4a O 118/08 – LCD-Farbfernseher

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1089

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. März 2009, Az. 4a O 118/08

Die Nebenintervention der Streithelferin wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, welche die Streithelferin trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Patents 38 40 xxx C2 (Klagepatent) auf Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 03.12.1988 von der A Co. unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 03.12.1987 angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 10.09.1989 veröffentlicht. Mit Wirkung zum 11.02.2001 übertrug die A Co. der Klägerin das Klagepatent. Am 13.12.2007 wurde die Klägerin im Patentregister als Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Die Schutzdauer des Patents lief am 03.12.2008 ab. Die Beklagte zu 1) und die Streithelferin haben beim Bundespatentgericht gegen die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag, das Klagepatent für nichtig zu erklären. Über die Nichtigkeitsklagen ist bislang nicht entschieden worden.

Das Klagepatent bezieht sich auf eine Flüssigkristallanzeige-Anordnung. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

1. Flüssigkristallanzeige-Anordnung mit
a) einem flachen, plattenförmigen Flüssigkristallanzeigeelement (10, 20, 40) mit mehreren Flüssigkristallzellen, die in einer X-Y-Matrix angeordnet sind, wobei sich Anschlussstellen (28, 41) für die Matrix zur Kante der Anzeigeelemente hin erstrecken,
b) einem mehrschichtigen, flexiblen Verbindungsteil (11, 14, 27, 46, 53) mit mindestens einer Schicht mit mehreren leitenden Bahnen (50, 57) und mindestens zwei flexiblen Isolationsschichten (47, 48, 49, 54, 56) auf jeder der Bahnenschichten,
c) mindestens einem Chipträger (15, 35, 51), der einen elektronischen Chip (12, 13), der auf dem flexiblen Verbindungsteil montiert ist, zur Lieferung von Signalen an das Anzeigeelement trägt,
d) einer Einrichtung (15, 16, 17, 18) zum Verbinden der genannten Chips in dem Chipträger mit den leitenden Bahnen,
e) einer Einrichtung (41) zum Verbinden des flexiblen Verbindungsteils (27, 46) mit mindestens einer Kante des Anzeigeelementes, wobei die leitenden Bahnen (50) des Verbindungsteils (27, 58) einzeln mit den Verbindungsstellen (28, 41) der Matrix an der Kante der Anzeige (40) verbunden werden, wobei
f) das flexible Verbindungsteil (27) aus der Ebene der Anzeige über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen ist, wodurch der durch das Anzeigeelement (20) und das Verbindungsteil eingenommene Raum minimiert wird.

Nachfolgend sind verschiedene Ansichten einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung abgebildet, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Figur 1 zeigt eine perspektivische Ansicht einer Flüssigkristallanzeige-Platte mit den flexiblen Verbindungsteilen und darauf angeordneter Treiberelektronik. Eine Schnittansicht eines Teiles der Flüssigkristallanzeige mit dem Verbindungsteil ist in Figur 2 zu sehen. Figur 3 stellt eine Art Explosionszeichnung der Verbindungsstelle zwischen flexiblem Verbindungsteil und dem Substrat des Anzeigeelements dar. Figur 4 zeigt die Draufsicht eines Chipträgers mit angeschlossenem Verbindungsteil.

Die Beklagte zu 1) vertreibt über ihre Tochtergesellschaft, die Beklagte zu 2), Fernsehgeräte in der Bundesrepublik Deutschland. Zu ihrem in Deutschland vertretenen Produktportfolio gehören unter anderem auch LCD-Farbfernsehgeräte mit der Bezeichnung „B“. Deren Flüssigkristallanzeigevorrichtung wird nachfolgend als angegriffene Ausführungsform bezeichnet. Eine Platine der angegriffenen Ausführungsform mit biegsamen Verbindungsteilen befindet sich als Muster (Anlage rop C8), auf das Bezug genommen wird, bei der Akte. Nachfolgend werden zudem Abbildungen verschiedener Bauteile der angegriffenen Ausführungsform gezeigt. Das erste Bild zeigt einen Teil der Kante der angegriffenen Ausführungsform. Bei dem von der Klägerin mit A bezeichneten Bereich handelt es sich um das Anzeigeelement in der Form einer X-Y-Matrix. Das mit B bezeichnete Bauteil stellt ein biegsames Verbindungsteil dar, auf dem sich – in der Abbildung mit C bezeichnet – ein Chip mit der Treiberelektronik befindet. Das zweite Bild zeigt ein Detail des Verbindungsteils, auf dem die Anschlussstellen zur Matrix erkennbar sind. Die beiden weiteren Abbildungen sind Aufnahmen des Verbindungsteils in Draufsicht (einmal von oben, einmal von unten). Das mit einem Kasten im vierten Bild markierte Detail ist in der fünften Abbildung vergrößert zu sehen. Gezeigt werden die leitenden Bahnen des Verbindungsteils, die mit der Matrix verbunden sind. Der im vierten Bild entlang der Linie A – A‘ markierte Schnitt ist in der sechsten Aufnahme zu sehen und zeigt den Chip und seinen Anschluss an das Verbindungsteil. Dieser Anschlussbereich wird als Detail – in der sechsten Abbildung durch einen Kasten markiert – in der siebten Aufnahme gezeigt.

