4a O 87/08 – Anhängerbremsventil

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1209

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 4a O 87/08

Rechtsmittelinstanz: 2 U 89/09

I. Die Beklagten zu 2) und zu 3) werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist- , zu unterlassen,

Ventileinrichtungen für einen mit einem Zugfahrzeug verbindbaren Anhänger mit folgenden Merkmalen:

die Ventileinrichtung weist ein Anhängerbremsventil, ein Betriebsbrems-Löseventil sowie ein Parkventil auf,

das Anhängerbremsventil weist

einen über das Betriebsbrems-Löseventil von dem Vorratsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Versorgungsanschluss,

einen vom Bremsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Bremsvorgabeanschluss,

einen mit einem Vorrats-Druckbehälter des Anhängers verbundenen Behälteranschluss,

einen Bremsdruckanschluss zur Ausgabe des Bremsdrucks, ggf. über eine Drucksteuereinrichtung, an Betriebsbremskammern von in dem Anhänger vorgesehenen Federspeicherbremszylindern,

sowie einen Parkanschluss auf, der über das Parkventil mit den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder, ggf. unter Verwendung weiterer Pneumatikschaltelemente, verbindbar ist,

das Betriebsbrems-Löseventil und das Parkventil ist über einen jeweiligen Betätigungsknopf manuell betätigbar,

das Betriebsbrems-Löseventil weist eine Fahrstellung und eine Lösestellung auf, wobei in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss des Anhängerbremsventils verbunden ist,

das Parkventil weist eine Fahrstellung und eine Parkstellung auf, wobei in der Parkstellung ein zu den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder führender Anschluss des Parkventils entlüftet wird,

bei druckbeaufschlagtem Versorgungsanschluss ist der am Bremsdruckanschluss anliegende Druck vom am Bremsvorgabeanschluss anliegenden Druck abhängig;

bei drucklosem Versorgungsanschluss ist der Bremsdruckanschluss pneumatisch mit dem Behälteranschluss verbunden;

der Parkanschluss ist über ein erstes Rückschlagventil mit dem Vorrats-Druckbehälter des Anhängers verbunden;

bei drucklosem Versorgungsanschluss ist die Wirkung des ersten Rückschlagventils aufgehoben;

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06.03.2008 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge, -zeiten und -preisen (und Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei den Beklagten zu 2) und zu 3) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten zu 2) und zu 3) die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist und wobei die Beklagten zu 2) und zu 3) Bestell- und Lieferscheine oder Rechnungen vorzulegen haben;

c) der einzelne Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der einzelnen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten zu 2) und zu 3) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten zu 2) und zu 3) die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

3. die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) und zu 3) – Kosten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 20.04.2002 bis 05.03.2008 für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagten zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06.03.2008 entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Gerichtskosten werden der Klägerin zu 2/5 und den Beklagten zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldnern zu 3/5 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) werden der Klägerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden den Beklagten zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldnern zu 3/5 auferlegt. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- EUR und für die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 188 xxx B1 (im Folgenden: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 29.08.2001 in deutscher Verfahrenssprache unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 10045xxx vom 14.09.2000 sowie der DE 10139xxx vom 13.08.2001 angemeldet. Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 20.03.2002. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 06.02.2008 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft. Die Beklagte zu 2) hat am 06.11.2008 gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Anhängerbremsventil für Anhängefahrzeuge mit elektronischer Bremsregelung und erweiterter Sicherheit des geparkten Anhängers“. Sein Patentanspruch 1 lautet:

„Ventileinrichtung für einen mit einem Zugfahrzeug verbindbaren Anhänger mit folgenden Merkmalen:

a) die Ventileinrichtung weist ein Anhängerbremsventil (8), ein Betriebsbrems-Löseventil (33) sowie ein Parkventil (20) auf,

b) das Anhängerbremsventil (8) weist

b1) einen über das Betriebsbrems-Löseventil (33) von dem Vorratsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Versorgungsanschluss (1)

b2) einen vom Bremsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Bremsvorgabeanschluss (4)

b3) einen mit einem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbundenen Behälteranschluss (3),

b4) einen Bremsdruckanschluss (2) zur Ausgabe des Bremsdrucks, ggf. über eine Drucksteuereinrichtung (29, 42), an Betriebsbremskammern von in dem Anhänger vorgesehenen Federspeicherbremszylindern (38, 39, 40, 41)

b5) sowie einen Parkanschluss (21) auf, der über das Parkventil (20) mit den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41), ggf. unter Verwendung weiterer Pneumatikschaltelemente (52), verbindbar ist,

c) das Betriebsbrems-Löseventil (33) und das Parkventil (20) ist über einen jeweiligen Betätigungsknopf manuell betätigbar,

d) das Betriebsbrems-Löseventil (33) weist eine Fahrstellung und eine Lösestellung auf, wobei in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils verbunden ist,

e) das Parkventil (20) weist eine Fahrstellung und eine Parkstellung auf, wobei in der Parkstellung ein zu den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) führender Anschluss (51) des Parkventils entlüftet wird,

f) bei druckbeaufschlagtem Versorgungsanschluss (1) ist der am Bremsdruckanschluss (2) anliegende Druck vom am Bremsvorgabeanschluss (4) anliegenden Druck abhängig;

g) bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) ist der Bremsdruckanschluss (2) pneumatisch mit dem Behälteranschluss (3) verbunden;

h) der Parkanschluss (21) ist über ein erstes Rückschlagventil (19) mit dem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbunden;

i) bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) ist die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) aufgehoben.“

Nachfolgend werden einige Figuren aus der Klagepatentschrift wiedergegeben, welche ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung zeigen. In Figur 1 ist nach den Angaben in der Klagepatentbeschreibung ein Anhängerbremsventil in dem Blockschaltbild einer Anhänger-EBS-Bremsanlage dargestellt:

Die Figur 2 bildet ein als Schieberventil ausgeführtes Anhängerbremsventil bei gekoppeltem Vorratsdruckschlauch ab, welches in Figur 3 bei entkoppeltem Vorratsdruckschlauch dargestellt ist:

Die Beklagte zu 1) ist ein schwedisches Unternehmen, welches als Zulieferer für die Automobilindustrie tätig ist. Bei der Beklagten zu 2), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3) ist, handelt es sich nach dem durch die Beklagten bestrittenen Vortrag der Klägerin um die deutsche Vertriebstochter der Beklagten zu 1). Die Beklagten vertreiben – was die Beklagten hinsichtlich der Beklagten zu 1) ebenfalls bestreiten – in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A“ eine Ventileinrichtung für Anhänger, welche wie folgt gestaltet ist:

Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt daher,
zu erkennen wie geschehen, jedoch mit der Maßgabe, dass auch die Beklagte zu 1) wie die Beklagten zu 2) und zu 3) verurteilt werden soll und dass zu II. 1. auch die Entschädigungspflicht des Beklagten zu 3) festgestellt werde.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen;

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zum Abschluss des derzeit anhängigen Einspruchsverfahrens auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag in der Sache entgegen.

