4b O 400/06 – Bürstenaggregat

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 739

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. August 2007, Az. 4b O 400/06

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren,

zu unterlassen,

rotativ antreibbare Bürstenaggregate, bestehend aus einem Bürstenhalter und einer Ringbürste mit einem biegsamen Bürstenband, von dem Bürstenband nach außen stehenden Borsten und mit borstenfreien Bandzonen für das Bürstenband übergreifende Axialstege am Bürstenhalter

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen

der Bürstenhalter eine Ringfläche aufweist, deren Außendurchmesser kleiner als der Innendurchmesser der die Ringfläche übergreifenden Ringbürste ist, bei denen der radiale Abstand zwischen der Ringfläche und den Axialstegen ein Mehrfaches der Bürstenbanddicke beträgt, bei denen die Bürstenbandbreite kleiner als der axiale Abstand zwischen beidseitig der Ringfläche angeordneten Radialflanschen für die Ringbürste ist, und bei denen die Ringbürste dadurch mit radialem und axialem Bewegungsspiel in dem Bürstenhalter gehalten ist;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26.09.1993 begangen hat, und zwar unter Angabe,

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei die Gemeinkosten nur abgezogen werden dürfen, wenn und soweit sie ausnahmsweise den unter Ziffer I. 1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugerechnet werden können,

und dabei zu a) die zugehörigen Einkaufs- und Verkaufsbelege mit der Maßgabe vorzulegen, dass Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 26.09.1993 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 €.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene alleinige Inhaberin des deutschen Patents DE 42 05 xxx C1 (Klagepatent, Anlage K 1). Das Klagepatent, das am 21. Februar 1992 angemeldet und dessen Erteilung am 26. August 1993 bekannt gemacht wurde, betrifft ein rotativ antreibbares Bürstenaggregat. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Rotativ antreibbares Bürstenaggregat, bestehend aus einem Bürstenhalter und einer Ringbürste mit einem biegsamen Bürstenband, von dem Bürstenband nach außen stehenden Borsten und mit borstenfreien Bandzonen für das Bürstenband übergreifende Axialstege am Bürstenhalter,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Bürstenhalter (1) eine Ringfläche (7) aufweist, deren Außendurchmesser (Da) kleiner als der Innendurchmesser (Di) der die Ringfläche (7) übergreifenden Ringbürste (2) ist, dass der radiale Abstand (Ar) zwischen der Ringfläche (7) und den Axialstegen (6) ein Mehrfaches der Bürstenbanddicke (S) beträgt, dass die Bürstenbandbreite (B) kleiner als der axiale Abstand (Aa) zwischen beidseitig der Ringfläche (7) angeordneten Radialflanschen (8) oder zwischen jeweils einseitig angeordneten Radialflanschen (8) und einer Spannscheibe (10) für die Ringbürste (2) ist, und dass die Ringbürste (2) dadurch mit radialem und axialem Bewegungsspiel in dem Bürstenhalter (1) gehalten ist.

Die Beklagte hat gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben, die unter dem Aktenzeichen 4 Ni 32/07 geführt wird und über die derzeit noch nicht entschieden ist.

Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein Bürstenaggregat, das mit verschiedenen Bürstenbändern, u.a. auch einem von der Klägerin zugelieferten Bürstenband ausgeliefert wird. Sie hat als Anlage K 8 ein Musterstück zur Akte gereicht. Die von der Klägerin des weiteren überreichten und nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Abbildungen (Anlage K 9a und 9b) zeigen Details des Bürstenhalters des angegriffenen Bürstenaggregats im demontierten Zustand.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Bürstenaggregat der Beklagten mache widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Zur Stützung ihres Vortrags bezieht sie sich u.a. auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des Professors Dr.-Ing. A (Anlage K 10). Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft, Schadenersatz und Zahlung vorprozessualer Anwaltsgebühren im Hinblick auf die mit Schreiben der mitwirkenden Patentanwälte vom 18. Juli 2006 (Anlage K 12) erfolgte Kontaktaufnahme zur Beklagten in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen sowie darüber hinaus,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.736,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte stellt den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede und macht geltend: Die angegriffene Ausführungsform verfüge weder über eine patentgemäße Ringfläche noch über Radialflansche. Die axialen und radialen Abstände seien nicht gegeben; auch fehle es an einem axialen und radialen Bewegungsspiel. Schließlich komme es bei der angegriffenen Ausführungsform nicht zu den vorteilhaften Vibrationen, die das Klagepatent beschreibt; sie bezieht sich dazu auf das als Anlage TW 4 vorgelegte Gutachten des Privatsachverständigen Prof. Dr.-Ing. B.