Die Klägerin ist der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent wortsinngemäß verwirklicht. Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs und den Ausführungsbeispielen sei es für eine erfindungsgemäße Flüssigkristallanzeige-Anordnung ausreichend, wenn sie nur ein Anzeigeelement aufweise. Ebenso müsse ein erfindungsgemäßes Verbindungsteil nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs nur drei Schichten aufweisen: zwei Isolationsschichten und dazwischen eine Schicht leitender Bahnen. Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, ein erfindungsgemäßer Chipträger müsse lediglich geeignet sein, die Treiberchips zu tragen, und insofern funktional vom Chip unterscheidbar sein. Das sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, weil die Verwendung eines Tape Carrier Package (TCP) bereits begrifflich als Chipträger anzusehen sei. Im Übrigen fixiere und schütze ein TCP den Chip. Wie die Anbindung des Chips an die leitenden Bahnen des Verbindungsteils beziehungsweise der leitenden Bahnen an die Verbindungsstellen der Matrix erfolgen solle, bleibe dem Fachmann überlassen. Im Übrigen müsse das flexible Verbindungsteil nach der Lehre des Klagepatentanspruchs so weit gebogen werden, dass es aus der Ebene der Anzeige hinaus verlaufe. Die von den Beklagten verlangte U-förmige Biegung habe im Klagepatentanspruch keinen Niederschlag gefunden. Ebenso wenig sei es zwingend erforderlich, dass auch der auf dem Verbindungsteil befindliche Chip beziehungsweise Chipträger aus der Ebene des Anzeigeelements gebogen werde. Dem Klagepatent gehe es darum, das Verbindungsteil dem Rand der Flüssigkristallanzeige anzupassen. Das Verbindungsteil dürfe nicht die Ursache für einen über das Anzeigeelement hinausgehenden Rand sein. Daher könne der Chip durchaus in der Ebene des Anzeigeelements positioniert werden, soweit dort Platz vorhanden sei. Das sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, weil dort die Halterung des Anzeigeelements einen entsprechenden Rand bilde. Im Übrigen sei der vom Verbindungsteil und Anzeigeelement in Anspruch genommene Raum minimiert, weil die an das Verbindungsteil angeschlossene Platine aus der Ebene des Anzeigeelements geklappt sei.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,
1. ihr unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 01.07.2006 bis zum 03.12.2008 Flüssigkristallanzeige-Anordnungen mit
(1) einem flachen, plattenförmigen Flüssigkristallanzeigeelement mit mehreren Flüssigkristallzellen, die in einer X-Y-Matrix angeordnet sind, wobei sich Anschlussstellen für die Matrix zur Kante der Anzeigeelemente hin erstrecken,
(2) einem mehrschichtigen, flexiblen Verbindungsteil mit mindestens einer Schicht mit mehreren leitenden Bahnen und mindestens zwei flexiblen Isolationsschichten auf jeder der Bahnenschichten,
(3) mindestens einem Chipträger, der einen elektronischen Chip, der auf dem flexiblen Verbindungsteil montiert ist, zur Lieferung von Signalen an das Anzeigeelement trägt,
(4) einer Einrichtung zum Verbinden der genannten Chips in dem Chipträger mit den leitenden Bahnen,
(5) einer Einrichtung zum Verbinden des flexiblen Verbindungsteils mit mindestens einer Kante des Anzeigeelementes, wobei die leitenden Bahnen des Verbindungsteils einzeln mit den Verbindungsstellen der Matrix an der Kante der Anzeige verbunden werden, wobei
(6) das flexible Verbindungsteil aus der Ebene der Anzeige über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen ist, wodurch der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil eingenommene Raum minimiert wird,
angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat,
und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen oder Liefer- und Zollpapiere vorzulegen haben,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
2. die bis zum 03.12.2008 in der Bundesrepublik Deutschland in den unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder in das Eigentum der Beklagten gelangten und noch befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 01.07.2006 bis zum 03.12.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Verhandlung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage hinsichtlich des Patents DE 38 40 xxx C2 auszusetzen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.

Die Beklagten sind der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform sei nicht patentverletzend, weil sie nur ein Anzeigeelement aufweise. Außerdem habe sie kein erfindungsgemäßes Verbindungsteil, da ein solches aus mindestens fünf Schichten bestehen müsse: zwei Kapton-Schichten, eine leitende Bahnenschicht und wiederum zwei Kapton-Schichten. Die angegriffene Ausführungsform habe hingegen ein Verbindungsteil mit nur drei Schichten. Zudem sei es nicht im Sinne des Klagepatentanspruchs flexibel, weil es nicht seitlich nachgiebig sei. Unter einem patentgemäßen Chipträger verstehe der Fachmann ein vom Chip getrenntes Bauelement, das geeignet sei, einen Chip aufzunehmen und ihn mit der umgebenden Elektronik zu verbinden. Das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Tape Carrier Package (TCP) stelle keinen patentgemäßen Chipträger dar, weil der Treiberchip unmittelbar mit den Leiterbahnen des Verbindungsteils verbunden werde und erst danach eine Kunstharzfüllung zur Fixierung eingespritzt werde. Hinsichtlich der Verbindung des Verbindungsteils mit den Verbindungsstellen der Matrix beschreibe der Klagepatentanspruch einen Prozess, bei dem eine leitende Bahn nach der anderen einzeln mit der jeweiligen Verbindungsstelle der Matrix verbunden werden müsse. Ein solcher Prozess werde bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform nicht eingesetzt. Im Übrigen haben sich die Beklagten den Sachvortrag der Streithelferin zu eigen gemacht, der in einem nachfolgenden Abschnitt dargestellt wird.