Die Beklagten tragen vor, die Beklagte zu 1) habe die angegriffene Ausführungsform zu keinem Zeitpunkt auf dem deutschen Markt angeboten oder vertrieben. Sie sei zu keinem Zeitpunkt an der Herstellung und am Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform beteiligt oder für diese verantwortlich gewesen und betreue ausschließlich den skandinavischen Markt. Die Beklagten zu 1) und zu 2) seien weder voneinander weisungsabhängig, noch handele es sich bei der Beklagten zu 2) um eine Vertriebsgesellschaft der Beklagten zu 1). Vielmehr seien die Beklagten zu 1) und zu 2) selbstständige Vertriebsgesellschaften der B-Gruppe. Darüber hinaus mache die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, da bei der angegriffenen Ausführungsform die Wirkung des Rückschlagventils nicht aufgehoben werde, wenn der Druck am Behälteranschluss größer als die Kraft einer Rückstellfeder des Anhängerventils sei, sondern nur dann, wenn der Behälterdruck kleiner als die Kraft einer Rückstellfeder sei. Im Übrigen sei das Klagepatent insbesondere unter den Gesichtspunkten der unzulässigen Erweiterung sowie der mangelnden Erfindungshöhe nicht schutzfähig.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache lediglich gegen die Beklagten zu 2) und 3) Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 2) und 3) in dem tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Schadenersatz sowie Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a Abs. 1, 140 b, 9 S. 2 Nr. 1 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art II
§ 1 IntPatÜG. Demgegenüber ist die gegen die Beklagte zu 1) erhobene Klage unbegründet.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Ventileinrichtung für einen Anhänger mit einem Anhängerbremsventil.

Ein derartiges Anhängerbremsventil ist nach der Patentbeschreibung aus der DE 28 10 850 A1 bekannt. Bei dem bekannten Anhängerventil für eine Zweileitungs-Druckmittelbremsanlage wird ein über den Kupplungsschlauch „Bremse“ eingespeistes pneumatisches Bremssignal luftmengenverstärkt über ein im Anhängerbremsventil enthaltenes Relaisventil für die Bremszylinder ausgegeben. Als weitere Funktion ist die Abrisssicherung für den Kupplungsschlauch „Vorrat“ implementiert. Wird der Anschluss für die Vorratsluft drucklos, so wird der Notbremskolben auf seiner Oberseite drucklos und der an seiner Unterseite anliegende Vorratsbehälterdruck schiebt ihn nach oben, so dass zunächst das Auslassventil schließt und in der weiteren Aufwärtsbewegung das Einlassventil geöffnet wird, so dass der am Vorratsbehälter-Anschluss anstehende Druck auch in die Bremskammer übertragen wird und an den Bremszylinder-Anschlüssen anliegt. Darüber hinaus ist weiter die Funktion einer Voreilung des an die Bremszylinder übertragenen Bremsdrucks gegenüber dem pneumatischen Bremssignal integriert (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitte [0003] – [0005]).

Bei der Realisierung eines solchen Anhängerbremsventils muss jedoch darauf geachtet werden, dass die konstruktionsbedingte Hysterese des Relaisventiles genügend klein wird, um sie tolerieren zu können. Hierzu muss eine gewisse Mindestbaugröße für den Relaiskolben gewählt werden, um den Einfluss der Reibkräfte zu reduzieren. Da die Baugröße eines derartigen Ventils die Kosten zumindest stark bestimmt, können diese bei diesem Konstruktionsprinzip nicht so stark reduziert werden, wie man dies eigentlich wünscht (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0006]).

Als weiteren Stand der Technik erwähnt die Klagepatentschrift die DE 30 31 105 A1, aus welcher eine lastenabhängig geregelte Zweileitungs-Anhängerbremsanlage bekannt ist, die aus einem als Sitzventil aufgebauten Notbremsventil und einem lastabhängig gesteuerten Bremskraftregler besteht, der als Kombination eines lastabhängig wirkenden Steuerteils mit einem luftmengenverstärkenden Relaisventil ausgebildet ist. Das Notbremsventil entspricht in seiner Funktion der Abrissfunktion in einem üblichen Anhängerbremsventil, so dass die Funktion beider Ventile sinngemäß als die Funktion eines Anhängerbremsventiles mit lastabhängig gesteuerter Bremskraftregelung verstanden werden kann (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0007]).

Aus der DE 32 07 793 C2 ist es nach der Klagepatentschrift weiterhin bekannt, in einer 2-Leitungs-Wagenzugbremsanlage zusätzlich einen Drucksensor vorzusehen, der über eine Zweigleitung mit der Anhänger-Bremsleitung für das Anhängerbremsventil verbunden ist. Unter Verwendung des elektrischen Drucksensor-Signals wird in einer elektronischen Schalteinrichtung zusammen mit anderen Sensorsignalen ein Regelsignal erzeugt, das in einem Drucksteuerventil einen Bremsdruck für die Anhänger-Bremszylinder erzeugt. Durch das schnelle Durchschalten der Elektrik ist der so erzeugte Bremsdruck zeitlich voreilend gegenüber dem vom Anhängerbremsventil pneumatisch erzeugten Bremsdruck (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0008]).

Darüber hinaus erwähnt die Klagepatentschrift die DE-A1-198 18 982, aus welcher ein Park- und Rangierventil für Anhängerfahrzeuge mit Federspeicher-Feststellbremse bekannt ist. Bei diesem Ventil wurde aus Kostengründen zunächst auf ein Anhängerbremsventil verzichtet und die durch den Verzicht wegfallende Luftmengenverstärkung des Anhängerbremsventils gegebenenfalls durch ein ABS-Relaisventil realisiert. Dabei sind anders als bei der Verwendung eines Kombi-Löseventils alle Lösefunktionen für die Bremsen des Anhängers in diesem einen Park- und Rangierventil vereinigt. Statt der Betätigung von zwei getrennten Betätigungsknöpfen für ein Kombi-Löseventil werden die Betriebsarten des Park- und Rangierventils (Parken, Fahren, Rangieren) durch nur einen mit einem Betätigungsknopf versehenen Steuerschieber gewählt, welcher zur Steuerung der jeweiligen Betriebsart drei Schaltpositionen einnehmen kann. Ein weiterer Unterschied des Park- und Rangierventils zu einer Kombination Anhängerbremsventil/Kombi-Löseventil besteht darin, dass sowohl beim Parken als auch während der Fahrt bei einem Vorratsleitungsabriss nicht die Betriebsbremse, sondern die Feststellbremse wirksam wird. Insbesondere beim Vorratsleitungs-Abriss ist dies nachteilig, da wegen des Fehlens eines Betriebsbremsdrucks keine herkömmliche ABS-Bremsung mehr einsetzbar ist und der Anhänger durch eine Vollbremsung ohne ABS leicht instabil werden kann. Bei einem Park- und Rangierventil ist weiterhin das als Überlastschutz dienende Wechselventil nicht wie bei einer Kombination Anhängerbremsventil/Kombi-Löseventil als separates Bauteil vorhanden, sondern selbst in das Park- und Rangierventil integriert. Dies lässt jedoch die Verwendung in Anhängern mit elektronischer Bremsdruckregelung nicht zu, da bei solchen Anhängern im EBS-Betrieb zur Bremsung das elektrische EBS-CAN-Bus-Signal verwendet wird, welches durch den Bremsdruckmodulator noch weiter stark beeinflusst wird, so dass der vom Bremsdruckmodulator angesteuerte Bremsdruck mitunter stark von dem pneumatischen Bremsdruck abweicht, welcher über die Bremsleitung an das Park- und Rangierventil angeschlossen ist. Schließlich widerspricht die Ventilbetätigung durch einen Steuerschieber dem derzeitigen Stand der Normungsüberlegungen für Doppel-Löseventile, deren Betätigungsweise und Funktionen in Zukunft durch eine DIN-Norm reglementiert werden (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0009]).