Die Beklagte ist des weiteren der Auffassung, dass sie kein Verschulden treffe, da sie sorgfältig geprüft habe, ob die angegriffene Ausführungsform gegen vorhandene Rechte Dritter verstoße und einen solchen Verstoß nicht habe feststellen können. Sie bezieht sich dazu auf das Gutachten einer deutschen Patentanwaltskanzlei (Anlage TW 4a), das zu dem Ergebnis komme, dass eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform nicht vorliege. Ein weiteres Gutachten, das sie zum amerikanischen Patent US 5386,608 der Klägerin, welches dem Klageschutzrecht entspreche, eingeholt habe, komme ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung nicht vorliege.

Schließlich sei sie auch nicht abgemahnt worden, da das Schreiben der Patentanwälte der Klägerin vom 18. Juli 2006 keine ernsthafte Unterlassungsaufforderung enthalte.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache überwiegend gerechtfertigt; lediglich im Hinblick auf den Anspruch auf Zahlung vorprozessualer Patentanwaltsgebühren erweist sie sich als unbegründet. Die Beklagte ist der Klägerin im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft und zum Schadenersatz verpflichtet, da sie in widerrechtlicher Weise von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht (§§ 139 Abs. 1, 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).

I.

Das Klagepatent betrifft ein rotativ antreibbares Bürstenaggregat, bestehend aus einem Bürstenhalter und einer Ringbürste mit einem biegsamen Bürstenband, von dem Bürstenband nach außen stehenden Borsten und borstenfreien Bandzonen für das Bürstenband übergreifende Axialstege am Bürstenhalter.

Die Beschreibung des Klagepatents führt aus, dass eine rotativ antreibbare Werkzeugspannvorrichtung mit zumindest zwei Spannscheiben auf einer gemeinsamen Spannschraube zum Einspannen einer Werkzeughülse zwischen den beiden Spannscheiben bekannt ist, wobei es sich bei der Werkzeughülse auch um eine Bürstenscheibe handeln kann. Die beiden Spannscheiben dieser Werkzeugspannvorrichtung weisen konzentrische Ringnuten zum Einspannen von im Wesentlichen durchmessergleichen Bürstenhülsen auf; im Übrigen sind die eingespannte Bürstenhülse außenseitig übergreifende Axialstege an den Spannscheiben vorgesehen. Diese Vorrichtung gewährleistet eine einwandfreie Positionierung und Stabilisierung der jeweils eingespannten Bürstenhülse, so dass aus dem im Einsatz angreifenden Beanspruchungen keine Deformationen resultieren, also stets eine zylindrische Werkzeugoberfläche zur Verfügung steht, selbst wenn die Bürstenhülse aus biegsamen Material besteht; insoweit hat sich diese Werkzeugspannvorrichtung bewährt. Die Klagepatentschrift kritisiert jedoch, dass die Intensität bzw. Effektivität der Oberflächenbearbeitung verbesserungsbedürftig sind.