Ursprünglich hat die Klägerin auch beantragt, die Beklagten zu verurteilen, Flüssigkristallanzeige-Anordnungen nach dem Klagepatentanspruch 1 anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Aufgrund Zeitablaufs des Klagepatents haben die Parteien den Unterlassungsantrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit Schriftsatz vom 14.07.2008, der Streithelferin zugestellt am 19.12.2008, haben die Beklagten der Streithelferin den Streit verkündet. Als Begründung haben sie angeführt, dass es sich bei der Streithelferin um die Herstellerin von Verbindungsteilen handele, die in der angegriffenen Ausführungsform eingebaut seien. Daher stehe ihnen gegen die Streithelferin ein Anspruch auf Schadloshaltung zu, wenn die Klage Erfolg haben sollte. Daraufhin ist die Streithelferin mit Schriftsatz vom 11.02.2009 auf Seiten der Beklagten zu 1) dem Streit beigetreten.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass nach ihrer Auffassung die Streithilfe unzulässig sei. Die Streithelferin liefere als taiwanesisches Unternehmen an die Beklagte zu 1) in die Türkei. Dort habe das Klagepatent gar nicht in Kraft gestanden. Zudem sei die Streithelferin auch nicht von ihr – der Klägerin – abgemahnt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Streitbeitritt der Streithelferin zurückzuweisen.

Die Streithelferin tritt dem Zurückweisungsantrag entgegen und beantragt hilfsweise,

als Streithelferin zugelassen zu werden.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Streithilfe zulässig sei, weil die Beklagte zu 1) Regressansprüche angemeldet habe. Dadurch werde ein rechtliches Interesse am Streitbeitritt begründet.

Weiterhin hat die Streithelferin der Erledigungserklärung des Unterlassungsantrags zugestimmt und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Verhandlung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die von der Streithelferin gegen das deutsche Patent DE 38 40 xxx C2 erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Dazu hat die Streithelferin, die sich auch den Vortrag der Beklagten zu eigen gemacht hat, vorgetragen, dass das flexible Verbindungsteil der angegriffenen Ausführungsform nicht im Sinne des Klagepatentanspruchs gebogen sei. Die Biegung müsse nach der geschützten technischen Lehre unmittelbar hinter den Verbindungsstellen der Matrix einsetzen. Der auf dem Verbindungsteil montierte Chip dürfe nicht mehr in einer Ebene mit der Anzeige liegen. Andernfalls werde der vom Anzeigeelement und dem Verbindungsteil beanspruchte Raum nicht minimiert. Bei der angegriffenen Ausführungsform befinde sich jedoch ein signifikanter Abschnitt des Verbindungsteils einschließlich des Chips in einer Ebene mit der Anzeige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Nebenintervention der Streithelferin ist unzulässig. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A
Die Nebenintervention ist mangels eines rechtlichen Interesses an der Streithilfe unzulässig. Grundsätzlich ist über einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention gemäß § 71 ZPO durch Zwischenurteil im Rahmen eines Zwischenstreits zu entscheiden. Da die Klägerin den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention erst in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2009 gestellt hat, ist die Entscheidung im Rahmen des Endurteils zu treffen, was nach ständiger Rechtsprechung zulässig ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 27. Aufl.: § 71 Rn 5 m.w.N.).

Die Nebenintervention setzt gemäß § 66 Abs. 1 ZPO neben dem Vorliegen eines anhängigen Rechtstreites zwischen anderen Personen voraus, dass der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat. Dies ist der Fall, wenn sich die Entscheidung des Rechtsstreits mittelbar oder unmittelbar auf seine privaten oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig auswirkt. Nicht ausreichend ist somit ein ideelles oder rein wirtschaftliches Interesse (BGHZ 166, 18, 20; Zöller/Vollkommer, ZPO 27. Aufl.: § 66 Rn 8 ff). Regelmäßig stellt eine Streitverkündung einen ausreichenden Interventionsgrund dar (vgl. Musielak/Weth, ZPO 6. Aufl.: § 74 Rn 2 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO 27. Aufl.: § 74 Rn 1 m.w.N.). Unberechtigt ist die Streithilfe jedoch unter anderem dann, wenn sie auf einer grundlosen und damit unzulässigen Streitverkündung beruht (OLG Köln OLGR 2005, 219; Musielak/Weth, ZPO 6. Aufl.: § 74 Rn 2). So liegt der Fall hier. Denn die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 ZPO für eine zulässige Streitverkündung sind nicht erfüllt.

Für eine Streitverkündung ist unter anderem gemäß § 72 Abs. 1 ZPO erforderlich, dass eine Partei für den Fall ihres Unterliegens in einem Rechtsstreit einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt. Dabei sind die genannten Ansprüche auf Gewährleistung oder Schadloshaltung nicht als abschließende Aufzählung, sondern nur als beispielhafte Umschreibung zu verstehen. Wesentlich ist allein, dass der Drittanspruch, dessentwegen die Streitverkündung erfolgt, mit dem im Erstprozess geltend gemachten Anspruch in einem Verhältnis der wechselseitigen Ausschließung steht (Zöller/Vollkommer, ZPO 27. Aufl.: § 72 Rn 5). Dies haben weder die Beklagten, noch die Streithelferin im vorliegenden Fall vorgetragen. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Beklagten glauben, für den Fall ihres Unterliegens Ansprüche auf Schadloshaltung oder Regress gegen die Streithelferin geltend machen zu können. Der Vortrag der Beklagten im Streitverkündungsschriftsatz erschöpft sich insoweit allein in der Wiederholung des Gesetzestextes. Aber auch aus dem weiteren Vortrag der Streithelferin selbst ergibt sich nicht, aus welchem Grund die Beklagten Ansprüche gegen die Streithelferin haben sollten.

