4a O 275/07 – Gesundheitsschuhe

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1000

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Januar 2009, Az. 4a O 275/07

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin, Herstellerin einer physiologischen Schuhware (Gesundheitsschuhe), die gezielt ein aktives, rollendes Gehen fördert, das sich positiv auf die Halte- und Stützmuskulatur auswirkt, ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 1 124 xxx B1 (Klagepatent). Die Beklagte zu 1) ist eine in Korea ansässige Wettbewerberin der Klägerin und vertreibt in Deutschland ebenfalls Schuhe zur Förderung eines aktiven, rollenden Gehens. Der Beklagte zu 2) ist der deutsche Importeur der Beklagten zu 1). Er bietet die Schuhe der Beklagten zu 1) deutschlandweit an. Gestützt auf das Klagepatent nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Entschädigung und Schadensersatz sowie Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 31. Juli 2000 unter Inanspruchnahme zweier schweizer Prioritäten vom 28. August 1999 und vom 06. April 2000 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet, die Anmeldung am 22. August 2001 im Patentblatt veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 06. Oktober 2004. Das Klagepatent steht in Deutschland in Kraft. Die Klägerin ist noch unter ihrer früheren Firmierung „A AG“ als Inhaberin des Klagepatents in das Patentregister eingetragen.

Das Klagepatent schützt ein Schuhwerk für aktiv abrollendes Gehen. Der eingetragene Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

Gerät für aktiv abrollendes Gehen (1) mit einem Oberteil (2), der mit einem Oberschuh versehen ist, mit dem man das Gerät am Fuß fixieren kann und welches aus Leder, Textil oder anderen natürlichen oder synthetisch hergestellten Materialien hergestellt ist, und mit einer Sohle (3) aus mindestens einer Mittelsohle (10), einer Untersohle (12) und einem Sohlenboden (13), wobei die Mittelsohle (10) fest, hart und elastisch ist, die Untersohle (12) zwischen 0,5 und 5 cm Dicke aufweist und weich und elastisch ist und der Sohlenboden (13) hart und elastisch ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Mittelsohlenboden (11) und der Sohlenboden (13) eine beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form aufweisen und
dass ein harter keilförmiger Einschluss (15) größerer Dimension im vorderen Drittel des Schuhs (II) den Raum zwischen Mittelboden (11) und Sohlenboden (13) ganz ausfüllt, in den hinteren zwei Dritteln des Schuhs (III, IV) eine beliebige Form aufweist, wobei der verbleibende Raum zwischen Mittelsohlenboden (11) und Sohlenboden (13) durch die weiche Untersohle (12) so ausgefüllt ist, dass die ballige Außenkontur des Sohlenbodens (13) erhalten bleibt.

Nachfolgend wird die Figur 6 der Klagepatentschrift wiedergegeben, die einen seitlichen Schnitt durch ein Ausführungsbeispiel der geschützten Vorrichtung zeigt:

Die Beklagten vertreiben in Deutschland Schuhe der Modelle „B“ (von denen als Anlage K6 ein intaktes und als Anlage B9 ein in Längsrichtung aufgeschnittenes Muster vorliegt) und „C“ (aufgeschnittenes Muster als Anlage B10), die sich im Sohlenaufbau nicht voneinander unterscheiden und nachfolgend auch als angegriffene Ausführungsformen bezeichnet werden. Die Beklagten präsentierten die angegriffenen Schuhmodelle auf der GDS Schuhmesse 2007 in Düsseldorf.
Der Sohlenaufbau der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aus der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung, die (hier leicht verkleinert) der Abb. 5 aus dem Untersuchungsbericht des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens vom 04. Dezember 2007 (Anlage K5) entspricht. Auch die in der Abbildung hinzugefügten Bezugszeichen aus der Klagepatentschrift stammen aus jenem Untersuchungsbericht. Sie geben zugleich an, in welchen Bestandteilen der Sohle die Klägerin die technische Lehre des Klagepatents verwirklicht sieht:

Die folgende Abbildung, die ebenfalls dem Untersuchungsbericht nach Anlage K5 entnommen ist (dort Abb. 6), gibt an, welche Elastizitätsmodule das Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens im Auftrag der Klägerin für die einzelnen Sohlenbestandteile der angegriffenen Ausführungsformen ermittelt hat:

Als Anlagen B7 und B8 liegen Fotografien der angegriffenen Ausführungsformen im in Längsrichtung aufgeschnittenen Zustand vor, die im Folgenden ebenfalls (leicht verkleinert) eingeblendet werden. Die Bezeichnung der Sohlenbestandteile ist hier durch die Beklagten vorgenommen worden:

