material

b) Hindurchziehen dieses zusammengesetzten Matrix-/Faser-Bündels zwischen den Zähnen von zumindest zwei ineinandergreifenden Zahnrädern, so dass die Fasern eine bleibende wellenförmige Kräuselung erhalten und

c) Entfernen des Matrix-Materials.

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20.4.1991 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist und

wobei sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1.5.1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2.10.1990 bestehenden Grenzen beschränkt.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 20.4.1991 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird

wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die Zeit vor dem 1.5.1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2.10.1990 bestehenden Grenzen beschränkt.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 280 xxx (Klagepatent), das – unter Inanspruchnahme einer belgischen Prioritätsanmeldung vom 30.1.1987 – am 18.1.1988 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 20.3.1991. Verfahrenssprache des Klagepatents ist Englisch. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Patentanspruch 1 des Klagepatents, auf den die Klägerin ihr Begehren im Hauptantrag stützt, hat in der veröffentlichten deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

“ Verfahren zur Herstellung eines zwischen Zahnrädern gewellten Metallfaser-Bündels, welches Verfahren die folgenden Schritte umfasst:

(a) Einbetten der Metallfasern in ein duktiles und kohärentes Matrix-Material,
(b) Hindurchziehen dieses zusammengesetzten Matrix/Faser-Bündels zwischen den Zähnen von zumindest zwei ineinandergreifenden Zahnrädern, so dass die Fasern eine bleibende wellenförmige Kräuselung erhalten und
(c) Entfernen des Matrix-Materials.“

Wegen der weiteren Ansprüche des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift verwiesen. Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt wie die erfindungsgemäß angestrebte Kräuselung durch Hindurchführen der parallel angeordneten Verbünde (1) durch den Nip zweier Zahnräder (2), welche miteinander angemessen in Eingriff stehen oder kämmen und welche zueinander parallele Drehachsen aufweisen, erreicht werden kann.

Die Beklagte, ein in F ansässiges Unternehmen, vertreibt Produkte, etwa nagelgelochte Filze, die aus rostfreien Stahlfasern bestehen oder bei denen rostfreie Stahlfasern mit anderen technischen Fasern, etwa Aramid, vermischt sind.

Nachfolgend wird eine von der Beklagten auf der Messe X in D verteilte Werbeinformation auszugsweise wiedergegeben:

Die Klägerin trägt vor, dass sie von der Beklagten stammende Metallfaserbündel von dem Unternehmen A erhalten habe. Ein Mitarbeiter As, M, habe die Muster an O übergeben, der diese an Mitarbeiter aus dem Labor der Klägerin weitergereicht habe. Dort sei im Wege einer XPS-Analyse (X-Ray Photoelectron Spectroscopy) festgestellt worden, dass die Metallfasern Restspuren von Kupfer aufwiesen, woraus sich ergebe, dass diese in Kupfer eingebettet und das Material nach Bearbeitung wieder entfernt worden sei. Bei Kupfer handele es sich um ein duktiles und kohärentes Matrix-Material. Zudem habe sich durch optische Mikroskopie ergeben, dass die Fasern eine bleibende wellenförmige Kräuselung aufgewiesen hätten, wobei die Form bzw. Dicke der Fasern gleich bleibend gewesen sei.

Weiterhin sei bei der Beklagten an ihrem französischen Sitz im Rahmen eines Saisie-Verfahrens ein Bündel gewellter Filamente aufgefunden worden, die von dem Unternehmen F stammten sowie Bündel ebenfalls gekräuselter Filamente von dem Unternehmen G (aus K), das zur Unternehmensgruppe W gehöre (ebenfalls aus K). Ferner sei ein Bündel gewellter Filamente aufgefunden worden, die von einem chinesischen Unternehmen stammten und nach dem Transportetikett aus H abgesandt worden seien. Einen Satz der beschlagnahmten Muster habe der bei der Besichtigung anwesende französische Gerichtsvollzieher N gegeben, der diese an J weitergeleitet habe. Dieser habe die Muster dem Labor der Klägerin übergeben. Dort sei wiederum im Wege der genannten Verfahren festgestellt worden, dass die Filamente noch Restspuren von Kupfer aufgewiesen, die Fasern über eine bleibende wellenförmige Kräuselung verfügt und die Fasern eine durchschnittliche Querschnittsform besessen hätten.