Nach ihrem eigenen Vortrag ist die Streithelferin Herstellerin von LCD-Flachbildschirmen. Unter anderem liefert sie an die in der Türkei ansässige D A.S., die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1), Flachbildschirme, die in den angegriffenen Ausführungsformen Verwendung finden. Die Beklagte zu 1) selbst wird hingegen nicht beliefert. Damit sind vertragliche Regressansprüche der Beklagten zu 1) gegenüber der Streithelferin ausgeschlossen. Aber selbst wenn vertragliche Beziehungen zur Beklagten zu 1) – wie von den Beklagten behauptet – bestehen, folgt daraus allein noch nicht, dass bei einer Verurteilung der Beklagten zu 1) Regressansprüche gegen die Streithelferin bestehen könnten. Entsprechende vertragliche Klauseln, nach denen die Streithelferin für etwaige Patentverletzungen der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland für die von ihr gelieferten LCD-Bildschirme haftet, sind nicht vorgetragen. Abgesehen davon ist nicht dargelegt, welches Recht auf die entsprechenden vertraglichen Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen anwendbar ist. Dies steht in Frage, weil es sich bei der Beklagten zu 1) um ein Unternehmen mit Sitz in der Türkei und bei der Streithelferin um ein Unternehmen mit Sitz in Taiwan handelt. Infolgedessen kann auch nicht beurteilt werden, ob sich etwaige Regressansprüche gegebenenfalls unmittelbar aus dem Gesetz des jeweils anwendbaren Rechts ergeben.

Eine nach deutschem Recht zu beurteilende gesamtschuldnerische Mithaftung (§ 840 Abs. 1 BGB) der Streithelferin als Täter oder Teilnehmer der der Beklagten vorgeworfenen Patentverletzung ist nicht ersichtlich. Die Streithelferin liefert die von ihr hergestellten LCD-Bildschirme in die Türkei. Dort besteht unstreitig für die mit dem Klagepatent geschützte Erfindung kein Patentschutz. Grund für den vorliegenden Rechtsstreit ist erst die Einfuhr und der Vertrieb der beanstandeten Fernsehgeräte in der Bundesrepublik Deutschland, der durch die Beklagten erfolgt. Nur dieses Verhalten wird von der Klägerin als patentverletzend angesehen. Für Verletzungshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland ist eine (Mit-)Verantwortlichkeit der Streithelferin nicht vorgetragen. Sie wird nicht durch den Umstand begründet, dass die Streithelferin Bauteile für die beanstandeten Fernsehgeräte an die Beklagte zu 1) oder deren Muttergesellschaft in die Türkei liefert.

Mit der vorstehenden Begründung ist auch ein von der Streitverkündung unabhängiges rechtliches Interesse der Streithelferin am Streitbeitritt zu verneinen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Streithelferin Regressansprüchen der Beklagten zu 1) ausgesetzt sein sollte.

Durch die Zurückweisung der Nebenintervention wird die Streithelferin nicht unzumutbar benachteiligt. Zwar tritt durch eine Streitverkündung im Verhältnis zum Streitverkündeten grundsätzlich die Interventionswirkung gemäß §§ 68, 74 Abs. 1 ZPO ein. Dies gilt gemäß § 74 Abs. 3 ZPO aber erst ab der Zeit, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war. Wird – wie im vorliegenden Fall – der Beitritt als unzulässig zurückgewiesen, tritt die Interventionswirkung nicht ein, weil der Streitverkündete – hier die Streithelferin – keine Möglichkeit hatte, sich am Prozess zu beteiligen (Musielak/Weth, ZPO 6. Aufl.: § 74 Rn 2; Zöller/Vollkommer, ZPO 27. Aufl.: § 74 Rn 3).

B
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz prozessführungsbefugt, weil sie im Patentregister als Inhaberin des Klagepatents eingetragen ist. Gemäß § 30 Abs. 2 PatG entscheidet der Rollenstand des Patentregisters darüber, wer nach Maßgabe des Patentgesetzes berechtigt und verpflichtet ist. Im Fall der Übertragung eines Patents können, solange die Umschreibung auf den neuen Inhaber nicht erfolgt ist, Ansprüche wegen Patentbenutzung nur von dem noch eingetragenen Altinhaber geltend gemacht werden, selbst wenn dieser wegen der Wirksamkeit der Patentübertragung materiell-rechtlich nicht mehr Inhaber des Klageschutzrechts ist. Ist andererseits die Umschreibung erfolgt, so ist allein der neu eingetragene Erwerber prozessführungsbefugt, unabhängig davon, ob er tatsächlich materiell-rechtlich Inhaber des Patents geworden ist oder nicht (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 28.09.2006 – I-2 U 93/04; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG 10. Aufl.: § 139 PatG Rn 17; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Auflage, Rz. 334). Im vorliegenden Fall ist die Klägerin als Inhaberin des Klagepatents im Patentregister eingetragen. Abgesehen davon haben die Beklagten die Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin nach Vorlage des Übertragungsvertrages vom 11.02.2001 (Anlage rop 1) nicht weiter bestritten.

C
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Vernichtung, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3, 140c Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die von den Beklagten vertriebene angegriffene Ausführungsform macht vom Erfindungsgegenstand des Klagepatents nicht wortsinngemäß Gebrauch.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 eine Flüssigkristallanzeige-Anordnung mit X-Y-Matrix.