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Als Mittelsohlenboden im Sinne des Klagepatents sei bei ihnen die Zwischensohle aus schwarzem Kunststoff anzusehen, die in der oben wiedergegebenen Abbildung 5 aus Anlage K5 mit dem Bezugszeichen „11“ belegt ist und die von den Beklagten als „Zusatzsohle A“ bzw. „Zusatzsohle (A)“ bezeichnet wird. Die technische Lehre setze nicht voraus, dass der Mittelsohlenboden stets und zwingend die untere Begrenzung und einen integralen Bestandteil der Mittelsohle 10 bilde; er könne vielmehr auch einen separaten Bestandteil des Sohlenaufbaus darstellen, wie sich aus der Beschreibung des Klagepatents ergebe.
Eine patentgemäße Untersohle liege bei den angegriffenen Ausführungsformen in Gestalt des im Querschnitt linsenförmigen Bereichs der Sohle in Fersennähe vor, der in Abbildung 5 nach Anlage K5 durch eine Umrahmung hervorgehoben und mit dem Bezugszeichen „12“ belegt ist und den die Beklagten als „Airbag C“ bezeichnen. Das Attribut „hart“ für den keilförmigen Einschluss (15) nach Merkmal 7 (vgl. die in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Merkmalsgliederung) beschreibe lediglich eine relative Härte dieser Sohlenschicht im Vergleich zur patentgemäß „weichen“ Untersohle (12) (Merkmal 4). Bei den angegriffenen Ausführungsformen stelle die in Abbildung 5 der Anlage K5 mit „15“ und von den Beklagten als „Dämpfungsbereich B“ bezeichnete Sohlenschicht den keilförmigen Einschluss im Sinne des Klagepatents dar. Die in ihrem – der Klägerin – Auftrag ermittelten Elastizitätsmodule der betreffenden Sohlenbestandteile der angegriffenen Ausführungsformen (vgl. die oben wiedergegebene Abbildung 6 aus Anlage K5) führten dazu, dass bei ihnen ein harter, keilförmiger Einschluss größerer Dimension im vorderen Drittel des Schuhs (II) den Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden ganz ausfülle.
Im technischen Gesamtzusammenhang des Klagepatents sei mit „Härte“ keine von der Elastizität eines Bauteils zu unterscheidende Härte im allgemeinen technischen Sinne gemeint, verstanden als die Widerstandsfähigkeit eines festen Körpers gegen das Eindringen eines anderen festen Körpers. Dem Klagepatent komme es allein auf die Widerstandsfähigkeit der Sohlenbestandteile gegen Verformung an, so dass das Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens in Anlage K5 zu Recht für den Vergleich der patentgemäß weichen und elastischen Untersohle mit dem harten keilförmigen Einschluss unmittelbar auf die Elastizitätsmodule der verschiedenen Sohlenbestandteile abgestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
ein Gerät für aktiv abrollendes Gehen mit einem Oberteil, der mit einem Oberschuh versehen ist, mit dem man das Gerät am Fuß fixieren kann und welches aus Leder, Textil oder anderen natürlichen oder synthetisch hergestellten Materialien hergestellt ist, und mit einer Sohle aus mindestens einer Mittelsohle, einer Untersohle und einem Sohlenboden, wobei die Mittelsohle fest, hart und elastisch ist, die Untersohle zwischen 0,5 und 5 cm Dicke aufweist und weich und elastisch ist und der Sohlenboden hart und elastisch ist,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der Mittelsohlenboden und der Sohlenboden eine beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form aufweisen und ein harter keilförmiger Einschluss größerer Dimension im vorderen Drittel des Schuhs den Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden ganz ausfüllt, in den hinteren zwei Dritteln des Schuhs eine beliebige Form aufweist, wobei der verbleibende Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden durch die weiche Untersohle so ausgefüllt ist, dass die ballige Außenkontur des Sohlenbodens erhalten bleibt;

2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22. September 2001 begangen haben,
und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Auskünfte zu e) nur für die Zeit seit dem 06. November 2004 zu erteilen sind;

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin für die unter 1. bezeichneten und in der Zeit vom 22. September 2001 bis zum 05. November 2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter 1. bezeichneten Handlungen seit dem 06. November 2004 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie stellen eine Benutzung des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen in Abrede. Als Mittelsohlenboden bezeichne das Klagepatent ausschließlich die Unterseite der Mittelsohle. Der Mittelsohlenboden müsse daher ihr integraler Bestandteil sein, eine räumliche Trennung des Mittelsohlenbodens von der Mittelsohle sei vom Klagepatent nicht gedeckt. Die „Zusatzsohle A“ der angegriffenen Ausführungsformen komme aus diesem Grund als Mittelsohlenboden nicht in Betracht, zumal sie aufgrund ihres Krümmungswechsels vom vorderen zum hinteren Teil keine ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form im Sinne des Klagepatents aufweise. Lege man hingegen mit der Klägerin zugrunde, dass die „Zusatzsohle A“ bei den angegriffenen Ausführungsformen den Mittelsohlenboden bilde, fehle es im etwa vordersten Sechstel ihrer Sohle an einer oberen Begrenzung für den „harten keilförmigen Einschluss“.
Der „Dämpfungsbereich B“ der angegriffenen Ausführungsformen bilde keinen harten, keilförmigen Einschluss nach Merkmal 7. Er sei im Vergleich zu anderen Sohlenbestandteilen nicht hart, sondern im Gegenteil eher weich ausgestaltet. Er umschließe den „Airbag C“ zudem oben und unten in schwalbenschwanzförmiger Art, was einer patentgemäßen Keilform entgegenstehe. Schließlich fülle er den Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden nicht vollständig aus, denn hier befinde sich auch die „Zusatzsohle A“. Die „Zusatzsohle A“ selbst verwirkliche die Voraussetzungen des Merkmals 7 nicht.
Die Beklagten meinen, das Klagepatent unterscheide deutlich zwischen „Härte“ und „Elastizität“ der patentgemäßen Sohlenbestandteile, eine Gleichsetzung beider Attribute sei daher nicht gerechtfertigt. Zur Härte der Sohlenbestandteile der angegriffenen Ausführungsformen habe die Klägerin jedoch gar nicht vorgetragen, sondern nur zu deren Elastizität.
In dem „Airbag C“ könne keine patentgemäße Untersohle erblickt werden. Lufteinschlüsse seien nach der Beschreibung für die Untersohle gerade ausgeschlossen und der „Airbag C“ stoße wegen der unterhalb seiner liegenden unteren Schicht des „Dämpfungsbereichs B“ nicht unmittelbar an den Sohlenboden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin die Elastizität dieses Bereichs, der sich von dem Dämpfungsbereich nicht trennscharf abgrenzen lasse, überhaupt gemessen habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, mangels Verletzung des Klagepatents jedoch nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Entschädigung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 1 und 2; 140b Abs. 1 und 3 PatG; §§ 242; 259 BGB; Art. II § 1 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG nicht zu. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die technische Lehre des Klagepatents nicht, weil sie keine von Anspruch 1 des Klagepatents geschützten Erzeugnisse darstellen (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG). Es fehlt jedenfalls an einem patentgemäßen Mittelsohlenboden, der die gemäß Merkmal 6 beanspruchte Form aufweist.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Gerät (Schuhe) für aktiv abrollendes Gehen. Ihm liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Mensch mit seinem hochkomplizierten Bänder-Muskel-Sehnenapparat und der empfindlichen aufrechten Wirbelsäule an sich gebaut ist, um sich in der Natur auf unebenem Boden zu bewegen (Anlage K1, Spalte 1 Zeilen 6 ff.; weitere Verweise ohne Zusatz beziehen sich jeweils auf die Klagepatentschrift, Anlage K1). Mit zunehmendem technologischem Fortschritt – so die Beschreibung des Klagepatents weiter – neige der Mensch dazu, seine Umgebung zur Nutzung als Transportwege so weit wie möglich flach auszugestalten, um den Transport mittels Rädern zu vereinfachen (Spalte 1 Zeilen 13 ff. und 22 ff.). Bei einem zunehmend „passiven“ Gehen auf einem abgeflachten, ebenen Boden würden große Teile des menschlichen Bewegungsapparates nicht mehr aktiv gefordert bzw. bestimmte Teile übermäßig beansprucht. Die ungleiche Belastung des Bewegungsapparates infolge einer passiven Gehweise führe zu Schlägen in die Gelenke und auf die Wirbelsäule, zu einseitigen Muskel-, Sehnen- und Bänderbelastungen und damit letztlich zu den weit verbreiteten Rücken-, Gelenk- Venen-, Bein- und Fußproblemen (Spalte 1 Zeilen 39-55).
Gebräuchliche Schuhe mit einem Absatz seien an die veränderte Gehsituation auf flachen Böden nicht angepasst. Erforderlich sei hingegen ein Schuh, der den Menschen zum gezielten, aktiven Einsatz seines Bewegungsapparates zwingt und damit die für den Bewegungsapparat wichtige Unebenheit des Bodens simuliert (Spalte 1 Zeile 56 bis Spalte 2 Zeile 6). Derartige Schuhe gebe es nicht. Soweit Fußstützen oder Dämpfungssysteme verwendet werden, seien diese nicht geeignet, leichte, vielleicht auch nur vorübergehende Haltungsfehler und Fehler des Ablaufes des Bewegungsapparates gezielt und kurzfristig zu trainieren (Spalte 2 Zeilen 7-35).
Aus dem Stand der Technik in Gestalt der WO 99/03368 (Anlage B3) waren Schuhe mit einer Mittelsohle, einer Untersohle und einem Sohlenboden zur Unterstützung eines aktiv abrollenden Gehens bekannt, bei denen der Sohlenboden eine ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form aufweist (Spalte 2 Zeilen 42-47). Ein weiteres Gehgerät mit balligem Sohlenboden werde in der US-Anmeldeschrift 4,030,213 (Anlage B4) gezeigt, wobei hier ein balliger Abschnitt im vorderen und ein weiterer balliger Abschnitt im hinteren Sohlenabschnitt vorgesehen seien (Spalte 2 Zeilen 48-51).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, einen aus dem Stand der Technik bekannten Schuh derart weiterzuentwickeln und zu verbessern, dass er ein verbessertes Abrollen beim Gehen gewährleistet (Spalte 2 Zeilen 52 ff.), dass durch seine Ausgestaltung ein abrollendes Gehen gezielt gefördert und ein verbesserter natürlicher, rollender Bewegungsablauf ermöglicht wird (Spalte 2 Zeilen 55-57). Das Klagepatent verfolgt die Zielsetzung einer durch den Schuh geförderten „rollenden Bewegung“ (vgl. Spalte 5 Zeilen 13 f.).

In der erteilten und hier geltend gemachten Fassung seines Anspruchs 1 schlägt das Klagepatent zu diesem Zweck die Kombination folgender Merkmale vor, wobei die Verwendung des Begriffs „Mittelboden (11)“ im Anspruch, bei der es sich erkennbar und von beiden Parteien erkannt um ein sprachliches Versehen handelt, in der Merkmalsgliederung zu 7. (wie auch im Klageantrag zu 1.) durch den zutreffenden Begriff „Mittelsohlenboden (11)“ ersetzt wurde:

Gerät für aktiv abrollendes Gehen (1)
1. mit einem Oberteil (2), der mit einem Oberschuh versehen ist, mit dem man das Gerät am Fuß fixieren kann und welcher aus Leder, Textil oder anderen natürlichen oder synthetisch hergestellten Materialien hergestellt ist;
2. mit einer Sohle (3) aus mindestens einer Mittelsohle (10), einer Untersohle (12) und einem Sohlenboden (13);
3. die Mittelsohle (10) ist fest, hart und elastisch;
4. die Untersohle (12) weist eine Dicke zwischen 0,5 und 5 cm auf und ist weich und elastisch;
5. der Sohlenboden (13) ist hart und elastisch;
6. der Mittelsohlenboden (11) und der Sohlenboden (13) weisen eine beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form auf;
7. ein harter keilförmiger Einschluss (15) größerer Dimension füllt im vorderen Drittel des Schuhs (II) den Raum zwischen Mittelsohlenboden (11) und Sohlenboden (13) ganz aus und weist in den hinteren zwei Dritteln des Schuhs (III, IV) eine beliebige Form auf;
8. der verbleibende Raum zwischen Mittelsohlenboden (11) und Sohlenboden (13) ist durch die weiche Untersohle (12) so ausgefüllt, dass die ballige Außenkontur des Sohlenbodens (13) erhalten bleibt.

II.
Die Beklagten bestreiten im Wesentlichen, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale 6 (Mittelsohlenboden), 7 (harter keilförmiger Einschluss) und 8 (Untersohle) der vorstehenden Merkmalsgliederung verwirklichen sollen. Insbesondere diese Merkmale bedürften daher im Gesamtzusammenhang der technischen Lehre des Klagepatents näherer Betrachtung.
Das Klagepatent will das Ziel, durch die Ausgestaltung des Schuhs einen „verbesserten natürlichen rollenden Bewegungsablauf“ mit den damit erwünschten positiven Auswirkungen auf den ganzen Körper zu gestatten (vgl. Spalte 2 Zeilen 55 ff.), insbesondere dadurch erreichen, dass es auf einen von herkömmlichen Schuhen bekannten Absatz verzichtet und dem Gehenden innerhalb des vorderen Teils des Sohlenaufbaus einen Widerstand zur Verfügung stellt, der bei einem jeden Schritt überwunden werden will. Damit sind in erster Linie die Maßnahmen nach Merkmal 6, wonach Mittelsohlenboden und Sohlenboden eine „beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form aufweisen“ (Verzicht auf einen Absatz), und Merkmal 7 angesprochen. Dieses setzt einen harten keilförmigen Einschluss größerer Dimension im Schuh voraus, der zumindest im vorderen Schuhdrittel den Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden vollständig ausfüllt, während seine Form in den hinteren beiden Dritteln des Schuhs beliebig ist. Indem der neben dem harten keilförmigen Einschluss verbleibende Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden durch eine anspruchsgemäß „weiche“ Untersohle so ausgefüllt ist, dass die ballige Kontur des Sohlenbodens erhalten bleibt (Merkmal 8), kann die Sohle im Fersenbereich in höherem Maße komprimiert werden als im vorderen Drittel des Schuhs. Nachdem der hintere Bereich des Schuhs beim Aufsetzen des Fußes nachgegeben hat, muss seitens des Gehenden für die Fortführung der Abrollbewegung ein Widerstand in Gestalt des harten keilförmigen Einschlusses im vorderen Drittel überwunden werden. Das Klagepatent verfolgt damit, wie es im Zusammenhang mit bevorzugten Ausführungsbeispielen selbst ausführt, das Ziel, die geschützten Schuhe sollten ihrem Träger „beim Abrollen ein Gefühl vom Barfußgehen im Sand mit Trampolin Effekt“ vermitteln (Spalte 4 Zeilen 35 f.).
Allerdings darf die technische Lehre nicht auf das Zusammenspiel nur dieser Maßnahmen reduziert werden, sondern ist in ihrer Gesamtheit, also auch unter Berücksichtigung der übrigen Merkmale des Patentanspruchs zu betrachten. Die Parteien streiten darüber, was das Klagepatent unter einem Mittelsohlenboden versteht, der in Merkmal 6 erstmals genannt wird und anspruchsgemäß wie der Sohlenboden eine beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form aufweisen soll. Die Beklagten meinen, Mittelsohlenboden im Sinne des Patentanspruchs könne ausschließlich die untere Begrenzung der Mittelsohle meinen und müsse daher deren integraler Bestandteil sein, zumal der Mittelsohlenboden nicht als einer der drei Sohlenbestandteile in Merkmal 2 genannt werde. Nicht in Betracht komme hingegen, in einem gesonderten Sohlenbestandteil noch einen Mittelsohlenboden zu erkennen. Nach Auffassung der Klägerin hingegen ist die technische Lehre des Klagepatents hierauf nicht beschränkt; Mittelsohlenboden könne alternativ auch ein gesonderter, von der Mittelsohle sowohl als Bauteil als auch räumlich getrennter Sohlenbestandteil sein.
Der Anspruch selbst gibt keinen Aufschluss darüber, ob es sich bei einem Mittelsohlenboden (11) zwingend um die Unterseite der Mittelsohle (10) handeln muss. Merkmal 2 bezeichnet als „mindestens“ erforderliche Bestandteile nur eine Mittelsohle (10), eine Untersohle (12) und einen Sohlenboden (13); einen Mittelsohlenboden (11) nennt Merkmal 2 nicht explizit. Da es sich insoweit jedoch nur um eine Aufzählung der Mindestbestandteile einer klagepatentgemäßen Sohle handelt, steht Merkmal 2 einer Auslegung im Sinne der Klägerin, wonach der Mittelsohlenboden zwar die Unterseite der Mittelsohle (10) darstellen kann, aber nicht zwingend mit ihr identisch sein muss, nicht entgegen. Ist er im Einzelfall mit der Unterseite identisch, stellt sich die Aufzählung in Merkmal 2 als erschöpfend dar; liegt er separat neben der Mittelsohle vor, widerspricht auch dies dem Merkmal 2 („mindestens …“) nicht. Der Anspruchswortlaut ist daher in dieser Hinsicht als offen zu bezeichnen: Er lässt sowohl ein enges als auch ein weites Verständnis zu.
Bei allgemeinem Verständnis liegt es allerdings nahe, in dem „Boden“ einer als ein Teil einer schichtweise aufgebauten Sohle genannten Mittelsohle die Unterseite dieser Mittelsohle zu erkennen, mit der die Mittelsohle an den nächsten, unterhalb ihrer gelegenen Sohlenbestandteil grenzt. Denn der Boden einer einzelnen, namentlich genannten Schicht bezeichnet allgemein deren Grenzfläche zur darunter gelegenen nächsten Schicht. Bei der Auslegung des (insbesondere in dieser Hinsicht unklaren) Anspruchswortlauts wird der Fachmann jedoch nicht bei einem solchen allgemeinen Verständnis stehen bleiben, sondern – wie allgemein – Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung heranziehen (vgl. Art. 69 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit dem Protokoll über die Auslegung des Artikels 69). In den Zeichnungen der Klagepatentschrift findet sich allerdings kein Hinweis darauf, es könnte sich bei dem Mittelsohlenboden (11) um ein separates Teil neben der Mittelsohle (10) handeln. In sämtlichen Figuren weist die Bezugsziffer „11“ lediglich auf den Übergang der Mittelsohle (10) zum darunter liegenden Element, der Untersohle (12) oder dem harten keilförmigen Einschluss (15). In keiner Figur der Klagepatentschrift befinden sich Teile eines anderen Sohlenbestandteils zwischen der Mittelsohle (10) und dem Bezugspunkt des Bezugszeichens „11“. Die Figuren – für sich betrachtet – stützen damit das aufgezeigte allgemeine Verständnis eines Mittelsohlenbodens.
Der ebenfalls und mit grundsätzlich gleicher Bedeutung und gleichem Gewicht bei der Auslegung heranzuziehenden Beschreibung ist jedoch zu entnehmen, dass der Mittelsohlenboden (11) nicht zwingend integraler Bestandteil der Mittelsohle (10) sein muss. So heißt es in der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsbeispiele (Spalte 4 Zeilen 5-8), dass die Flexibilität des Gehgerätes (1) erhöht werden kann, indem zwischen Mittelsohle (10) und Untersohle (12) ein Mittelsohlenboden (11) „eingebaut sein kann“. Eingebaut wird aber nur etwas, das nicht schon zwingender Bestandteil eines anderen, zudem als Bezugsobjekt („zwischen …“) für den Einbauort genannten Bauteils ist. Weiter heißt es in der Beschreibung, ebenfalls „fakultativ“ formuliert (Spalte 4 Zeilen 24-27):
„Die untere Begrenzung der Mittelsohle 10 oder falls vorhanden des Mittelsohlenbodens 11 weist eine nach unten ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form auf.“
Da eine Mittelsohle selbstverständlich eine untere Begrenzung aufweisen muss, deutet die separate und ausdrücklich fakultative Erwähnung des Mittelsohlenbodens („falls vorhanden“) darauf hin, dass er im Rahmen der technischen Lehre auch einen separaten Bestandteil der Sohle (3) darstellen kann, allerdings nicht darstellen muss. Die Mittelsohle muss folglich nicht zwingend einschichtig aufgebaut sein, der Mittelsohlenboden nicht notwendiger Weise die Unterseite einer einheitlichen Schicht bilden.
Für das fachmännische Verständnis von einem „Mittelsohlenboden“ enthält die Beschreibung weitere Hinweise darauf, dass dieser nicht zwingend integraler Bestandteil einer einheitlichen Mittelsohle sein muss. So können nach der Beschreibung die Mittelsohle (10) einerseits und der Mittelsohlenboden (11) andererseits aus unterschiedlichen Materialien herstellt sein. Denn für den Mittelsohlenboden nennt die Beschreibung die Möglichkeit, ihn „aus hartelastischem Material“ herzustellen, so dass er genügend Festigkeit aufweist, um von der Verformung der Untersohle (12) entstehende Kräfte aufzufangen (Spalte 4 Zeilen 18-22). Für die Mittelsohle (10) heißt es in der Beschreibung hingegen separat und unabhängig von den Materialeigenschaften des Mittelsohlenbodens (Spalte 4 Zeilen 14/15):
„Die Mittelsohle 10 wird aus konventionellen Material hergestellt und soll relativ hart sein.“
Die zitierten Beschreibungsstellen lassen den Schluss zu, dass der Mittelsohlenboden (11) zwar mit der Mittelsohle (10) identisch sein kann, indem er schlicht ihre Unterseite bezeichnet, jedoch – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht identisch sein muss, darauf also nicht beschränkt werden darf. Die herangezogenen Beschreibungsstellen können nicht mit den Beklagten für „fehlerhaft“ und daher irrelevant erklärt werden, mit der Begründung, dass es sich nach dem eindeutigen Anspruchswortlaut bei dem Mittelsohlenboden nicht um ein fakultatives, sondern ein obligatorisches Merkmal das Patentanspruchs handele. Dieser Schluss ist keineswegs zwingend, denn er verkennt, dass der Begriff des Mittelsohlenbodens in der Beschreibung offensichtlich im engeren Sinne (beschränkt auf einen separaten Sohlenbestandteil) gebraucht wird, während der Anspruch ihn – was unter funktionalen Gesichtspunkten konsequent ist und keinen Widerspruch zur Beschreibung darstellt – im weiteren Sinne versteht (Unterseite der Mittelsohle oder separater Bestandteil, „falls vorhanden“). Soweit die Beschreibung mithin durch die fakultative Nennung des Mittelsohlenbodens darauf hindeutet, Mittelsohle und Mittelsohlenboden könnten auch als separate Bauteile vorliegen und müssten nicht integrale Bestandteile ein und derselben Schicht sein, kann dies nicht dadurch für unerheblich erklärt werden, dass man die Beschreibung in diesem Punkt schlicht für fehlerhaft hält.
Festzuhalten ist damit, dass Mittelsohle und Mittelsohlenboden separate Bauteile darstellen können und der Mittelsohlenboden keinen integralen Bestandteil einer einschichtig aufgebauten Mittelsohle darstellen muss. Es führt daher nicht bereits aus der technischen Lehre des Klagepatents heraus, wenn der Mittelsohlenboden als Bauteil von der Mittelsohle getrennt vorliegt. Dieses Verständnis geht mit Merkmal 2 durchaus konform. Dieses stellt es in das Belieben des Fachmanns, ob er über die Mindestbestandteile Mittelsohle, Untersohle und Sohlenboden hinaus eine weitere Schicht an der Unterseite der Mittelsohle als Mittelsohlenboden im Sinne des Merkmals 6 vorsieht. Merkmal 2 schreibt sie nicht vor, gestattet sie jedoch gleichwohl („mindestens …“).
Mit der Würdigung, dass die technische Lehre des Klagepatents separate Bauteile für Mittelsohle einerseits und Mittelsohlenboden andererseits toleriert, ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob patentgemäß zwischen der Mittelsohle und dem Mittelsohlenboden auch eine weitere Sohlenschicht angeordnet sein kann, die den Mittelsohlenboden darüber hinaus auch räumlich von der Mittelsohle separiert. Bei den angegriffenen Ausführungsformen wäre dies der Fall, denn zwischen der Mittelsohle, die den patentgemäßen Aufbau nach oben begrenzt, und derjenigen Sohlenschicht, in der die Klägerin den Mittelsohlenboden erblickt, befindet sich eine Schicht des im Verhältnis zu diesen Sohlenbestandteilen weichen Kunststoffmaterials, das die Beklagten auch als „Dämpfungsbereich B“ bezeichnen. Eine zusätzliche Zwischenschicht, welche die Mittelsohle vom Mittelsohlenboden räumlich separiert, ist vom Wortlaut des Patentanspruchs (der von einem „Mittelsohlenboden“ spricht) nicht mehr gedeckt. Dieser findet seine Grenze darin, dass der Mittelsohlenboden die Unterseite der Mittelsohle bildet, wie es auch in sämtlichen Zeichnungen der Klagepatentschrift dargestellt wird. Erst die Beschreibung bietet – wie ausgeführt – Anlass dafür, von der Forderung eines einheitlichen Bauteils Abstand zu nehmen und es zuzulassen, dass der Mittelsohlenboden auch durch ein gegenüber der Mittelsohle separates Bauteil gebildet werden kann. Eine weitere Ausweitung des Schutzbereichs, der auch einen nicht mehr mit der Mittelsohle in unmittelbarem Kontakt stehenden Sohlenbestandteil noch als Mittelsohlenboden gelten ließe, wäre vom Wortsinn nicht mehr gedeckt.
Unter funktionalen Gesichtspunkten sind keine weiteren Relativierungen geboten: Dem Mittelsohlenboden soll nach den Erläuterungen in der Beschreibung die Funktion zukommen, aufgrund seiner Festigkeit durch die Verformung der verhältnismäßig weichen Untersohle entstehende Kräfte aufzufangen (vgl. Spalte 4 Zeilen 20-22). An dieser Funktion hat patentgemäß nicht nur der Mittelsohlenboden, sondern auch die Mittelsohle als solche teil, denn sie ist es, die nach den Vorgaben des Merkmals 3 unter anderem fest und hart ausgestaltet sein soll. Für den Mittelsohlenboden selbst gibt der Anspruch keine besonderen Materialeigenschaften vor; gleichwohl soll er, wie der Fachmann aus der Beschreibung a.a.O. erfährt, geeignet sein, durch die leicht verformbare Untersohle entstehende Belastungen „nach oben“ aufzufangen. Dies kann er offensichtlich nur dann leisten, wenn er an den Attributen, die Merkmal 3 der „Mittelsohle“ (und rein sprachlich betrachtet nur ihr, das heißt ohne den Mittelsohlenboden gesondert zu nennen) beimisst, teilhat: der zu diesem Zweck hinreichenden Festigkeit und Härte der Mittelsohle. Die Aufgabe, durch die weiche Untersohle auftretende Belastungen des Sohlenaufbaus abzufangen, können Mittelsohle und Mittelsohlenboden, mögen sie unter Umständen auch getrennte Bauteile darstellen, aber nur dann im Zusammenwirken erfüllen, wenn sie unmittelbar aneinander angrenzen und nicht ihrerseits durch eine verhältnismäßig weiche Zwischenschicht separiert sind, die einen weiteren Dämpfungseffekt zwischen Mittelsohlenboden und Mittelsohle bewirkt.
Eine weitere Funktion des Mittelsohlenbodens tritt hinzu, die gleichfalls gegen die Zulässigkeit einer räumlichen Trennung von der Mittelsohle spricht: Der Mittelsohlenboden, der unter Umständen ein gegenüber der Mittelsohle separates Bauteil darstellen kann, soll gemäß Merkmal 6 eine „beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form aufweisen“, an die sich die weiche Untersohle anpassen kann, um so den gewünschten Abrolleffekt zu unterstützen (Spalte 4 Zeilen 24 ff. und 30-36). Der Abrolleffekt soll auf den Fuß des Benutzers wirken, der sich oberhalb der Mittelsohle befindet. Nur im Falle eines unmittelbaren Aneinanderliegens der Mittelsohle und des Mittelsohlenbodens, das nicht durch (insbesondere weiche) Zwischenschichten unterbrochen ist, kann der Mittelsohlenboden, für den die Klagepatentschrift eine ganz bestimmte Form vorschreibt, seine patentgemäße Funktion bei der Übermittlung des Abrolleffekts auf den Fuß des Anwenders entfalten. Stellt der Mittelsohlenboden im Einzelfall schlicht die Unterseite der Mittelsohle dar, weil es sich um ein einziges Bauteil handelt, ist dies unproblematisch. Aber auch dann, wenn es sich (in zulässiger Weise) bei Mittelsohle und Mittelsohlenboden um getrennte Bauteile handelt, darf der Mittelsohlenboden nicht in einer Weise von der Mittelsohle „entkoppelt“ sein, dass seine Form im Ergebnis beliebig wird und für die Erzeugung des „Abrolleffekts“ für den Fuß des Anwenders an Bedeutung verliert. Dies wäre jedoch der Fall, wenn die technische Lehre des Klagepatents eine andersartige Materialschicht zwischen Mittelsohlenboden und „eigentlicher“ Mittelsohle gestatten würde. Eine Ausdehnung des Wortsinns über den Wortlaut „Mittelsohlenboden“ hinaus auf eine Ausgestaltung, bei der dieser von der Mittelsohle auch räumlich getrennt ist, ist somit auch unter funktionalen Gesichtspunkten nicht nur nicht zu rechtfertigen, sondern widerspricht ihnen sogar. Unabhängig davon findet der Wortsinn des Merkmalsbestandteils „Mittelsohlenboden“ dort seine Grenze, wo dieser nicht mehr die Unterseite der Mittelsohle darstellt.
Im Ansatzpunkt von der zuvor erörterten Frage, was ein Mittelsohlenboden im Sinne des Klagepatents sein kann, zu unterscheiden sind die Anforderungen an die Formgebung des Mittelsohlenbodens, die Merkmal 6 gleichfalls beschreibt. Dieses Merkmal gibt sowohl für den Mittelsohlenboden als auch für den Sohlenboden eine „beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form“ vor.
Was das Klagepatent hiermit im Einzelnen fordert, ergibt sich für den gemäß Merkmal 5 harten und elastischen Sohlenboden (13) unschwer aus Zeichnungen und Beschreibung: Der Sohlenboden dient als Abschluss und Schutzschicht von Teilen oder aller Teile der ganzen Sohle (3); er kann rund um die Sohle (3) angeordnet und falls erwünscht bis zum Oberschuh (2) hochgezogen werden (Spalte 5 Zeilen 55-58). Um die vom Klagepatent erstrebte Verbesserung des Abrollens beim Gehvorgang zu erzielen, darf die äußerste Schicht der Sohle diesem Abrollvorgang keine nennenswerten Hindernisse entgegenstellen. Mit der „beliebig ballligen, bogen- oder kreissegmentartigen Form“ verbindet sich daher jedenfalls der Verzicht auf einen bei herkömmlichen Schuhen üblichen Absatz im Fersenbereich, wie die Zeichnungen erkennen lassen. Der Sohlenboden (13) als der Teil der Sohle (3), der dem Untergrund unmittelbar ausgesetzt ist, soll durch seine Kontur im unbelasteten Zustand die erstrebte Abrollbewegung bereits abbilden.
Durch die Anweisung in Merkmal 6 soll im Ausgangspunkt Gleiches auch für den Mittelsohlenboden gelten. Wenngleich der Anspruch – wie erwähnt – für den Mittelsohlenboden keine Materialeigenschaften vorschreibt (was unschädlich ist, wenn und soweit er ohnehin mit der Unterseite der Mittelsohle identisch ist), sondern lediglich die Beschreibung Materialeigenschaften benennt (Spalte 4 Zeilen 18 ff.), erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent auch mit der bestimmten Formgebung den Zweck verfolgt, der erstrebten Abrollbewegung auch „weiter oben“ im Sohlenaufbau keine Hindernisse entgegenzusetzen. Zwischen dem Sohlenboden und dem Mittelsohlenboden befindet sich anspruchsgemäß in den beiden hinteren Dritteln des Schuhs die weiche Untersohle (vgl. Merkmale 4 und 8), die den allenfalls dort verbleibenden Raum zwischen Mittelsohlenboden (11) und Sohlenboden (13) so ausfüllt, dass die ballige Außenkontur des Sohlenbodens (13) erhalten bleibt. Nach der Vorstellung des Klagepatents sollen die Mittelsohle bzw. (sofern als separates Bauteil vorhanden) der Mittelsohlenboden einerseits und der Sohlenboden andererseits als „harte“ Sohlenbestandteile die „weiche“ Untersohle (12) oben und unten beidseitig einrahmen und umgeben, ohne die Übertragung der abrollenden Gehbewegung auf den Fuß zu behindern. Mittelsohlenboden und Sohlenboden, die von Merkmalen 3 und 5 gleichermaßen als „hart und elastisch“ beschrieben werden, sollen aufgrund ihrer (relativen) Härte und ihrer Formgebung die zwischen ihnen sandwichartig angeordnete, gemäß Merkmal 4 weiche Untersohle in einer Weise prägen, dass das erfindungsgemäß angestrebte aktiv abrollende Gehen erreicht werden kann. Der Mittelsohlenboden soll hierfür einerseits genügend Festigkeit aufweisen, um von der Verformung der Untersohle entstehende Kräfte aufzufangen (Spalte 4 Zeilen 20-22), andererseits die gewünschte Form haben. Zu diesem Zweck geht das Klagepatent davon aus, dass nicht nur der Sohlenboden (13), sondern auch der Mittelsohlenboden (11) – als die der Untersohle (12) zugewandte Seite der Mittelsohle (10) – eine „beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form“ aufweisen soll.
Daraus lässt sich zwar auch unter funktionalen Gesichtspunkten nicht ableiten, dass Mittelsohlenboden (11) und Sohlenboden (13) eine identische Formgebung derart aufweisen müssen, dass sie eine „parallel“ verlaufende Krümmung haben. Dies zeigen nicht einmal die Zeichnungen in der Klagepatentschrift. Zumindest muss sich die Form jedoch bei beiden als „ballig, bogen- oder kreissegmentartig“ darstellen, denn ihre beanspruchte Form wird im Anspruchswortlaut zu Merkmal 6 mit exakt denselben Attributen beschrieben. Sie müssen mithin in derselben Weise (wenngleich nicht in demselben Maße) eine bestimmte Form aufweisen, die der Abrollbewegung des beschuhten Fußes förderlich ist. Dass der Anspruch dies als „beliebig …“ beschreibt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht die Form beliebig ist (denn „beliebig“ wird im Anspruch adverbial, nicht adjektivisch verwendet), sondern nur die Auswahl unter den alternativen Formgebungen „ballig“, „bogenartig“ oder „kreissegmentartig“. Wenn die Beschreibung in Spalte 4 Zeilen 24-27 mit etwas anderer Betonung davon spricht, vorausgesetzt werde „eine nach unten ballige, bogen- oder kreissegmentartige beliebige Form“ (adjektivische Verwendung des Wortes „beliebig“), vermag dies nichts daran zu ändern, dass die Form ausweislich des Anspruchs nicht schlechthin beliebig, sondern nur in dem durch die Adjektive „ballig, bogen- oder kreissegmentartig“ gezogenen Rahmen beliebig sein darf. Merkmal 6 wäre daher etwa auch dann erfüllt, wenn der Sohlenboden (13) „ballig“ und der Mittelsohlenboden (11) eine bogen- oder kreissegmentartige Form aufweist. Insofern – aber auch nur insofern – ist die Auswahl zwischen den verschiedenen Alternativen in das Belieben des Fachmann gestellt.
Ein „balliger, bogen- oder kreissegmentartiger“ Verlauf des Mittelsohlenbodens setzt voraus, dass dieser im Längsschnitt keinen Krümmungswechsel aufweist. Der Fachmann entnimmt dem Gesamtzusammenhang des Klagepatents, dem es um eine bestimmte Abrollbewegung des beschuhten Fußes geht (vgl. nur Figuren 3 bis 5), dass Merkmal 6 die Formgebung in der Längsrichtung betrifft, denn hier findet die erwünschte Abrollbewegung statt. Patentgemäß erforderlich ist mithin, dass im Längsschnitt durch den Mittelsohlenboden eine durchweg konvexe Wölbung nach unten vorliegt, die an keiner Stelle in eine nach unten konkave Wölbung überwechselt. Der Anspruchswortlaut enthält entgegen der von der Klägerin im Termin vertretenen Auffassung keine Grundlage dafür, diese Anforderung auf den vorderen Bereich des Mittelsohlenbodens zu beschränken, weil es – wie die Klägerin meint – unter funktionalen Gesichtspunkten nur hier auf eine nach unten weisende konvexe Form ankäme. Die Klägerin hat diese Ansicht in der Verhandlung vertreten, während die Formgebung im hinteren Sohlenbereich irrelevant sei, zumal dort unterhalb des Mittelsohlenbodens (11) Raum für die Untersohle (12) geschaffen werden müsse. Dies lege es geradezu nahe, den Mittelsohlenboden bei idealer Formgebung im Fersenbereich nach unten konkav gewölbt auszugestalten, damit er die Untersohle besser umgreifen kann. Dem ist zunächst insofern entgegen zu treten, als die Klagepatentschrift offensichtlich davon ausgeht, dass auch eine durchgängig konvexe Form es gestattet, die Untersohle in der beanspruchten Weise unterzubringen, wie Figur 6 unmittelbar erkennen lässt. Jedenfalls jedoch trägt der Anspruchswortlaut eine derartige Einschränkung der für den Mittelsohlenboden wie den Sohlenboden vorgeschriebenen Formgebung auf vordere Sohlenabschnitte nicht: Er verlangt vielmehr ohne jede Einschränkung für den (gesamten) Mittelsohlenboden, dass dieser die beanspruchte Form aufweist.

Die angegriffenen Ausführungsformen entsprechen der technischen Lehre des Klagepatents jedenfalls im Hinblick auf Merkmal 6 in zweifacher Hinsicht nicht. Aus den Ausführungen zum Verständnis des Fachmanns vom patentgemäßen Mittelsohlenboden ergibt sich bereits, dass die „Zusatzsohle A“ der angegriffenen Ausführungsformen keinen patentgemäßen Mittelsohlenboden darstellen kann, weil sie durch eine Schicht des vergleichsweise weichen „Dämpfungsbereichs B“ von der Mittelsohle räumlich getrennt ist.
Selbst wenn man jedoch zugunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass die „Zusatzsohle A“ einen Mittelsohlenboden im Sinne der geschützten technischen Lehre darstellt, würde sie nicht die geforderte „beliebig ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form“ gemäß Merkmal 6 aufweisen. Die „Zusatzsohle A“ zeigt in der Seitenansicht einen insgesamt wellenförmigen Verlauf, indem sie von einer nach unten konvexen Krümmung in der vorderen Hälfte des Schuhs ausgehend im hinteren Bereich ab etwa der Mitte in eine nach unten konkave Krümmung übergeht. Dies ist in den oben im Tatbestand wiedergegebenen Abbildungen insbesondere anhand der Anlage B8 (angegriffene Ausführungsform „C“) zu erkennen, trifft in gleicher Weise jedoch auch auf die angegriffene Ausführungsform „B“ (Anlagen B7 und B9) zu. Die Beklagten haben diese Formgebung im Termin als „Schanzenform“ bezeichnet, sie könnte treffend auch als S-Form charakterisiert werden. Eine solche Form kann nicht mehr als „ballige, bogen- oder kreissegmentartige Form“ bezeichnet werden, weil mit dem Krümmungswechsel der „Zusatzsohle A“ im hinteren Sohlenbereich eine Art „innerer Absatz“ im Sohlenaufbau geschaffen wird. Dieser entsteht dadurch, dass die Krümmung der Mittelsohle im Fersenbereich nicht mehr in grundsätzlich gleicher Weise wie die Krümmung des Sohlenbodens nach oben gerichtet ist und daher die Formgebung des Sohlenbodens nicht grundsätzlich nachvollzieht, sondern ihr in diesem Bereich im Gegenteil zuwiderläuft.
Soweit die Klägerin im Termin die Ansicht vertreten ließ, auch eine derartige Wellen- oder S-Form genüge noch dem Merkmal 6, sofern der Mittelsohlenboden nur geeignet sei, die ihm zugedachte Aufgabe zu erfüllen und eine Verformung der verhältnismäßig weichen Untersohle aufzufangen (Spalte 4 Zeilen 20-22), kann dem vor dem Hintergrund des Anspruchswortlauts nicht gefolgt werden. Denn dieser verlangt ausdrücklich eine bestimmte Form (auch) des Mittelsohlenbodens, ohne diese Form auf bestimmte Abschnitte seiner Längserstreckung zu beschränken. An dem von der Patentanmelderin selbst gewählten Anspruchswortlaut muss sich die Klägerin festhalten lassen. Es kann daher auch dahin stehen, ob die angegriffenen Ausführungsformen im Ergebnis einen „abrollenden Bewegungsablauf“ gestatten, wie die Klägerin im Termin meinte demonstrieren zu können. Eine S-Form mit einem letztlich doppelt bogensegmentartigen Verlauf, bei dem (wie hier zu Argumentationszwecken unterstellt werden soll) der Mittelsohlenboden in der Längsschnittansicht einmal nach unten konvex, an anderer Stelle jedoch nach unten konkav geformt ist, verwirklicht die Anforderungen des Merkmals 6, das die aktive Abrollbewegung des Anwenders unterstützen soll, an die konkrete Formgebung nicht.

Vor diesem Hintergrund kann auch dahin stehen, ob die Klägerin die Voraussetzungen eines (in Relation zur „weichen“ Untersohle) harten, zumindest im vorderen Schuhdrittel keilförmigen Einschlusses mit den in ihrem Auftrag gemäß Anlage K5 ermittelten Elastizitätsmodulen der einzelnen Schichten des Sohlenaufbaus der angegriffenen Ausführungsformen substantiiert dargelegt hat. Unerheblich für die jedenfalls zu verneinende Verletzungsfrage ist es zudem, ob der „Dämpfungsbereich B“ als potentieller harter keilförmiger Einschluss den Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden im vorderen Drittel des Schuhs vollständig ausfüllt (Merkmal 7) und ob die angegriffenen Ausführungsformen in Gestalt des „Airbags C“ eine weiche Untersohle aufweisen, die den in den hinteren beiden Dritteln verbleibenden Raum zwischen Mittelsohlenboden und Sohlenboden so ausfüllt, dass die unstreitig ballige Außenkontur des Sohlenbodens erhalten bleibt (Merkmal 8). Selbst wenn man dies jeweils bejahen wollte, würden die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents insgesamt keinen Gebrauch machen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 3.000.000,– EUR festgesetzt.