Schließlich sei R bei einem Besuch des Standes der Beklagten auf der Messe X von S, einem Mitarbeiter der Beklagten, das Muster eines gewebten Stoffes übergeben worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe einen Teil des Musters abgeschnitten und am 9.12.2004 per Einschreiben an die Klägerin zu Händen von J geschickt, der diesen im Labor der Klägerin habe untersuchen lassen. Auch hier hätten sich die bereits genannten Resultate bestätigt.

Die Klägerin beantragt,

wie zuerkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft abzuwenden.

Sie stellt eine Verletzung der Lehre des Klagepatents in Abrede. Zur Begründung trägt sie vor, dass im Stand der Technik drei Herstellungsverfahren von gekräuselten Metallfasern bekannt seien, bei denen die Kräuselung durch Zahnräder erfolge. Zum Einen würden die Metallfasern direkt, also ohne Vorbehandlung, durch Zahnräder gekräuselt. Zum Anderen würden die Metallfasern mit einem kohärenten und duktilen Material, wie beispielsweise Kupfer, überzogen, sodann gestreckt bis ein gewünschter Durchmesser erreicht sei. Danach werde das kohärente und duktile Material wieder entfernt und es erfolge die Kräuselung durch die Zahnräder. Schließlich würden in einem dritten Verfahren die Metallfasern mit einem kohärenten und duktilen Material überzogen, sodann gestreckt, bis ein gewünschter Durchmesser erreicht sei und sodann durch Zahnräder gekräuselt. Erst danach erfolge die Entfernung des duktilen und kohärenten Materials. Bei dem letztgenannten Verfahren handele es sich um das klagepatentgemäße Verfahren.

Sie, die Beklagte, habe durch das „Institut QU“ Fasern untersuchen lassen. Dabei habe es sich einerseits um Fasern der Klägerin und andererseits um Fasern gehandelt, die von dem chinesischen Unternehmen U stammten. Die Fasern der Klägerin seien wohl nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt worden, während die Produktion der Fasern des chinesischen Unternehmens nach dem zweitgenannten Verfahren erfolgt sei, wie sich aus einer schriftlichen Bestätigung desselben ergebe. Die Untersuchung der beiden Fasern durch das französische Institut habe ergeben, dass es auch bei dem zweitgenannten Verfahren nicht zu den im Klagepatent kritisierten Abflachungen komme. Das werde durch mikroskopische Aufnahmen bestätigt, die von dem französischen Institut angefertigt worden seien.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass von ihr bezogene Metallfaserbündel teilweise nach dem patentgemäßen Verfahren hergestellt würden. Zudem bestreitet sie mit Nichtwissen, dass die von der Klägerin angeblich untersuchten Produkte von ihr, der Beklagten, stammten. Gleiches gelte hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, dass das von einem Unternehmen namens Aan einen I übergebene Muster von ihr, der Beklagten, stamme. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die angeblich von Aübergebenen Muster auf dem langen Weg ins Labor der Klägerin mit Metallfaserbündeln aus dem Hause der Klägerin versehentlich vertauscht worden seien. Bezüglich der im Rahmen der Saisie beschlagnahmten Muster ergäben sich dieselben Zweifel, ob im Labor der Klägerin tatsächlich die beschlagnahmten Muster untersucht worden seien. Zudem hätten die in F beschlagnahmten Muster keinerlei Relevanz für die Frage der Patentverletzung im Geltungsbereich des Klagepatents. Sie, die Beklagte beziehe gekräuselte Metallfilamente von zahlreichen Händlern/Herstellern, so dass mittels in F beschlagnahmter Muster nicht auf das Herstellungsverfahren von Metallfaserbündeln anderer Zulieferer geschlossen werden könne, die in Produkten enthalten seien, die von ihr in Deutschland angeboten würden. Zudem bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass das angeblich auf der X in D übergebene Muster eines gewebten Stoffes im Labor der Klägerin tatsächlich untersucht worden sei. Es sei auffallend, dass insoweit keine Untersuchungsberichte vorgelegt worden seien. Im Übrigen werde auch bestritten, dass die von ihr, der Beklagten, verarbeiteten Metallfaserbündel im Rahmen des Herstellungsprozesses, von dem sie keinerlei Kenntnis habe, mit Kupfer umhüllt worden seien. Kupferspuren seien auch dann vorhanden, wenn die Kupferumhüllung vor dem Zahnradkräuseln entfernt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin zur Unterlassung, Rechnungslegung und zur Leistung von Schadensersatz im zuerkannten Umfang verpflichtet ist, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9 S. 2 Nr. 3, 14, 139 Abs. 1 und 2, 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von zahnwalzengekräuselten Metallfasern und diese Fasern umfassenden Produkte, wie zum Beispiel Metallfaserbündel.

