Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Mai 2015, Az. 4a O 30/14
I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland
Fahrzeuge herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wenn diese wie folgt ausgebildet sind:
• Fahrzeuge für den Transport von Kurzholz und von Langholz, insbesondere abseits von Straßen, zum Beispiel im Forstbetrieb,
• mit einem Rungenkorb, der einen im Wesentlichen horizontalen Rahmen oder Träger und demgegenüber hochstehende Rungen aufweist,
• und mit einer am in Fahrtrichtung hinteren Ende des Rungenkorbes angeordneten Klemmarme aufweisenden Klemmbank oder Klemmrungenbank,
• die relativ zu dem Rungenkorb in und/oder entgegen der Fahrtrichtung des Fahrzeuges verstellbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
• an einem ersten Träger- oder Rahmenteil ein die Klemmbank aufweisender zweiter Träger- oder Rahmenteil gelenkig und schwenkbar gelagert ist,
• der zweite Träger- oder Rahmenteil aus einer hinteren Position nach vorne und aus der vorderen Position wieder zurück verschwenkbar ist,
• die Klemmbank an dem zweiten Träger- oder Rahmenteil in dessen beiden Endstellungen in Gebrauchsstellung angeordnet oder bringbar ist,
• wobei der erste Träger- oder Rahmenteil und der zweite Träger- oder Rahmenteil an einer horizontalen und quer zur Fahrtrichtung zwischen ihnen angeordneten Gelenkachse verbunden sind,
• und der zweite Träger- oder Rahmenteil aus seiner hinteren Position nach vorne in eine Lage über den ersten Träger- oder Rahmenteil schwenkbar ist,
• und wobei die Klemmbank relativ zu dem zweiten Rahmenteil um eine quer zur Fahrtrichtung horizontal verlaufende Achse in beiden Endstellungen des zweiten Rahmenteils in ihre Gebrauchsstellung schwenkbar ist.
II. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer I. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer ihrer Komplementärgesellschaft zu vollziehen ist.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 5.877,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2014 zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin durch die in Ziffer I. bezeichneten, seit dem 17.05.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und zukünftig noch entsteht.
V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 16.07.2005 bis zum 16.05.2008 eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin, gegliedert nach Kalendervierteljahren, schriftlich in geordneter Form Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit 17.05.2008 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten;
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Häufigkeit und Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet und im Fall von Internetwerbung aufgeschlüsselt nach Schaltungszeiträumen, der Domain, unter der die Werbung geschaltet war, sowie den Suchmaschinen und sonstigen Marketing-Tools, unter denen die fraglichen Seiten einzeln oder in einem Gesamtpaket angemeldet waren, einschließlich Metatag-Werbung,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, die sich in ihrem Eigentum oder in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen Ausführungsformen gemäß Ziffer I. zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
VIII. Die Beklagte wird verurteilt, die vorstehend unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 17.04.2008 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird
und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst.
IX. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
X. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von EUR 250.000,00. Hinsichtlich des Kostenpunkts ist das Urteil daneben auch gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
TATBESTAND
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Patentverletzung auf Unterlassung, Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten, Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung sowie zur Leistung von Schadensersatz dem Grunde nach, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Rückruf und Entfernung patentverletzender Gegenstände in Anspruch.
Die Klägerin ist die im Register eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 103 51 XXX B4 mit dem Titel „Fahrzeug für den Transport von Kurzholz und von Langholz“ (im Folgenden: Klagepatent; Anlage K3). Das Klagepatent wurde am 03.11.2003 angemeldet und die Anmeldung am 16.06.2005 vom Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) offengelegt. Das Klagepatent wurde erteilt und die Erteilung am 17.04.2008 vom DPMA veröffentlicht.
Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte erhob unter dem 28.07.2014 Nichtigkeitsklage (Anlage rop2) gegen das Klagepatent, über die das Bundespatentgericht noch nicht entschieden hat. Für die weiteren Schriftsätze im Nichtigkeitsverfahren wird auf die Anlagen K11 und rop4 Bezug genommen.
Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
„Fahrzeug (1) für den Transport von Kurzholz (2) und von Langholz (3), insbesondere abseits von Straßen, zum Beispiel im Forstbetrieb,
mit einem Rungenkorb (4), der einen im wesentlichen horizontalen Rahmen (5) oder Träger und demgegenüber hochstehende Rungen (6) aufweist, und mit einer am in Fahrtrichtung hinteren Ende des Rungenkorbes (4) angeordneten Klemmarme (8) aufweisenden Klemmbank (9) oder Klemmrungenbank, die relativ zu dem Rungenkorb (4) in und/oder entgegen der Fahrtrichtung des Fahrzeugs (1) verstellbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass an einem ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) ein die Klemmbank (9) aufweisender zweiter Träger- oder Rahmenteil (5b) gelenkig und schwenkbar gelagert ist, dass der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) aus einer hinteren Position nach vorne und aus der vorderen
Position wieder zurückverschwenkbar ist, dass die Klemmbank (9) an dem zweiten Träger- oder Rahmenteil (5b) in dessen beiden Endstellungen in Gebrauchsstellung angeordnet oder bringbar ist, wobei der erste Träger- oder Rahmenteil (5a) und der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) an einer horizontalen und quer zur Fahrtrichtung zwischen ihnen angeordneten Gelenkachse (10) verbunden sind und der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) aus seiner hinteren Position nach vorne in eine Lage über den ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) schwenkbar ist, und dass die Klemmbank (9) relativ zu dem zweiten Rahmenteil (5b) um eine quer zur Fahrtrichtung horizontal verlaufende Achse (11) in beiden Endstellungen des zweiten Rahmenteils in ihre Gebrauchsstellung schwenkbar ist.“
Hinsichtlich der in Form von Insbesondere-Anträgen ebenfalls geltend gemachten und auf Anspruch 1 zurückbezogenen Unteransprüche 2, 3, 4 und 5 wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K3) verwiesen.
Im Folgenden werden zur Veranschaulichung die Fig. 1 – 3 des Klagepatents verkleinert eingeblendet, die Ausführungsformen der Erfindung zeigen. Die Figuren zeigen jeweils ein Fahrzeug (1) für den Transport von Kurzholz (2) und Langholz (3). Zunächst wird Fig. 1 eingeblendet:
In der vorstehenden Fig. 1 transportiert das Fahrzeug (1) Kurzholz (2), das sich hierfür in einem Rungenkorb (4) befindet, der insbesondere mehrere Paare Rungen (6) umfasst. In Fig. 1 ist das zweite Rahmenteil um die Gelenkachse (10) nach hinten verschwenkt. Am Ende des zweiten Rahmenteils befindet sich eine Klemmbank (9), die über eine Achse (11) verschwenkbar an dem zweiten Rahmenteil befestigt ist. An der Klemmbank (9) befinden sich die Klemmarme (8, auch Klemmrungen genannt). Bei dem in Fig. 1 gezeigten Transport von Kurzholz fungieren die Klemmarme (8) als in Fahrtrichtung hinterste Rungen.
Fig. 2 zeigt dagegen das Rücken von Langholz (3) durch das Fahrzeug (1).