Als weiteren Stand der Technik nennt das Klagepatent die US 4,365,448, aus der eine rotativ antreibbare Schmirgelschleifvorrichtung bekannt ist. Diese ist mit einem Schleifeinsatz mit radial abstehenden Sandpapierstreifen ausgerüstet, wobei der Schleifeinsatz einen innenseitigen Verstärkungsring aufweist und die zwischen den abstehenden Sandpapierstreifen entstehenden freien Verstärkungsringzonen von Axialstegen übergriffen werden, die an einer Befestigungsscheibe angeformt sind und in Verbindung mit einer Abdeckplatte den Schleifeinsatz fingerartig umschließen. Dadurch soll ein einfacher Austausch des Sandpapierschleifeinsatzes gewährleistet werden.

Die Klagepatentschrift nennt darüber hinaus die DE 37 18 932 C2, aus der ein Rotationsbürstenwerkzeug zur Oberflächenbearbeitung bekannt ist, bei dem ein Band aus Kunststoff oder Metall mit Stahldrahtborsten gleicher Länge bestückt ist. Das flache dünne endlose Band ist als Ring auf einen gummielastischen Ringkörper gespannt, der zwischen zwei Flanschen einer aus diesen gebildeten Spanneinheit axial verformt und verspannt wird und sich infolge seiner Verformung radial aufzuweiten sucht, wodurch das Band festgespannt wird. Dadurch soll eine verbesserte Bearbeitungswirkung erzielt werden, da die einzelnen Borsten nicht in sich selbst, sondern nur als Ganzes aufgrund des flexiblen Borstenkörpers elastisch nachgeben können. Das Klagepatent stellt jedoch als nachteilig heraus, dass ein komplizierter Aufbau und eine schwierige Montage in Kauf genommen werden müssen.

Schließlich erwähnt das Klagepatent die DE 847 013, die eine Bürstenwalze für Straßenkehrmaschinen, die aus einer Mehrzahl von nebeneinander liegenden Bürstenringen besteht, betrifft. Bei dieser ist jeder Bürstenring durch mehrere spiralförmig verlaufende Federspeichen mit der Antriebswelle gekuppelt.

Vor diesem Hintergrund des Standes der Technik nennt es die Klagepatentschrift als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, ein rotativ antreibbares Bürstenaggregat zu schaffen, welches eine besonders intensive bzw. effektive Oberflächenbearbeitung gewährleistet und sich darüber hinaus durch eine in fertigungs- und montagetechnischer Hinsicht besonders einfache Bauweise auszeichnet.

Dazu schlägt das Klagepatent eine Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Rotativ antreibbares Bürstenaggregat, bestehend aus einem Bürstenhalter (1) und einer Ringbürste (2).

2. Der Bürstenhalter (1) weist auf
a) eine Ringfläche (7),
b) Axialstege (6), die das Bürstenband (3) übergreifen.

3. Die Ringbürste (2)
a) weist ein biegsames Bürstenband (3) auf,
b) übergreift die Ringfläche (7) des Bürstenhalters (1).

4. Die Ringfläche (7) hat
a) entweder
– beidseitig angeordnete Radialflansche (8)
oder
– jeweils einseitig angeordnete Radialflansche (8) und eine Spannscheibe (10) für die Ringbürste (2),
b) einen Außendurchmesser (Da), der kleiner ist als der Innendurchmesser (Di) der die Ringfläche (7) übergreifenden Ringbürste (2),
c) einen radialen Abstand (Ar) zu den Axialstegen (6), der ein Mehrfaches der Bürstenbanddicke (S) beträgt.

5. Das Bürstenband (3) weist auf
a) nach außen stehende Borsten (4),
b) borstenfreie Bandzonen (5) für die das Bürstenband (3) übergreifenden Axialstege (6),
c) eine Bürstenbandbreite (B), die kleiner ist als der axiale Abstand (Aa) zwischen den beidseitigen Radialflanschen (8) bzw. den einseitigen Radialflanschen (8) und der Spannscheibe (10).