In der Klagepatentschrift wird zum Stand der Technik ausgeführt, dass aus dem deutschen Gebrauchsmuster 75 21 192 bekannt sei, Metallfaserbündel zu kräuseln, indem diese zwischen Zahnräder hindurchgeführt werden. Bei diesem Verfahren bewirke allerdings der Druck, der während des Kräuselungsprozesses durch die Zahnspitzen auf das Bündel ausgeübt werde, dass Fadenabschnitte durch Quetschen an den gekräuselten Spitzen plastisch verformt würden. Entsprechend der relativen Position der Fasern in der Dicke des Bündels werde dieser Kräuselvorgang jedoch einen unterschiedlich quetschenden oder abflachenden Effekt haben und werde folglich eine gewisse Willkür an der kontinuierlichen und permanenten Beschaffenheit der Kräuselung entlang des Bündels bewirken. Oft werde das Bündel auch im Bereich der gekräuselten Spitzen stark zusammengedrückt, so dass benachbarte Fasern sich unerwünschterweise aneinander verfangen könnten, was es schwierig machen würde, sie bei späteren Vorgängen zu trennen. Dieser Nachteil könnte jedoch dadurch behoben werden, dass man das Bündel seitlich öffne, bevor es durch die Zahnräder laufe. Neben der Tatsache, dass diese versuchte Lösung einen zusätzlichen Öffnungsvorgang verlange, sei herausgefunden worden, dass ein solcher Öffnungsvorgang selten voll befriedigende Resultate im Sinne einer sehr dauerhaften Kräuselung ergeben werde.

Um diese Nachteile zu vermeiden ist in Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Herstellung eines zwischen Zahnrädern gewellten Metallfaser-Bündels mit folgenden Schritten vorgesehen:

a) Einbetten der Metallfasern in ein duktiles und kohärentes Matrix-Material,

b) Hindurchziehen dieses zusammengesetzten Matrix/Faser-Bündels zwischen den Zähnen von zumindest zwei ineinandergreifenden Zahnrädern, so dass die Fasern eine bleibende wellenförmige Kräuselung erhalten und

c) Entfernen des Matrix-Materials.

Bei diesem Verfahren wird der direkte Kontakt der Zahnräder mit der Faseroberfläche während des Kräuselvorgangs vermieden.

II.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass die von der Beklagten vertriebenen Produkte, wie gewebte Stoffe oder nadelgelochte Filze in verschiedenen Größen, die zu 100 % aus rostfreien Stahlfasern bestünden oder mit anderen technischen Fasern vermischt worden seien, Metallfaserbündel enthielten, die nach dem Verfahren nach Patentanspruch 1 hergestellt worden seien. Das ist von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten worden, weil sie die von ihr verwendeten Metallfaserbündel von verschiedenen Händlern bzw. Herstellern beziehe und keinerlei Kenntnis davon habe, nach welchem Verfahren die Metallfaserbündel hergestellt worden seien. Ein solches Bestreiten mit Nichtwissen ist jedoch, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung von Seiten des Gerichts hingewiesen worden ist, nicht hinreichend qualifiziert, so dass die Beklagte damit keinen Erfolg hat.