Das Langholz (3) wird in Fig. 2 von den Klemmarmen/Klemmrungen (8) der Klemmbank (9) erfasst. In Fig. 2 ist das zweite Rahmenteil (5b, vgl. Fig. 3) um die Gelenkachse (10) nach vorne verschwenkt.
In der nachfolgend eingeblendeten Fig. 3 sind das zweite Rahmenteil (5b), die Klemmbank (9) und die Klemmarme (8) wie in Fig. 1 nach hinten verschwenkt, wobei das Fahrzeug sowohl (leichtes) Kurzholz (2) transportiert als auch Langholz (3) rückt.
Die Klägerin ist ein deutsches Unternehmen, das auf dem Gebiet der Forst- und Spezialfahrzeuge tätig ist. Die Beklagte stellt Forstmaschinen in Deutschland her. In der Schweiz bedient sich die Beklagte für den Vertrieb der A B AG, an der sie auch beteiligt ist. Die A B AG bezieht die von ihr vertriebenen Maschinen von der Beklagten.
Die A B AG stellte im August 2013 auf einer Messe in der Schweiz Forstmaschinen der Beklagten aus, darunter einen Achtrad-Kombiforwarder mit der Bezeichnung A 208F (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagte selbst bietet die angegriffene Ausführungsform auch in der Bundesrepublik Deutschland an.
Nachfolgend werden Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform aus einem Produktblatt der Beklagten nach Anlage K9 verkleinert eingeblendet:
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.08.2013 (Anlage K7) ab. Hierfür fiel auf Basis eines Gegenstandswerts von EUR 250.000,00 für Rechts- und Patentanwalt eine Gebühr von insgesamt EUR 5.877,80 (inkl. Telekommunikationspauschale) an. Die Beklagte verweigerte die Abgabe der in diesem Schreiben geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (vgl. Anlage K8).
Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche Anspruch 1 sowie die darauf zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 des Klagepatents wortsinngemäß. Die beiden Rahmenteile des Rungenkorbs könnten patentgemäß auch jeweils mehrteilig ausgestaltet sein.
Zur Veranschaulichung des Vortrages der Klägerin wird nachfolgend eine von dieser kolorierte Abbildung von Bl. 72 GA verkleinert eingeblendet, die eine angegriffene Ausführungsform zeigt:
In der obigen Abbildung ist das jeweils aus Sicht der Klägerin erste Träger- oder Rahmenteil gelb, das zweite Träger- und Rahmenteil rot und die Gelenkachse zwischen diesen Bauteilen blau markiert. Zu dem gelb-umrandete Bauteil gehören nach Ansicht der Klägerin auch die in Fahrrichtung vorderen Rungen. Zur Illustration wird nachfolgend eine von der Klägerin mit einem diese Rungen zeigenden Pfeil versehene Abbildung der angegriffenen Ausführungsform (von Bl. 94 GA) eingeblendet.
Die Klägerin bestreitet ein Vorbenutzungsrecht der Beklagten. Bei der im Magazin „C“ gezeigten Ausführungsform fehle es im Gegensatz zur angegriffenen Ausführungsform an fest installierten, vorderen Rungen. Dies gelte auch für die in der DE 199 11 872 C2 offenbarte Ausführungsform.
Das Verfahren sei nicht im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren auszusetzen. Die erfindungsgemäße Lehre sei nicht vorbekannt aus den Schriften EP 0 970 XXX A1 und DE 200 15 XXX U1 (vgl. Anlage K8 mit beiden Schriften). Auch könne aus dem Artikel in dem Magazin „C“ keine patentgemäße Ausführungsform entnommen werden. Die dort dargestellte Ausführungsform entspreche zudem dem im Klagepatent bereits gewürdigten Stand der Technik DE 199 11 872 C2.
Die Klägerin beantragt:
wie zuerkannt,
hinsichtlich der geltend gemachten Insbesondere-Anträge zu den Unteransprüchen 2, 3, 4 und 5 des Klagepatents wird auf die Klageschrift verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die von der Beklagten gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.
Weiter hilfsweise beantragt die Beklagte,
der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Beklagte trägt vor, das Klagepatent werde durch die angegriffene Ausführungsform nicht verletzt. Patentgemäß seien die beiden Träger- oder Rahmenteile Bestandteile des Rungenkorbs. Das Klagepatent unterscheide zwischen den Rahmen des Rungenkorbs und dem Fahrzeugträger (Chassis). Letzterer dürfe patentgemäß nicht Teil eines der Rahmenteile sein.
Die beiden Rahmenteile müssten über eine Gelenkachse verbunden sein, die räumlich-körperlich genau zwischen den beiden Rahmenteilen angeordnet ist, so wie es etwa in Fig. 4 des Klagepatents gezeigt wird.
Ferner dürfe sich patentgemäß das zweite Rahmenteil in der hinteren Position nicht bereits über dem ersten Rahmenteil befinden, was aus dem Anspruchswortlaut „aus seiner hinteren Position nach vorne in eine Lage über den ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) schwenkbar“ hervorgehe.
Bei der angegriffenen Ausführungsform sei entgegen der erfindungsgemäßen Lehre kein „erstes Träger- oder Rahmenteil“ an einem „zweiten Träger- oder Rahmenteil“ mittels einer „zwischen ihnen angeordneten Gelenkachse“ verbunden und gelagert. Die von der Klägerin als Rahmenteile angesehenen Teile seien patentgemäß keine solchen, da sie nicht Teile des Rungenkorbs seien. Das Fahrzeugchassis, an dem die vorderen Rungen über einen separaten Rahmen befestigt sind, könne nicht als Bestandteil des ersten Rahmenteils angesehen werden. Die Achse, die die beiden (vermeintlichen) Rahmenteile verbindet, sei entgegen dem Anspruch nicht „zwischen“ ihnen angeordnet. Zudem befinde sich das vermeintliche zweite Rahmenteil bereits in der hinteren Position über dem vermeintlichen ersten Rahmenteil. Die Klemmbank sei auch nicht über eine Achse an dem (vermeintlichen) zweiten Rahmenteil angeordnet.
Darüber hinaus stehe der Beklagten ein Vorbenutzungsrecht zu. Die angegriffene Ausführungsform (A 208F) entspreche der Ausführungsform in dem Patent DE 199 11 872 C2 (Anlage K10/Anlage S7 zur Anlage rop2) und dem von der Beklagten offenkundig vorbenutzten Rückezug „D“ (vgl. Anlage S6 zur Anlage rop2). Zur Veranschaulichung des Vortrags der Beklagten wird nachfolgend ein Ausschnitt aus Bl. 82 GA verkleinert eingeblendet, bei dem die Beklagte Zeichnungen aus der Anlage K9 von der Beklagten kolorierten Figuren der DE 199 11 872 C2 gegenüber stellt:
Darüber hinaus werde das Klagepatent auf die Nichtigkeitsklage (Anlage rop2) der Beklagten hin vernichtet werden, so dass das Verfahren hilfsweise zumindest auszusetzen sei.
