Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Januar 2009, Az. 4b O 146/07
Rechtsmittelinstanz: 2 U 30/09
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 300.000 festgesetzt.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten Europäischen Patents EP 0 932 XXX B1 (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage MBP 1), welches ein Aufblasventil für Säcke oder andere Behälter betrifft und zu dessen benannten Vertragsstaaten unter anderem die Bundesrepublik Deutschland zählt. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 07. März 2001.
Als deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift reichte die frühere Inhaberin des Klagepatents – die nunmehr als A firmierende Tochtergesellschaft der Klägerin mit Sitz in Dänemark – die aus der Anlage H-E 10 ersichtliche Übersetzung ein, aus der die T 2-Schrift DE 697 04 XXX (Anlage MBP 2) hervorging. Die Klägerin übernahm das Klagepatent später von ihrer Tochtergesellschaft. Am 08. Dezember 2008 reichte die Klägerin eine berichtigte Fassung der deutschen Übersetzung des Klagepatents beim Deutschen Patent- und Markenamt ein, in der nunmehr auch die in der Beschreibung enthaltenen Überschriften übersetzt sind.
Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Hauptanspruch 1 des Klagepatents lautet in seiner deutschen Übersetzung:
„Aufblasventil für Säcke, Taschen oder ähnliche Behälter mit unstarren Wänden, wobei diese Behälter unter Druck gesetzt werden sollen, vorzugsweise mit Luftdruck, wobei das Aufblasventil einen Flansch aufweist, der aus einem röhrenförmigen Teil mit einer kreisförmigen zylindrischen Öffnung und einem plattenförmigen Teil gebildet ist, mit dem der Flansch am Behälter befestigt wird; das Aufblasventil enthält ferner eine Einfülldüse, die so ausgebildet ist, dass sie mit Hilfe einer Schnappverbindung in Dichteingriff in der Öffnung des röhrenförmigen Teiles angeordnet werden kann, und ein mit der Einfülldüse verbundenes Gaszuführrohr, dadurch gekennzeichnet, dass die Einfülldüse in der Öffnung frei drehbar gelagert ist und einen Teil eines Ventilkörpers bildet oder mit diesem verbunden ist, welcher sich etwas unterhalb des äußeren Endes des röhrenförmigen Teils in Achsrichtung des Flansches erstreckt und welcher senkrecht zu dieser Achsrichtung mit dem Gaszuführkanal mit einer ein Gaszuführrohr in Passeingriff aufnehmenden Öffnung versehen ist, wobei ein Ende so ausgebildet ist, dass es eine Ventilklappe mechanisch öffnet, sobald das Gaszuführrohr eingeführt wird, wobei die Klappe im Ventilkörper angebracht ist und normalerweise den Gaszuführkanal aufgrund des elastischen Materials oder der Anbringung der Ventilklappe geschlossen hält.“
Nachfolgend ist die Figur 1 des Klagepatents eingeblendet, welche eine graphische Darstellung des klagepatentgemäßen Ventils von oben zeigt.
Der Beklagte zu 3) ist geschäftsführender Gesellschafter der Beklagten zu 1) und 2).
Die Klägerin meint, die Beklagten verletzten den Hauptanspruch 1 des Klagepatents – zumindest mittelbar – in wortsinngemäßer Weise. Sie nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch. Hierzu behauptet die Klägerin: Die Beklagte zu 2) stelle Airbags mit das Klagepatent verletzenden Aufblasventilen (Anlagen MBP 15 bis MBP 20) her und liefere diese unter anderem an die Beklagte zu 1), welche diese nach Deutschland vertreibe, und zwar teils mit, teils ohne beigefügte „Gasluftpistolen“. Dabei gingen alle Beklagten „als Personalunion“ vor. Die Beklagte zu 1) biete die betreffenden Airbags mit Aufblasventilen weltweit über das Internet an; hierzu verweist die Klägerin auf den Internetauszug gemäß Anlage MBP 14. Im Juli 2005 habe die Beklagte zu 1) einen Airbag mit einem patentverletzenden Aufblasventil an die B GmbH & Co.KG mit Sitz in C geliefert. Die Beklagte zu 2) liefere darüber hinaus auch selbst unmittelbar nach Deutschland, wie sich aus dem als Anlage MBP 22 vorgelegten Lieferschein ergebe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. die Beklagten zu verurteilen,
a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Aufblasventile für Säcke, Taschen oder ähnliche Behälter mit unstarren Wänden, wobei diese Behälter unter Druck gesetzt werden sollen, vorzugsweise mit Luftdruck, wobei die Aufblasventile einen Flansch aufweisen, der aus einem röhrenförmigen Teil mit einer kreisförmigen zylindrischen Öffnung und einem plattenförmigen Teil gebildet ist, mit dem der Flansch am Behälter befestigt wird, wobei die Aufblasventile ferner eine Einfülldüse enthalten, die so ausgebildet ist, dass sie mit Hilfe einer Schnappverbindung in Dichteingriff in der Öffnung des röhrenförmigen Teiles angeordnet werden kann, und der Aufnahme eines mit der Einfülldüse verbundenen Gaszuführrohres dienen,
in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr zu bringen, anzubieten, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Einfülldüse in der Öffnung frei drehbar gelagert ist und einen Teil eines Ventilkörpers bildet oder mit diesem verbunden ist, welcher sich etwas unterhalb des äußeren Endes des röhrenförmigen Teils in Achsrichtung des Flansches erstreckt und welcher senkrecht zu dieser Achsrichtung mit dem Gaszuführkanal mit einer ein Gaszuführrohr in Passeingriff aufnehmenden Öffnung versehen ist, wobei ein Ende so ausgebildet ist, dass es eine Ventilklappe mechanisch öffnet, sobald das Gaszuführrohr eingeführt wird, wobei die Klappe im Ventilkörper angebracht ist und normalerweise den Gaszuführkanal aufgrund des elastischen Materials oder der Anbringung der Ventilklappe geschlossen hält;
b) der Klägerin für die Zeit ab dem 7.4.2001 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter vorstehend zu a) beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, unter Angabe der Namen und Anschriften der Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber;
c) der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu a) bezeichneten und seit dem 7.4.2001 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine und unter Angabe
aa) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
bb) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
cc) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, und zwar unter Angabe der Werbung im Internet und der Zahl der darauf erfolgten Zugriffe,
dd) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
d) die in unmittelbarem oder mittelbarem Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend a) an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
2. festzustellen,
a) dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin für die zu Ziffer 1a) bezeichneten und in der Zeit vom 4.8.1999 bis 6.4.2001 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
b) dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin oder der Firma A, (Dänemark) durch die zu Ziffer 1a) bezeichneten und seit dem 7.4.2001 begangenen Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Die Beklagten beantragen,
wie erkannt.
Die Beklagten behaupten, der Internetauszug gemäß Anlage MBP 14 entstamme nicht einer domain der Beklagten zu 1), sondern des thailändischen Departments of D; zudem sei der Anlage MBP 14 kein klagepatentgemäßes Aufblasventil zu entnehmen. Die Beklagten meinen, die angegriffenen Aufblasventile machten jedenfalls von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Diese verfügten nämlich nicht über ein mit der Einfülldüse verbundenes Gaszuführrohr. Im Ventilkörper sei keine Ventilklappe angebracht, so dass der Gaszuführkanal auch nicht durch eine solche aufgrund ihres elastischen Materials oder ihrer Anbringung geschlossen gehalten werde. Zudem sei der Ventilkörper nicht mit einem Gaszuführkanal senkrecht zur Achsrichtung versehen, der eine ein Gaszuführrohr in Passeingriff aufnehmende Öffnung aufweise. Das Ende des Gaszuführrohrs sei darüber hinaus nicht so ausgebildet, dass es eine Ventilklappe mechanisch öffne, sobald das Gaszuführrohr eingeführt werde.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nicht zu, weil das Klagepatent in der Bundesrepublik Deutschland nicht in Kraft steht. Gem. Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG (§§ ohne Gesetzestextangabe sind nachfolgend solche des IntPatÜG) gelten die Wirkungen des Klagepatents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten, weil mit dem Schreiben gemäß Anlage H-E 10 dessen Übersetzung nicht in einer eine ordnungsgemäße Veröffentlichung gestattenden Form eingereicht wurde.
1)
Die Regelung des Art. II § 3 ist auf das noch vor dem 01. Mai 2008 veröffentlichte Klagepatent anzuwenden (Art. XI § 4).
2)
Die Regelung des Art. II § 3 verlangt die Einreichung einer vollständigen Ü- bersetzung (LG Düsseldorf, InstGE 7, 136 – Tamsulosin; Krasser, PatentR, 5. Auflage (2004), S. 91; Püschel, in: Schulte, PatG, 8. Auflage, Art. II § 3 IntPatÜG Rn 20), d.h. eine solche, die sämtliche Teile und Seiten der übersetzten Beschreibung lückenlos aufweist und alle übersetzbaren Hinweise in den Zeichnungsblättern umfasst. Solches ist in Bezug auf die deutsche Übersetzung des Klagepatents nicht der Fall. Wie in tatsächlicher Hinsicht nämlich unstreitig ist, fehlten in der innerhalb der Frist gemäß Art. II § 3 eingereichten Übersetzung folgende im Original vorhandene Überschriften: „A“, „B“, „C“, „D“ und „E“.
Soweit die Klägerin unter Verweis auf § 10 PatV bzw. Art. 34 Abs. 3 Nr. 3, Art. 84 EPÜ geltend macht, Überschriften zählten nicht zwingend zum Bestandteil der Beschreibung, vermag dies der Annahme einer Unvollständigkeit im oben beschriebenen Sinne hier nicht entgegenzustehen, da die Beschreibung des Klagepatents in der englischen Originalversion diese Überschriften – wie Regel 5.1 (c) PCT dies vorsieht – gerade aufweist. Auch wenn den Überschriften bloß Verweisungsfunktion auf den „eigentlichen“ Beschreibungsinhalt beizumessen sein sollte, müssen auch diese komplett übersetzt werden. Dieses strikte Verständnis von der Vollständigkeit der Übersetzung basiert auf mehreren, nachfolgend wiedergegebenen rechtlichen Überlegungen.
a)
Die Bedingung der Vollständigkeit folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst. Art. II § 3 Abs. 1 fordert den Anmelder oder Patentinhaber auf, „eine deutsche Übersetzung der Patentschrift“ einzureichen, die begrifflich neben den Ansprüchen und dem (vollständigen) Beschreibungstext auch etwaige Zeichnungen einschließt. Es heißt demgegenüber nicht, dass (einzelne) Teile oder (einzelne) Seiten der Übersetzung der Patentschrift oder eine nur teilweise Übersetzung eingereicht werden sollen bzw. können.
b)
Zu verweisen ist des Weiteren auf den Sinn und Zweck des Übersetzungserfordernisses. Wie der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. GPatG mit Blick auf Art. II § 3 II IntPatÜG zu erkennen gibt, soll die Übersetzung der europäischen Patente dazu dienen, im Interesse der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft die Nutzbarmachung und Verbreitung der Patentinformation in deutscher Sprache zu fördern und zugleich Wettbewerbsnachteile der deutschen Unternehmen gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz zu beseitigen. Die vorher geltende Regelung benachteiligte – so die Gesetzesbegründung – die deutsche Industrie, die mit fremdsprachigen Schutzrechten konfrontiert wird, obwohl sie ihrerseits in den übrigen Vertragsstaaten des EPÜ zur Vorlage von Übersetzungen gezwungen ist. Die deutschen Marktteilnehmer sollen auch ohne Sprachschwierigkeiten den Inhalt europäischer Schutzrechte zur Kenntnis nehmen können, insbesondere um diese beachten zu können. Die damit verbundenen (Übersetzungs-)Kosten soll dabei derjenige tragen, dem letztlich der wirtschaftliche Nutzen des Schutzrechts zugute kommt. Im Anschluss daran ist Hauptziel der von Art. II § 3 Abs. 3 vorgesehenen Veröffentlichung der Übersetzung die Verbreitung der Patentinformation in deutscher Sprache. Effektiv gewahrt wird der Sinn und Zweck des Art. II § 3 Abs. 2 und des darauf aufbauenden Abs. 3 nur dann, wenn die Übersetzung vollständig ist und sämtliche Teile der Patentschrift zur Gänze in deutscher Sprache eingereicht wurden und infolgedessen zugänglich sind. Denn nach Art. 69 EPÜ bestimmt sich der Schutzbereich eines europäischen Patents nach dem Inhalt der – stets auch in deutscher Sprache vorliegenden – Patentansprüche, zu deren Auslegung die (gesamte) Patentbeschreibung und etwaige Zeichnungen heranzuziehen sind. Fehlen Teile oder Seiten der Übersetzung sind die technische Lehre des Patents und der Inhalt der Patentschrift nur lückenhaft zu ersehen. Damit ist das Verständnis der Erfindung jedenfalls potenziell fehlerbehaftet, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Die im europäischen Patent tatsächlich enthaltene Patentinformation wird dann gerade nicht verbreitet und sie ist für die deutsche Wirtschaft eben nicht ohne eigenen Kostenaufwand nutzbar zu machen.
c)
Das 2. GPatG selbst setzt augenscheinlich das Einreichen einer vollständigen Übersetzung voraus. So heißt es im allgemeinen Teil der Begründung zum Vertragstext zunächst, dass Art. 14 Abs. 7 EPÜ nur die (Mit-) Veröffentlichung der Übersetzung der Patentansprüche in die drei Amtssprachen vorsieht. Sodann wird ausgeführt, dass „zusätzliche Übersetzungen der gesamten Patentschrift mit der vollen Beschreibung der Erfindung nach dem EPÜ nicht zwingend vorgeschrieben sind“, dass jedoch „Art. 65 EPÜ … jedem Vertragsstaat die Möglichkeit ein(räumt), von dem Inhaber eines europäischen Patents die Einreichung einer Übersetzung der europäischen Patentschrift in die jeweilige Amtsprache zu verlangen“. Der deutsche Gesetzgeber ging demnach davon aus, dass Art. 65 EPÜ den Vertragsstaaten die Befugnis eröffnet, vom Anmelder oder Patentinhaber die Einreichung einer Übersetzung der gesamten Patentschrift mit der vollen Beschreibung der Erfindung zu verlangen. Diese ihm gegebene Befugnis beabsichtigte er erkennbar mittels der in Art. II § 3 Abs. 1 getroffenen Regelungen auszufüllen.
d)
Für das Erfordernis einer vollständigen Übersetzung spricht ferner die ÜbersV, deren Übereinstimmung mit höherrangigem Recht mit Blick auf die hier in Rede stehende Frage keinem Zweifel unterliegt. § 2 ÜbersV stellt zunächst die Forderung auf, dass die Übersetzung die Beschreibung, die Ansprüche und die Zeichnungen der europäischen Patentschrift umfassen muss. § 5 ÜbersV regelt sodann unter anderem, dass, wenn die Übersetzung nicht innerhalb der in Art. II § 3 Abs. 1 bezeichneten Frist „vollständig“ eingereicht wurde, das Patentamt die Feststellung über den Wirkungsverlust nach Art. II § 3 Abs. 2 trifft. Die ÜbersV erachtet mithin ausdrücklich das Einreichen einer vollständigen Übersetzung als notwendig.
e)
Auch ist eine Differenzierung nach Qualität und Ausmaß bzw. Umfang des fehlenden Teils sachlich a priori nicht gerechtfertigt. Weder Art. II § 3 noch das 2. GPatG bieten dafür einen Anhalt. In den Vorschriften findet sich allein eine formale Unterscheidung zwischen einer „Übersetzung“ (Abs. 1 und 2) und einer „fehlerhaften Übersetzung“ (Abs. 4 und 5). Die Folgen bei Fehlen einer den Art. II § 3 Abs. 1, 2 entsprechenden Übersetzung sind zudem uneingeschränkt und nicht nur für die Konstellationen normiert, in denen sich die Lücke der Patentinformationen nicht ohne Weiteres bzw. nur mit erheblichem Aufwand schließen lässt. Eine Differenzierung nach dem „Grad“ der Unvollständigkeit wäre auch schwerlich mit dem Sinn und Zweck des Übersetzungserfordernisses in Einklang zu bringen. Die Verbreitung der Patentinformation in deutscher Sprache wäre im Falle einer Differenzierung nach dem Ausmaß des Fehlens bei „unwichtigen“ Lücken gerade nicht gewährleistet; die deutschsprachigen Marktteilnehmer wären auch hier gezwungen, die Kosten für eine Übersetzung bzw. die Ergänzung der Übersetzung zu tragen.
Ein Weiteres träte hinzu: Würde die quantitative oder qualitative Bedeutung des fehlenden Übersetzungsteils über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Schutzrechtes entscheiden, wäre dies mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden. Über die Frage, ob eine Lücke als „wichtig“ oder für das Verständnis der Erfindung „erheblich“ anzusehen ist, lässt sich trefflich streiten. Allgemeingültige Aussagen und handhabbare Abgrenzungskriterien lassen sich hierfür kaum herausarbeiten. Je nach Blickwinkel lassen sich im Einzelfall zur Frage der „Erheblichkeit“ durchaus voneinander abweichende Standpunkte vertreten. Eine klare und eindeutig vorhersehbare Regelung, die es allen Marktteilnehmern ermöglicht zu erkennen, ob das europäische Patent in der Bundesrepublik Deutschland entstanden ist, wäre so nicht gewährleistet. Investitionsentscheidungen im Vertrauen auf den Wirkungsverlust des deutschen Teils eines europäischen Patents müssten auf die Gefahr hin getroffen werden, dass die Übersetzungslücke später abweichend von der eigenen Einschätzung als unwesentlich beurteilt wird.
Dies und der Umstand, dass ein sachliches, schützenswertes Interesse des Anmelders oder Patentinhabers für eine – teilweise – Befreiung von der Pflicht zur Übersetzung und damit von der Pflicht zur Bereitstellung von deutschsprachigen Informationen über den Inhalt seines europäischen Patents nicht zu erkennen ist, führen zu dem strikten Verständnis, dass jedes Fehlen einer Übersetzung ohne Ansehung seiner Bedeutung für das Verständnis der technischen Lehre des europäischen Patents die Wirkungen des Art. II § 3 Abs. 2 nach sich zieht. Dies gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass bloße Überschriften in der deutschen Übersetzung nicht enthalten sind, da zumindest Unsicherheiten deutscher Unternehmen in Bezug auf das richtige Verständnis nicht gänzlich ausgeschlossen sind.
d)
Auch der Rechtsansicht der Klägerin, wonach das Fehlen einer vollständigen deutschen Übersetzung in bestimmten Fällen lediglich als – mit milderen Konsequenzen verbundene – „fehlerhafte“ Übersetzung i.S. des Art. II § 3 Abs. 4, Abs. 5 anzusehen sei, ist zu widersprechen. Vor diesem Hintergrund vermag die am 08. Dezember 2008 eingereichte Berichtigung der Übersetzung auch nicht zum Eintritt der für die Klägerin weniger nachteiligen Rechtsfolge des Art. II § 3 Abs. 4 zu verhelfen.
Zwar ist zuzugeben, dass eine unvollständige Übersetzung und eine fehlerhafte Übersetzung zu einem ähnlichen Ergebnis führen können, denn in beiden Fällen kann dem deutschen Marktteilnehmer das Verständnis der technischen Lehre des europäischen Patents erschwert oder unmöglich sein. Trotz dieser Überschneidung in der Wirkung sollen jedoch sowohl nach dem Willen der europäischen Normgeber als auch des deutschen Gesetzgebers die beiden Konstellationen voneinander unterschieden werden. Art. 65 und 70 EPÜ enthalten ebenso wie Art. II § 3 durchgängig eine konsequente Unterscheidung zwischen einer (fehlenden) Übersetzung und einer fehlerhaften Übersetzung. Sie sind bewusst als eigenständige, sich gegenüberstehende Fallgruppen normiert, für die unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche Rechtsfolgen aufgestellt sind. Bereits diese Co-Existenz verbietet es, die eine Konstellation – wenn auch nur bei besonderen Sachverhaltsgestaltungen – als Unterfall der anderen Konstellation zu werten.
Die Regelungen des Art. II § 3 Abs. 1, 2 und des Art. II § 3 Abs. 4, 5 haben überdies einen anderen Regelungsgehalt bzw. einen anderen Anknüpfungspunkt. Art. II § 3 Abs. 4, 5 betreffen inhaltliche Mängel einer vorhandenen Übersetzung. Normiert werden die Beseitigungsmöglichkeiten bzw. die Wirkungen für den Fall, dass eine deutsche Übersetzung erstellt, eingereicht und veröffentlicht wurde, die jedoch vom Sinngehalt und Inhalt des fremdsprachigen Originaltextes abweicht, so dass auf Grund einer falschen Übersetzung eine fehlerhafte Informationsverbreitung eingetreten ist. Die dem Patentinhaber vorzuhaltende Handlung beim Fehlen (eines Teils) der Übersetzung ist demgegenüber eine andere. In dieser Situation ist ein (ernsthafter) Übersetzungsversuch nicht unternommen bzw. nicht eingereicht worden. Die europäische Patentschrift liegt insgesamt oder in Teilen schlicht nicht in einer Übersetzung vor, so dass Auslassungen im Vergleich zur Originalfassung zu konstatieren sind. Es kommt nicht zu Abweichungen und/oder zu einem fehlerhaften Verständnis der Originalfassung der Patentschrift, sondern es erwachsen Informationslücken. Im Umfang des Fehlens der Übersetzung wird schlicht gar keine Patentinformation in deutscher Sprache mitgeteilt bzw. verbreitet.
g)
Aus den vorgenannten Gründen kommt vorliegend auch keine teleologische Reduktion des Art. II § 3 Abs. 2 in Betracht.
Angesichts der klaren gesetzlichen Regelung, deren europarechtliche Konformität bereits bestätigt wurde (EuGH, GRUR Int. 2000, 71 – BASF/Deutsches Patentamt) und die eine Parallele in Art. 14 EPÜ findet, verbietet es sich, gleichsam aus Billigkeitserwägungen heraus die gesetzlich zwingend vorgesehenen Konsequenzen abzumildern oder nicht eingreifen zu lassen. Obgleich dem Gesetzgeber die einschneidende Konsequenz bewusst gewesen ist, hat er sich dafür entschieden, beim Fehlen der in Art. II
§ 3 Abs. 2 IntPatÜG genannten formalen Voraussetzungen dem europäischen Patent in Deutschland die Wirkung zu versagen, und zwar ohne jeglichen Ausnahmetatbestand. Der Rechtsverlust ist insbesondere nicht an ein Erheblichkeitskriterium, ein bestimmtes Gewicht des Verstoßes gegen die aufgestellten Anforderungen, das Ausmaß der Unvollständigkeit oder an die Gründe des Versäumnisses geknüpft. Die erhebliche Sanktion ist seitens des Gesetzgebers auch keineswegs unerkannt geblieben, sondern mit dem Anliegen begründet worden, den Patentinhaber dazu anzuhalten, die Übersetzungen ordnungsgemäß einzureichen (Begr. 2. GPatG, BT-Dr 12/632, Begr. z. Vertragstext C zu Art. 6 Nr. 4 I (S. 18)).
Es darf auch nicht vergessen werden, dass der Anmelder oder Patentinhaber regelmäßig mehrfach vom DPMA auf die drohenden Folgen hingewiesen wird. Bereits auf dem vom DPMA zur Verfügung gestellten Formblatt für die Einreichung von Übersetzungen der europäischen Patentschrift ist ein entsprechender Hinweis enthalten; ein Auszug aus der ÜbersV, der auch § 5 ÜbersV umfasst, liegt bei. In der Regel erfolgt bei Einreichen des europäischen Patents oder einer (offenkundig) nicht den Anforderungen entsprechenden Übersetzung ein weiterer Hinweis.
Darüber hinaus besteht, wenn die Frist zur Einreichung einer den Anforderungen genügenden Übersetzung unverschuldet versäumt wurde, die Möglichkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 123 PatG, was der Gesetzgeber ausdrücklich als hinlänglichen Rechtsbehelf ansah, um den Patentinhaber „ausreichend“ vor unbeabsichtigtem Rechtsverlust zu schützen (Art. 6 Nr. 4 des 2. GPatG, BlPMZ 1992, 42). Der Anmelder oder Patentinhaber ist grundsätzlich auch in der Lage, die Jahresfrist des § 123 II 4 PatG zu wahren. Bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt ist es ihm regelmäßig möglich, binnen eines Jahres und drei Monaten ab Veröffentlichung des Hinweises auf Erteilung des europäischen Patents im Patentblatt die von ihm bis dahin versäumte Handlung zu erkennen und nachzuholen. Das DPMA versendet in der Regel nach Veröffentlichung der deutschen Übersetzung der Patentschrift eine schriftliche Ausfertigung der Übersetzung. Nach Erhalt der Ausfertigung ist es für den Anmelder oder Patentinhaber ohne Weiteres möglich zu überprüfen und zu erkennen, ob die veröffentlichte Übersetzung mit dem übereinstimmt, was beim DPMA eingereicht wurde bzw. werden sollte. Zeigt der Abgleich Divergenzen auf, ist ein Tätigwerden geboten. Aber auch dann, wenn eine entsprechende Ausfertigung vom DPMA nicht versandt wird oder nicht beim Anmelder oder Patentinhaber eingeht, dürfte dessen Prüfobliegenheit nicht entfallen. Seit Einstellung der Veröffentlichungen in die elektronische Datenbank www.depatisnet.de ist es kaum als Überspannung der Sorgfaltspflicht anzusehen, vom Anmelder oder Patentinhaber bzw. dessen Anwalt zu verlangen, einen selbsttätigen, zeitnahen Abgleich der eingestellten Veröffentlichung mit der eingereichten Übersetzung vorzunehmen.
h)
Durch die Veröffentlichung des Klagepatents durch das DPMA und die entgegen § 5 ÜbersV unterbliebene deklaratorische Feststellung zum Nichteintritt der Wirkungen des Klagepatents in der Bundesrepublik Deutschland trat keine Heilung des Rechtsverlustes ein. Denn dafür besteht keine Rechtsgrundlage. Insbesondere Art. II § 3 Abs. 2 sieht eine Heilungsmöglichkeit nicht vor. Die Fiktion, dass die Wirkungen des europäischen Patents als von Anfang nicht eingetreten sind, tritt – ganz im Gegenteil – kraft Gesetzes ein und sie ist nicht an eine Feststellungsentscheidung geknüpft. Die Veröffentlichung der Übersetzung der Patentschrift (Art. II § 3 III) ist auch keineswegs als konstitutives Element für den Eintritt der Wirkungen des europäischen Patents in der Bundesrepublik Deutschland statuiert; maßgeblich hierfür ist allein das Einreichen der Übersetzung.
Es bietet sich auch keine Gleichstellung mit denjenigen Fällen an, in denen während eines (nationalen) Patenterteilungsverfahrens Mängel unerkannt geblieben sind und infolgedessen ein Erteilungsbeschluss ergeht, mit dessen Wirksamwerden sodann die unentdeckt gebliebenen Mängel und Verfahrensfehler geheilt werden (BPatGE 44, 193). Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Veröffentlichungsentscheidung des DPMA weder ein Prüfverfahren vorausgeht, dem eine ähnliche Qualität und Bedeutung wie dem Erteilungsverfahren zukommt, noch die Entscheidung zur Veröffentlichung mit der eines Erteilungsbeschlusses vergleichbar wäre. Die Veröffentlichung einer deutschen Übersetzung kommt bereits rein zeitlich erst nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt in Betracht. Das Erteilungsverfahren des europäischen Patents ist – vorbehaltlich eines nachfolgenden Einspruchsverfahrens – mithin abgeschlossen, das europäische Patent ist erteilt und sein Inhalt steht als solcher fest. Eine (erneute) Prüfung des DPMA, ob die eingereichte deutsche Übersetzung eine patentfähige Erfindung offenbart, findet in keiner Weise statt. Die deutsche Übersetzung dient auch nicht zur Festlegung des Schutzbereichs. Es steht lediglich die die Öffentlichkeit informierende Veröffentlichung der Übersetzung der europäischen Patentschrift in Rede, wofür seitens des DPMA keinerlei inhaltliches Prüfverfahren vorausgesetzt ist, insbesondere nicht dahingehend, ob die eingereichte Übersetzung dem in der europäischen Patentschrift Niedergelegten entspricht.
Für den hiesigen Fall der Veröffentlichung einer nur unvollständig eingereichten Übersetzung gilt es überdies zu beachten, dass sich Art. II § 3 Abs. 2 nicht nur an den Anmelder oder Patentinhaber richtet, sondern auch bzw. gerade der Absicherung des Art. II § 3 Abs. 1 dient. Dieser soll – wie bereits angesprochen – für eine Verbreitung der Patentinformation in deutscher Sprache Sorge tragen, so dass deutsche Marktteilnehmer ungehindert und ohne Kosten europäische Schutzrechte zur Kenntnis nehmen können. Diesem Gesetzeszweck vermag die Veröffentlichung einer Übersetzung, die nicht sämtliche Teile der Patentschrift zur Gänze enthält, nicht gerecht werden. Auch faktisch gebührt ihr somit keine heilende Wirkung. Da bekanntermaßen keine inhaltliche Überprüfung der eingereichten deutschen Übersetzung durch das DPMA vorgenommen wird, kann das Handeln des DPMA insoweit auch keinerlei Vertrauenstatbestand für den Patentinhaber oder für deutsche Marktteilnehmer begründen. Die Beteiligten können die Entscheidung des DPMA, die Übersetzung der Patentschrift zu veröffentlichen, nicht als positive Aussage dahingehend werten, dass die eingereichte Übersetzung vollständig war. Ein etwaiger öffentlicher Rechtsschein oder Vertrauenstatbestand könnte sich allenfalls auf die veröffentlichten Teile beziehen.
Der Eintragung in das Patentregister (§ 30 PatG) kommt gleichfalls keine rechtsbegründende Wirkung zu; auch sie ist allein deklaratorischer Natur. Das Entstehen, Fortbestehen oder Erlöschen des Schutzrechtes richtet sich nach materiellem Recht, nicht nach der Registereintragung. Diese bietet außerdem keine Gewähr für die (inhaltliche) Richtigkeit, da ihr weder eine positive noch eine negative Publizitätswirkung zukommt (BPatG, GRUR 1998, 662 (664); Mes, PatG, 2. Auflage (2005), § 30 Rn 10). .
i)
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die hier vertretene Auslegung des Art. II § 3 führe im Vergleich zur Rechtslage bei einer Anmeldung nach § 35 PatG zu einer Diskriminierung gem. Art. 81, 82 EGV. Soweit sie sich hierbei auf die Kommentierung bei Schulte, PatG, 8. Auflage, § 35 PatG Rn 29, beruft, ist darauf zu verweisen, dass dort von Mängeln der Übersetzung gegenüber der Originalsprache die Rede ist – es geht also um eine fehlerhafte und nicht um eine fehlende, d.h. unvollständige Übersetzung, so dass schon im Ansatz unterschiedliche Fallkonstellationen betroffen sind.
j)
Auch der Verweis der Klägerin auf die Auslegung des Identitätserfordernisses im Falle eines abgezweigten Gebrauchsmusters gem. § 5 GebrMG vermag nicht zu überzeugen. Die Auslegung des § 5 GebrMG gibt für die hier interessierende Rechtsfrage nichts her, da Art. II § 3 ersichtlich andere –
oben näher wiedergegebene – gesetzgeberische Zwecke verfolgt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 19. Dezember 2008 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).