1.) Das gilt zunächst im Hinblick auf die Feststellung, dass die von der Klägerin untersuchten Metallfaserbündel nach dem in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Verfahren hergestellt worden sind. Die Klägerin hat dargetan, dass bei der Herstellung der Metallfasern ein Verfahren zur Anwendung gekommen ist, bei dem die Fasern – wie in den Merkmalen a) und c) vorgesehen – in ein duktiles und kohärentes Matrix-Material eingebettet wurden, das später wieder entfernt wurde. Denn sie hat die Metallfasern in ihrem Labor einer XPS-Analyse unterworfen und dabei aufgrund der gemessenen Bindungsenergie von 933 eV festgestellt, dass Spuren von Kupfer vorhanden waren. Das lässt den Schluss zu, dass die Metallfasern in Kupfer eingebettet waren. Dieser Umstand ist von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden und kann daher als zugestanden gelten. Zudem ist unstreitig und ergibt sich im Übrigen auch aus der Beschreibung des Klagepatents (vgl. Anlage K 2, S. 4, Z. 3 f.), dass es sich bei Kupfer um ein duktiles und kohärentes Matrix-Material im Sinne der Lehre des Klagepatents handelt.

Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass die von ihr untersuchten Metallfasern eine bleibende wellenförmige Kräuselung aufgewiesen haben. Sie hat im Wege der optischen Mikroskopie erhaltene Darstellungen der Fasern überreicht, denen zu entnehmen ist, dass die Form und Dicke der Fasern, wie dies mit dem klagepatentgemäßen Verfahren gegenüber dem Stand der Technik angestrebt wird (vgl. Anlage K 2, Seite 1, Absatz 2, Satz 2), gleichbleibend ist und keine Quetschungen oder Abflachungen an mehreren Stellen aufweist. Auch dies ist von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden.

Die Klägerin hat das Vorliegen einer bleibenden wellenförmigen Kräuselung bei den beanstandeten Metallfasern darauf zurückgeführt, dass das zusammengesetzte Matrix/Faser-Bündel – wie in Merkmal b) vorgesehen – bei der Herstellung zwischen den Zähnen von zumindest zwei ineinander greifenden Zahnrädern gezogen wurde. Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, dass es bereits lange im Stand der Technik bekannt gewesen sei, Abflachungen bei zahnradgekräuselten Fasern zu vermeiden, indem ein entsprechend großer Abstand zwischen den Zahnrädern gewählt werde. Einer vorherigen Einbettung der Fasern in ein duktiles und kohärentes Matrix-Material sei dann entbehrlich. Zudem sei es möglich, die Metallfasern mit einem duktilen und kohärenten Matrix-Material zu überziehen um diese – wie in der US-amerikanischen Patentschrift 2 050 298 beschrieben – sodann zu strecken, bis ein gewünschter kleinerer Durchmesser erreicht sei und im Anschluss daran das kohärente und duktile Material wieder zu entfernen und erst dann die dauerhafte Kräuselung durch die Zahnräder zu bewirken.

Die Argumentation der Beklagten greift nicht durch. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Beklagte nicht konkret behauptet, dass die von ihr verwendeten Metallfasern nach einem der genannten alternativen Verfahren hergestellt worden sind, obwohl sie dazu ohne weiteres in der Lage gewesen wäre. Sie hätte entweder entsprechende Erkundigungen bei den Lieferanten oder Herstellern einholen können, von denen sie die Metallfasern bezieht, die für ihre in Deutschland angebotene und vertriebene Produktion verwendet werden, oder aber selbst entsprechende Untersuchungen durchführen können. Gleichwohl hat sie ihr Vorbringen auf theoretische Erwägungen betreffend alternativer Verfahren beschränkt. Dem steht auch nicht die als Anlage B 2 vorgelegte Bestätigung des Institut QU vom 25.11.2004 entgegen. Denn diese Untersuchungen beziehen sich nach dem Vorbringen der Beklagten einerseits auf Metallfasern, die von der Klägerin stammen sollen, und zum anderen auf Metallfasern des chinesischen Unternehmens VT, ohne dass die Beklagte vorgetragen hat, dass letztere von ihr bei der Herstellung der für Deutschland vorgesehenen Produktion verwendet werden.