Die Klage wurde der Beklagten am 12.04.2014 zugestellt. Die Kammer hat der Klägerin mit Verfügung vom 01.12.2014 einen Hinweis erteilt (Bl. 69 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2015 (Bl. 111 ff. GA) verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 33, 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu, da die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent verletzt (hierzu unter Ziff. I) und der Beklagten kein Vorbenutzungsrecht zusteht (hierzu unter Ziff. II). Das Verfahren wird nicht im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt (hierzu unter Ziff. IV).
I.
Die angegriffene Ausführungsform macht von den Merkmalen des geltend gemachten Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
1.
Die Erfindung des Klagepatents (im Folgenden nach Abs. zitiert, ohne das Klagepatent explizit zu nennen) betrifft ein Fahrzeug für den Transport von Kurzholz und von Langholz.
In seiner einleitenden Beschreibung (Abs. [0002]) nimmt das Klagepatent zunächst Bezug auf den Stand der Technik DE 199 11 872 C2 (als Anlage K10 zur Akte gereicht, im Folgenden kurz: DE‘872), in der ein Fahrzeug zum Transport von Kurz- und Langholz offenbart wird. Das Kurzholz kann dazu in den Rungenkorb zwischen die einzelnen Rungen eingeladen werden. Bei diesem Transport von Kurzholz ist die am hinteren Ende des Rungenkorbes beziehungsweise des Fahrzeuges befindliche Klemmbank entgegen der Fahrtrichtung möglichst weit nach hinten verstellt, damit möglichst langes Kurzholz transportiert werden kann (Abs. [0002]). Zur Veranschaulichung wird nachfolgend Fig. 5 der DE‘872 verkleinert eingeblendet:
Soll mit dem aus der DE‘872 bekannten Fahrzeug jedoch Langholz gerückt und transportiert werden, kann die Klemmbank in Fahrtrichtung dadurch verschoben werden, dass ihre Halterung teleskopartig in eine Gegenhalterung eintritt oder tiefer eintritt (Abs. [0003]). Zur Illustration wird nachfolgend Fig. 1 der DE‘872 verkleinert eingeblendet, die den Transport von Langholz durch das dort offenbarte Fahrzeug darstellt, wobei die Klemmbank teleskopartig nach vorne (in Fahrtrichtung) verschoben ist:
An dem Stand der Technik DE‘872 kritisiert das Klagepatent, dass beim Transport von Langholz der Rungenkorb die Verschiebbarkeit der Klemmbank nach vorne begrenzt, so dass sie sich auch in dieser in Fahrtrichtung verschobenen Position noch mit beachtlichem Abstand hinter der hintersten Achse des Fahrzeuges befindet (Abs. [0003]). Dadurch ergibt sich ein relativ großer Hebelarm, unter welchem das von der Klemmbank erfasste Langholz die Hinterachse des Fahrzeugs belastet. Dies begrenzt entweder die Aufnahmefähigkeit für Langholz oder führt zu einer Überlastung des Fahrzeugs. Durch die so bewirkte ungünstige Lastverteilung können im Extremfall die vorderen Räder des Fahrzeugs abheben. Dies führt neben einem sehr ungünstigen Lenkverhalten auch dazu, dass das Tragvermögen des Fahrzeugs nicht vollständig ausgenutzt werden kann, da die zulässige Achslast der Hinterachse zu früh erreicht wird (Abs. [0003]).
In Abs. [0004] erwähnt das Klagepatent weiterhin den Stand der Technik US 6 257 818 B1. Das dort gezeigte Fahrzeug ist aber nicht gattungsgemäß, da es zwar eine Klemmbank, nicht aber einen Rungenkorb aufweist.
Vor dem Hintergrund des erörterten Stands der Technik nennt es das Klagepatent in Abs. [0005] als seine Aufgabe, ein Fahrzeug der eingangs genannten Art (d.h. wie in der DE‘872) zu schaffen, mit welchem die Belastbarkeit insbesondere beim Rücken von Langholz verbessert ist. Hierzu soll eine bestmögliche Einleitung der von dem erfassten Langholz ausgehenden Gewichtskräfte in das Fahrwerk des Fahrzeugs erreicht werden.
2.
Zur Lösung der genannten Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Fahrzeug nach der Maßgabe von Anspruch 1 vor, der in Form einer Merkmalsanalyse wie folgt gegliedert werden kann:
1. Fahrzeug (1) für den Transport von Kurzholz (2) und von Langholz (3), insbesondere abseits von Straßen, zum Beispiel im Forstbetrieb.
2. Das Fahrzeug hat einen Rungenkorb (4), der einen im wesentlichen horizontalen Rahmen (5) oder Träger und demgegenüber hochstehende Rungen (6) aufweist.
3. Das Fahrzeug hat eine am in Fahrtrichtung hinteren Ende des Rungenkorbes (4) angeordnete Klemmarme (8) aufweisende Klemmbank (9) oder Klemmrungenbank.
4. Die Klemmbank (9) oder Klemmrungenbank ist relativ zu dem Rungenkorb (4) in und/oder entgegen der Fahrtrichtung des Fahrzeugs (1) verstellbar.
5. An einem ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) ist ein die Klemmbank (9) aufweisender zweiter Träger- oder Rahmenteil (5b) gelenkig und schwenkbar gelagert.
6. Der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) ist aus einer hinteren Position nach vorne und aus der vorderen Position wieder zurück verschwenkbar.
7. Die Klemmbank (9) ist an dem zweiten Träger- oder Rahmenteil (5b) in dessen beiden Endstellungen in Gebrauchsstellung angeordnet oder bringbar.
8. Der erste Träger- oder Rahmenteil (5a) und der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) sind an einer horizontalen und quer zur Fahrtrichtung zwischen ihnen angeordneten Gelenkachse (10) verbunden.
9. Der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) ist aus seiner hinteren Position nach vorne in eine Lage über den ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) schwenkbar.
10. Die Klemmbank (9) ist relativ zu dem zweiten Rahmenteil (5b) um eine quer zur Fahrtrichtung horizontal verlaufende Achse (11) in beiden Endstellungen des zweiten Rahmenteils in ihre Gebrauchsstellung schwenkbar.
Das Klagepatent löst die gestellte Aufgabe im Wesentlichen, indem es einen zweiteiligen Rahmen vorsieht, bei dem das zweite Rahmenteil (5b), an dem die Klemmbank (8) angeordnet ist, gegenüber dem ersten Rahmenteil (5a) verschwenkt werden kann. Hierdurch kann die Klemmbank (8) nach vorne verlagert werden.
In den Merkmalen 1. bis 4. lehrt das Klagepatent ein gattungsgemäßes Fahrzeug zum Transport von Kurz- und Langholz, das in aus dem Stand der Technik bekannter Weise mit einem Rungenkorb und einer Klemmarme aufweisenden Klemmbank ausgestattet ist (Merkmale 1. bis 3.). Die Klemmbank ist dabei relativ zu dem Rungenkorb verstellbar (Merkmal 4.).
