4b O 57/08 – Aufbausystem

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1204

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Juli 2009, Az. 4b O 57/08

Ergänzungsurteil
Rechtsmittelinstanz: 2 U 102/09

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft bzw. von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

1. ein Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- und Ladenbau, mit einem Tragprofil, das außenseitig mit längs verlaufenden Nuten und in seinem Kernbereich mit mindestens einer Aufnahmekammer versehen ist, sowie mit wenigstens einem Spannschloss, das zum Anschluss weiterer Tragprofile oder Aufbauteile des Aufbausystems dient, in die Aufnahmekammer einsetzbar ist, deren Querschnitt dem Querschnitt des Spannschlosses angepasst ist und zwei exzenterbetätigt auseinanderspreizbare Klemmhaken zum Verhaken in einer hinterschnittenen Nut eines weiteren Tragprofils aufweist,

in der Bundesrepublik Deutschland zu gebrauchen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu diesen Zwecken zu besitzen und/oder sie dorthin zu exportieren und/oder derartige Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen,

wobei die wenigstens eine Aufnahmekammer für das wenigstens eine Spannschloss in einem Adapterstück integriert ist, das in zum Inneren des Tragprofils weisende Führungen eingesetzt ist, wobei die Führungen durchsetzende Bohrungen zum Einsetzen von Sicherungsmitteln vorgesehen sind, die die Axialsicherung des Adapterstücks in den Führ-ungen übernehmen und wobei das Adapterstück mit seitlichen Öffnungen zur Aufnahme von Betätigungsexzentern des oder der Spannschlösser versehen ist;

und/oder

2. für ein Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- und Ladenbau, mit einem Tragprofil mit außenseitig längs verlaufenden Nuten und mit Führungen im Inneren zum Einsetzen eines Adapterstückes,

(plattenförmige) Adapterstücke

in der Bundesrepublik Deutschland Dritten zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und zu liefern,

wenn in diese Adapterstücke eine Aufnahmekammer für wenigstens ein Spannschloss integriert ist, das Adapterstück in die zum Inneren des Tragprofils weisenden Führungen eingesetzt werden kann, wenn es durch in die Führungen des Tragprofils durchsetzende Bohrungen eingesetzte Sicherungsmittel axial in den Führungen gesichert werden kann, wobei das Adapterstück mit seitlichen Öffnungen zur Aufnahme von Betätigungsexzentern des oder der Spannschlösser versehen ist, und wenn in die mindestens eine Aufnahmekammer des Adapters Spannschlösser eingesetzt werden können, die zum Anschluss weiterer Tragprofile oder Aufbauteile des Aufbausystems dienen und deren Querschnitt dem Querschnitt des Spannschlosses angepasst ist und die zwei exzenterbetätigt auseinander spreizbare Klemmhaken zum Verhaken in einer hinterschnittenen Nut eines weiteren Tragprofils aufweisen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 02. März 2000 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer unter Vorlage von Rechnungen,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer unter Vorlage von Lieferscheinen und Rechnungen,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger unter Vorlage der Angebote,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzeilten Gewinns,

wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 13.11.2004 zu machen sind.

III. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in Ziffer I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 02. März 2000 bis zum 13. November 2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. bezeichneten und seit dem 13. November 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Die Beklagte wird – unter Abweisung im Übrigen – verurteilt, an die Klägerin € 3.560,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Februar 2008 zu zahlen.

V. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

VI. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 200.000,00 vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 0 976 XXX (Anlage K 1, nachfolgend Klagepatent), welches am 14. Juli 1999 unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 30. Juli 1998 und 27. November 1998 angemeldet wurde. Die Offenlegung erfolgte am 2. Februar 2000, die Patenterteilung wurde am 13. Oktober 2004 veröffentlicht.