6. Die Ringbürste (2) ist dadurch mit radialem und axialem Bewegungsspiel in dem Bürstenhalter (1) gehalten.

Die Beschreibung des Klagepatents stellt es als Vorteil der Erfindung heraus, dass die Maßnahmen zur Folge haben, dass die Ringbürste praktisch lose in dem gleichsam einen Käfig bildenden Bürstenhalter gehalten wird. Wird das erfindungsgemäße Bürstenaggregat angetrieben, entstehen zwischen den einzelnen Axialstegen nahezu kleeblattartige Ausbauchungen unter Bildung changierender Bürstenflächen.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von sämtlichen Merkmalen der technischen Lehre des Klagepatents in wortsinngemäßer Weise Gebrauch. Dies gilt auch für die Merkmale 2a, 4a, 4c, 5c und 6, deren Verwirklichung die Beklagte in Abrede stellt. Hinsichtlich der übrigen Merkmale steht es außer Streit zwischen den Parteien, dass die angegriffene Ausführungsform diese Merkmale verwirklicht, so dass es eines Eingehens darauf nicht bedarf.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verfügt über eine Ringfläche im Sinne von Merkmal 2a der technischen Lehre des Klagepatents. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert die Merkmalsverwirklichung nicht daran, dass bei der angegriffenen Ausführungsform kein geschlossener Ring vorhanden ist, der das Bürstenband trägt. Dabei kann dahinstehen, ob der Begriff des Ringes nach allgemeinem Verständnis verlangt, dass die Ringfläche keine Lücken aufweist; dies ist beispielsweise bei Spann- oder Federringen, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie eine Lücke aufweisen, nicht der Fall. Jedenfalls erkennt der Fachmann, dass die maßgebliche technische Lehre des Klagepatents, das insofern sein eigenes Lexikon ist, den Begriff der Ringfläche abweichend versteht. Der Fachmann entnimmt der Beschreibung, dass das Klagepatent mit dem Begriff der Ringfläche nicht eine lückenlose zylindrische Ausgestaltung verbindet. Aus dem in Figur 12 gezeigten und in der Beschreibung des Klagepatents näher erläuterten Ausführungsbeispiel (Anlage K 1, Spalte 6, Zeilen 9 bis 14) ist zu erkennen, dass die technische Lehre des Klagepatents es genügen lässt, wenn die Ringfläche nur gedacht vorhanden ist. Im genannten Ausführungsbeispiel versteht das Klagepatent auch eine um das Zentrum eines gleichseitigen Mehrkantes, dort eines Dreieckes, gezogene jeweils die Außenkanten des Dreiecks umfassende Reißlinie ausdrücklich als so bezeichnete Ringfläche. Eine unschwer als solche erkennbare Ringfläche, die wie bei der angegriffenen Ausführungsform lediglich an drei Stellen nicht geschlossen ist, ist daher erst recht als Ringfläche im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents anzusehen.

2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch Merkmal 4a der technischen Lehre des Klagepatents. Dieses sieht vor, dass die Ringfläche entweder
– beidseitig angeordnete Radialflansche oder
– jeweils einseitig angeordnete Radialflansche und eine Spannscheibe für die Ringbürste
aufweist. Damit verbindet das Klagepatent die mehrfach in der Beschreibung angesprochene Funktion, das axiale Bewegungsspiel der Ringbürste zu begrenzen (Anlage K 1, Spalte 2, Zeile 49; Spalte 4, Zeile 13/14).