Als weiteren Stand der Technik führt die Klagepatentschrift das C-Datenblatt „Cdruck 820 001 051 3/05.95“ an, aus welchem ein Doppel-Löseventil bekannt ist. Das Doppel-Löseventil besteht aus einem Betriebsbrems-Löseventil, einem Parkventil und einem dem Parkventil zugeordneten Rückschlagventil. Das Betriebsbrems-Löseventil ist eingangsseitig pneumatisch mit dem Vorrats-Kupplungskopf verbunden und ausgangsseitig pneumatisch an dem Vorratsdruckanschluss des dortigen ALB-Anhänger-Bremsventils angeschlossen. In seiner Fahrtstellung hat das Betriebsbrems-Löseventil keinen Einfluss auf den Druck in den Betriebsbremskammern der Federspeicherbremszylinder. Demgegenüber bewirkt das Betriebsbrems-Löseventil das Lösen der Betriebsbremsen. Das Betriebsbrems-Löseventil dient dazu, einen entkoppelten Anhänger zu bewegen, indem die automatische Bremse – ausgelöst durch die Vorratsleitungs-Abrisssicherung – außer Kraft gesetzt wird. Dies geschieht dadurch, dass in der Lösestellung Behälterdruck umgelenkt und am Versorgungsanschluss in das Anhängerbremsventil eingespeist wird. Durch diese Druckumlenkung wird im Anhängerbremsventil simuliert, dass am Kupplungskopf für den Vorrats-Druckschlauch Druck anliegt. Das Parkventil ist eingangsseitig pneumatisch mit dem Vorratsbehälter verbunden, wobei der Anschluss über ein Rückschlagventil erfolgt. Ausgangsseitig ist das Parkventil pneumatisch über das Bremsüberlast-Wechselventil an die Lösekammern der Federspeicherbremszylinder angeschlossen. Das Parkventil entlüftet in seiner Parkstellung die Lösekammern der Federspeicherbremszylinder, so dass die Feststellbremsen wirksam sind. In seiner Fahrstellung löst das Parkventil die Feststellbremsen durch Belüftung der Federspeicher-Lösekammern (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitte [0013] – [0016]).

Das vorstehend erwähnte, in Richtung der Lösekammern der Federspeicherbremszylinder öffnende Rückschlagventil hält den hohen ursprünglichen Vorratsbehälter-Druck in den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder, selbst wenn der Behälterdruck kurzzeitig, beispielsweise bei einer Lecklage oder intensiven ABS-Bremsungen, einbricht (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0017]).

Diese Gestaltung weist jedoch den Nachteil auf, dass das Rückschlagventil auch bei einem abgestellten Anhängefahrzeug wirkt, das durch Abkuppeln in die automatische Bremsfunktion geht und bei dem das Parkventil in der Fahrstellung bleibt. Wenn ein derartig abgestelltes Anhängefahrzeug dann Behälterdruck verliert und die über das Rückschlagventil gesicherten Federspeicher-Lösekammern noch immer druckbeaufschlagt bleiben, beginnen sich bei den gelösten Feststellbremsen auch die Betriebsbremsen zu lösen und das Anhängefahrzeug kann sich in Bewegung setzen, wenn es zum Beispiel an einer Stelle mit geneigter Fahrbahn abgestellt ist. Bei nur leichter Fahrbahnneigung kann es vorkommen, dass der Bediener es übersieht, das Parkventil durch Ziehen des roten Betätigungsknopfes in die Parkstellung zu versetzen, zumal der Anhänger über die automatische Bremsung zunächst fest eingebremst bleibt. Das Vergessen, bei dem abgestellten Anhängerfahrzeug das Parkventil zu betätigen, stellt somit bei dem Betrieb bekannter Anhängerbremsventile mit einem Doppel-Löseventil eine Sicherheitslücke dar (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitte [0017] – [0020]).

Das Klagepatent verfolgt daher die Aufgabe (das technische Problem), für ein Anhängerbremsventil nach der DE 28 10 850 A 1 eine Ventilkonstruktion anzugeben, die entsprechend den reduzierten Anforderungen des Einsatzes des Anhängerbremsventils in einem Anhänger mit elektronischer Bremsregelung zur Verringerung der Herstellungskosten vereinfacht ist, und bei der bei geparktem Anhängefahrzeug eine erhöhte Sicherheit gegen ein unbeabsichtigtes Anrollen gegeben ist (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0023]).

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

Ventileinrichtung für einen mit einem Zugfahrzeug verbindbaren Anhänger mit folgenden Merkmalen:

a) die Ventileinrichtung weist ein Anhängerbremsventil (8), ein Betriebsbrems-Löseventil (33) sowie ein Parkventil (20) auf,

b) das Anhängerbremsventil (8) weist

b1) einen über das Betriebsbrems-Löseventil (33) von dem Vorratsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Versorgungsanschluss (1)

b2) einen vom Bremsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Bremsvorgabeanschluss (4)

b3) einen mit einem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbundenen Behälteranschluss (3),

b4) einen Bremsdruckanschluss (2) zur Ausgabe des Bremsdrucks, ggf. über eine Drucksteuereinrichtung (29, 42), an Betriebsbremskammern von in dem Anhänger vorgesehenen Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41)

b5) sowie einen Parkanschluss (21) auf, der über das Parkventil (20) mit den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41), ggf. unter Verwendung weiterer Pneumatikschaltelemente (52), verbindbar ist,

c) das Betriebsbrems-Löseventil (33) und das Parkventil (20) ist über einen jeweiligen Betätigungsknopf manuell betätigbar,

d) das Betriebsbrems-Löseventil (33) weist eine Fahrstellung und eine Lösestellung auf, wobei in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils verbunden ist,

e) das Parkventil (20) weist eine Fahrstellung und eine Parkstellung auf, wobei in der Parkstellung ein zu den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) führender Anschluss (51) des Parkventils entlüftet wird,

f) bei druckbeaufschlagtem Versorgungsanschluss (1) ist der am Bremsdruckanschluss (2) anliegende Druck vom am Bremsvorgabeanschluss (4) anliegenden Druck abhängig;

g) bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) ist der Bremsdruckanschluss (2) pneumatisch mit dem Behälteranschluss (3) verbunden;

h) der Parkanschluss (21) ist über ein erstes Rückschlagventil (19) mit dem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbunden;

i) bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) ist die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) aufgehoben.

Die beanspruchte Ventileinrichtung für einen mit einem Zugfahrzeug verbindbaren Anhänger besteht somit aus einem Anhängerbremsventil (8), einem Betriebsbrems-Löseventil (33) und einem Parkventil (20). Das Anhängerbremsventil weist (zumindest) fünf Anschlüsse auf: Einen über das Betriebsbrems-Löseventil (33) von dem Vorratsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Versorgungsanschluss (1), einen vom Bremsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Bremsvorgabeanschluss (4), einen mit einem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbundenen Behälteranschluss (3), einen Bremsdruckanschluss (2) zur Ausgabe des Bremsdrucks sowie einen Parkanschluss (21), der über das Parkventil (20) mit den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) verbindbar ist. Dabei sollen sowohl das Betriebsbrems-Löseventil (33) als auch das Parkventil (20) jeweils über einen Betätigungsknopf manuell betätigbar sein. Das Betriebsbrems-Löseventil (33) weist eine Fahrstellung und eine Lösestellung auf, wobei in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerventils verbunden ist. Das Parkventil weist eine Fahr- und eine Parkstellung auf. Dabei wird in der Parkstellung ein zu den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) führender Anschluss des Parkventils entlüftet. Während bei druckbeaufschlagtem Versorgungsanschluss (1) der am Bremsdruckanschluss (2) anliegende Druck vom am Bremsvorgabeanschluss (4) anliegenden Druck abhängig ist, ist bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) der Bremsdruckanschluss (2) pneumatisch mit dem Behälteranschluss (3) verbunden. Schließlich ist der Parkanschluss (21) über ein erstes Rückschlagventil (19) mit dem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbunden, wobei bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) aufgehoben ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Patentanspruch 1 nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass die Aufhebung der Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) nur dann erfolgen soll, wenn der Druck am Behälteranschluss größer ist als der Druck einer Rückstellfeder (11) des Anhängerbremsventils. Die Kammer verkennt nicht, dass der Prüfer im Patenterteilungsverfahren – dessen Stellungnahme im Patentverletzungsprozess als sachverständige Äußerung zu berücksichtigen ist – den Zusatz „unabhängig vom Druck am Behälteranschluss (3)“ in dem als Anlage B 8 vorgelegten Bescheid vom 26.04.2007 mit der Begründung abgelehnt hat, im Rahmen einer Abrissstellung des Anhängerventils müsse der Druck, um die Wirkung des ersten Rückschlagventils aufzuheben, am Behälteranschluss größer als die Kraft der Rückstellfeder (11) sein. Wenn dies nicht der Fall wäre, würde die Betätigungskolben-Ventilschieber-Anordnung von der Rückstellfeder (11) an den ersten Anschlag (26) verschoben werden (vgl. Anlage B 8).

Jedoch wird der Schutzbereich eines Patents gemäß Art. 69 EPÜ durch die Patentansprüche bestimmt, wobei zu deren Auslegung die Patentbeschreibung und die Patentzeichnungen heranzuziehen sind. Ausgehend von diesem Maßstab findet die durch das Europäische Patentamt sowie die Beklagten vertretene Auffassung in Patentanspruch 1 keine Grundlage. Der für den Umfang der geschützten technischen Lehre allein maßgebliche Patentanspruch 1 kennt eine Rückstellfeder (11) nicht. Eine solche ist vielmehr erst in Unteranspruch 16 vorgesehen. Erfindungsgemäß erfolgt die Aufhebung der Wirkung des ersten Rückschlagventils bei drucklosem Versorgungsanschluss unabhängig vom Druck am Behälteranschluss.

Einen entsprechenden Hinweis darauf erhält der Fachmann bereits aus dem Wortlaut von Merkmal i), wonach bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) aufgehoben ist. Dass die Wirkung des Rückschlagventils (19) bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) unabhängig vom Druck am Behälteranschluss (3) immer aufgehoben sein soll, erkennt der Fachmann weiter aus der Patentbeschreibung. Danach müssen für das Anhängerbremsventil (8) erfindungsgemäß nur noch zwei Schaltzustände definiert sein, zwischen denen in der Klagepatentschrift klar unterschieden wird: Zum einen ist dies die Ventil-Grundstellung, die vorliegt, wenn der Versorgungsanschluss mit Druck beaufschlagt ist, und zum anderen ist dies die Ventil-Abrissstellung, welche bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) gegeben ist (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0052]). In der Ventil-Grundstellung ist der Versorgungsanschluss (1) pneumatisch über das zweite Rückschlagventil (6) mit dem Behälteranschluss (3) verbunden. Darüber hinaus besteht eine pneumatische Verbindung des Bremsdruckanschlusses (2) mit dem Bremsvorgabeanschluss (4) (Zustand der in Figur 1 der Klagepatentschrift gezeigten Ventilstellungen im Betriebsbremslöseventil (33) und im Anhängerbremsventil bei (54, 55)). In der Ventil-Abrissstellung ist der Versorgungsanschluss (1) durch das zweite Rückschlagventil (6) pneumatisch abgeschlossen und der Bremsdruckanschluss (2) demgegenüber pneumatisch mit dem Behälteranschluss (3) verbunden (vgl. Anlage B & B 1, Abschnitte [0053] f.).

Dies steht in Einklang mit der Beschreibung des Zusammenwirkens von Anhängerbremsventil und Parkventil (20) im Hinblick auf das in den Figuren 1 – 3 dargestellte Ausführungsbeispiel (vgl. auch Unteranspruch 2). Danach ist im Anhängerbremsventil (8) am Parkanschluss (21) parallel zum ersten Rückschlagventil (19) ein Bypasskanal (46) vorgesehen, welcher in der Ventil-Grundstellung des Anhängerbremsventils (8) ohne Bedeutung ist, da er über die in diesem Schaltzustand wirksamen Wege (54) abgeschlossen ist. In der Ventil-Abrissstellung (55) werden demgegenüber die dieser zugeordneten Wege (55) wirksam, so dass in dieser Stellung der Behälterdruck über den Bypasskanal (46) direkt am Parkanschluss (21) anliegt. In dieser Ventilstellung liegt der Behälterdruck außerdem auch am Bremsdruckanschluss (2) an (vgl. Anlage B & B 1, Abschnitte [0062] f.). Bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) wird somit die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) unabhängig von den Druckverhältnissen am Behälteranschluss immer aufgehoben (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitte [0083] – [0086]).

Anhaltspunkte dafür, dass Patentanspruch 1 dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass die Funktion des Rückschlagventils (19) in Abhängigkeit vom Druck des Behälteranschlusses (3) aufgehoben sein soll, finden sich in der Klagepatentschrift demgegenüber nicht.

Diesem Verständnis des Klagepatents steht nicht entgegen, dass nach der weiteren Beschreibung des in den Figuren 2 und 3 dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiels für den Fall des Lösens der Zwangsbremsung mit Hilfe des Betriebsbrems-Löseventils (33) der Druck des Vorrats-Druckbehälters auf die Wirkflächen (17) und (18) einwirkt, wobei die Rückstellfeder (11) derart dimensioniert ist, dass sie die durch den Flächenanteil, um welchen die zweite Wirkfläche (18) gegenüber der ersten Wirkfläche (17) reduziert ist, aufhebt oder derart überkompensiert, dass die Betätigungskolben-Verschieber-Anordnung (7, 10) von der Rückstellfeder (11) in den ersten Anschlag (26) geschoben wird, wodurch die in Figur 2 dargestellte Ventilstellung eingenommen wird (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0093]). Dies beschreibt das Betriebsbrems-Löseventil in der Lösestellung, in welcher durch eine Druckumlenkung dem Anhängerbremsventil simuliert wird, dass am Kupplungskopf für den Vorrats-Druckschlauch Druck anliegt (vgl. Merkmal d), wonach in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils verbunden ist sowie Anlage B&B 1, Abschnitt [0014] a. E.). Entsprechend handelt es sich nicht um die in Merkmal i) beschriebene Situation des drucklosen Versorgungsanschlusses, so dass die Wirkung des ersten Rückschlagventils dann auch nicht aufgehoben sein muss.

II.
Ausgehend von diesen Überlegungen macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

1.
Zu Recht gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Ventileinrichtung für einen mit einem Zugfahrzeug verbindbaren Anhänger handelt, welche ein Anhängerbremsventil (8), ein Betriebsbrems-Löseventil (33) sowie ein Parkventil (20) aufweist (Merkmal a)). Das Anhängerbremsventil (8) besitzt einen über das Betriebsbrems-Löseventil (33) von dem Vorratsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Versorgungsanschluss (1), einen vom Bremsdruck des Zugfahrzeugs gespeisten Bremsvorgabeanschluss (4), einen mit einem Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers verbundenen Behälteranschluss (3), einen Bremsdruckanschluss (2) zur Ausgabe des Bremsdrucks sowie einen Parkanschluss (21), wobei der Parkanschluss (21) über das Parkventil (20) mit den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) verbindbar ist (Merkmalsgruppe b)). Des Weiteren ist sowohl das Betriebsbrems-Löseventil (33) als auch das Parkventil (20) über einen jeweiligen Betätigungsknopf manuell betätigbar (Merkmal c)). Das Betriebsbrems-Löseventil (33) weist eine Fahrstellung und eine Lösestellung auf, wobei in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils verbunden ist (Merkmal d)). Das Parkventil (20) weist eine Fahrstellung und eine Parkstellung auf, wobei in der Parkstellung ein zu den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) führender Anschluss (51) des Parkventils entlüftet wird (Merkmal e)). Darüber hinaus ist bei druckbeaufschlagtem Versorgungsanschluss (1) der am Bremsdruckanschluss (2) anliegende Druck vom am Bremsvorgabeanschluss (4) anliegenden Druck abhängig (Merkmal f)). Ferner ist bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) der Bremsdruckanschluss (2) pneumatisch mit dem Behälteranschluss (3) verbunden (Merkmal g). Schließlich weist der Parkanschluss des Anhängers eine über ein erstes Rückschlagventil (19) realisierte Verbindung mit dem Vorrats-Druckbehälter auf (Merkmal h)).

2.
Ohne Erfolg haben die Beklagten demgegenüber bestritten, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) bei drucklosem Versorgungsanschluss (1) aufgehoben ist (Merkmal i)).

a)
Die Beklagten berufen sich im Hinblick auf Merkmal i) darauf, bei der angegriffenen Ausführungsform werde die Wirkung des Rückschlagventils nicht aufgehoben, sofern der Druck am Behälteranschluss größer als die Kraft einer Rückstellfeder des Anhängerbremsventils sei, sondern nur dann, wenn der Behälterdruck kleiner als die Kraft der Rückstellfeder sei. Bei drucklosem Versorgungsanschluss und betätigtem Löseventil wirke der über das Löseventil geführte Druck des Behälters auf eine Kolben- oder Steuerfläche (1). Der Druck des Behälters erzeuge an dieser Kolben- oder Steuerfläche (1) eine Kraft FSteuer, die der Federkraft der auf der gegenüberliegenden Seite des Anhängerbremsventils angeordneten Rückstellfeder FRück entgegengerichtet sei. Für die in der Duplik dargestellte Leitungsverbindung mit drucklosem Versorgungsanschluss seien somit zwei Betriebszustände möglich. Bei ausreichendem Druck in dem Behälter sei die an der Steuer- und Kolbenfläche erzeugte Kraft FSteuer größer als die Kraft der Rückstellfeder FRück. Demgemäß nehme das Anhängerbremsventil eine nach unten verschobene Betriebsstellung ein, in welcher das Rückschlagventil wirksam sei, welches den Lösedruck des Federspeicherbremszylinders sichere. Falle hingegen der Druck in dem Behälter ab, könne die Kraft FSteuer an der Steuer- oder Kolbenfläche kleiner werden als die Rückstellkraft FRück der Rückstellfeder, so dass das Anhängerbremsventil in eine nach oben verschobene Betriebsstellung umschalte. In dieser Stellung sei die Wirkung des Rückschlagventils aufgehoben.

b)
Dies steht einer Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents jedoch nicht entgegen. Das substantiierte Vorbringen der Beklagten bezieht sich ausweislich der in der Duplik enthaltenen Skizzen auf die Druckverhältnisse bei drucklosem Versorgungsanschluss und betätigtem Betriebsbrems-Löseventil. Die Betätigung des Betriebsbrems-Löseventils wird auch in der Klagepatentschrift beschrieben. Danach wird die automatische Bremse bei einem entkoppelten Anhänger mittels des Betriebsbrems-Löseventils derart außer Kraft gesetzt, dass in der Lösestellung Behälterdruck umgelenkt und am Versorgungsanschluss in das Anhängerbremsventil eingespeist wird. Durch diese Druckumlenkung wird im Anhängerbremsventil simuliert, dass am Kupplungskopf für den Vorrats-Druckschlauch Druck anliegt (vgl. insbesondere Merkmal d), wonach der Vorrats-Druckbehälter (4) des Anhängers in der Lösestellung mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils verbunden ist, sowie Anlage B&B 1, Abschnitt [0092] i.V.m. Abschnitt [0014]). Dass das „Löseventil“ bei der angegriffenen Ausführungsform eine andere Funktionsweise aufweist, haben die Beklagten weder vorgetragen, noch ist dies ersichtlich. Damit entspricht die für den Fall der Betätigung des Betriebsbrems-Löseventils („Lösestellung“) beschriebene Situation nicht der durch Patentanspruch 1 beschriebenen Situation, da nach der Patentbeschreibung bei einer Betätigung des Betriebsbrems-Löseventils durch eine Druckumlenkung im Anhängerbremsventil simuliert wird, dass am Kupplungskopf für den Vorrats-Druckschlauch Druck anliegt (vgl. Anlage B & B 1, Abschnitt [0014]). Somit ist der Versorgungsanschluss (1) dann gerade nicht wie in Merkmal i) beschrieben „drucklos“. Vielmehr erfolgt die Druckumleitung im Betriebsbrems-Löseventil vor dem Versorgungsanschluss (1). Dass Patentanspruch 1 die Ventileinrichtung bei nicht betätigtem Betriebsbrems-Löseventil und damit nicht in der Lösestellung beschreibt, erkennt der Fachmann im Übrigen auch aus der Aufgabe des Klagepatents. Mit Hilfe der Erfindung soll bei geparktem Anhängefahrzeug eine erhöhte Sicherheit gegen ein unbeabsichtigtes Anrollen gegeben sein (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0023 a. E.], s. auch Abschnitte [0025] und [0067]). Bei geparkten Fahrzeugen wird sich das Betriebsbrems-Löseventil (33) jedoch nicht in der Lösestellung befinden, in welcher Rangierfahrten ohne ein angekoppeltes Zugfahrzeug ermöglicht werden sollen. Dass bei der angegriffenen Ausführungsform demgegenüber die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) auch bei nicht betätigtem Betriebsbrems-Löseventil („Fahrstellung“) und damit tatsächlich drucklosem Versorgungsanschluss aufgehoben ist, haben die Beklagten nicht substantiiert vorgetragen.

III.
Da die angegriffene Ausführungsformen mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatents ist, ohne dass die Beklagten zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt sind (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG), rechtfertigen sich
gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) die tenorierten Rechtsfolgen.

1.
Die Beklagten zu 2) und 3) machen durch Angebot und durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet sind (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG).
2.
Des Weiteren haben die Beklagten zu 2) und zu 3) der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können,
§ 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten zu 2) und zu 3) ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen,
§ 256 ZPO. Darüber hinaus hat (allerdings nur) die Beklagte zu 2) der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜG im tenorierten Umfang eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Nach einhelliger Auffassung ist nur der tatsächliche Benutzer einer Patentanmeldung, hier also die Beklagte zu 2), nicht hingegen dessen gesetzlicher Vertreter (hier der Beklagte zu 3) zur Entschädigung verpflichtet (vgl. Busse, PatG, 6. Auflage 2003, § 33 PatG Rn. 6).

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten zu 2) und zu 3) im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus werden die Beklagten zu 2) und zu 3) durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) einen Anspruch auf Vernichtung der in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 1 S. 1 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass die Vernichtung ausnahmsweise im Sinne von § 140 a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig ist, sind weder aus dem Vortrag der Beklagten, noch aus den Umständen zu erkennen.

IV.
Demgegenüber ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen, dass auch die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu diesen Zwecken eingeführt oder besessen hat.

1.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Klägerin zur Begründung einer Verletzungshandlung der Beklagten zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland vorgetragen hat, bei der Beklagten zu 2) handele es sich um die deutsche Vertriebstochter der Beklagten zu 1), wobei die Beklagte zu 1) ein schwedisches Unternehmen sei, das als Zulieferer für die Automobilindustrie – auch in Deutschland – tätig sei. Dies haben die Beklagten jedoch substantiiert bestritten. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist die Beklagte zu 1) in keiner Weise an der Herstellung, Entwicklung oder dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform beteiligt oder verantwortlich. Die Beklagte zu 1) betreue ausschließlich den skandinavischen Markt und sei damit nicht auf dem deutschen Markt tätig. Die Beklagten zu 1) und zu 2) seien weder voneinander weisungsabhängig, noch handele es sich bei der Beklagten zu 1) um eine Vertriebsgesellschaft der Beklagten zu 2) oder umgekehrt. Vielmehr handele es sich um zwei unabhängige Unternehmen. Insbesondere beliefere die Beklagte zu 1) die Beklagte zu 2) auch nicht.

2.
Ausgehend von diesem Vorbringen hat die Klägerin die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) nicht hinreichend dargelegt. Es trifft zu, dass die Beklagte zu 1) auf den als Anlage B&B 5 vorgelegten „Einbauhinweisen A“ aufgeführt ist. Jedoch lässt sich daraus nicht entnehmen, dass die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform tatsächlich in Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht hat. Zunächst handelt es sich bei der Anlage B&B 5 nicht um einen Katalog, sondern um „Einbauhinweise“ und damit um eine Bedienungsanleitung. Des Weiteren behält sich ausweislich der Angaben auf der letzten Seite ausdrücklich die B X1 GmbH und damit die Beklagte zu 2), nicht jedoch die Beklagte zu 1) das Recht vor, an den in der Bedienungsanleitung beschriebenen Produkten Änderungen oder Verbesserungen ohne Ankündigung vorzunehmen. Es trifft zu, dass sich auf dieser Seite auch die Angabe:

findet. Jedoch lässt sich daraus – auch aus der Sicht der durch die Einbauanleitung angesprochenen Verkehrskreise – nicht erkennen, dass auch die Beklagte zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland liefert. Nicht nur, dass es sich wie bereits dargelegt bei dem vorgelegten Prospekt um keinen Katalog, sondern um eine Bedienungsanleitung handelt. Der Hinweis auf die Beklagte zu 1) ist darüber hinaus vielmehr ausdrücklich mit dem Zusatz „Schweden“ versehen.

Auch der weitere Hinweis der Klägerin, sowohl die Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) gehörten zum B-Konzern und hätten die gemeinsame Internetadresse rechtfertigt keine andere Bewertung. Weder hat die Klägerin vorgetragen, noch ist ersichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dort in einer Art und Weise angeboten wird, welche für die angesprochenen Verkehrskreise den Schluss zulässt, auch die Beklagte zu 1) biete die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland zumindest an oder liefere diese an die Beklagte zu 2). Die gemeinsame Konzernzugehörigkeit der Beklagten zu 1) und zu 2) allein vermag die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) jedenfalls nicht zu begründen.

V.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht derzeit keine hinreichende Veranlassung, § 148 ZPO.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch auf eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

2.
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten zunächst darauf, der Prüfer habe im Patenterteilungsverfahren gegen Regel 137 Abs. 4 der Ausführungsordnung zum Patentübereinkommen 2000 verstoßen, weshalb das Klagepatent vorliegend wie ein ungeprüftes Schutzrecht zu behandeln sei. Es trifft zu, dass sich nach dieser Regel geänderte Patentansprüche nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen dürfen, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine allgemeine erfinderische Idee verbunden sind. Jedoch ist die US-A- 3 837 361 (D1) ausdrücklich auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift als Stand der Technik genannt. Demgegenüber findet sich das C-Datenblatt „Cdruck 820 001 051 3/05.95“ zwar nicht auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift. Jedoch wird dieses Datenblatt in der Klagepatentschrift ab Abschnitt [0010] über mehr als eine Spalte hinweg ausführlich gewürdigt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Erteilungsentscheidung jedenfalls nicht als unvertretbar dar, so dass unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Art. 137 Abs. 4 der Ausführungsverordnung zum Patentübereinkommen 2000 keine Veranlassung besteht, das Klagepatent wie ein ungeprüftes Schutzrecht zu behandeln.

3.
Des Weiteren ist Patentanspruch 1 nicht auf einen Gegenstand gerichtet, von dem der Durchschnittsfachmann auf Grund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen konnte, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll (BGH GRUR 2002, 49, 51 – Drehmomentübertragungseinrichtung), so dass eine Aussetzung der Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung (Art. 100 lit. c) nicht veranlasst ist. Voraussetzung der unzulässigen Erweiterung ist, dass der Gegenstand des Patents, der durch die Patentansprüche definiert wird, über den Gesamtinhalt der ursprünglichen Patentanmeldung hinausgeht. Dabei wird der Inhalt der ursprünglichen Anmeldung nicht durch den Inhalt der ursprünglichen Ansprüche begrenzt. Vielmehr dürfen alle Gegenstände, die sich einem Fachmann aus der ursprünglichen Anmeldung ohne weiteres erschließen, zum Gegenstand eines Patents gemacht werden und stellen daher keine unzulässige Erweiterung dar (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 21 Rz. 56 – 58).

Dies vorausgeschickt lässt sich das Vorliegen einer unzulässigen Erweiterung anhand der vorgelegten Unterlagen nicht erkennen. Insbesondere sind der als Anlage B&B 8 vorgelegen Anmeldeschrift keine Figuren beigefügt. Gleichwohl lässt sich in der Sache auch anhand der vorgelegten Anmeldeschrift folgendes feststellen:

Die Einfügung des Merkmals a) („die Ventileinrichtung weist ein Anhängerbremsventil (8), ein Betriebsbrems-Löseventil (33) sowie ein Parkventil (20) auf“) stellt keine unzulässige Erweiterung dar. Für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre kommt es nicht darauf an, ob die pneumatischen Bauelemente Parkventil, Löseventil und Anhängerbremsventil eine einzige Ventileinrichtung bilden oder in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet sind (vgl. Duplik, S. 15). Insbesondere hat die Klägerin das Zusammenspiel der nunmehr beanspruchten Komponenten Anhängerbremsventil, Betriebsbrems-Löseventil und Parkventil bereits in der Patentanmeldung hinreichend offenbart. Entsprechende Ausführungen finden sich insbesondere im Zusammenhang mit der Beschreibung der Figuren (vgl. Anlage B&B 8, S. 21 ff.).

Auch eine unzulässige Erweiterung im Hinblick auf das Merkmal b5 („sowie einen Parkanschluss (21) auf, der über das Parkventil (20) mit den Lösekammern der Federspeicherbremszylinder (38, 39, 40, 41) […] verbindbar ist“) ist anhand der vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar. Soweit die Beklagten unter Bezugnahme auf die (nicht vorgelegte) A2-Schrift vortragen, in Figur 1 sei zwingender Bestandteil der Ventileinrichtung das Wechselventil (52), auf dessen besondere Bedeutung sowohl in der Patentschrift als auch in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen wiederholt hingewiesen werde, lässt sich dies anhand der vorliegenden Anmeldeschrift (Anlage B&B 8) nicht nachvollziehen, da sich die Zitatstellen auf die A2-Schrift beziehen. Insbesondere wird das Wechselventil (52) lediglich im Zusammenhang mit Figur 1 und damit einem bevorzugten Ausführungsbeispiel erwähnt (vgl. Anlage B&B 8, S. 22, S. 25).

Schließlich ist auch hinsichtlich des Merkmals d) („das Betriebsbrems-Löseventil (33) weist eine Fahrstellung und eine Lösestellung auf, wobei in der Lösestellung der Vorrats-Druckbehälter (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils verbunden ist“) anhand der vorliegenden Unterlagen mangels Vorliegens der Figuren nicht erkennbar, ob wie von den Beklagten behauptet ausschließlich durch eine innerhalb des Anhängerbremsventils (8) verlaufende Leitung zwischen den Anschlüssen (3) und (5) des Anhängerbremsventils eine Verbindung des Vorrats-Druckbehälters (9) des Anhängers mit dem Versorgungsanschluss (1) des Anhängerbremsventils geschaffen wird. Dagegen spricht allerdings bereits Anlage B&B 8, S. 21, dritter Absatz, welcher lediglich von einer „direkten pneumatischen Verbindung“ des Löseanschlusses (5) mit dem Behälteranschluss (3) spricht.

4.
Auch das Vorbringen der Beklagten zur Erfindungshöhe rechtfertigt eine Aussetzung der Verhandlung nicht.

a)
Insoweit gilt es zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagten das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit maßgeblich auf eine Kombination der US-A- 3 837 361 (D1) mit dem C-Datenblatt „Cdruck 820 001 051 3/05.95“ (D12) stützen, welche wie bereits dargelegt ausweislich der Klagepatentschrift Gegenstand des Patenterteilungsverfahrens waren. Im Hinblick auf die Entgegenhaltung D1 ergibt sich dies im Übrigen auch aus dem im Rahmen des Patenterteilungsverfahrens ergangenen Bescheid vom 18.04.2006 (Anlage B 10), in welchem das Europäische Patentamt die fehlende Neuheit in Bezug auf die ursprünglich eingereichten Patentansprüche maßgeblich mit der D1 begründet hat. Darüber hinaus wird die D12 in der Klagepatentschrift ausführlich als Stand der Technik gewürdigt (vgl. Anlage B & B 1, Abschnitte [0010] – [0016]), so dass auch diese im Patenterteilungsverfahren Berücksichtigung gefunden hat.

b)
Dies vorausgeschickt lassen sich für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden, so dass für eine Aussetzung der Verhandlung auch unter dem Gesichtspunkt der mangelnden erfinderischen Tätigkeit keine Veranlassung besteht.

Die Entgegenhaltung D1 betrifft ein Notbremsventil, welches in Verbindung mit einem Rutsch- oder Schleuder-Vermeidungssystem betreibbar ist und für den Fall, dass ein Bremsdruck einbricht, eine Notbremsregelung ermöglicht. Das offenbarte Ventil ist dabei auch in Verbindung mit Federspeicherbremsen einsetzbar, wobei die Federspeicherbremsen eine Rückfall-Parkbremse bereitstellen, ohne dass die ein Rutschen oder Schleudern vermeidende Regelung während des Notbremsbetriebs beeinträchtigt ist. Für den Fall des Einsatzes von Federspeicherbremsen sieht die Entgegenhaltung eine Wechselwirkung zwischen dem Regelventil und einem Federspeicherbremsaktuator (110) vor. Das Zusammenwirken von Regelventil und Federspeicherbremsaktuator wird nachfolgend anhand von Figur 3 der Entgegenhaltung, wie sie in dem durch die Beklagten als Anlage B 11 vorgelegten Privatgutachten dargestellt ist, beispielhaft wiedergegeben:

Der Federspeicherbremsaktuator besteht aus einem Modulgehäuse (112), welches eine Rückschlagventil-Schieber-Baugruppe (118) besitzt, die gleitend an einer Bohrung (120) aufgenommen ist. Eine Feder (122) beaufschlagt normalerweise die Rückschlagventil-Baugruppe nach links. Eine Rückschlagventil-Platte (124) ist geeignet gestaltet, um mit einer Rückschlagventil-Dichtung (126) zur Regelung des Flusses des Fluides durch eine innere Durchschnittsbahn (128) in der Schieber-Baugruppe zusammenzuwirken. Eine Rückschlagventil-Feder (130) beaufschlagt die Platte (124) in Richtung Dichtung (126). Allerdings ist der Vorsprung (132) an dem spulenartigen Körper (64) geeignet angeordnet, um in die Platte (124) einzugreifen und die Platte in einer Position zu halten, in der die abdichtende Wechselwirkung mit der Dichtung (126) nicht auftritt, wenn sich das Ventil in dem Zustand wie in Figur 3 der Entgegenhaltung befindet. Der Federspeicher-Bremsaktuator (24‘) besitzt ein Paar von Druckkammern, nämlich eine Bremsdruck-Lösedruck-Kammer (140) und eine Betriebs- oder Bremsbetätigungsdruck-Kammer (142). Eine Bremsbetätigungsfeder (144) wirkt normalerweise auf einer Seite der Membran (143) zur Beaufschlagung eines Kolbens (145) und einer zweiten Membran (146). Eine Bremsbetätigungsstange (147) wird durch eine geeignete Feder (148) in Richtung des Kontakts mit der Membran (146) beaufschlagt. Mit Bewegung der Membran (146) nach rechts unter Beaufschlagung durch die Feder (144) wird die Stange (147) nach rechts bewegt, wodurch die Bremse auf an sich bekannte Weise betätigt wird.

Befindet sich die Einheit außer Betrieb und ist das System drucklos, befinden sich die betätigbaren Teile des Ventils und des Bremsaktuators in der in Figur 3 der Entgegenhaltung dargestellten Position. Mit dem Starten des Fahrzeugs oder Anhängers und der Betätigung des Kompressors (12) wird der Druck in der Vorratsleitung (38) durch die Durchtrittsbahn (128) und die Löseleitung (116) zu der Federspeicher-Lösekammer (140) des Bremsaktuators (24‘) geleitet. Der Druck in der Brems-Lösekammer (140) erreicht schließlich ein Niveau, bei dem dieser die Membran (143) nach links bewegt und die Feder (144) zusammendrückt, wodurch ermöglicht wird, dass die Feder (148) die Membran (146) und die Stange (147) nach links beaufschlagt. Hierdurch werden die Bremsen des Anhängers gelöst. Erreicht der Druck in dem System ein Niveau, das ausreichend ist, um die Beaufschlagung der Feder (122) zu überwinden, wird die Rückschlagventil-Schieber-Baugruppe (118) nach rechts bewegt, und mit Stabilisierung des Systemdrucks wird die Rückschlagventil-Platte (124) geschlossen.

Fällt der Druck in der Vorratsleitung (38) auf ein Niveau, welches ermöglicht, dass sich die Rückschlagventil-Schieber-Baugruppe (88) nach links bewegt, wird der Behälterdruck dann zu dem Steuerbereich des Relaisventils (30) weitergegeben, wodurch die Bremsen betätigt werden. Allerdings bleibt mit der Aufbringung des Behälterdrucks die Federspeicher-Lösekammer (140) druckbeaufschlagt, bis der Behälterdruck auf ein vorbestimmtes Niveau abfällt. Daran anschließend bewirkt ein weiterer Abfall des Behälterdrucks unter ein vorbestimmtes Niveau, dass sich die Rückschlagventil-Schieber-Baugruppe (118) nach links bewegt. Dadurch tritt die Rückschlagventil-Platte (124) mit dem Vorsprung (132) in Wechselwirkung, wodurch der Druck in der Lösekammer abzufallen beginnt. Mit dem Abfall des Drucks in der Kammer (140) wird die Feder (144) zunehmend zur Erzeugung einer bremsbetätigenden Kraft auf die Stange (147) wirksam. Somit fällt mit Abfall des Behälterdrucks der Betätigungsdruck in der Kammer (142) und die bremsbetätigende Kraft, die durch die Feder (144) ausgeübt wird, steigt mit dem Ergebnis, dass ein grundsätzlich konstantes Bremsmoment erzeugt wird (vgl. Anlage B 4a, S. 8 – 10).

Nach der in der D1 offenbarten Erfindung, welche auch kein Parkventil (20) und kein Betriebsbrems-Löseventil (33) vorsieht, wird die Wirkung des Rückschlagventils (124) somit anders als von Merkmal i) verlangt nicht bei drucklosem Versorgungsanschluss aufgehoben. Vielmehr wird die Wirkung des in der Entgegenhaltung beschriebenen Rückschlagventils erst dann aufgehoben, wenn der Druck des Behälteranschlusses einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet (vgl. Anlage B 4, S. 10 Mitte – S. 11). Während patentgemäß die Wirkung des Rückschlagventils (19) sofort nach dem Wegfall des Drucks am Versorgungsanschlusses (1) unabhängig von einem bestimmten Behälterdruck wegfällt, kommt es nach der in der Entgegenhaltung offenbarten technischen Lehre erst später zu einem Wegfall der Wirkung des Rückschlagventils (124). Erst nach dem Absinken des Behälterdrucks unter einen bestimmten Schwellenwert entfällt die Wirkung des Rückschlagventils, was durch einen Druckabfall in der Lösekammer (140) bedingt zu einer Entfaltung der Bremswirkung der Federspeicherbremsen führt.

Damit ist das Sicherheitsniveau jedoch aufgrund der erforderlichen Bestimmung des Schwellenwertes niedriger als nach der patentgemäßen Lösung. Insbesondere ist es nicht auszuschließen, dass bei einer nicht ordnungsgemäßen Einstellung des Schwellenwertes die Federspeicherbremsen ihre Wirkung noch nicht entfalten, während die Betriebsbremsen durch den Abfall des Drucks im Vorratsbehälter ihre Wirkung verlieren. Dies steht der durch das Klagepatent angestrebten erhöhten Sicherheit gegen ein unbeabsichtigtes Anrollen jedoch entgegen (vgl. Anlage B & B 1, Abschnitt [0023]). Erfindungsgemäß soll der Anhänger stets ausreichend gebremst bleiben und kann damit praktisch nicht wegrollen (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0067 a. E.]).

Mithin genügt es nicht, wenn der Fachmann, wie die Beklagten unter Berücksichtigung des als Anlage B 11 vorgelegten Privatgutachtens darlegen, ausgehend von der D1 aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch eine Kombination der D1 mit den durch die Beklagten in Bezug genommenen Schriften naheliegend dazu kommt, ein in der D1 offenbartes Ventil mit einem Parkventil und einem Betriebsbrems-Löseventil zu kombinieren. Vielmehr müsste er zusätzlich naheliegend zu einer Lösung gelangen, bei welcher die Wirkung des ersten Rückschlagventils (19) unabhängig vom Druck im Vorratsbehälter (9) aufgehoben wird. Dass dies jedoch tatsächlich der Fall ist, haben die Beklagten – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Entgegenhaltung D12 – weder hinreichend dargelegt noch ist dies ersichtlich. Vielmehr erscheint es zumindest vertretbar, dass der Fachmann, wenn er die D1 mit den im Stand der Technik bekannten Park- und Betriebsbrems-Löseventilen kombiniert, davon ausgeht, dass damit insbesondere über das Parkventil eine hinreichende Absicherung des abgestellten Anhängers erreicht wird. Dass er demgegenüber naheliegend eine über das Parkventil und den schwellenwertabhängigen Einsatz der Federspeicherbremsen hinausgehende zusätzliche Anrollsicherung vorsieht, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als dass es eine Aufgabe des Klagepatents ist, die Herstellungskosten zu senken (vgl. Anlage B&B 1, Abschnitt [0023]).

5.
Eine Auseinandersetzung mit dem Widerrufsgrund der mangelnden Offenbarung (Art. 100 lit. b EPÜ) erübrigt sich, da sich die Beklagten auf diesen nur für den Fall berufen haben, dass patentgemäß die Wirkung des ersten Rückschlagventils bei drucklosem Versorgungsanschluss abhängig vom Druck des Behälteranschlusses sein soll. Dies ist jedoch – wie bereits dargelegt – nicht der Fall, da erfindungsgemäß die Wirkung des ersten Rückschlagventils bei drucklosem Versorgungsanschluss unabhängig vom Druck am Behälteranschluss aufgehoben sein muss.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO. Für die Anordnung einer einen Betrag von 500.000,- EUR übersteigenden Sicherheitsleistung besteht keine Veranlassung. Die Kammer verkennt nicht, dass nach dem Vortrag der Beklagten bei deren Verurteilung die mit Schriftsatz vom 05.05.2009 im Einzelnen aufgezählten Maßnahmen zu ergreifen wären. Dass dafür jedoch tatsächlich wie von den Beklagten behauptet ein Betrag von mehr als 500.000,- EUR aufzuwenden wäre, erschließt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht.

Der Streitwert wird auf 500.000,- EUR festgesetzt. Davon entfallen 200.000,- EUR auf die gegen die Beklagte zu 1) erhobene Klage.