In der Beschreibung des Klagepatents wird zum Stand der Technik ausgeführt, dass solche Flüssigkristallanzeige-Anordnungen zum Beispiel in dem Patent US 46 88 896 beschrieben werden. Bei der Anzeige mit X-Y-Matrix greifen die Reihen- und Spalten-Adressleitungen ineinander, wobei sich eine Hälfte bis zu einer Kante der Anzeige und die andere Hälfte bis zur gegenüberliegenden Kante erstreckt. Dadurch können die Reihen- und Adressleitungen von allen vier Kanten der Anzeige angetrieben werden. Bei der Anordnung der Bauteile der Flüssigkristallanzeige ist es bislang üblich, die Zeilen- und Spalten-Treiberelektronik auf starren gedruckten Schaltungsplatten zu montieren und mittels flexibler Verbindungselemente mit den Verbindungsstellen auf dem Flüssigkristallanzeigeglas zu verbinden. Die Klagepatentschrift sieht an diesem Stand der Technik als nachteilig an, dass der Einsatz gedruckter Schaltungsplatten zu einer ineffizienten Raumnutzung führe. Dies betreffe vor allem Anzeigen mit einer hohen Dichte, weil die Montage der Treiberelektronik auf der Schaltungsplatte und der Einsatz flexibler Verbindungsteile zwischen der Elektronik auf der Schaltungsplatte und dem Anzeigeelement dazu führe, dass größere Randbereiche zum Anzeigeelement hinzugefügt werden müssten und die Gesamtgröße erhöht werde.

Im Stand der Technik ist außerdem aus der JP 59-60420 (A) eine Flüssigkristallanzeige mit matrixförmig angeordneten Elektroden bekannt, bei der sich die Anschlussstellen für die Matrix zur Kante der Anzeigestellen erstrecken. Weiterhin ist ein flexibles Verbindungsteil mit elektrisch leitenden Bahnen zur Verbindung mit Anschlussstellen vorgesehen. Die JP 62-79425 (A) hingegen beschreibt eine Flüssigkristallanzeige, bei der sich das Kühlblech-Verbindungsteil von der Anzeige-Anordnung aus gerade erstreckt, während sich ein weiteres Verbindungsteil, das mit dem Kühlblech-Verbindungsteil verbunden ist, von diesem aus in einem Winkel von 45° erstrecke. Auch hier – so die Klagepatentschrift – sei eine Minimierung des von der Anzeige und den Verbindungsteilen eingenommenen Raumes nicht erkennbar.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, eine raumsparende Flüssigkristallanzeige-Anordnung zu schaffen. Diese soll durch den Klagepatentanspruch 1 gelöst werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Flüssigkristallanzeige-Anordnung
2. mit einem flachen, plattenförmigen Flüssigkristallanzeigeelement (10, 20, 40) mit mehreren Flüssigkristallzellen, die
2.1 in einer X-Y-Matrix angeordnet sind,
2.2 wobei sich Anschlussstellen (28, 41) für die Matrix zur Kante der Anzeigeelemente hin erstrecken,
3. mit einem Verbindungsteil (11, 14, 27, 46, 53), welches
3.1 mehrschichtig
3.1.1 mit mindestens einer Schicht mit mehreren leitenden Bahnen (50, 57) und
3.1.2 mindestens zwei flexiblen Isolationsschichten (47, 48, 49, 54, 56) auf jeder der Bahnenschichten
3.2 und flexibel ist,
4. mit mindestens einem Chipträger (15, 35, 51),
4.1 der einen elektronischen Chip (12, 13), zur Lieferung von Signalen an das Anzeigeelement trägt,
4.1.1 der auf dem flexiblen Verbindungsteil montiert ist,
5. mit einer Einrichtung (15, 16, 17, 18) zum Verbinden der genannten Chips in dem Chipträger mit den leitenden Bahnen,
6. mit einer Einrichtung (41) zum Verbinden des flexiblen Verbindungsteils (27, 46) mit mindestens einer Kante des Anzeigeelementes,
6.1 wobei die leitenden Bahnen (50) des Verbindungsteils (27, 58) einzeln mit den Verbindungsstellen (28, 41) der Matrix an der Kante der Anzeige (40) verbunden werden;
7. das flexible Verbindungsteil (27) ist aus der Ebene der Anzeige über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen, wodurch der durch das Anzeigeelement (20) und das Verbindungsteil eingenommene Raum minimiert wird.

II.
Die patentgemäße Lehre wird von der angegriffenen Ausführungsform nicht wortsinngemäß verwirklicht, weil das flexible Verbindungsteil der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht im Sinne des Klagepatentanspruchs aus der Ebene der Anzeige über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen ist und der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil eingenommene Raum nicht minimiert wird (Merkmal 7). Insofern kann dahinstehen, ob auch die weiteren Merkmale des Klagepatentanspruchs – soweit sie zwischen den Parteien streitig sind – von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht werden.

1. Ein wesentlicher Teil der Flüssigkristallanzeige-Anordnung wird durch das Verbindungsteil gebildet. Dieses Verbindungsteil soll aus mindestens einer Schicht aus mehreren leitenden Bahnen und mindestens zwei Isolationsschichten auf jeder Leiterbahnenschicht bestehen und dabei flexibel sein (Merkmalsgruppe 3). Auf dem flexiblen Verbindungsteil ist ein Chipträger und ein elektronischer Chip montiert (Merkmalsgruppe 4). Die weiteren Merkmale des Klagepatentanspruchs betreffen lediglich die Verbindung der Leiterbahnen des Verbindungsteils mit dem Chip beziehungsweise mit den Verbindungsstellen der Anzeigematrix (Merkmale 5 und 6) und die räumliche Anordnung des Verbindungsteils (Merkmal 7). Demzufolge besteht das flexible Verbindungsteil allein aus den Schichten von leitenden Bahnen und Isolationsschichten. Zudem sind Chipträger und Chip auf dem Verbindungsteil angeordnet. Weitere Bauteile wie die Kaskadenverbindung oder Vielstift-Verbindungsteile für den Stromanschluss (vgl. Sp. 2 Z. 62-65; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage rop C1) sind im Klagepatentanspruch nicht als Bestandteil eines erfindungsgemäßen Verbindungsteils genannt.

a) Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs soll das flexible Verbindungsteil aus der Ebene der Anzeige über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen sein, wodurch der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil eingenommene Raum minimiert werden soll (Merkmal 7). Bei den Verbindungsstellen im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs handelt es sich um die Stellen der Matrix an der Kante des Anzeigeelements, an denen die Verbindung der Adressleitungen der Pixel mit den einzelnen leitenden Bahnen des flexiblen Verbindungsteils hergestellt wird. Dies geht aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs hervor (Merkmal 6.1). In der Beschreibung des Klagepatents, die gemäß § 14 PatG neben den Zeichnungen zur Auslegung des Klagepatentanspruchs heranzuziehen ist, wird entsprechend zu einem Ausführungsbeispiel beschrieben, dass die leitenden Bahnen mit Verbindungsflecken verbunden sind. Diese Verbindungsflecken sitzen an den Adressleitungen der einzelnen Pixel an der Kante des Anzeigeelements (Sp. 2 Z. 44-47; Sp. 3 Z. 11-13). In dem Ausführungsbeispiel werden die Verbindungsflecken durch Anschlussteile und darauf aufgebrachte Lötmittelwulste gebildet (Sp. 4 Z. 1-14 und Fig. 3). Die leitenden Bahnen werden dann jeweils einzeln mit einer Anschlussstelle einer Adressleitung verlötet (Sp. 3 Z. 27-35). Die Verbindungsstelle wird durch den Punkt gebildet, an dem die leitende Bahn des flexiblen Verbindungsteils mit der Adressleitung beziehungsweise deren Anschlussteil verbunden ist.

b) Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs soll das flexible Verbindungsteil aus der Ebene der Anzeige über diesen Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen sein. Bereits der Wortlaut des Klagepatentanspruchs („über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen“) weist darauf hin, dass die Biegung des Verbindungsteils hinter den Verbindungsstellen erfolgen muss. Ob die Biegung unmittelbar hinter den Verbindungsstellen einsetzen muss, kann mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform dahinstehen. Jedenfalls muss das Verbindungsteil – vom Anzeigeelement aus betrachtet – bereits vor dem Chipträger beziehungsweise Chip gebogen werden, so dass schon der Chip(träger) nicht mehr in der Eben des Anzeigeelements liegt. Dieselbe Wortwahl wie im Klagepatentanspruch findet sich auch in der Beschreibung des Klagepatents hinsichtlich eines in der Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiels. Dort heißt es, „über den Befestigungspunkt an die Verbindungsflecken 28 hinaus wird das flexible Verbindungsteil senkrecht zur Ebene der Anzeige gebogen (…)“ (Sp. 3 Z. 13-15). Entsprechend zeigt die Figur 2 ein Verbindungsteil (27), das hinter dem Verbindungsflecken (28), aber noch vor dem Chipträger (35) aus der durch die Anzeigeplatte (20) und die Polarisatoren (24, 25) gebildeten Ebene gebogen ist. Damit bestätigt die Beschreibung des Ausführungsbeispiels die Auslegung des Klagepatentanspruchs, auch wenn es auf eine Biegung im 90° Winkel nicht ankommt, weil ein solcher Winkel im Klagepatentanspruch nicht genannt ist.

c) Die hier vorgenommene Auslegung wird weiterhin durch eine Überlegung gestützt, die am Sinngehalt des Begriffs „flexibles Verbindungsteil“ anknüpft. Wie eingangs geschildert, handelt es sich nach der Lehre des Klagepatentanspruchs bei dem Verbindungsteil um ein mehrschichtiges System von leitenden Bahnen und Isolationsschichten. Durch die leitenden Bahnen wird der Chip mit den Adressleitungen der einzelnen Pixel der Flüssigkristallanzeige verbunden (daher auch „Verbindungsteil“). Eine Biegung des flexiblen Verbindungsteils setzt damit notwendig in einem Bereich zwischen den Verbindungsstellen an der Kante des Anzeigeelements und dem Chipträger ein. Zwar wird in der Klagepatentschrift zu einem Ausführungsbeispiel erklärt, dass die flexiblen Verbindungsteile auch mit Kaskadenverbindungen verbunden sind, die wiederum über Vielstift-Verbindungsteile an die Energieversorgung für die Treiberschaltungen angeschlossen sind (vgl. Sp. 2 Z. 62-65). Diese möglichen Verbindungen zu anderen Bauteilen sind aber nicht Gegenstand des Klagepatentanspruchs. Darin wird lediglich ein Verbindungsteil geschildert, das mit dem Chip und an den Verbindungsstellen mit der Matrix verbunden ist. Ebenso geht die Klagepatentschrift in der Darstellung des Standes der Technik davon aus, dass das Verbindungsteil jeweils zwischen die Treiberelektronik – also den Chip – und das Anzeigeelement geschaltet ist (Sp. 1 Z. 19-21 und Z. 27-29). Eine Biegung aus der Ebene des Anzeigeelements über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus ist daher nur dann technisch sinnvoll, wenn der Chipträger selbst auch aus der Ebene des Anzeigeelements hinaus gebogen ist und somit die Biegung hinter den Verbindungsstellen und vor dem Chipträger einsetzt.

d) Der Zweck der Biegung wird ebenfalls im Klagepatentanspruch erwähnt. Durch ein Biegen des flexiblen Verbindungsteils soll der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil eingenommene Raum minimiert werden. „Minimieren“ bedeutet nach der Lehre des Klagepatentanspruchs, dass der Raum – das ist die vom Anzeigeelement und dem Verbindungsteil in Anspruch genommene Fläche – möglichst klein gehalten werden soll. Das ist nur dann der Fall, wenn die Biegung bereits hinter den Verbindungsstellen und nicht erst hinter der Treiberelektronik in der Form des Chipträgers mit dem Chip einsetzt.

aa) Zwar macht die Klägerin vorliegend einen Vorrichtungsanspruch geltend, so dass der regelmäßig räumlich-körperlich definierte Gegenstand unabhängig davon geschützt ist, wie er hergestellt worden ist und zu welchem Zweck er verwendet wird (BGH GRUR 1979, 149, 151 – Schießbolzen; GRUR 2006, 570 – extracoronales Geschiebe). Gleichwohl können Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (BGH GRUR 1979, 149, 151 – Schießbolzen; NJW 1991, 178 – Befestigungsvorrichtung II; GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). So liegt der Fall auch hier hinsichtlich der Angabe im Klagepatentanspruch, den vom Anzeigeelement und dem Verbindungsteil in Anspruch genommenen Raum zu minimieren. Der angegebene Zweck bezieht sich auf das flexible Verbindungsteil und seine Biegung aus der Ebene der Anzeige. Durch die Zweckangabe wird klargestellt, wie das Verbindungsteil gebogen werden soll. Es soll der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil beanspruchte Raum minimiert werden.

bb) Ob der im Klagepatentanspruch verwendete Begriff „minimieren“ dahingehend verstanden werden muss, dass der in Anspruch genommen Raum möglichst klein sein soll, oder ob ein gewisser Spielraum für das Maß der Verkleinerung der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil gebildeten Fläche vorhanden ist, ist aus dem Klagepatentanspruch selbst nicht unmittelbar ersichtlich. In der Klagepatentschrift gibt es jedoch Hinweise, dass durch die Biegung des Verbindungsteils der in Anspruch genommene Raum möglichst klein sein soll. Letztlich kann dies mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform dahinstehen. Aus dem Begriff „minimieren“ folgt jedenfalls unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschreibung des Klagepatents, dass der Chipträger aus der Ebene des Anzeigeelements gebogen sein muss. In der allgemeinen Beschreibung des Klagepatents heißt es wörtlich, „da das flexible Verbindungsteil senkrecht zur Anzeigenoberfläche angeordnet ist, erhält man einen minimalen Vorderbereich und eine minimale Grenze für die Anzeige, was den Anzeigebereich maximiert und die Gesamtgröße minimiert“ (Sp. 5 Z. 50-54). Die Wahl des Begriffspaars „minimieren“ und „maximieren“ weist darauf hin, dass die Gesamtfläche aus Anzeige und Verbindungsteil möglichst klein sein soll. Der über die Matrix hinausgehende Rand – also das Verbindungsteil – soll die geringstmögliche Ausdehnung haben beziehungsweise der Anzeigebereich den größtmöglichen Anteil an der gesamten Oberfläche aus Anzeige und Verbindungsteil. Dies wird jedenfalls dann erreicht, wenn sich zumindest der Chip beziehungsweise Chipträger nicht mehr in einer Ebene mit der Anzeige befindet.

e) Exakt diese räumliche Anordnung des Verbindungsteils in der erfindungsgemäßen Flüssigkristallanzeige-Anordnung mit der Biegung hinter der Verbindungsstellen an der Kante des Anzeigeelements wird auch in den Ausführungsbeispielen gezeigt und bestätigt die hier vorgenommene Auslegung. Der Begriff „minimiert“ wird in der Darstellung der Ausführungsbeispiele sogar ebenfalls verwendet. So heißt es zu der in Figur 1 dargestellten Ausführung, dass die flexiblen Verbindungsteile, nachdem sie an die Verbindungsflecken der Adressleitungen gelötet worden sind, aus der Ebene der Flüssigkristallanzeigeplatte herausgebogen werden, wodurch sowohl die Kantenoberfläche der Anzeigenplatte als auch die Gesamtoberfläche der Anzeigeneinheit minimiert werden (Sp. 2 Z. 47-53). Entsprechend zeigen die Figur 1 und die Figur 2 Verbindungsteile, die einschließlich Chipträger kurz hinter den Verbindungsstellen im rechten Winkel abgebogen sind. Ausdrücklich wird dazu in der Klagepatentschrift ausgeführt, „dass der Abstand zwischen dem flexiblen Element und der Wandung [sprich: der Seitenwand des Gerätes] sehr gering sein kann, wobei der minimale Abstand die Höhe des flexiblen Chipträgers ist, wodurch die Gesamtgröße der Anzeige verringert (…) wird“ (Sp. 3 Z. 26-30). Es ist also gerade der Chipträger, der aus der Ebene der Anzeige gebogen werden muss, um den vom Verbindungsteil und der Anzeige in Anspruch genommenen Raum zu minimieren. Denn der Chipträger mit dem Chip nimmt aufgrund seiner räumlichen Ausdehnung Platz in Anspruch. Bei dem Verbindungsteil selbst, bestehend aus mehreren Schichten leitender Bahnen und Isolatoren, ist das weniger der Fall. Die räumliche Ausdehnung des Verbindungsteils ist vielmehr von der Größe des Chip(trägers) und der Entfernung des Chips von der Anzeige abhängig. Eine Minimierung des vom Verbindungsteil und dem Anzeigeelement in Anspruch genommenen Raums ist daher nur dann technisch sinnvoll, wenn das Verbindungsteil so gebogen wird, dass der Chip – der eigentlich den Platz neben dem Anzeigeelement in Anspruch nimmt – aus der Ebene des Anzeigeelements entfernt wird.

f) Mit dieser räumlichen Anordnung des Verbindungsteils und der Treiberelektronik in der Flüssigkristallanzeige-Anordnung grenzt sich das Klagepatent vom Stand der Technik ab. In den bisherigen Flüssigkristallanzeigen war es üblich, die Treiberelektronik auf starren gedruckten Schaltungsplatten zu montieren und mittels flexibler Verbindungselemente mit den Verbindungsstellen des Anzeigeelements zu verbinden (Sp. 1 Z. 16-21). Der Nachteil dieser Technik besteht nach der Klagepatentschrift darin, dass durch die Anordnung der Treiberelektronik auf einer separaten Schaltungsplatte und der Einsatz eines flexiblen Verbindungsteils zwischen der Treiberelektronik und dem Anzeigeelement ein größerer Rand neben dem Anzeigeelement benötigt wird. Dieser Nachteil wird nach der Lehre des Klagepatentanspruchs dadurch vermieden, dass die Treiberelektronik auf dem flexiblen Verbindungsteil angeordnet wird und aus der Ebene des Anzeigeelements gebogen wird.

2. Ausgehend von dieser Auslegung des Klagepatentanspruchs macht die angegriffene Ausführungsform von der geschützten technischen Lehre keinen Gebrauch, weil das flexible Verbindungsteil nicht aus der Ebene der Anzeige über den Verbindungspunkt mit den Verbindungsstellen hinaus gebogen ist und der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil eingenommene Raum nicht minimiert wird (Merkmal 7).

Bei der angegriffenen Ausführungsform ist das Verbindungsteil mit den Verbindungsstellen der Matrix an der Kante der Anzeige verbunden. Von dort erstreckt es sich weiter von der Anzeige nach außen, ohne die Ebene des Anzeigeelements zu verlassen. Auch der auf dem Verbindungsteil montierte Chip befindet sich auf einem Abschnitt des Verbindungsteils, der noch in einer Ebene mit der Flüssigkristallanzeige liegt. Dies ist aus den Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform unmittelbar ersichtlich (vgl. erstes Bild der Anlage rop C6 und Anlage B7). Das Verbindungsteil wird – vom Anzeigeelement aus betrachtet – erst hinter dem Chip in einem 90° Winkel aus der Ebene mit dem Anzeigeelement gebogen. Unmittelbar nach der Biegung schließt sich die Platine beziehungsweise das Printed Circuit Board (PCB) an das Verbindungsteil an und ist mit diesem verbunden. Sie ist somit senkrecht zur Ebene des Anzeigeelements angeordnet. Die Platine ist jedoch nicht mehr Teil des Verbindungsteils.

In der angegriffenen Ausführungsform ist das Verbindungsteil nicht unmittelbar hinter den Verbindungsstellen mit der Matrix aus der Ebene des Anzeigeelements gebogen, wie es die Lehre des Klagepatentanspruchs erfordert. Da die Biegung erst hinter dem Chip und unmittelbar vor der Verbindung mit der Platine stattfindet, wird der durch das Anzeigeelement und das Verbindungsteil eingenommene Raum nicht minimiert. Für eine solche Minimierung kommt es nicht darauf an, dass sich die Platine nicht mehr in der Ebene des Anzeigeelements befindet. Es genügt nicht, dass durch irgendeine Biegung des Verbindungsteils irgendein Bauteil – bei der angegriffenen Ausführungsform die Platine – nicht mehr in der Ebene des Anzeigeelements liegt. Vielmehr muss bereits der Raum, der vom Verbindungsteil und dem Anzeigeelement in Anspruch genommen wird, minimiert werden (Merkmal 7). Dafür ist eine Biegung unmittelbar hinter den Verbindungsstellen erforderlich, so dass schon das Verbindungsteil einschließlich Chip aus der Ebene der Anzeige gebogen sein muss. Daran fehlt es bei der angegriffenen Ausführungsform.

D
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO i.V.m. § 101 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Demnach ist der Klägerin auch dieser Teil der Kosten aufzuerlegen, weil sie mit dem ursprünglich geltend gemachten Unterlassungsantrag ungeachtet der (Teil-) Erledigung des Rechtsstreits nicht obsiegt hätte. Die Beklagten haben von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 keinen unberechtigten Gebrauch gemacht, so dass der Klägerin kein Unterlassungsanspruch aus § 139 Abs. 1 BGB zugestanden hätte. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter lit. C Bezug genommen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert:
400.000,00 EUR bis zum 03.03.2009
200.000,00 EUR danach