Hinzu kommt, dass die theoretischen Erwägungen der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür enthalten, dass das von der Klägerin untersuchte Material tatsächlich nicht unter Einschluss von Merkmal 2 des klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt worden sind. Nach einem Verfahren bei dem die Metallfasern ohne vorherige Einbettung in Kupfer mittels Zahnrädern gekräuselt werden, können die untersuchten Metallfasern nicht hergestellt worden sein, weil die Klägerin im Wege der XPS-Analyse auf den Metallfasern Kupferspuren aufgefunden hat. Aber auch ein Verfahren, bei dem die Metallfasern zwar zunächst mit Kupfer überzogen und gestreckt wurden, das Kupfer aber vor der Kräuselung durch die Zahnräder wieder entfernt wurde, kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat, auch nach einem entsprechenden richterlichen Hinweis in der letzten mündlichen Verhandlung keinen nachvollziehbaren Grund vorgetragen, der den Hersteller von Metallfasern dazu veranlassen könnte, diese zwar im Hinblick auf den Streckvorgang zur Umfangsreduzierung mit einer schützenden Umhüllung aus einem duktilen und kohärenten Material wie Kupfer zu versehen, den Mantel aber vor der mit dem Kräuselungsvorgang verbundenen mechanischen Beanspruchung der Metallfasern durch die Zahnräder wieder zu entfernen. Dass dies bei technischer Betrachtungsweise nicht sinnvoll ist, wird durch die Beschreibung eines Ausführungsbeispiels in der US-amerikanische Patentschrift 2 050 298 bestätigt, wo ausgeführt wird, dass einem zuvor durch Strecken querschnittreduzierten Bündel eine spiralförmige Drehung … und/oder eine beliebige physikalische Eigenschaft verliehen wird (vgl. S. 3, Sp. 1, Z. 29 ff.). Denn bei diesem Vorgang wird – worauf die Beklagte selbst hinweist – die Matrix erst anschließend mittels chemischer, elektrolytischer oder mechanischer Verfahren entfernt (S. 3, Sp. 1, Z. 36 ff.). Sofern es vorher in der Beschreibung des Klagepatents heißt, dass es in diesem Beispiel erwünscht sei, dass nach Beendigung des Reduktionsprozesses jedes Element von seiner schützenden Umhüllung gelöst werde und sofern ein ummantelter Draht gewünscht wird, alternativ hierzu die Umhüllung belassen werden könne (S. 2, Sp. 1, Z. 6 ff.), bezieht sich dies offensichtlich auf ein Beispiel, bei dem sich nach Beendigung der Querschnittsreduktion keine weitere Bearbeitung zur Verleihung einer physikalischen Eigenschaft anschließt. Gegenteiliges ist jedenfalls von der Beklagten nicht vorgetragen worden und erschließt sich der Kammer auch nicht aus der weiteren Beschreibung der US-amerikanischen Patentschrift, die die Beklagte – entgegen der richterlichen Anordnung im frühen ersten Verhandlungstermin – nur ausschnittsweise in das Deutsche übersetzt hat. Auch dem Schreiben des chinesischen Unternehmens VT vom 4.12.2005 ist kein Grund zu entnehmen, weshalb die schützende Matrix bereits vor dem Kräuselungsverfahren entfernt wird. Schließlich hat die Beklagte auch nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Hersteller der von ihr verwendeten gekräuselten Metallfasern das Kupfer vor Aufbringen der Kräuselung entfernt haben, um eine Verletzung des Klagepatents zu vermeiden.

Nach alledem steht fest, dass die von der Beklagten untersuchten Metallfasern nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt worden sind.

2.) Nach dem Vorbringen der Klägerin stammen die von ihr untersuchten Metallfaserbündel zum Teil aus einer Saisie, die am 9.11.2004 auf dem Gelände der Beklagten in TG, F, stattgefunden hat. Bei dieser Saisie wurde, wie sich aus dem als Anlage K 13 im Original und in deutscher Übersetzung vorgelegten Protokoll ergibt, vom Gerichtsvollzieher Bündel gewellter Filamente aufgefunden, die von der Gesellschaft Fund der Gesellschaft G stammten, die zur Unternehmensgruppe A gehören. Ferner wurden Bündel gewellter Filamente eines chinesischen Unternehmens entdeckt. Der Gerichtsvollzieher hat, wie sich weiter aus dem Protokoll ergibt, unter anderem je zwei Muster der von den Unternehmen der A-Gruppe gelieferten Filamente, der von Filamente chinesischer Herkunft sowie von weiteren Garnen und Strickwaren, die von der Beklagten aus den Produkten der A-Gruppe gefertigt wurden, beschlagnahmt.

Die Beklagte meint, die in F beschlagnahmten Muster hätten für die Frage einer Patentverletzung im Geltungsbereich des Klagepatents keine Relevanz, weil die Beklagte gekräuselte Metallfilamente von zahlreichen Händlern bzw. Herstellern beziehe, so dass mittels in F beschlagnahmter Muster nicht auf das Herstellungsverfahren von Metallfaserbündel anderer Zulieferer geschlossen werden könne, die in den Produkten enthalten seien, die von der Beklagten in Deutschland angeboten würden. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Die Beklagte berücksichtigt nicht, dass ausweislich des Protokolls des Gerichtsvollziehers bei der Begehung des Unternehmensgeländes der Beklagten von allen vorrätigen Bündeln gewellter Filamente die Hersteller oder Lieferanten identifiziert und Muster genommen worden sind. Vor diesem Hintergrund kann sich die Beklagte nicht darauf zurückziehen, ohne näheren Vortrag pauschal darauf zu verweisen, dass die in Deutschland angebotenen Produkte ausschließlich aus Metallfilamenten anderer Hersteller hergestellt würden, die nicht nach dem patentgemäßen Verfahren arbeiten. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungslastverteilung hätte es ihr vielmehr obgelegen, die Lieferanten oder Hersteller zu benennen, von denen sie dauerhaft gekräuselte Metallfilamente bezieht, die nicht nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt sind. Zudem hätte sie vortragen können und müssen, wie gewährleistet ist, dass nach Deutschland allein Produkte gelangen, die Metallfilamente enthalten, die in einem anderen Verfahren als dem entstanden sind, das in dem Klagepatent unter Schutz gestellt ist, obwohl die auf ihrem Betriebsgelände aufgefundenen Metallfasern Kupferrückstände aufwiesen und daher – wie dargelegt – nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt worden sind. Da dies nicht erfolgt ist, muss davon ausgegangen werden, dass sie die an ihrem Unternehmenssitz beschlagnahmten Metallfasern auch für Produkte verwendet, die sie – unstreitig – mit der Anlage K 19 auf der X in Deutschland gegenüber Kunden angeboten hat.

Die Beklagte hat schließlich keinen Erfolg damit, pauschal zu bestreiten, dass die von der Klägerin untersuchten Metallfilamente tatsächlich von den Mustern stammten, die im Rahmen der Saisie auf dem Unternehmensgelände der Beklagten beschlagnahmt wurden. Die Klägerin hat im Einzelnen dargelegt, dass ihr ein Satz der beschlagnahmten Muster vom Gerichtsvollzieher zu Händen von N übergeben worden sei, der diese an J weitergereicht habe. J habe dann dafür Sorge getragen, dass diese im Labor der Klägerin jeweils untersucht worden seien. Die Beklagte kann zwar mit Nichtwissen bestreiten, dass tatsächlich eine solche Übergabe erfolgt ist. Sie kann jedoch nicht zulässigerweise mit Nichtwissen bestreiten, dass die von der Klägerin untersuchten Metallfilamente nicht nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt worden sind. Denn sie vertreibt die Metallfilamente als Bestandteil nadelgelochter Filze oder gewebter Stoffe und ist deshalb in der Lage, entweder durch Rückfrage bei ihren Lieferanten oder durch eigene Analyse zu ermitteln und vorzutragen, ob die Metallfilamente der nach Deutschland exportierten Fertigprodukte in Anwendung des in Anspruch 1 des Klagepatents geschützten Verfahrens hergestellt worden sind. Dies ist jedoch auch nach einem entsprechenden Hinweis der Klägerin in der Replik und des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht geschehen.

3.) Die Beklagte trägt weiter vor, bei den von ihr hergestellten Stoffen und nadelgelochten Filzen handele es sich nicht um unmittelbare Verfahrenserzeugnisse im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG. Die Stoffe und nadelgelochten Filze würden aus den von Dritten bezogenen gekräuselten Metallfasern in aufwendig und komplizierten Produktionsverfahren hergestellt. Dieses umfasse im Wesentlichen sechs Schritte, nämlich Herstellen des gesponnenen Fadens, Herstellen des Gewebes, Herstellen des Bandes für die Ausbildung der Lage, Herstellen des Faserflors für die Ausbildung der Lage und Vornadelung, Verbinden des Gewebes und der oberen und unteren Lagen und Nadelung sowie Kalandern. Das dann entstandene Produkt könne nicht mehr als unmittelbares Verfahrenserzeugnis angesehen werden. Auch in dieser Einschätzung kann der Beklagten nicht beigetreten werden.

Nach § 9 Nr. 3 PatG ist es jedem Dritten ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten, das durch ein patentgeschütztes Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis zu benutzen. Die Beschränkung des Verfahrenserzeugnisschutzes auf unmittelbar hergestellte Erzeungisse soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere verhüten, dass etwa Gegenstände, die mit Stoffen zusammen verarbeitet sind, welche nach einem patentierten Verfahren hergestellt werden, auch von dem Patent erfasst werden (Bericht der Reichstagskommission, zitiert nach Busse, PatG, 6. Aufl., § 9 PatG, Rdn. 105). Daher führt die Weiterverarbeitung zu einer neuen Sache, bei der das Verfahrenserzeugnis als Zutat oder Hilfsmittel dient, jedenfalls dann zu einem Verbrauch des Verfahrenserzeugnisschutzes, wenn das Verfahrenserzeugnis in der neuen Sache nicht mehr selbständig vorhanden ist (vgl. LG Düsseldorf, Entsch. 1997, 31, 37 f. – Halbleiterbaulelemente; Busse, a.a.O., § 9 PatG, Rdn. 108 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Denn anderenfalls würde die durch die Weiterverarbeitung entstandene neue Sache insgesamt vom Verfahrenserzeugnisschutz erfasst, was diesen entgegen dem Willen des Gesetzgebers in ungerechtfertigtem Maße ausdehnen würde. Behält das Verfahrenserzeugnis hingegen nach Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung die Eigenschaften, die es bei Abschluss des Verfahrens aufwies, bei, bleibt es ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis, wenn diese Eigenschaften auch das entstandene Erzeugnis wesentlich mitprägen (Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 800; Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 PaG, Rdn. 54, jeweils m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Produkt der Beklagten um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis. Die von der Beklagten weiterverarbeiteten Stoffe und nadelgelochten Filze bestehen aus 100 % Metallfasern oder aus Metallfasern und anderen technischen Fasern. Die Metallfasern weisen aber – wie von der Beklagten nicht substantiiert in Abrede gestellt worden ist – in jedem Fall weiterhin die ihnen durch die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens verliehene Eigenschaft der dauerhaften Kräuselung auf. Entsprechend werden auch die durch Weiterverarbeitung entstandenen Endprodukte (die Stoffe oder nadelgelochten Filze), von der auf das Verfahrenspatent zurückgehenden Eigenschaft der dauerhaften Fadenkräuselung in einer die Beurteilung im Verkehr bestimmenden Weise mitgeprägt. Deshalb ist es gerechtfertigt, auch in den Endprodukten der Beklagten noch ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis zu sehen.

III.

1. Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, weil sie ihre Erzeugnisse – wie dargelegt – in Deutschland anbietet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG.

2. Außerdem kann die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz verlangen, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3. Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, ist die Beklagte ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der Wirtschaftsprüfervorbehalt ist der Beklagten nur im Umfang des Zugeständnisses der Klägerin einzuräumen. Hinsichtlich der gewerblichen Abnehmer kommt die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehalts nach Inkrafttreten von § 140 b PatG nur noch dann in Betracht, wenn eine uneingeschränkte Auskunftserteilung ausnahmsweise unverhältnismäßig ist, was hier nicht dargetan worden ist.

IV.

Dem Antrag der Beklagten, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden zu können, ist nicht zu entsprechen, weil die Voraussetzungen des § 712 ZPO weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 108, 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.000.000 Euro festgesetzt.