Das Klagepatent betrifft ein Aufbausystem. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- oder Ladenbau, mit einem Tragprofil (1), das außenseitig mit längs verlaufenden Nuten (2) und in seinem Kernbereich mit mindestens einer Aufnahmekammer (7, 48) versehen ist, sowie mit wenigstens einem Spannschloss (9, 51), das zum Anschluss weiterer Tragprofile oder Aufbauteile des Aufbausystems dient, in die Aufnahmekammer (7, 48) einsetzbar ist, deren Querschnitt des Spannschlosses (9, 51) angepasst ist und zwei exzenterbetätigt auseinanderspreizbare Klemmhaken (17) zum Verhaken in einer hinterschnittenen Nut eines weiteren Tragprofils aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die wenigstens eine Aufnahmekammer (7, 48) für das wenigstens eine Spannschloss (9, 51) in einem Adapterstück (6, 36, 46, 57) integriert ist, das in zum Inneren des Tragprofils weisende Führungen (30, 45) eingesetzt ist, dass die Führungen (30, 45) durchsetzende Bohrungen (12) zum Einsetzen von Sicherungsmitteln (11) vorgesehen sind, die die Axialsicherung des Adapterstücks in den Führungen (30, 34) übernehmen und dass das Adapterstück (6, 36) mit seitlichen Öffnungen (14) zur Aufnahme von Betätigungsexzentern (15) des oder der Spannschlösser (9) versehen ist.“

Nachfolgend wiedergegeben sind die Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift, welche bevorzugte Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Gegenstandes zeigen. Figur 1 zeigt eine perspektivische Explosionsdarstellung der Bauteile für ein Tragprofil und Figur 2 den Querschnitt des Tragprofils nach Figur 1 im zusammengebauten Zustand.

Die Beklagte ist ein in der Volksrepublik China ansässiges Unternehmen, welches Aufbausysteme herstellt. Auf der Messe A in Düsseldorf stellte sie ein Aufbausystem aus. Auszüge des auf der Messe 2008 verteilten Kataloges legte die Klägerin als Anlagen K 4, K 11 und K 13 vor, worauf Bezug genommen wird. Bereits auf der Messe B in Düsseldorf stellte die Beklagte ein Aufbausystem für den Messe- und Ladenbau aus, von welchem die Klägerin während des Aufbaus eine Photographie angefertigt hat. Einen Auszug aus dem Katalog, welcher von der Beklagten auf der C verteilt wurde, legte die Klägerin als Anlage K 9 vor.

Nachfolgend wiedergegeben sind die von der Klägerin als Anlagen K 6 und K 16 vergrößert dargestellten angegriffenen Ausführungsformen des Tragprofil D mit Spannschloss und Adapter E sowie Tragprofil F und Spannschloss mit Adapter G (gemäß dem Katalog nach Anlage K 4 Seite 2 – 06, Tragprofil nebst plattenförmigem Adapter, angegriffene Ausführungsform 1) und die Tragprofile H und I (Katalog nach Anlage K 13 Seite 2-02 und 2-03, Tragprofil nebst H-förmigem Adapter, angegriffene Ausführungsform 2), welche von der Klägerin mit Bezugszeichen versehen wurden.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatentes im Hinblick auf Tragprofile mit plattenförmigen sowie H-förmigen Adaptern geltend.

Die Klägerin meint, dass die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäßen, jedenfalls äquivalenten Gebrauch von der Lehre nach dem Klagepatent machen würden. Im Übrigen stelle das Angebot und die Lieferung plattenförmiger Adapter eine mittelbare Patentverletzung dar.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen wie geschehen, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2009 in Ziffer II.2.a) das Wort „Lieferscheine“ gestrichen sowie zusätzlich hinsichtlich des Antrages zu IV. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und hilfsweise hinsichtlich des Antrages zu I.,

der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft bzw. von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen,

1.
ein Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- und Ladenbau, mit einem Tragprofil, das außenseitig mit längs verlaufenden Nuten und in seinem Kernbereich mit wenigstens einer Aufnahmekammer versehen ist, sowie mit wenigstens einem Spannschloss, das zum Anschluss weiterer Tragprofile oder Aufbauteile des Aufbausystems dient, in die Aufnahmekammer einsetzbar ist, deren Querschnitt dem Querschnitt des Spannschlosses angepasst ist und zwei exzenterbetätigt auseinanderspreizbare Klemmhaken, von denen einer zweiteilig mit zwei Hakenenden ausgeführt ist (wie aus Anlage K 15, Abb. 3) ersichtlich zum Verhaken in einer hinterschnittenen Nut eines weiteren Tragprofils aufweist,

in der Bundesrepublik Deutschland zu gebrauchen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu diesen Zwecken zu besitzen und/oder sie dorthin zu exportieren und/oder derartige Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen,

wobei die wenigstens eine Aufnahmekammer für das wenigstens eine Spannschloss in einem Adapterstück integriert ist, das in zum Inneren des Tragprofils weisende Führungen eingesetzt ist, wobei der H-förmig gestaltete Adapter auf zwei gegenüberliegenden Innenseiten des Tragprofils aufliegt und an den innenliegenden Hohlkammern unterhalb der außenseitig längs verlaufenden Nuten angreift, und wobei die Auflagefläche(n) des Tragprofils für den H-Adapter durchsetzende Bohrungen zum Einsetzen von Sicherungsmitteln in Form von federbelasteten Druckknöpfen vorgesehen sind, die die Axialsicherung des Adapterstücks in den Führungen übernehmen und wobei das Adapterstück mit seitlichen Öffnungen zur Aufnahme von Betätigungsexzentern des oder der Spannschlösser versehen ist;