Die angegriffene Ausführungsform verfügt über Radialflansche, die die Beklagte zutreffend nach dem allgemeinen technischen Verständnis als sich von einem Rohr nach außen erstreckende Materialanformungen beschreibt. Allerdings beschränkt das Klagepatent die gelehrten Radialflansche in ihrer Bedeutung nicht, wie die Beklagte meint, auf einzelne, von dem Rohr wegführende Stege, und setzt diese insbesondere nicht in einen Gegensatz zu Spannscheiben. Das Klagepatent definiert den von ihm verwendeten Begriff des Radialflansches nicht näher; die ebenfalls vom Klagepatent vorgenommene Offenbarung von Spannscheiben schließt aber nicht aus, dass es sich bei Radialflanschen um geschlossene oder nahezu geschlossene Kreisflächen handelt. Ein Gegensatz zwischen Radialflanschen und Spannscheiben lehrt das Klagepatent nur insoweit, als es Spannscheiben als zusätzliches Bauteil, das die Radialflansche überdeckt, vorsieht. Es erlaubt aber gerade, dass eine patentgemäße Ausführungsform ausschließlich über Radialflansche verfügt und keine Spannscheiben aufweist. Es ist daher unschädlich, dass eine zusätzliche Spannscheibe nicht vorhanden ist, da das Klagepatent eine Verwendung von Spannscheiben nicht zwingend vorschreibt, sondern diese nur fakultativ im Patentanspruch erwähnt.

Unzutreffend ist auch der Ansatz der Beklagten, das Vorhandensein von Radialflanschen deshalb zu verneinen, weil bei der einen Hälfte des Bürstenhalters keine Axialstege angeformt sind. Das Klagepatent setzt die Radialflansche nicht in Bezug zu den Axialstegen, sondern zur Ringfläche, welche nach dem Vorgesagten bei der angegriffenen Ausführungsform vorliegt.

Ebenso ist unerheblich, dass die Beschreibung des Klagepatents nach dem Verständnis der Beklagten von der Verwendung von Stanzbiegeteilen aus Blech ausgeht, während die angegriffene Ausführungsform ein Gussteil aus Leichtmetall ist. Eine bestimmte Fertigungsart ist nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs gemacht worden.

3.
Die angegriffene Ausführungsform macht von Merkmal 4c Gebrauch, welches verlangt, dass die Ringfläche einen radialen Abstand zu den Axialstegen aufweist, der ein Mehrfaches der Bürstenbanddicke beträgt.

Die angegriffene Ausführungsform verfügt nach dem Vorgesagten über eine Ringfläche und weist – wie die Beklagte im Hinblick auf die von ihr so genannte „zweite Spannscheibe“ selbst einräumt – axiale Metallstege und damit Axialstege im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents auf. Zwar ist es richtig, dass diese Axialstege gerade gegenüber den Unterbrechungen der Ringfläche liegen; dies hat hingegen nicht zur Folge, dass kein radialer Abstand zwischen Ringfläche und Axialstegen gegeben ist. Da das Klagepatent nach der zutreffenden vorstehenden Betrachtung ohnehin eine nur virtuelle Ringfläche genügen lässt, ist es nicht erforderlich, dass die Axialstege tatsächlich einen physisch vorhandenen Teil der Ringfläche überdecken. Insofern geht der Vortrag der Beklagten, es fehle an den merkmalsgemäßen Bezugspunkten für die Bemessung des radialen Abstands, ins Leere, denn das Klagepatent geht selbst nicht davon aus, dass der Bezugspunkt „Ringfläche“ physisch vorhanden sein muss. Unstreitig ist zwischen den Parteien geblieben, dass der Abstand zwischen der gedachten Ringfläche und den Axialstegen ein Mehrfaches der Bürstenbanddicke beträgt.

4.
Die Breite des Bürstenbandes ist bei der angegriffenen Ausführungsform kleiner als der axiale Abstand zwischen den beidseitigen Radialflanschen (Merkmal 5c). Dies zeigt zum einen die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Inaugenscheinnahme des als Anlage K 8 zur Akte gereichten Musterstückes. Der axiale Abstand zwischen den Radialflanschen ist größer als die Bürstenbandbreite; dies zeigt sich bereits dadurch, dass das Bürstenband axial beweglich in der Halterkonstruktion gelagert ist. Zum anderen belegen auch die in dem von der Klägerin als Anlage K 10 vorgelegten Gutachten auf Seite 11 enthaltenen Messwerte, dass jedenfalls bei der mit dem Bandtyp „C“ versehenen Bürstenband ausgestatteten Ausführungsform ein Axialspiel in den drei Stegbereichen von mindestens 0,82 mm vorliegt. Diesen Messungen ist die Beklagte nicht in hinreichend konkreter Weise entgegengetreten.

Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beklagten, der axiale Abstand müsse im Hinblick auf das geforderte Axialspiel deutlich größer sein als die Bürstenbandbreite; insbesondere geht es fehl, aufgrund der aus Figur 2 des Klagepatents ersichtlichen Darstellung zu folgern, dass der Abstand mindestens das Zweifache betragen müsse. Das Klagepatent macht zur Größe des Abstandes keine weiteren Vorgaben, sondern fordert lediglich, dass ein axiales Bewegungsspiel vorhanden ist. Insbesondere macht es im Unterschied zum radialen Abstand keine Vorgabe für ein Mindestmaß (dort: Ein Mehrfaches der Bürstenbanddicke). Auch misst die Beklagte selbst dieser Forderung keine technische Funktion zu; vielmehr erscheint nach zutreffendem Verständnis jeder axiale Abstand als ausreichend, der es ermöglicht, dass sich das Bürstenband innerhalb des gebildeten Käfigs so wie vom Klagepatent als vorteilhaft herausgestellt bewegen kann, es also nicht in diesen eingespannt wird. Letzteres geschieht bei der angegriffenen Ausführungsform nicht.

5.
Die angegriffene Ausführungsform weist ein axiales und radiales Bewegungsspiel gemäß Merkmal 6 der Erfindung auf. Dies ergibt sich aus der vorstehend erörterten Halterkonstruktion aus Ringfläche, Axialstegen und Radialflanschen sowie den anspruchsgemäßen Abständen. Wie bereits ausgeführt ist das Bürstenband beweglich im Käfig gehalten; es verfügt mithin über ein Spiel, das eine Bewegung des Bürstenbandes gestattet. Dem Begriff des Bewegungsspiels kommt dabei nicht, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ein anderer Sinngehalt zu als dem bloßen Begriff des Spiels. Insbesondere verlangt dies nicht, dass das Bürstenband in axialer Richtung deutlich innerhalb der Begrenzungen „rappeln“ müsste. Wie bereits vorstehend unter 4. erörtert, ist mit dem axialen Abstand und dem daraus folgenden axialen Bewegungsspiel eine bestimmte, eng umgrenzte Funktion verbunden, die kein „Rappeln“ erforderlich macht. Ebenso wenig ist der Beklagten in der Auffassung zu folgen, aufgrund der unterschiedslosen Verwendung der Begriffe axiales Bewegungsspiel und radiales Bewegungsspiel seien diese auch in gleicher Weise auszulegen. Dass dem nicht so ist, folgt bereits aus den erörterten Unterschieden, die das Klagepatent an die Abstände stellt, welche zu dem Bewegungsspiel führen.

Im Hinblick darauf ist es auch unerheblich, ob die angegriffene Ausführungsform im Betrieb des Bürstenaggregats zu kleeblattförmigen Wölbungen führt, was die Beklagte unter Verweis auf das von ihr eingeholte Privatgutachten in Abrede stellt. Da die angegriffene Ausführungsform erfindungsgemäße Merkmale in wortsinngemäßer Weise verwirklicht, kommt es auf die Herbeiführung von Vorteilen, die die Klagepatentschrift mit dieser Konstruktion verbindet, nicht an (vgl. BGH, GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung II). Die Ausbildung von Vibrationen und kleeblattförmigen Auswölbungen während des Betriebs ist lediglich vom Klagepatent beschriebene Folge der erfindungsgemäßen Konstruktion, nicht aber Merkmal des Patentanspruchs. Ob diese Vorteile bei der angegriffenen Ausführungsform erzielt werden, ist mithin nicht von Belang.