Die kennzeichnenden Merkmale 5. – 10. lehren die erfindungsgemäße Art dieser Verstellbarkeit, welche insbesondere eine vorteilhafte Gewichtsverteilung beim Rücken von Langholz ermöglicht. Hierzu ist der Rahmen oder Träger (5) zweiteilig ausgestaltet (Abs. [0009]). Hierdurch entstehen ein erstes und ein zweites Rahmenteil (5a/5b), die erfindungsgemäß über eine horizontal und quer zur Fahrtrichtung verlaufenden Gelenkachse (10) verbunden sind (Merkmale 5./8.). Über diese Gelenkachse (10) kann das zweite Rahmenteil gegenüber dem ersten Rahmenteil in Fahrrichtung nach vorne in eine Lage über dem ersten Rahmenteil und wieder zurück nach hinten verschwenkt werden (Merkmale 6./9.; Abs. [0006]). Zur Veranschaulichung werden nachfolgend die Fig. 4 und 5 des Klagepatents verkleinert eingeblendet:
In beiden Figuren ist das erste Rahmenteil (5a) über die Gelenkachse (10) mit dem zweiten Rahmenteil (5b) verbunden. Die Fahrtrichtung ist in den Figuren nach links. In Fig. 4 befindet sich das zweite Rahmenteil (5b) in der hinteren Position, in Fig. 5 in der vorderen Position und dabei in einer Lage über dem ersten Rahmenteil (5a).
Wie in den obigen Figuren erkennbar ist, weist das zweite Rahmenteil (5b) die Klemmbank (9) auf (Merkmale 5./7.), die relativ zu dem zweiten Rahmenteil (5b) um die Achse (11) schwenkbar ist (Merkmal 10.). Wie auch die Gelenkachse (10) (Merkmal 8.) verläuft diese Achse (11) horizontal und quer zur Fahrtrichtung (Merkmal 10.; vgl. Abs. [0006]). Diese Achse (11) ermöglicht es, dass die Klemmbank (8) in beiden Endstellungen des zweiten Rahmenteils (5b) – also sowohl in der vorderen als auch in der hinteren Position – in Gebrauchsstellung gebracht werden kann (Merkmal 7.). Diese Gebrauchsstellung ist in den oben eingeblendeten Fig. 4 und 5 eine senkrechte Stellung.
Über die Verschwenkbarkeit des die Klemmbank (8) aufweisenden zweiten Rahmenteils (5b) ermöglicht es die erfindungsgemäße Lehre, die Klemmbank nach vorne in den Bereich des Rungenkorbs zu verschwenken (Abs. [0007]). Durch das so mögliche Vorverlegen der Klemmbank in Fahrtrichtung kann der Hebelarm gegenüber den hinteren Rädern beim Rücken von Langholz verkürzt oder sogar vollständig beseitigt werden (Abs. [0008]), da sich der Schwerpunkt näher zu den hinteren Rädern verlagert oder sich über diesen befindet. Dies ermöglicht bei gleicher Stärke und Belastbarkeit des Fahrzeugs das Rücken größere Mengen an Langholz (Abs. [0008]), da einer unvorteilhaften Gewichtsverteilung und damit beispielsweise einem Abheben der Vorderräder des Fahrzeuges entgegengewirkt wird. Bei nach hinten verschwenktem zweiten Rahmenteil ist es dagegen möglich, auch längeres Kurzholz zu transportieren (wie in Fig. 1 gezeigt) oder Kurzholz und zusätzlich leichteres/dünneres Langholz (Abs. [0010], wie in Fig. 3 ersichtlich).
3.
Die Merkmale 2., 5. und 6.,
„2. Das Fahrzeug hat einen Rungenkorb (4), der einen im wesentlichen horizontalen Rahmen (5) oder Träger und demgegenüber hochstehende Rungen (6) aufweist.
(…)
5. An einem ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) ist ein die Klemmbank (9) aufweisender zweiter Träger- oder Rahmenteil (5b) gelenkig und schwenkbar gelagert.
6. Der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) ist aus einer hinteren Position nach vorne und aus der vorderen Position wieder zurück verschwenkbar.“
werden von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
a)
Der Rungenkorb muss patentgemäß hochstehende Rungen aufweisen, die an einem Rahmen befestigt sind. Dieser Rahmen muss wiederum aus mindestens einem ersten und einem zweiten Rahmenteil bestehen. Dabei ist es nach der Lehre des Klagepatents zulässig, dass die einzelnen Rahmenteile selbst aus mehreren Bauteilen bestehen und auch das Fahrzeugchassis umfassen.
aa)
Anspruch 1 verlangt ein erstes Rahmenteil, an dem ein zweites Rahmenteil gelenkig und schwenkbar gelagert ist (Merkmal 5.). Die Verbindung zwischen diesen beiden Rahmenteilen wird in den Merkmalen 8. und 9. näher konkretisiert. Zusammen bilden die beiden Rahmenteile (5a und 5b) den Rahmen (5), der nach Merkmal 2. zusammen mit hochstehenden Rungen einen Rungenkorb bildet. Dies findet sich auch bei der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels in Abs. [0036] wieder. In der allgemeinen Erfindungsbeschreibung (Abs. [0009]) wird insofern ausgeführt:
„Dabei ist der Träger oder Rahmen des Rungenkorbs also erfindungsgemäß zweiteilig, wobei sein zweiter Teil relativ zu dem ersten Teil verschwenkbar ist (…)“
Die Merkmale 5. – 10. enthalten nähere Vorgaben für das erste und zweite Rahmenteil, die gemeinsam den Rahmen bilden. Patentgemäß reicht es aus, wenn die hochstehenden Rungen (6) am ersten Rahmenteil vorhanden sind und am zweiten Rahmenteil die Klemmrungenbank, welche beim Transport von Kurzholz als in Fahrtrichtung hinteres Rungepaar fungiert.
bb)
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch das Fahrzeugchassis ein Rahmenteil oder einen Bestandteil eines Rahmenteils bilden. Der Anspruchswortlaut „Fahrzeug (1) (…) mit einem Rungenkorb (4), der einen im wesentlichen horizontalen Rahmen (5) oder Träger und demgegenüber hochstehende Rungen (6) aufweist,“ schließt nicht aus, dass der Rungenkorb vom Fahrzeug selbst gebildet wird.
Funktionell macht es für die Lehre des Klagepatents keinen Unterschied, ob der Rahmen Teil des Fahrzeugchassis ist oder durch ein separates Bauteil ausgestaltet ist. Es ist kein technischer Grund ersichtlich, warum das Fahrzeugchassis oder ein Teil davon nicht gleichzeitig auch ein patentgemäßes Rahmenteil sein kann. Soweit das Klagepatent eine modulare Bauweise beschreibt, bei der auf einen bestehenden Fahrzeugträger ein Rungenkorb angeordnet wird, ist die Erfindung ersichtlich auf eine solche beispielshafte Ausgestaltung nicht beschränkt. Denn auf die vom Klagepatent angestrebte vorteilhafte Verlagerung des Schwerpunkts hat dies keine Auswirkung. Vielmehr kann nach Abs. [0053] der Rungenkorb fest installiert oder lösbar sein. Bei einem fest installierten Rungenkorb ist insofern auch die Nutzung bestehender Fahrzeugteile als Teil des Rahmens möglich.
Gegen eine Einbeziehung des Fahrzeugchassis als Teil eines Rahmenteils sprechen auch nicht die von der Beklagten angeführten Abs. [0034] und [0043] und die hierin beschriebene Fig. 8. In diesem Ausführungsbeispiel ist der Rungenkorb 4 auf einem Fahrzeugträgerteil 13 angeordnet, wobei dieses Fahrzeugträgerteil ein vom Rungenkorb 4 bzw. den Rahmenteilen 5a/5b gesondertes Bauteil darstellt. Dies erlaubt aber nicht den Schluss, dass die Ausgestaltung von Rahmenteil und Fahrzeugträgerteil als einheitliches Bauteil nicht mehr unter den Anspruch fällt. Bei Fig. 8 handelt es sich um ein Ausführungsbeispiel, das, ebenso wie die darauf bezogenen Beschreibungsteile, einen weiter zu verstehenden Sinngehalt der Patentansprüche nicht auf diese Ausführungsformen einschränken kann (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung; BGH GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit). Fig. 8 ist nur eine Möglichkeit der Ausgestaltung, welche aber die Realisierung von Fahrzeugträger und Rahmen(teil) als ein Bauteil nicht ausschließt.
Gleiches gilt für Abs. [0015], worin es heißt:
„Dabei kann an dem ersten Rahmenteil und/oder an einem den Rungenkorb aufnehmenden Fahrzeugträger (…)“.
Hierin wird nur eine mögliche Ausführungsform beschrieben, ohne dass die patentgemäße Lehre hierauf beschränkt ist. Der Fachmann kann den Ausführungsbeispielen und dem vom Klagepatent geschilderten Stand der Technik keinen allgemeinen Gedanken entnehmen, wonach der Rahmen erfindungsgemäß ein vom Fahrzeugchassis getrenntes Bauteil sein muss, so dass von Anspruch 1 Ausgestaltungen ausgeschlossen wären, bei denen das Fahrzeugchassis Teil des Rahmens ist. Hierfür gibt es in der Beschreibung keinen Anhaltspunkt und erst recht nicht im Anspruch.
cc)
Das Klagepatent schließt nicht aus, dass die beiden Rahmenteile ihrerseits mehrteilig sind. Der Anspruchswortlaut verhält sich nicht dazu, ob das erste Rahmenteil aus einem oder mehreren Bauteilen bestehen soll. Patentgemäß entscheidend für das erste Rahmenteil ist nur, dass es hochstehende Rungen aufweist (Merkmal 2.) und an ihm in einer bestimmten Weise das zweite Rahmenteil gelagert ist (Merkmale 5. – 9.), mit dem zusammen es ein Rungenkorb für den Transport für Kurzholz bildet.
Patentgemäß ist für das erste Rahmenteil nicht vorgegeben, dass die hochstehenden Rungen unmittelbar an dem Bauteil angebracht sind, welches wiederum über eine Achse (Merkmal 8.) mit dem zweiten Rahmenteil verbunden ist. Demgemäß reicht es für die Merkmalsverwirklichung aus, dass eine verbundene, zusammengehörige Gruppe von Bauteilen existiert, die einerseits Rungen aufweist und andererseits mit dem zweiten Rahmenteil anspruchsgemäß verbunden ist. Diese Rungen müssen mit den Rungen des zweiten Rahmenteils und den beiden Rahmenteilen den Rungenkorb bilden. Zu diesem Zweck müssen die Rahmenteile des Rungenkorbs so ausgestaltet sein, dass sie zum Transport von Kurzholz zusammenwirken können.
dd)
Das Klagepatent schließt auch nicht aus, dass das zweite Rahmenteil zugleich als Rollenträger verwendet wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Beschreibung des Klagepatents ein Rollenträger (Bezugsziffer 17) als ein vom zweiten Rahmenteil getrenntes Bauteil erörtert wird, wie etwa in der allgemeinen Erfindungsbeschreibung in den Abs. [0018] f.:
„[0018] Der zweite Rahmenteil kann aus seiner rückwärtigen horizontalen Lage zur Vergrößerung des Seileinzugs von unter dem Rungenkorb befindlichen Seilrollen um weniger als 90° hochschwenkbar und insbesondere mittels des Rollenträgers abstützbar oder festlegbar sein. (…)
[0019] Dabei können der oder die im Heckbereich des Fahrzeuges angeordneten Rollenträger einen oder mehrere Mitnehmer, insbesondere in Form von Rollen, zum Untergreifen des klappbaren oder schwenkbaren zweiten Rahmenteils aufweisen, was die erwähnte automatische Verschwenkung des zweiten Rahmenteils erleichtert.“
Ein entsprechendes Ausführungsbeispiel wird in Abs. [0047] erläutert und in Fig. 8 gezeigt und ist zudem Gegenstand der Unteransprüche 9 und 10.
All dies kann aber den weitergehenden Wortsinn von Anspruch 1 des Klagepatents nicht einschränken, da es sich nur um Ausführungsvarianten und Unteransprüche handelt. Unstreitig ist zur Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs 1 kein Rollenträger erforderlich. Entsprechend ist es für diesen Anspruch ohne Belang, ob ein Rollenträger vorhanden ist oder nicht. Damit ist auch unerheblich, ob, wenn ein Rollenträger vorhanden ist, dieser das zweite Rahmenteil darstellt oder dieses abstützt – wie es erst in den Unteransprüchen 9 und 10 vorgesehen ist. Es steht der Merkmalsverwirklichung grundsätzlich nicht entgegen, wenn ein Bauteil, welches die vom Anspruch vorgesehen Eigenschaften und Wirkungen aufweist, weitere Funktionen übernimmt. Im Anspruch findet sich kein Anhaltspunkt, dass das zweite Rahmenteil über die dort genannte Ausgestaltung mit den entsprechenden Funktionen hinaus weitere Funktionen nicht wahrnehmen darf.
b)
Nach den vorstehenden Erwägungen lässt sich eine Verwirklichung der Merkmale 2, 5 und 6. durch die angegriffene Ausführungsform feststellen. Das von der Klägerin auf Bl. 72 GA gelb markierte Teil der angegriffenen Ausführungsform ist Teil des „ersten Rahmenteils“, welches aus den vorderen Rungenpaaren, den sie haltenden Rahmen (in Gestalt einer Art Plattform) und dem Rollenträger (gelb-markiertes Bauteil) besteht. Wie gesehen steht es der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, dass das erste Rahmenteil aus mehreren Bauteilen besteht, wozu auch das Fahrzeugchassis gehört. Die hochstehenden Rungen können mit der auf dem zweiten Rahmenteil (rot-markiertes Bauteil) angeordneten Klemmbank zusammenwirken und einen Rungenkorb für Kurzholz bilden. Zur Veranschaulichung wird eine der in Anlage K9 gezeigten Zeichnungen nachfolgend verkleinert eingeblendet:
In der vorstehenden Zeichnung ist zu erkennen, dass die beiden vorderen Rungen (beim Kran) und die Klemmbank (am hinteren Ende des Fahrzeuges) zusammen einen Rungenkorb bilden. Dass bei der angegriffenen Ausführungsform zusätzlich eine Doppelrunge eingesetzt werden kann, ist für das Vorhandensein eines patentgemäßen Rungenkorbs nicht entscheidend, da auch ohne diese weiteren Rungen ein für den Transport von Kurzholz ausgebildeter Rungenkorb existiert.
Das zweite Rahmenteil wird hingegen von dem in der im Tatbestand gezeigten Abbildung rot-markierten Bauteil realisiert. Dieses ist gegenüber dem eben beschriebenen ersten Rahmenteil gelenkig gelagert und nach vorne und aus der vorderen Position wieder zurück verschwenkbar. Das zweite Rahmenteil weist entsprechend Merkmal 5. die Klemmbank auf und erfüllt auch die Vorgaben der Merkmale 8., 9. und 10, wie im Folgenden näher dargelegt wird. Der Verwirklichung eines zweiten Rahmenteils steht dabei nicht entgegen, dass das streitgegenständliche Teil bei der angegriffenen Ausführungsform auch als Rollenträger der angegriffenen Ausführungsform fungiert. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend eine Abbildung von Bl. 84 GA verkleinert eingeblendet, die die angegriffene Ausführungsform mit dem zweiten Rahmenteil in nach vorne geschwenkter Position zeigt:
Das erste Rahmenteil besteht dabei aus der die beiden vorderen Rungenpaare haltenden Plattform, dem Fahrzeugchassis und dem gelb-kolorierten Bauteil. Das zweite Rahmenteil ist dagegen das rot-kolorierte Bauteil.
Dass neben der oben gezeigten Gebrauchsstellung zum Transport von Kurzholz und der vorstehend eingeblendeten Gebrauchsstellung zum Rücken von Langholz eine dritte Gebrauchsstellung existiert, bei der die Klemmbank durch die Verschwenkung des Rollenträgers nach oben bewegt wird (wie in den oberen Abbildungen auf Bl. 84 GA erkennbar), führt aus der Patentverletzung ersichtlich nicht heraus. Es handelt sich um zusätzliche Funktionalitäten oder Eigenschaften, die aber die Anspruchsverwirklichung weder in räumlich-körperlicher noch in technisch-funktionaler Hinsicht in Frage stellen können.
4.
Merkmal 8.,
„Der erste Träger- oder Rahmenteil (5a) und der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) sind an einer horizontalen und quer zur Fahrtrichtung zwischen ihnen angeordneten Gelenkachse (10) verbunden“,
wird von der angegriffenen Ausführungsform ebenfalls verwirklicht. Die die beiden Rahmenteile verbindende Gelenkachse ist im Sinne von Merkmal 8. „zwischen ihnen angeordnet“.
a)
Merkmal 8. erfordert entgegen der Ausführungen der Beklagten nicht, dass die Gelenkachse genau zwischen den beiden Rahmenteilen angeordnet ist, wie etwa in Fig. 4 gezeigt wird, also an den jeweiligen horizontalen Enden der beiden Rahmenteile. Zur Veranschaulichung wird Fig. 4 nachfolgend verkleinert eingeblendet:
Der Anspruchswortlaut, wonach die Achse in einer bestimmten räumlichen Orientierung „zwischen“ den beiden Rahmenteilen angeordnet sein soll, macht keine Vorgaben dazu, an welcher Stelle die Gelenkachse an den beiden Rahmenteilen jeweils angreifen soll. Eine Anordnung „zwischen“ zwei Bauteilen kann dem Wortlaut zufolge an jeweils beliebigen Stellen der beiden Bauteile ansetzen.
Technisch-funktionell wird dies dadurch eingeschränkt, dass die Gelenkachse die von den Merkmalen 5. und 6. geforderte Verschwenkbarkeit des zweiten Rahmenteils in eine vordere und eine hintere Position ermöglichen soll, wobei sich nach Merkmal 9. das zweite Rahmenteil in der vorderen Position über dem ersten Rahmenteil befinden soll. Weiter entnimmt der Fachmann Merkmal 2., dass der Rahmen und damit auch die beiden Rahmenteile im Wesentlichen horizontal angeordnet sein sollen. Durch die beanspruchte Verschwenkbarkeit bezweckt das Klagepatent, die Klemmbank in Fahrtrichtung nach vorne verlegen zu können (Abs. [0007]). Hierdurch gelangt sie in vorteilhafter Weise näher an die Hinterachse oder gar in Fahrtrichtung vor die Hinterachse (Abs. [0007]). Dies verringert oder vermeidet das Entstehen eines Hebelarms beim Rücken von Langholz (Abs. [0008]). In der hinteren Position kann dagegen langes Kurzholz transportiert werden (Abs. [0009]) und ggf. zusätzlich zu Kurzholz auch leichtes Langholz gerückt werden (Abs. [0010]).
Diese technische Wirkung kann zwar mit einer Anordnung der Gelenkachse wie in der oben eingeblendeten Fig. 4 erzielt werden; eine solche Positionierung ist aber hierfür nicht zwingend. So reicht es grundsätzlich aus, wenn die Gelenkachse an der bei Seitenansicht oberen Seite des horizontal-orientierten ersten Rahmenteils angebracht ist. Dies ermöglicht ebenfalls eine Verkürzung oder Beseitigung des Abstands der Klemmbank von der Hinterachse des Fahrzeuges durch Verschwenkung in eine vordere Position.
Die in Abs. [0011] beschriebene Verschwenkbarkeit des zweiten Rahmenteils um 180°, durch die die Klemmbank um etwa das Doppelte der Länge des zweiten Rahmenteils nach vorne verschoben werden kann, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es handelt sich hierbei nur um eine vorteilhafte Ausführungsvariante, was anhand der einleitenden Worte („Zweckmäßig kann es sein“) ersichtlich ist. Solche Ausführungsbeispiele können einen weiteren Anspruchswortlaut nicht einschränken (BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit; BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).
Gleiches gilt für die Abs. [0012] f., wonach ein kürzeres zweites Rahmenteil den Vorteil hat, dass in dessen vorderer Position eine geringere Gefahr einer Kollision zwischen dem gerückten Langholz und Fahrzeugteilen besteht. Dieses Kollisionsrisiko kann dadurch gesenkt werden, dass die Gelenkachse am horizontalen Ende des ersten Rahmenteils angeordnet ist. Der Fachmann erkennt zwar hinsichtlich des Kollisionsrisikos den Vorteil einer Ausgestaltung, wie von Fig. 4 dargestellt; diese ist aber patentgemäß nicht zwingend. Vielmehr ist es in das Belieben des Fachmanns gestellt, durch die Wahl der Länge des zweiten Rahmenteils und der Position der Gelenkachse einen für den jeweiligen Anwendungsfall geeigneten Ausgleich zwischen dem Kollisionsrisiko, der Länge des Hebelarms und der Möglichkeit, Kurzholz einer bestimmten Länge zu transportieren, zu schaffen. Das Kollisionsrisiko kann dabei beispielsweise auch durch eine gegenüber dem Fahrzeugchassis höher gelegene Position der Klemmbank im nach vorne verschwenkten Zustand erreicht werden.
b)
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Auslegung steht es einer Verwirklichung von Merkmal 8. nicht entgegen, dass die von Klägerin als Gelenkachse angeführte Achse nicht am in Fahrrichtung hinteren Ende des ersten Rahmenteils angeordnet ist. Denn auch bei dieser Anordnung ist die Achse „zwischen“ den (vermeintlichen) Rahmenteilen angeordnet und könnte – unterstellt die Achse würde zwei patentgemäße Rahmenteile verbinden – die anspruchsgemäße Funktion erfüllen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass aufgrund der Position der Gelenkachse bei der angegriffenen Ausführungsform beim Rücken von Langholz die Gefahr besteht, dass die Baumstämme mit dem Fahrzeug kollidieren.
5.
Auch die Verwirklichung von Merkmal 9,
„Der zweite Träger- oder Rahmenteil (5b) ist aus seiner hinteren Position nach vorne in eine Lage über den ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) schwenkbar“ ,
durch die angegriffene Ausführungsform lässt sich feststellen.
a)
Dieses Merkmal schließt nicht aus, dass sich das zweite Rahmenteil in seiner hinteren Position bereits über dem ersten Rahmenteil befindet. Der Anspruchswortlaut verlangt nur, dass das zweite Rahmenteil in eine Position verschwenkbar sein muss, in der es sich oberhalb des ersten Rahmenteils befindet. Damit konkretisiert es Merkmal 6., das allgemein eine Verschwenkbarkeit in eine vordere und eine hintere Position verlangt.
Der Wortlaut von Merkmal 9. verhält sich nicht zu der Frage, ob sich das zweite Rahmenteil in der hinteren Position ebenfalls über dem ersten Rahmenteil befinden darf. Für die patentgemäßen Vorgaben zu der hinteren Position ist es daher ohne Belang, dass die Verschwenkung über „den“ (und nicht über „dem“) ersten Rahmenteil erfolgen soll. Dass dies für die vordere Position des zweiten Rahmenteils vorgeschrieben ist, erlaubt nicht den Umkehrschluss, in der hinteren Position sei dies patentgemäß nicht zulässig.
Für die von Merkmal 9. verfolgte Funktion ist es auch unerheblich, ob sich in der hinteren Position die beiden Rahmenteile übereinander befinden. Hierbei kann grundsätzlich auf die vorstehenden Ausführungen zum Verständnis von Merkmal 8. verwiesen werden, da die Position des zweiten Rahmenteils in der hinteren Stellung von der Anordnung der Gelenkachse zwischen den beiden Rahmenteilen bestimmt wird.
Durch Merkmal 9. wird erreicht, dass in der vorderen Position des zweiten Rahmenteils der Rahmen insgesamt mit dem hinteren Ende des zweiten Rahmenteils abschließt. Denn selbst wenn sich die Gelenkachse (10) an der maximal hinteren Position befindet, d.h. am hinteren Ende des ersten Rahmenteils (wie in Fig. 4 dargestellt), schließt der Rahmen mit dem ersten Rahmenteil bzw. der daran angeordneten Gelenkachse ab, wenn sich das zweite Rahmenteil in der vorderen Position über dem ersten Rahmenteil befindet. Damit stellt Merkmal 9. sicher, dass auch die am zweiten Rahmenteil angeordnete Klemmbank stets in der vorderen Position über dem ersten Rahmenteil ist. Ob sich das zweite Rahmenteil bereits in der hinteren Position ganz oder teilweise über dem ersten Rahmenteil befindet, hat auf diese Funktion keinen Einfluss. Daher ist es in das Belieben des Fachmanns gestellt, ob in der hinteren Position das zweite Rahmenteil gar nicht, teilweise oder vollständig über den ersten Rahmenteil liegt, was er durch die Wahl der Position der Gelenkachse und die Länge des zweiten Rahmenteils beeinflussen kann.
bb)
Merkmal 9. ist in der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht. In dessen vorderer Position befindet sich das rot-markierte Teil über dem gelb-markierten zweiten Rahmenteil.
6.
Schließlich wird Merkmal 10.,
„Die Klemmbank (9) ist relativ zu dem zweiten Rahmenteil (5b) um eine quer zur Fahrtrichtung horizontal verlaufende Achse (11) in beiden Endstellungen des zweiten Rahmenteils in ihre Gebrauchsstellung schwenkbar“
ebenfalls von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
aa)
Merkmal 10. und die Merkmale 5. und 7.,
„5. An einem ersten Träger- oder Rahmenteil (5a) ist ein die Klemmbank (9) aufweisender zweiter Träger- oder Rahmenteil (5b) gelenkig und schwenkbar gelagert.
(…)
7. Die Klemmbank (9) ist an dem zweiten Träger- oder Rahmenteil (5b) in dessen beiden Endstellungen in Gebrauchsstellung angeordnet oder bringbar.“,
verlangen, dass die Klemmbank am zweiten Rahmenteil anzuordnen ist. Während Merkmal 5. allgemein lehrt, die Klemmbank am zweiten Rahmenteil anzuordnen, konkretisieren die Merkmale 7. und 10. diese Verbindung. Diese soll nach Merkmal 7. so ausgestaltet sein, dass die Klemmbank an dem zweiten Rahmenteil in beiden Endstellungen des verschwenkbaren zweiten Rahmenteils in Gebrauchsstellung bringbar ist. Hierzu dient die in Merkmal 10. beanspruchte Verbindung zwischen zweitem Rahmenteil und Klemmbank mittels einer Achse (11), die quer zur Fahrrichtung und horizontal verläuft. Die Klemmbank muss dabei nicht unmittelbar an dem zweiten Rahmenteil angeordnet sein. Wie Fig. 7 zeigt, sind auch solche Ausgestaltungen patentgemäß, bei denen die Klemmrungen auf einem Teller angebracht sind, der wiederum mit dem zweiten Rahmenteil verbunden ist.
bb)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 10. Das von der Klägerin insofern angeführte Bauteil (rot markiert in der nachfolgend eingeblendeten Abbildung der Klägerin von Bl. 72 GA) ist über eine weitere Achse mit der Klemmbank verbunden, wobei die Klemmbank gegenüber dem zweiten Rahmenteil verschwenkbar ist.
Dass die Klemmbank auf einem Teller befestigt ist, ist für die Merkmalsverwirklichung nicht abträglich.
7.
Eine Verwirklichung der übrigen Merkmale – außerhalb der oben erörterten Punkte – ist zwischen den Parteien zu recht nicht streitig, so dass es hierzu keiner weiteren Erörterung bedarf.
II.
Die Beklagte kann sich nicht auf ein Vorbenutzungsrecht berufen.
1.
Nach § 12 Abs. 1 S. 1 PatG tritt die Wirkung des Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Das Vorbenutzungsrecht setzt also voraus, dass der Vorbenutzungsberechtigte einerseits im Prioritätszeitpunkt bereits selbstständigen Erfindungsbesitz hatte, andererseits, dass er diesen im Inland betätigt hat oder zumindest Veranstaltungen zu einer alsbaldigen Aufnahme der Benutzung des Erfindungsgegenstandes getroffen hat. Für die Voraussetzungen des Vorbenutzungsrechts ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf beruft – hier also die Beklagte.
2.
Ein Vorbenutzungsrecht hat die Beklagte im Verletzungsverfahren nur pauschal auf Grundlage des Rückzugs „E“ (Anlage S6 zu Anlage rop2) behauptet. Eine Verwirklichung aller Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents lässt sich hieraus nicht erkennen. Unstreitig entspricht der „E“ der DE 199 11 872 C2. Diese beiden Ausführungsformen weisen aber zumindest kein erstes Rahmenteil auf, an dem ein zweites Rahmenteil gelenkig und schwenkbar gelagert ist (Merkmal 5.).
Im Unterschied zur angegriffenen Ausführungsform fehlt es bei den im Rahmen der Vorbenutzung angeführten Ausführungsformen an einem fest installierten, vorderen Rungenpaar, das über das Fahrzeugchassis mit einem zweiten Rahmenteil verbunden ist. Es ist auch kein anderes Bauteil bzw. Bauteilgruppe ersichtlich, das bzw. die als erstes Rahmenteil im Sinne des Klagepatents aufgefasst werden könnte.
III.
Da die Beklagte das Klagepatent verletzt, ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen.
1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.
2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz für Handlungen ab einem Monat nach Veröffentlichung des Hinweises auf Erteilung des Klagepatents, der aus § 139 Abs. 2 PatG folgt. Sie hat ferner aus § 33 Abs. 1 PatG einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für Benutzungshandlungen seit einem Monat ab der Veröffentlichung der Anmeldung des Klagepatents. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bzw. die Nutzung der angemeldeten Erfindung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Dies gilt entsprechend für die Bezifferung der angemessenen Entschädigung.
Die Klägerin hat aus § 139 Abs. 2 PatG darüber hinaus auch Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von EUR 5.877,50. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu (Ziff. VI. des Tenors). Der Anspruch auf Auskunft über die Vertriebswege der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
4.
Gegenüber der Beklagten steht der Klägerin des Weiteren gemäß § 140a Abs. 1 PatG auch ein Anspruch auf Vernichtung zu (Ziff. VII. des Tenors). Anhaltspunkte, die eine Unverhältnismäßigkeit des Vernichtungsanspruchs begründen könnten, hat die Beklagte nicht vorgebracht.
5.
Der Rückruf- und Entfernungsanspruch (Ziff. VIII. des Tenors) der Klägerin gegenüber der Beklagten basiert auf § 140a Abs. 3 PatG. Auch insoweit ist eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG nicht ersichtlich oder dargetan.
6.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
Der Beklagten war kein Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO zu gewähren, da sie nicht hinreichend dargelegt hat, dass die Vollstreckung des Urteils ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt.
IV.
Das Verfahren wird nicht nach § 148 ZPO ausgesetzt.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens gegeben (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 7. Aufl. 2014, Rn. 1849). Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 16.09.2014 – X ZR 61/13 – Kurznachrichten; BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.08.2006, Az. I-2 U 49/05, Rn. 65 bei Juris; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 7. Aufl. 2014, Rn. 1856; Haedicke/Timmann-Bukow, Hdb. des Patentrechts, 2012, § 9 Rn. 167).
Eine solche hinreichende Vernichtungswahrscheinlichkeit kann nicht festgestellt werden. Dabei ist zumindest indiziell zu berücksichtigen, dass die Beklagte es entgegen der Prozessleitenden Verfügung vom 09.04.2014 (Bl. 33R GA) versäumt hat, eine eigenständige Darstellung ihres Rechtsbestandsangriffs vorzutragen.
1.
Das Klagepatent ist nicht durch Streichungen in der Beschreibung des Klagepatents gegenüber der Ursprungsanmeldung unzulässig erweitert. Entgegen der Auffassung der Beklagten in der Nichtigkeitsklage (S. 4 f. Anlage rop2) führen die dort angeführten Streichungen nicht zu einem erweiterten Schutzbereich des Klagepatents. Dass es sich patentgemäß bei den beiden Rahmenteilen um Bestandteile des Rungenkorbs handeln muss, geht aus Anspruch 1 durch die Merkmale 2. und 5. weiterhin hervor. Für den Fachmann ist klar erkennbar, dass die beiden Rahmenteile (Merkmal 5.) Teile des Rahmens sind, der wiederum mit den daran montierten Rungen den Rungenkorb bildet (Merkmal 2.). Insofern wurde durch die Streichungen in der Beschreibung der Schutzbereich nicht erweitert.
2.
Eine offenkundige Vorbenutzung der geschützten Lehre kann nicht festgestellt werden. Die von der Beklagten insoweit angeführte Ausführungsform „E“ (vgl. Anlage S6) weist kein erstes Rahmenteil auf, an dem ein zweites Rahmenteil gelenkig und schwenkbar gelagert ist. Auf die Ausführungen zu dem behaupteten Vorbenutzungsrecht wird verwiesen.
3.
Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die Lehre des Klagepatents vom Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen oder nahegelegt ist.
a)
Die Entgegenhaltung EP 0 970 XXX A1 (Anlage S4) offenbart nicht neuheitsschädlich die Lehre des Klagepatents. Zur besseren Veranschaulichung wird im Folgenden Fig. 1 der EP 0 970 XXX A1 (Entgegenhaltung S4) verkleinert eingeblendet:
In der Entgegenhaltung S4 ist keine patentgemäße Klemmbank oder Klemmrungenbank (Merkmal 3.) gezeigt. Stattdessen sind in der Entgegenhaltung nur hintere Rungen (Bezugsziffer 9 in der Entgegenhaltung S4) vorhanden. Zwar kann auch dasjenige offenbart sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern „mitgelesen“ wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Dass der Fachmann bei der Entgegenhaltung S4 eine Klemm(rungen)bank mitliest, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr besteht auch nach der Lehre des Klagepatents ein Unterschied zwischen (einfachen) Rungen und Klemmrungen, die aufeinander zu bewegt werden können, um Langholz zwischen sich einzuklemmen.
Ferner ist fraglich, ob in der Entgegenhaltung S4 eine patentgemäße Verschwenkbarkeit eines zweiten Rahmenteils gezeigt ist. Vielmehr scheint sich das Rückschild in technischer relevanter Weise nur nach oben und unten bewegen zu können, was aber die vom Klagepatent bezweckte Vorverlagerung des Schwerpunkts nicht erreichen kann.
b)
Das Klagepatent beruht gegenüber der Entgegenhaltung S4 auch auf erfinderischer Tätigkeit. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungsweg nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es daher – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746, 748 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II).
Vor diesem Hintergrund ist es für eine Aussetzung des Verfahrens nicht ausreichend ersichtlich, dass der Fachmann ausgehend von der Entgegenhaltung S4 Anlass hatte, diese mit der Entgegenhaltung DE 200 15 XXX U1 (Anlage S5) zu kombinieren, um so zur Lösung des Klagepatents zu kommen.
Zudem ist selbst bei einer unterstellten Kombination der Schriften durch den Fachmann eine nach vorne verschwenkbare Klemmrungenbank nicht hinreichend offenbart.
V.
Der Streitwert wird auf EUR 250.000,00 festgesetzt.