2.
und/oder für ein Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- und Ladenbau zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- und Ladenbau, mit einem Tragprofil mit außenseitig längs verlaufenden Nuten, und mit Führungen im Innern zum Einsetzen eines Adapterstücks, Adapterstücke

in der Bundesrepublik Deutschland Dritten zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und zu liefern,

wenn in diese Adapterstücke eine Aufnahmekammer für wenigstens ein Spannschloss integriert ist, das Adapterstück dergestalt in das Tragprofil eingesetzt werden kann, dass der H-förmig gestaltete Adapter auf zwei gegenüberliegenden Innenseiten des Tragprofils aufliegt und an die innen, unterhalb der außenseitig längs verlaufenden Nuten liegenden Hohlkammern angreift, und wenn das Adapterstück durch in die Auflagefläche des Tragprofils für den H-Adapter durchsetzende Bohrungen eingesetzte Sicherungsmittel in Form von federbelasteten Druckknöpfen axial in den Führungen gesichert werden kann, wobei das Adapterstück mit seitlichen Öffnungen zur Aufnahme von Betätigungsexzentern des oder der Spannschlösser versehen ist, und wenn in die mindestens eine Aufnahmekammer des Adapters Spannschlösser eingesetzt werden können, die zum Anschluss weiterer Tragprofile oder Aufbauteile des Aufbausystems dienen und deren Querschnitt dem Querschnitt des Spannschlosses angepasst ist und die zwei exzenterbetätigt auseinanderspreizbare Klemmhaken, von
von denen einer zweiteilig mit zwei Hakenenden ausgeführt ist (wie aus Anlage K 15, Abb. 3) ersichtlich zum Verhaken in einer hinterschnittenen Nut eines weiteren Tragprofils aufweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede. Die mit der Klage angegriffenen Ausführungsformen mit einem plattenförmigen Adapter würden keine Bohrungen aufweisen, die die Führungen durchsetzen und zum Einsetzen von Sicherungsmitteln vorgesehen sind. Die angegriffenen Ausführungsformen mit einem H-förmigen Adapter hätten keine in zum Inneren des Tragprofils weisende Führungen und es seien auch keine Bohrungen vorhanden, die die Führungen durchsetzen würden. Das Klagepatent sehe als Führung ein separates Bauteil vor.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch, so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche im tenorierten Umfang zustehen. Im Einzelnen:

I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- oder Ladenbau.

Zum Stand der Technik nimmt das Klagepatent Bezug auf ein Aufbausystem aus der europäischen Patentschrift 0 144 030. Dort ist ein rechteckiges Rohr vorgesehen, dessen acht Längsseiten jeweils mit einer hinterschnittenen Längsnut versehen sind, die dadurch entsteht, dass ein von der Außenseite ausgehender Schlitz in eine Kammer mündet, die parallel zur Achse des Tragprofils verläuft. In diese Längsnuten können in bekannter Weise Klemmriegel von Spannschlössern eingeschoben werden, die exzenterbetätigt, die Haken der Riegel gegen die Wand der hinterschnittenen Nut drücken. Bei der bekannten Bauart ist in dem an die längs verlaufenden Kammern angrenzenden Innenbereich ein hohler Innenraum vorgesehen, der mit vier Aussparungspaaren in der Form von dreieckigen Nuten versehen ist, die jeweils so auf Abstand gesetzt sind, dass in die von vier Nuten gebildeten Aussparungen ein Spannschloss stirnseitig eingeschoben werden kann, dessen Querschnitt den Abmessungen der Nuten entsprechen. Da die Betätigungsexzenter der Spannschlösser an deren Seitenflächen liegen, sind die Tragprofile in ihren Seitenflächen mit Öffnungen zur Betätigung der Exzenter der Spannschlösser versehen. Nachfolgend wiedergegeben sind die verkleinerten Figuren 1 bis 3 aus der Druckschrift.

Das Klagepatent führt zum Stand der Technik in Absatz [0003] weiter aus, dass es eine ganze Reihe von Anwendungsfällen gibt, bei denen man anstelle der eingangs genannten achteckigen Tragprofile solche mit anderen Querschnitten, beispielsweise mit quadratischem oder auch rundem Querschnitt verwenden will, die auch in ihren Abmessungen so groß sind, dass die Anordnung eines rohrförmigen Kernbereiches mit der Anordnung einer Einsetzmöglichkeit für die bekannten Spannschlösser zu einem zusätzlichen Materialaufwand und zur Erhöhung des Gewichtes solcher Tragprofile führen würde. Dennoch ist es, so das Klagepatent, wünschenswert auch solche, an ihrer Außenseite mit hinterschnittenen Nuten versehene Rohrquerschnitte bei Bedarf stirnseitig anschließen zu können.

Das Klagepatent hat es sich vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik zur Aufgabe gemacht, ein Aufbausystem der genannten Art zu schaffen, bei dem das Tragprofil auch beim Vorsehen von größeren Querschnitten ins-besondere mit Hilfe der bekannten Spannschlösser in die Längsnuten anderer Profile eingesetzt und dort befestigt werden kann. Hierzu schlägt das Klagepatent in seinem für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Patentanspruch 1 folgende Vorrichtung vor:

1. Aufbausystem zur Erstellung von Aufbauten, insbesondere für den Messe- oder Ladenbau,

2. mit einem Tragprofil (1),

2.1 das Tragprofil ist außenseitig mit längsverlaufenden Nuten (2) versehen,

2.2 das Tragprofil ist in seinem Kernbereich mit mindestens einer Aufnahmekammer (7, 48) versehen,

3. mit wenigstens einem Spannschloss (9, 51), das zum Anschluss weiterer Tragprofile oder Aufbauteile des Aufbausystems dient,

3.1 das Spannschloss (9, 51) ist in die Aufnahmekammer (7, 48) einsetzbar,

4. der Querschnitt der Aufnahmekammer (7, 48) ist an den Querschnitt des Spannschlosses (9, 51) angepasst,

5. das Spannschloss (9, 51) weist zwei exzenterbetätigt auseinanderspreizbare Klemmhaken (17) auf,

5.1 die Klemmhaken (17) sind zum Verhaken in einer hinterschnittenen Nut eines weiteren Tragprofils vorgesehen.

6. Es ist ein Adapterstück (6, 36, 46, 57) vorgesehen,

6.1 in das Adapterstück (6, 36, 46, 57) ist die wenigstens eine Aufnahmekammer (7, 48) für das wenigstens eine Spannschloss (9, 51) integriert,

6.2 das Adapterstück (6, 36, 46, 57) ist in zum Inneren des Tragprofils weisende Führungen (30, 45) eingesetzt.

7. Es sind Bohrungen (12) vorgesehen, die die Führungen (30, 45) durchsetzen und zum Einsetzen von Sicherungsmitteln (11) vorgesehen sind.

8. Die Sicherungsmittel (11) übernehmen die Axialsicherung des Adapterstückes in den Führungen (30, 45),

9. das Adapterstück (6, 36) ist mit seitlichen Öffnungen (14) versehen,

9.1 die seitlichen Öffnungen (14) sind zur Aufnahme von Betätigungsexzentern (15) des oder der Spannschlösser (9) vorgesehen.

II.
Die von der Klägerin angegriffenen Tragprofile sowohl mit plattenförmigen als auch H-förmigen Adaptern machen von der Lehre nach dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch machen.

1. Tragprofil mit plattenförmigem Adapter entsprechend der Ausgestaltung D mit E und F mit G

Zu Recht steht zwischen den Parteien eine Verwirklichung der Merkmale 1 bis 6.2 sowie 9 und 9.1 im Hinblick auf die angegriffenen Tragprofile mit plattenförmigem Adapter außer Streit, so dass sich hierzu Ausführungen erübrigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten verwirklicht das angegriffene Tragprofil mit dem plattenförmigen Adapter jedoch auch die Merkmale 7 und 8. Die angegriffenen Tragprofile nebst Adaptern weisen Bohrungen auf, die die Führungen durchsetzen und zum Einsetzen von Sicherungsmitteln vorgesehen sind. Die Sicherungsmittel übernehmen die Axialsicherung des Adapterstücks in den Führungen.

Auf Grund des schlüssigen Vorbringens der Klägerin steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die angegriffenen Tragprofile nebst plattenförmigen Adaptern Bohrungen entsprechend des Merkmals 7 aufweisen, welche zum Einsetzen von Sicherungsmitteln vorgesehen sind. Die Beklagte hat auf der A einen Katalog verteilt, von welchem die Klägerin als Anlage K 4 und K 13 Auszüge vorgelegt hat. In diesem Katalog werden auf der linken Seite der Abbildungen Tragprofile und auf der rechten Seite plattenförmige Adapter mit Spannschlössern gezeigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kataloggestaltung nicht so zu verstehen, dass lediglich die auf der linken Seite gezeigten Tragprofile angeboten wurden. Sowohl die Tragprofile als auch die Adapter sind mit Artikelbezeichnungen von der Beklagten versehen, was für einen objektiven Betrachter den Schluss zulässt, dass auch diese von der Beklagten angeboten werden, zumal diese insgesamt Aufbausysteme zur Erstellung von Aufbauten mit den Messebau anbietet. Ein Indiz für ein Anbieten sowohl der Tragprofile als auch der Adapter ist weiterhin der Umstand, dass die Beklagte auf der Messe B gegenständliche Tragprofile mit Adaptern ausgestellt und dementsprechend angeboten hat. Die Klägerin hat den dort gezeigten Aufbau fotografiert und eine Photographie als Anlage K 8 vorgelegt. Dort wird sowohl das Tragprofil als auch ein Adapter mit Spannschloss gezeigt.

Die solchermaßen angebotenen Tragprofile nebst plattenförmigem Adapter weisen auch eine dem Merkmal 7 entsprechende Bohrung auf. Dabei kommt es auf eine Einvernahme des von der Klägerin benannten Zeugen J zu der Behauptung, dass die Beklagte auf der A ein System gegenständlich ausgestellt habe, welches die entsprechenden Bohrungen aufgewiesen haben soll, nicht an. Denn die Beklagte ist dem schlüssigen Vorbringen der Klägerin, dass die angegriffenen Tragprofile nebst Adaptern dem Merkmal 7 entsprechende Bohrungen aufweisen, nicht erheblich entgegen getreten, so dass das schlüssige Vorbringen der Klägerin gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als von der Beklagten zugestanden anzusehen ist.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass eine Befestigung und Sicherung anders als durch Sicherungsmittel, welche in Bohrungen eingeführt werden, nicht möglich sei. Ohne eine derartige Verschraubung lasse sich ein Adapterstück im Tragprofil nicht in der Weise positionieren, dass die beiden Teile lösbar miteinander verbunden werden könnten, wie dies für Messe- und Ladenbausysteme zwingende Voraussetzung sei. Denn diese Systeme seien darauf angelegt immer wieder auf- und abgebaut bzw. verändert oder erweitert zu werden. Eine Sicherung des Adapterstücks im Tragprofil durch Verkleben oder Verschweißen scheide demgemäß aus und könne daher bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vorhanden sein. Das Vorbringen der Beklagten, weitere Verankerungsmöglichkeiten seien nicht vorhanden, es sei auch eine Anfertigung mit Untermaß, eine Verstemmung und Schweißverbindung der Tragprofile möglich, im Übrigen sei eine Axialsicherung nicht stets erforderlich, kann als nicht erheblich angesehen werden. Denn eine Anfertigung mit Untermaß sowie eine Verstemmung und Verschweißung sind im Messe- und Ladenaufbau nicht anwendbar, da eine solche Verbindung der Tragprofile miteinander bei einem ständigen Auf- und Abbau nicht praktikabel ist. Die Systeme müssten dann bei den von der Beklagten genannten Verbindungsmethoden stets zerstört werden, was einem mehrfachen Einsatz im Messe- und Ladenbau entgegensteht. Auch der Einwand, dass eine Sicherung nicht überall notwendig sei, ist nicht behelflich, da im Umkehrschluss an anderen Stellen jedenfalls eine Sicherung vorhanden sein muss und diese eben nicht auf die von der Beklagten geschilderte Art und Weise vorgenommen werden kann. Vor dem Hintergrund der Entscheidung „Blasenfreie Gummibahn II“ (BGH, GRUR 2004, 268) wäre die Beklagte daher verpflichtet gewesen, vorzutragen, wie die Befestigung bei der angegriffenen Ausführungsformen konkret erfolgt. Hierauf wurde sie in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Ein weitergehender Vortrag erfolgte nicht.

Im Übrigen zeigt der von der Beklagten auf der Messe C vertriebene Katalog (Anlage K 9) auf Seite 23 einen Adapter mit Spannschloss K sowie einen Adapter L, welche durch Schrauben fixiert werden, wie die abgebildeten Schrauben andeuten. Diese Adapter finden sich, so die Klägerin, in der Anlage K 6 auf beiden Zeichnungen wieder. Die Beklagte hat dies nicht in Abrede gestellt. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform seit dieser Zeit verändert wurde.

2. mittelbare Patentverletzung

Durch das Anbieten und Liefern plattenförmiger Adapter durch die Beklagte wird auch der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung verwirklicht, was von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde. Der plattenförmige Adapter ist offensichtlich dazu geeignet die Erfindung nach dem Klagepatent zu benutzen.

3. Tragprofil mit H-förmigem Adapter entsprechend der Ausgestaltung H und I (Anlage K 13 und Vergrößerung K 16)

Auch das angegriffene Tragprofil mit H-förmigem Adapter entsprechend der Ausgestaltung H und I macht von dem Patentanspruch 1 des Klagepatentes Gebrauch. Dies steht zu Recht hinsichtlich der Merkmale 1 bis 6.1 sowie 9 und 9.1 außer Streit. Entgegen der Auffassung der Beklagten werden hingegen auch die Merkmale 6.2, 7 und verwirklicht.

a)
Merkmal 6.2, welches besagt, dass das Adapterstück in zum Inneren des Tragprofils weisende Führungen eingesetzt ist, wird durch das angegriffene Tragprofil nebst H-förmigem Adapter verwirklicht. Denn das Tragprofil bietet mit der ausgebildeten Längsnut eine Führung im Sinne des Klagepatentes, in welche das Adapterstück eingesetzt ist.

Das Klagepatent setzt als Führung kein zusätzlich zum Tragprofil vorhandenes bauliches Element voraus. Das Klagepatent macht in seinem Patentanspruch 1 keinerlei Angaben dahingehend, wie die Führung ausgestaltet sein soll, insbesondere wird nicht bestimmt, dass als Führung ein zusätzliches Bauelement zum Tragprofil vorhanden sein muss. Denn durch die Führung soll lediglich ermöglicht werden, dass das Adapterstück im Inneren des Tragprofils geführt wird. Dass dies bei technischem Verständnis nur der Fall ist, wenn ein zum Tragprofil zusätzliches Element vorhanden ist, ist weder zu erkennen noch wurde dies von der Beklagten behauptet. Die Führung nimmt mithin lediglich die Aufgabe einer festen Platzzuordnung des Adapterstückes im Inneren des Tragprofils wahr. Eine bestimmte räumlich-körperliche Ausgestaltung wird damit nicht verbunden. Diese Funktion der Führung kann daher auch von dem Tragprofil übernommen werden.

Für ein solches Verständnis streitet ferner der Umstand, dass das Klagepatent in seinen Unteransprüchen, welche bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung beschreiben, keine besondere Ausgestaltung einer Führung unter Schutz stellt, mithin auch keine Ausgestaltung eines Tragprofils mit einer separaten Führung.

Der Fachmann erkennt, dass der Begriff der Führung rein funktional zu verstehen ist und durch das Tragprofil lediglich gewährleistet werden soll, dass das Adapterstück in das Tragprofil in eine vorgegebene Position eingesetzt und eingeführt werden kann. Wie dies bewerkstelligt wird, überlässt das Patent dem Anwender.

Dem dargelegten Verständnis steht nicht die allgemeine Beschreibung der Erfindung in Spalte 2 Zeilen 3 bis 6 entgegen, in welcher davon die Rede ist, dass es lediglich notwendig sei die bekannten Tragprofilquerschnitte auf ihrer Innenseite mit entsprechenden Führungen zu versehen.

Zum einen schließt die genannte Textstelle zur allgemeinen Beschreibung der Erfindung nicht aus, dass das Tragprofil die Führung selbst übernimmt, da die Führung lediglich die Funktion wahrnimmt, das Adapterstück in eine vorgegebene „Bahn“ einzuführen. Entsprechend zeigen auch die Figuren 8 bis 11 der Klagepatentschrift, insbesondere die Figuren 8 und 9, bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung, bei welchen die in dem Tragprofil gebildete Längsnut zumindest teilweise die Führung wahrnimmt. Das Tragprofil ist in den Zeichnungen mit einer Längsnut versehen, auf welchem sich eine vom Klagepatent als Steg 30 bezeichnete Führung befindet. Der Adapter umgreift sowohl den Steg als auch Teile der Längsnut, so dass das Tragprofil selbst erfindungsgemäß zumindest teilweise die Führung wahrnimmt.

Zum anderen führt auch der in der Textstelle genannte Verweis auf die aus dem Stand der Technik bekannten Tragprofilquerschnitte nicht dazu, dass die erfindungsgemäßen Führungen nur durch separate Bauelemente gebildet werden dürfen und nicht auch vom Tragprofil und einer darin ausgebildeten Längsnut wahrgenommen werden können. Denn bei dem von der Klagepatentschrift ausdrücklich in Bezug genommenen Stand der Technik, die EP 0 144 030, werden keine Tragprofile offenbart, die nach innen weisende Längsnuten aufweisen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte möglicherweise auf Grund der Aussage, dass die bekannten Tragprofile mit nach innen weisenden Führungen versehen werden sollen, der Schluss gezogen werden können, dass aus dem Stand der Technik bekannte Tragprofile mit Längsnuten mit einer zusätzlichen Führung versehen werden sollen. Dies ist hingegen nicht der Fall.

Das vorstehende Verständnis zugrundelegend machen die angegriffenen Ausführungsformen von dem Merkmal wortsinngemäßen Gebrauch. Denn dort wird das Adapterstück auch in eine durch die Ausgestaltung des Tragprofils mit einer Längsnut vorbestimmte Position eingeführt wie sich insbesondere anhand der als Anlage K 16 vorgelegten Vergrößerung des Tragprofils I ergibt. Durch die im Tragprofil gebildete Längsnut, welche in die korrespondierend beim Adapterstück vorhandene Einbuchtung eingeführt wird, wird das Adapterstück in einer vorgegebenen Position in das Tragprofil eingeführt und gehalten. Gegen eine Positionsveränderung gesichert wird das Adapterstück daher sowohl durch die vorhandene Längsnut als auch die Fläche des Tragprofils, an welcher das Adapterstück entlanggeführt wird. Dementsprechend wird das Adapterstück auch in diese Führung eingesetzt.

b)
Entsprechend weist die so verstandene Führung gebildet durch das Tragprofil mit Längsnut auch Bohrungen auf, die die Führungen durchsetzen. Die Bohrungen befinden sich bei der angegriffenen Ausführungsform mit H-förmigem Adapter auf den Längsseiten des Tragprofils wie dies der im Tatbestand wiedergegebenen Anlage K 16 entnommen werden kann, so dass auch das Merkmal 7 verwirklicht wird.

c)
Diese Sicherungsmittel übernehmen auch die Axialsicherung des Adapterstücks in den Führungen (Merkmal 8).

III.
Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG i.V.m. §§ 9, 10 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.

Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schaden, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Die Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die Zeit zwischen Offenlegung und Erteilung des Patents schuldet die Beklagte gemäß Art. II § 1 IntPatÜG.

Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß Art. 64 EPÜ, § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Beklagte außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg).

IV.
Der im Tenor zu III. ausgeurteilte Zahlungsanspruch findet seine Grundlagen in §§ 139 Abs. 2, 143 Abs. 3 PatG. Der Anspruch auf Erstattung der infolge der Abmahnung entstandenen Rechts- und Patentanwaltskosten in Höhe von insgesamt € 3.560,40 folgt aus § 139 Abs. 2 PatG. Die in Ansatz gebrachte 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 100.000 EUR für die angegriffene Ausführungsform Tragprofil mit plattenförmigem Adapter ist angesichts dessen, dass es sich um eine patent- bzw. gebrauchsmusterrechtliche Streitigkeit handelt, nicht zu beanstanden. Der Zinsanspruch ist nach §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begründet, so dass hinsichtlich des weitergehenden An-trages die Klage abzuweisen war.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 i.V.m. 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme durch die Klägerin sowie die teilweise Klageabweisung sind geringfügig.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 6. Juli 2009 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296 a, 156 ZPO).

Der Streitwert beträgt 200.000,00 EUR.