III.

Aus der festgestellten Verletzung des Klagepatents ergeben sich die nachfolgend aufgeführten Klageansprüche.

Die Beklagte ist der Klägerin im tenorierten Umfang zur Unterlassung ihrer Benutzungshandlungen verpflichtet (§§ 139 Abs. 1, 9 Satz 2 Ziffer 2 PatG). Mit Rücksicht auf die bereits vorgefallenen Verletzungshandlungen haftet die Beklagte der Klägerin gemäß § 139 Abs. 2 PatG auf Schadenersatz, da sie schuldhaft gehandelt hat. Als Fachunternehmen hätte sie den Eingriff in das Schutzrecht der Klägerin bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können (§ 276 BGB). Das Verschulden der Beklagten entfällt auch nicht im Hinblick auf das als Anlage TW 4a vorgelegte Gutachten. Um sich auf diese Weise entlasten zu können, ist es erforderlich, dass der Verletzer vorträgt, dass dem von ihm zu Rate gezogenen Patentanwalt der gesamte entscheidungserhebliche Sachverhalt vorgelegen hat. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich; die Beklagte beschränkt sich darauf, eine sorgfältige Prüfung der angegriffenen Ausführungsform auf Verstöße gegen Rechte Dritter durchgeführt zu haben und legt das eingeholte Gutachten vor. Zur genauen Grundlage des zu begutachtenden Sachverhalts verhält sie sich hingegen nicht. Des Weiteren hat der Verletzer vorzutragen, dass der von ihm beauftragte Patentanwalt in Verletzungsverfahren erfahren ist; auch dies ist weder vorgetragen, noch ansonsten ersichtlich.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Die Klägerin hat deshalb ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO).

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, schuldet die Beklagte im zuerkannten Umfang Auskunft und Rechnungslegung (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB). Hinsichtlich der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger war der Beklagten der im Antrag bereits berücksichtigte Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger).

Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der vorprozessual entstanden Kosten ihres Patentanwalts. Derartige Kosten sind allenfalls dann erstattungsfähig, wenn der Patentverletzer berechtigterweise abgemahnt wird. Dies ist hier hingegen nicht der Fall; die Klägerin hat an die Beklagte lediglich eine Berechtigungsanfrage gerichtet, die keine Ersatzpflicht des Adressaten auslöst (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1990, 548).

IV.

Anlass, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage der Beklagten auszusetzen (§ 148 ZPO), besteht nicht. Eine Vernichtung des Klagepatents im Umfang des Patentanspruchs 1 erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich.

Die Aussetzungsentscheidung steht im Ermessen des Gerichts. Von ihr wird in der Praxis außerordentlich zurückhaltend Gebrauch gemacht. Der Grund liegt darin, dass ein Patent nur eine begrenzte Laufzeit von 20 Jahren seit seiner Anmeldung hat (§ 16 Abs. 1 Satz 1 PatG) und seinem Inhaber deshalb auch nur während einer begrenzten Zeitspanne (20 Jahre abzgl. der Dauer des der Erteilung vorgeschalteten Anmelde- und Prüfungsverfahrens) einen gesetzlichen Schutz vermittelt. Würde ein Verletzungsprozess wegen eines schwebenden Einspruchs- oder Nichtigkeitsangriffs auf das Klagepatent vorschnell ausgesetzt, würde der Patentinhaber für die Dauer der Aussetzung seine Verbietungsrechte, namentlich den wirtschaftlich besonders wichtigen Unterlassungsanspruch, endgültig einbüßen. Diese Konsequenz wäre umso unerträglicher, als sich Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren erfahrungsgemäß über mehrere Jahre hinziehen und das Gesetz dem Einspruch und der Nichtigkeitsklage gerade keinen die Patentwirkungen hemmenden Suspensiveffekt beigelegt hat. Aus den vorstehenden Erwägungen kommt im landgerichtlichen Verfahren eine Aussetzung nur dann in Betracht, wenn es in hohem, an Sicherheit grenzendem Maße wahrscheinlich erscheint, dass das Klagepatent aufgrund des Einspruchs oder der Nichtigkeitsklage widerrufen oder vernichtet werden wird.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Aussetzung nicht veranlasst.

