Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Juli 2005, Az. 4a O 162/04
Rechtsmittelinstanz: 2 U 97/05
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht bei jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den gesetzlich vertretungsberechtigten Personen der Beklagten, zu unterlassen,
ein Kappgerät für Maschinen zur Bearbeitung von geradlinig und fortlaufend bewegten plattenförmigen Werkstücken zum Abtrennen von über die vorderen und hinteren, im wesentlichen quer zur Bewegungsrichtung der Werkstücke verlaufende Schmalflächen der Werkstücke hinaus stehenden Überstände von Kantenmaterial, welches an parallel zur Bewegungsrichtung verlaufenden Schmalflächen der Werkstücke angebracht, vorzugsweise geleimt ist, mit jeweils einer mit einem angetriebenen Kappsägeblatt ausgestatteten Sägeeinheit für den vorderen und den hinteren Kantenmaterialüberstand, je einem Anschlag für jedes Kappsägeblatt, dessen Anschlagfläche mit einer Schnittebene des jeweiligen Kappsägeblattes fluchtet und an der vorderen bzw. hinteren Schmalfläche der plattenförmigen Werkstücke anlegbar ist, einer Schrägführungsanordnung, mit der die Sägeeinheiten zur Durchführung der Trennschnitte mit dem wirksamen Bereich ihrer Kappsägeblätter von einer Stellung über bzw. unter dem Kantenmaterial entlang einer schräg zur Werkstückdurchlaufebene verlaufenden Ebene in eine Stellung unter bzw. über dem Kantenmaterial und zurück verfahrbar sind,
anzubieten, zu veräußern, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei der die Schrägführungsanordnung eine einzige Führungsbahn aufweist, an der beide Sägeeinheiten verfahrbar gelagert sind und bei der jeweils auf einer Antriebswelle eines Elektromotors unmittelbar ein Kappsägeblatt angeordnet ist, wenn die Sägeeinheiten derart an der einzigen Führungsbahn gelagert sind, dass die Kappsägeblätter dicht aneinander fahrbar und die Elektromotoren jeweils auf den einander abgewandten Seiten der Sägeblätter angeordnet sind.
2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter I. 1 bezeichneten Handlungen für die Zeit seit dem 28.05.1993 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe
a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Kappaggregate sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der vorstehend unter I. 1 beschriebenen Erzeugnisse,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen nebst Produktbzeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen nebst Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) des durch die in I. 1 beschriebenen Handlungen erzielten Gewinns unter Aufschlüsselung der Gestehungskosten sowie sonstiger Kostenfaktoren, wobei diese Angaben nur für die Zeit ab dem 21.07.1995 zu machen sind.
3. die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter I. 1 beschriebenen Kappaggregate auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden und zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet sind,
1. an die Klägerin für die unter I. 1 bezeichneten, in der Zeit vom 28.05.1993 bis zum 20.07.1995 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser seit dem 21.07.1995 durch die in I. 1. bezeichneten und begangenen Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Geltungsbereich der Bundesrepublik als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patentes 0 538 xxx (im folgenden Klagepatent), welches am 24.10.1991 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 28.04.1993 veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 21.06.1995. Als Vertragsstaat wurde unter anderem Deutschland benannt. Das Klagepatent, welches Kappaggregate zum Abtrennen von Überständen von Kantenmaterial betrifft, steht mit seinem deutschen Teil in Kraft; über die seitens der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.10.2004 eingelegte Nichtigkeitsklage (Anlage B 3) beim Europäischen Patentamt ist bisher nicht entschieden.
Die von der Klägerin in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents haben folgenden Wortlaut:
„1. Kappgerät für Maschinen zur Bearbeitung von geradlinig und fortlaufend bewegten plattenförmigen Werkstücken (W), zum Abtrennen von über die vorderen und hinteren, im wesentlichen quer zur Bewegungsrichtung der Werkstücke verlaufenden Schmalflächen (26, 27) der Werkstücke hinaus stehenden Überstände (3, 4) von Kantenmaterial (2), welches an parallel zur Bewegungsrichtung verlaufenden Schmalflächen der Werkstücke angebracht, vorzugsweise angeleimt ist,
– mit jeweils einer mit einem angetriebenen Kappsägeblatt (16 bzw. 17) ausgestatteten Sägeeinheit (28 bzw. 29) für den vorderen (3) und den hinteren Kantenmaterialüberstand.
– je einem Anschlag (20 bzw. 21) für jedes Kappsägeblatt (16 bzw. 17), dessen Anschlagfläche (22 bzw. 23) mit einer Schnittebene des jeweiligen Kappsägeblattes (16 bzw. 17) fluchtet und an der vorderen bzw. hinteren Schmalfläche (26 bzw. 27) der plattenförmigen Werkstücke anlegbar ist,
– einer Schrägführungsanordnung, mit der die Sägeeinheiten (28 bzw. 29) zur Durchführung der Trennschnitte mit dem wirksamen Bereich ihrer Kappsägeblätter von einer Stellung über bzw. unter dem Kantenmaterial (2) entlang einer schräg zur Werkstückdurchlaufeben verlaufenden Ebene in eine Stellung unter bzw. über dem Kantenmaterial (2) und zurück verführbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Schrägführungsanordnung eine einzige Führungsbahn (5) aufweist, an der beide Sägeeinheiten (28 und 29) verfahrbar gelagert sind.
2. Kappaggregat nach Anspruch 1, mit jeweils auf einer Antriebswelle eines Elektromotors (14 bzw. 15) unmittelbar angeordneten Kappsägeblatt (16 bzw. 17)
dadurch gekennzeichnet, dass die Sägeeinheiten (28 und 29) derart an der einzigen Führungsbahn (5) gelagert sind, dass die Kappsägeblätter (16 und 17) dicht aneinander fahrbar und die Elektromotoren (14 und 15) jeweils auf den einander abgewandten Seiten der Sägeblätter angeordnet sind.„
Wegen des Wortlautes der weiteren Patentansprüche, insbesondere der Unteransprüche 3 bis 5 wird auf das Klagepatent verwiesen. Die nachstehend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift und dienen zur Erläuterung des beanspruchten Gegenstandes anhand eines Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt schematisch die wesentlichsten Teile eines erfindungsgemäßen Kappgeräts in einer Seitenansicht und die Figuren 3 bis 8 zur Erläuterung der Arbeitsweise schematisch verschiedene Phasen des Abtrennvorganges.
Die Beklagte zu 1) stellt automatische Kantenanleimmaschinen her und liefert diese an die Beklagte zu 2), welche sie in der Bundesrepublik Deutschland anbietet und vertreibt. Zu den von der Beklagten zu 1) gelieferten und der Beklagten zu 2) angebotenen sowie vertriebenen Kantenanleimmaschinen zählen Maschinen des X, Y, Z und K. Diese dienen der Bearbeitung von Holzplatten. Mit ihnen kann Kantenmaterial an Schmalflächen der Holzplatten angeleimt werden. Die Maschinen verfügen zudem über Kappaggregate, mit denen überstehendes Kantenmaterial abgetrennt werden kann. Zur Erläuterung dieser (nachfolgend angegriffene Ausführungsform) hat die Klägerin einen Prospekt der Beklagten zu 1) betreffend die Maschine A und als Anlagen K 7 und K 8 mit Bezugsziffern und Bezeichnung versehene Vergrößerungen der Prospektabbildungen vorgelegt. Hierauf wird Bezug genommen. Die Anlage K 7 wird nachfolgend verkleinert wiedergegeben.
Die Klägerin nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Auskunft, Vernichtung, Schadenersatz und Entschädigung in Anspruch.
Nachdem sie ursprünglich den Antrag I. 1 nur auf den Anspruch 1 des Klagepatents gestützt hat, macht die Klägerin diesen nunmehr in Kombination mit Anspruch 2 des Klagepatents geltend, und beantragt,
wie zuerkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, hilfsweise bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Beklagten auszusetzen.
Die Beklagten berufen sich auf ein privates Vorbenutzungsrecht. Die angegriffenen Ausführungsformen entsprächen im technischen Aufbau den Maschinen AN1, „N2„ und „N3„, die beginnend mit dem Jahr 1982 von der Aa., einer ehemaligen Tochterfirma der Beklagten zu 1), mit der diese 1990 verschmolzen sei, hergestellt und in Italien vertrieben worden seien. Anlässlich der Messe X seien sie zudem 1985 in B ausgestellt, mündlich beworben und in einem gemeinsamen Katalog (Anlage B 7) vorgestellt worden. Zur Erläuterung der Maschinen haben die Beklagten als Anlagen B 2, GKSS 6 bis 26 zur Anlage B 3 Explosionszeichnungen und Fotografien der Maschinen vorgelegt, auf welche Bezug genommen wird. Die Maschinen weisen nach Auffassung der Beklagten, sämtliche Merkmale des Hauptanspruchs und der Unteransprüche des Klagepatents auf. Infolge dessen sei auch von einer offenkundigen Vorbenutzung auszugehen, so dass das Klagepatent nicht rechtsbeständig sei. Der Rechtsstreit sei deshalb zumindest auszusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Schadenersatz und Entschädigung nach den Art. 2, 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a, 140 b, 9 PatG, §§ 242, 259 BGB und Art. II § 1 IntPatÜG zu. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Eine Aussetzung war nicht veranlasst.
I.
Das Klagepatent betrifft Kappgeräte zum Abtrennen von Überständen von Kantenmaterial. Kappaggregate werden in der holzverarbeitenden Industrie eingesetzt, um überstehendes Kantenmaterial von Holzplatten abzutrennen. Das Kantenmaterial besteht beispielsweise aus Holz- und Kunststoffprofilen oder einfachen Streifenkanten, welche an der Schmalfläche der Platten angebracht werden. Kappgeräte der in Rede stehenden Art sind in der Regel Bestandteil von größeren Maschinenanlagen, durch die die zu bearbeitenden Platten laufen.
Derartige Kappgeräte sind dem Klagepatent zufolge in verschiedenen Ausführungsformen seit längerem bekannt, wobei die Kappwerkzeuge – üblicherweise Sägeeinheiten mit kreisförmigen Sägeblättern – in einer Führung geführt werden, die schräg zur Oberfläche der zu bearbeitenden Holzplatte verläuft. Die Schrägführungsanordnung besteht dabei aus zwei separaten, meist sogar voneinander getrennten Führungseinheiten, von denen die eine Führungseinheit die Sägeeinheit für den vorderen, und die andere Führungseinheit die Sägeeinheit für den hinteren Kantenmaterialüberstand trägt. Bekannt sind dabei in Form von Säulenführungen ausgestaltete Führungseinheiten, die nach oben aufeinander zulaufen (sogenannte Spitz-Anordnungen), nach oben auseinanderlaufenden (sogenannte V-Anordnungen) oder parallel zueinander verlaufen (sogenannte Parallel-Anordnungen). Darüber hinaus erwähnt das Klagepatent unter Nennung der deutschen Gebrauchsmusterschrift 73 15 715 Führungsanordnungen als bekannt, die als Parallelogrammführung ausgebildet sind oder als sogenannte Waagerecht-Doppelstangenführungen.
Als nachteilig kritisiert das Klagepatent, dass sämtliche bekannte Schrägführungsanordnungen aufgrund der Unterteilung in getrennte Führungseinheiten relativ viel Platz benötigen. Auch stellen sie aufgrund der Doppelanordnung technisch aufwendige und wegen der großen Anzahl der erforderlichen Teile fertigungstechnische teure Lösungen dar.
Ausgehend hiervon liegt dem Klagepatent das Problem (die Aufgabe) zugrunde, ein Kappaggregat der beschriebenen Gattung derart weiterzubilden, dass ohne funktionelle Nachteile bei technisch einfachem Aufbau eine kompaktere Konstruktion erzielt wird.
Zur Lösung sieht das Klagepatent in seinen hier von der Klägerin in Kombination geltend gemachten Ansprüchen 1 und 2 ein Kappaggregat mit folgenden Merkmalen vor:
Kappgerät
1) für Maschinen zur Bearbeitung von geradlinig und fortlaufend bewegten plattenförmigen Werkstücken (W)
a) zum Abtrennen von über die vorderen und hinteren, im wesentlichen quer zur Bewegungsrichtung der Werkstücke verlaufende Schmalflächen (26, 27) der Werkstücke hinaus stehenden Überstände (3, 4) von Kantenmaterial (2),
b) welches an parallel zur Bewegungsrichtung verlaufenden Schmalflächen der Werkstücke angebracht, vorzugsweise angeleimt ist;
2) mit jeweils einer mit einem angetriebenen Kappsägeblatt (16 bzw. 17) ausgestatteten Sägeeinheit (28 bzw. 29) für den vorderen (3) und den hinteren Kantenmaterialüberstand,
a) wobei die Kappsägeblätter (16 bzw. 17) unmittelbar jeweils auf einer Antriebswelle eines Elektromotors (14 bzw. 15) angeordnet sind
b) und die Sägeeinheiten (28 und 29) derart an der an der einzigen Führungsbahn (5) gelagert sind, dass die Kappsägeblätter (16 und 17) dicht aneinander fahrbar und die Elektromotoren (14 und 15) jeweils auf den einander abgewandten Seiten der Sägeblätter angeordnet sind.
3) je einem Anschlag (20 bzw. 21) für jedes Kappsägeblatt (16 bzw. 17),
a) dessen Anschlagfläche (22 bzw. 23) mit einer Schnittebene des jeweiligen Kappsägeblattes (16 bzw. 17) fluchtet
b) und an der vorderen bzw. hinteren Schmalfläche (26 bzw. 27) der plattenförmigen Werkstücke anlegbar ist;
4) mit einer Schrägführungsanordnung, mit der die Sägeeinheiten (28 bzw. 29) zur Durchführung der Trennschnitte mit dem wirksamen Bereich ihrer Kappsägeblätter von einer Stellung über bzw. unter dem Kantenmaterial (2) entlang einer schräg zur Werkstückdurchlaufebene verlaufenden Ebene in eine Stellung unter bzw. über dem Kantenmaterial (2) und zurück verführbar sind;
5) die Schrägführungsanordnung eine einzige Führungsbahn (5) aufweist, an der beide Sägeeinheiten (28 und 29) verfahrbar gelagert sind.
Der erfindungsgemäßen Lösung liegt somit der Gedanke zugrunde, anstelle der bisher erforderlichen zwei Führungseinheiten lediglich eine einzige Führungseinheit vorzusehen und beide Sägeeinheiten derart zu gestalten, dass sie ohne gegenseitige funktionelle Beeinträchtigung an der einzigen Führungsbahn verfahrbar sind. Infolge der Reduzierung der Schrägführungsanordnung auf eine einzige Führungsbahn ergibt sich fertigungstechnisch eine Verringerung der Anzahl der Einzelteile und damit eine erhebliche Kostenreduzierung. Darüber hinaus ermöglicht der Wegfall der zweiten Führungseinheit eine kompakte Bauweise, die zu einem vergleichsweise geringerem Platzbedarf führt.
Als Vorteil einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung entsprechend den Merkmalen 2 a) und b) hebt die Klagepatentschrift zudem hervor, dass mit einer derartigen Anordnung relativ kurze Werkstücklängen bearbeitet werden können, ohne dass sich die beiden Sägeeinheiten hierbei in irgendeiner Weise stören.
II.
1)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale des Klagepatents. Sie machen unstreitig von der in Anspruch 1 und 2 beschriebenen technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, so dass es hierzu keiner weiteren Erläuterung bedarf.
2)
Die Beklagten können sich im Hinblick auf die von der Aa hergestellten und vertriebenen Maschinen „AN1„, „N2„ und „N3„ nicht auf ein privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG berufen, wobei dahin stehen kann, ob die Aa. 1990 mit der Beklagten zu 1) fusioniert und diese als deren Rechtsnachfolgerin anzusehen ist.
Ein privates Vorbenutzungsrecht scheitert nämlich jedenfalls daran, dass die Beklagten die erforderliche Betätigung eines etwaigen Erfindungsbesitzes in Deutschland vor dem 24.10.1991, dem Tag der Anmeldung des Klagepatents, durch Vornahme einer Benutzungshandlungen entsprechend den §§ 9, 10 PatG nicht ausreichend dargelegt haben.
Zwar haben sie eine Inlandsbenutzung der N-Maschinen durch Ausstellen und mündliches wie schriftliches Bewerben in einem gemeinsamen Prospekt auf der Messe X 1985 in B und damit ein Anbieten im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PatG (Busse/Keukenschrijver, PatG, § 9 Rdnr. 72 m.w.N.) vorgetragen. Angesichts des Bestreitens der Klägerin genügte der Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten hierzu jedoch nicht.
Auch wenn aus dem als Anlage B 7 vorgelegten Prospekt hervorgeht, dass die Maschinen „AN1„, „N2„ und „N3„ in einem gemeinsamen Katalog beworben wurden, lässt dieses Dokument keinen hinreichenden Bezug zur Messe X 1985 in Berkennen. Allein die Innenseite der umgeklappten Lasche des englischsprachigen Prospektes könnte darauf hindeuten, da sich dort die Überschrift „MN„ findet. Eine Erläuterung dieser Überschrift ist dem darunter folgenden Text jedoch ebensowenig zu entnehmen wie dem Prospekt insgesamt. Die Messe X wird an keiner Stelle namentlich oder zeitlich erwähnt. Eine Datumsangabe erfolgt nicht, gleichfalls fehlen Angaben zu einem Ausstellungsstand und/oder dessen Standort auf der Messe sowie zur Herstellung des Prospektes. Aus dem Dokument selbst ergibt sich folglich nicht, dass es sich um einen Prospekt handelt, der für die genannte Messe erstellt und dort verteilt wurde. Die Beklagten haben die fehlenden Angaben auch nicht substantiiert vorgetragen. Weder wurde das konkrete Datum der Messe X in 1985 noch der genaue Ausstellungsort/Stand vorgebracht. Ebenso verzichteten sie darauf darzulegen, welche Anzahl welcher N-Maschine ausgestellt wurde, welche Mitarbeiter damals vor Ort waren und/oder beispielhaft welche Angebots- oder Verkaufsgespräche mit wem geführt wurden. Auch die von ihnen – in anderem Zusammenhang vorgelegten – eidesstattlichen Versicherungen der italienischen Mitarbeiter, der Herren D, E und F, ist hierzu nichts zu entnehmen, obwohl jedenfalls zwei von ihnen 1985 bei der Aa. beschäftigt waren.
Mangels ausreichender Substantiierung ist eine Betätigung eines Erfindungsbesitzes mithin nicht anzunehmen und ein privates Vorbenutzungsrecht infolge dessen nicht festzustellen. Zudem haben die Beklagten insoweit keinen Beweis angeboten.
Im Übrigen wäre für ein privates Vorbenutzungsrecht zu beachten, dass die bei den Maschinen „AN1, „N2„ und „N3„ vorhandene vordere und die hintere Sägeeinheit unstreitig auf der Antriebswelle des einzigen, gemeinsamen Motors angeordnet sind. Die vermeintlich vorbenutzten Ausführungsformen entsprachen folglich nicht dem vom Klagepatent in der Kombination der Ansprüche 1 und 2 beanspruchten Gegenstand, da jedenfalls dieser das Vorhandensein von zwei separaten Elektromotoren für die jeweiligen Sägeeinheiten vorsieht. Da – ebenso unstreitig – die angegriffenen Ausführungsformen zwei Elektromotoren im Sinne der geltend gemachten Kombination aufweisen, sind sie als – klagepatentverletzende – Weiterentwicklung der vermeintlich vorbenutzten Ausführungsformen anzusehen. Einem Vorbenutzer sind jedoch Weiterentwicklungen, die über den Umfang der bisherigen Benutzung hinausgehen jedenfalls dann verwehrt, wenn sie in den Gegenstand der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung eingreifen (BGH GRUR 2002, 231 – Biegevorrichtung).
III.
Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
1)
Die Beklagten sind der Klägerin gegenüber gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 9 Nr. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da sie den Gegenstand des Klagepatents unberechtigt benutzt haben.
2)
Die Beklagten haben der Klägerin darüber hinaus nach Art. II § 1 IntPatÜG für die Zeit bis zur Veröffentlichung des Hinweises auf Erteilung des Klagepatents und im Anschluss daran Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Überdies ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt. Ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ist demnach anzuerkennen, § 256 ZPO. Die Beklagten haften als Gesamtschuldnerinnen, §§ 830, 840 BGB.
3)
Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
Die Beklagten haben zudem über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140 b PatG. Die danach geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.
4)
Schließlich steht der Klägerin der geltend gemachte Vernichtungsanspruch zu, Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140 a PatG zu. Unverhältnismäßigkeit ist von den Beklagten nicht geltend gemacht worden.
IV.
Im Hinblick auf die gegen das Klagepatent zum Europäischen Patentamt eingelegte Nichtigkeitsklage (Anlage B 3) besteht keine Veranlassung zur Aussetzung gemäß § 148 ZPO.
Nach der Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine dem Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
Sofern eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht wird, die nicht lückenlos durch liquide Beweismittel, insbesondere Urkunden belegt ist, sondern, zumindest in Teilen, auch auf einen Zeugenbeweis gestützt wird, ist eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit zu verneinen, da eine Vernehmung der angebotenen Zeugen nur im Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsverfahren stattfindet, nicht hingegen im Verletzungsprozess. Für das Verletzungsgericht ist es bereits unvorhersehbar, in welcher Weise die benannten Zeugen überhaupt aussagen werden und ob ihre Aussagen, wenn sie für die Beklagten günstig sind, für glaubhaft gehalten werden. Es ist demnach nur eine unsichere Prognose möglich, woran auch schriftliche Erklärungen der Zeugen nichts ändern (OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636 – Ventilanbohrvorrichtung).
Von diesen Grundsätzen ausgehend kann die erforderliche überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht angenommen werden.
Auch wenn vorliegend fraglich ist, ob es im Nichtigkeitsverfahren überhaupt zu einer Zeugeneinvernahme kommen wird, da die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vom 13. Juni 2009 (Anlage K 9) dem mit Zeugen unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten zum Anbieten und (unveränderten) Inverkehrbringen der Maschinen „AN1„ und „N2„ seit 1982 in und außerhalb Italiens nicht in erheblicher Weise entgegen getreten ist, so steht einer Aussetzung jedenfalls entgegen, dass die Beklagten nicht ausreichend dargelegt haben, dass eine Vernichtung des Klagepatents wegen der vermeintlichen offenkundigen Vorbenutzung überwiegend wahrscheinlich ist.
Der Gegenstand der geltend gemachten Kombination der Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents ist unstreitig neu gegenüber den Maschinen „AN1„, „N2„ und „N3„, die hinsichtlich des hier in Rede stehenden Kappaggregats einen identischen technischen Aufbau aufweisen. Unstreitig verfügen sie nur über einen Elektromotor auf dessen Antriebswelle sowohl die vordere wie auch die hintere Sägeeinheit unmittelbar angeordnet ist. Beide Sägeeinheiten sind fest positioniert zueinander und nicht verschiebbar.
Dass es für den Durchschnittsfachmann aufgrund des Standes der Technik nahegelegt war, anstelle dieses einen Elektromotors zwei separate Elektromotoren vorzusehen, die jeweils (nur) einer der beiden Sägeeinheiten antreiben, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Unstreitig kommt es bei den Maschinen „AN1„, „N2„ und „N3„ infolge der Verwendung nur eines Antriebsmotors zu zwei sogenannten Leerhuben. Die Sägeeinheiten befinden sich anfangs vor der Bearbeitung des Werkstückes unterhalb der Werkstückdurchlaufebene. Um – im ersten Schritt – den vorderen Überstand abtrennen zu können, fährt die (vordere) Sägeeinheit, wenn das Werkstück mit ihr in Anschlag gerät, nach oben. Beim Herauffahren wird der vordere Überstand sodann mit dem dazugehörigen Kreissägeblatt abgeschnitten. Nach diesem ersten Abschnitt befindet sich die vordere Sägeeinheit oberhalb der Werkstückdurchlaufebene. Aufgrund der gemeinsamen fest verbundenen Anordnung der vorderen Sägeeinheit mit der hinteren Sägeeinheit auf einer Antriebswelle des einzigen Elektromotors ist zwangsläufig auch die hintere Sägeeinheit zu diesem Zeitpunkt oberhalb der Werkstückdurchlaufebene. Damit mit der hinteren Sägeeinheit, dessen Kappsägeblatt die gleiche Laufrichtung aufweist wie das der vorderen, der hintere Überstand abgetrennt werden kann, bedarf es zunächst eines Ausrückens der Sägeeinheiten aus dem Schnittbereich und sodann des Herunterfahrens unter die Werkstückdurchlaufebene verbunden mit einem erneuten Einrücken. Nach Einrücken der Sägeeinheiten kann diese dem Werkstück erneut hinterherlaufen und den hinteren Kantenmaterialüberstand abschneiden. Es kommt folglich „im Werkstück„ zu einem Verfahrweg ohne Schnitt, einem Leerhub. Nach Beendigung des zweiten Schnittes müssen die Sägeeinheiten wiederum einen Leerhub, dieses mal „in der Werkstücklücke„, ausführen, damit die Sägeeinheiten vor Einlaufen des nächsten Werkstückes wieder in die Anfangsposition gelangt. Bei dem beanspruchten erfindungsgemäßen Kappaggregat hingegen kommt es infolge des für jede Sägeeinheit vorhandenen separaten Elektromotors nur zu einem Leerhub „in der Werkstücklücke„. Infolgedessen ist zum einen ohne weiteres die Bearbeitung unterschiedlich langer Werkstücke möglich und zum anderen ein zeitlich voneinander unabhängiges Arbeiten der Sägeeinheiten. Von einer vollständig übereinstimmenden grundsätzlichen Arbeitsweise von Sägeeinheiten, die nur durch einen Elektromotor angetrieben werden und denen, die von zwei einzelnen Elektromotoren angetrieben werden, kann demnach nicht ausgegangen werden.
Angesichts dessen ist ein derartiger Austausch für den Durchschnittsfachmann – auch unter Berücksichtigung des übrigen Standes der Technik, der unstreitig auch Ausführungsformen mit zwei Elektromotoren vorsah – nicht nahegelegt. Dieser Austausch verändert wie dargelegt den Arbeitsablauf der Sägeeinheiten. Die Maschinen „AN1„, „N2„ und „N3„ bieten keinen Anhalt dafür, weshalb eine andere Arbeitsweise angestrebt und die mit dem Austausch einhergehende Reduzierung der Leerhube erreichen werden sollte. Dies vor allem deshalb nicht, weil das Vorsehen von zwei separaten Elektromotoren zu einer vergrößerten, da doppelt ausgelegten Bauweise führt. Die N-Maschinen bieten im Vergleich hierzu die kompaktere Lösung. Ferner sind nach dem Vortrag der Beklagten etwaige mit der beanspruchten Erfindung verbundene Vorteile durch Veränderung der weiteren Arbeitsläufe, wie z. B. des Vorschubs, im Ergebnis ebenso mit den Maschinen „AN1„, „N2„ und „N3„ zu erzielen. Der Fachmann hatte hiernach folglich keine Veranlassung von der aus diesen Maschinen vorbekannten Lösung im genannten Sinne abzuweichen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709, 108 ZPO.
VI.
Der Streitwert beträgt 500.000,00 €.