1.
Die Entgegenhaltung gemäß Anlage K 6 (US 1,631,998; Anlage TW 5, Übersetzung Anlage TW 5a) nimmt die technische Lehre des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg, da sie mehrere Merkmale der erfindungsgemäßen Lehre nicht offenbart. Aus der US 1,637,998 ist bereits nicht erkennbar, dass die gelehrte Rotationsbürste borstenfreie Bandzonen aufweisen muss, welche von Axialstegen übergriffen werden. Eine diesbezügliche Anweisung, borstenfreie Bereiche vorzusehen, findet sich an keiner Stelle. Ebenso wenig sieht die Entgegenhaltung Axialstege vor; die dargestellten und in der Beschreibung erörterten Zungen (11) greifen lediglich in das Bürstenmaterial ein, übergreifen dieses aber nicht von der einen zur anderen Seite. Vielmehr erwähnt die Entgegenhaltung in der Beschreibung von Figur 2, dass die Zungen zu denjenigen der jeweils anderen Seite versetzt angeordnet werden (Anlage TW 5a, Seite 3, Zeile 27 bis Seite 4, Zeile 2), so dass gerade keine Stege gebildet werden.

Die Entgegenhaltung offenbart auch nicht, dass ein biegsames Bürstenband Verwendung finden soll. Die Bürste wird dahingehend beschrieben, dass das Bürstenmaterial „um Ringdrähte oder Ringe geschlungen sein oder sonst wie in ringförmige Abschnitte in einer beliebigen bewährten Weise geformt sein“ kann (Anlage TW 5a, Seite 3, Zeilen 17 – 19). Über die Biegsamkeit wird dort keine Aussage getroffen; auch die Erwähnung von Ringdrähten gibt nichts dafür her, da zu deren Festigkeit keine Angaben gemacht werden.

Schließlich trifft die Entgegenhaltung auch keine Aussage zu einem radialen oder axialen Bewegungsspiel der Bürste; auch die konstruktiven Angaben insgesamt führen nicht zu einer Halterung mit Spiel.

2.
Auch die übrigen als erfindungsschädlich entgegengehaltenen Schriften begründen keinen erheblichen Zweifel an der Schutzfähigkeit und damit am Rechtsbestand des Klagepatents. Die Entgegenhaltung NK 7 (DE – US 37 41 983; Anlage TW 6) erwähnt zwar borstenfreie Bereiche, die von Axialstegen übergriffen werden. Der Fachmann erhält hingegen keine Anregung, ein biegsames Bürstenband zu verwenden. Vielmehr schlägt die Offenlegungsschrift eine Bürstenhülse vor, die der Fachmann ohne weiteres als starr erkennt. Erst recht ist ihm nicht nahegelegt, die Bürstenhülse mit radialem und axialem Bewegungsspiel zu versehen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Entgegenhaltung in Kombination mit der vorstehend erörterten US 1,631,998 dem Fachmann Anregungen zum Auffinden der technischen Lehre des Klagepatents gibt, die keinen erfinderischen Schritt erfordern.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO.

Die Kosten der vorprozessualen Rechtsverfolgung waren verhältnismäßig geringfügig und haben keine höheren Kosten veranlasst, da sie als Nebenforderung gemäß § 4 ZPO nicht werterhöhend wirken (vgl. zu letzterem BGH, Beschluss vom 30.01.2007, Aktenzeichen: X ZB 7/06, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

VI.

Die Kammer hat beschlossen, den Wert des Streitgegenstandes auf

300.000,00 €

festzusetzen (§§ 3, 4 Abs. 1 ZPO, §§ 63 Abs. 2, 51 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG).