4b O 308/06 – Entkopplungsmatte II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 722

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Juni 2007, Az. 4b O 308/06

Rechtsmittelinstanz: 2 U 67/07

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110% der jeweils beizutreibenden Forderung.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 073 xxx B1 (Anlage rop 4; nachfolgend: Klagepatent), dessen Anmeldung am 07. Februar 2001 und dessen Erteilung am 02. Januar 2004 veröffentlicht worden ist und das in Kraft steht. Die Patentanmeldung geht auf die als WO 99 54xxx veröffentlichte PCT-Anmeldung vom 15. April 1999 zurück, mit der die Priorität vom 22. April 1998 der deutschen Patentanmeldung 298 07 xxx.0 in Anspruch genommen worden ist.

Gegen die Patenterteilung ist ein Einspruchsverfahren anhängig, dem die Beklagte beigetreten ist.

Das Klagepatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine Wand. Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

„Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N1, N3, N5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M1-M3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittel, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N1, N3, N5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N2, N4, N6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M1-M3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S1-S6) bildenden Ausprägungen (N1-N6) begrenzt sind und ein in einer Kammer (M1-M3) hineinragender Hinterschnitt (H1-H3) Teil eines Steges (S1-S6) bzw. einer Ausprägung (N1-N6) ist.“

Eine bevorzugte Ausführungsform ist aus der nachfolgend abgebildeten Fig. 1b in einer dreidimensionalen Schnittdarstellung ersichtlich.

Fig. 4 der Klagepatentschrift stellt die entsprechende Ausführungsform in der Einbausituation dar.

Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A“ eine Entkopplungsmatte und Verbundabdichtung für Fliesenbeläge. Diese Matte ist das Nachfolgeprodukt zu einer gleichnamigen Matte, die Gegenstand des zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten vor der angerufenen Kammer geführten Rechtsstreits 4b O 19/05 war, in welchem der Erstbeklagten mit Urteil vom 10.01.2006 u. a. die Unterlassung des Vertriebs der damals streitbefangenen Matte aufgegeben wurde. Der Aufbau der nunmehr vertriebenen Matte wird aus der nachfolgend auszugsweise eingeblendeten Produktinformation der Beklagten, die die Klägerin als Anlage rop 9 zur Gerichtsakte gereicht hat, deutlich. Weiterhin hat sie als Anlage rop 10 ein Teilstück der angegriffenen Ausführungsform zur Akte gereicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent und nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zur Entschädigung sowie zum Schadenersatz in Anspruch. Sie hat ihren Verletzungsvorwurf in der mündlichen Verhandlung auf eine wortsinngemäße Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents gestützt und insoweit vorgetragen, das im noch warmen Zustand der Trägerplatte aufkaschierte Gitter werde zu einem Bestandteil der Stege und bilde einen Hinterschnitt. Auf ihre schriftsätzlich vorgetragene Auffassung, die technische Lehre des Klagepatents werde teilweise mit äquivalenten Mitteln verwirklicht, nämlich insoweit, als nach Merkmal 6. b) (Merkmalsgliederung Anlage rop 8) ein in die Kammer hineinragender Hinterschnitt Teil eines Steges ist, stützt sie die Klage nur noch hilfsweise. Unter Äquivalenzgesichtspunkten sei Austauschmittel das Gitter, das an einem Teil des Steges angebracht ist. Dies sei im Hinblick auf die Verklammerung mit der Mörtelmasse gleichwirkend und dem Fachmann bereits durch die Beschreibung des Klagepatents und den Stand der Technik (DE 37 01 414, Anlage rop 6) nahegelegt und im übrigen auch gleichwertig im engeren Sinne.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

I.
die Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N1, N3, N5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M1-M3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies vorgesehen ist,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N1, N3, N5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N2, N4, N6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M1-M3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S1-S6) bildenden Ausprägungen (N1-N6) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M1-M3) hineinragender Hinterschnitt (H1-H3) Teil eines Steges (S1-S6) bzw. einer Ausprägung (N1-N6) ist;

2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 02.02.2004 begangen haben, und zwar unter Angabe

a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Trägerplatten sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der einzelnen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. genannten Trägerplatten unmittelbar zugeordnet werden,

wobei die Beklagten zu lit. a) und b) Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen haben;

3.
die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. beschriebenen Trägerplatten zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 02.02.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Hilfsweise beantragt die Klägerin,
die Beklagten wie vorstehend beantragt zu verurteilen, jedoch mit der Maßgabe, dass es unter Ziff. I. 1. am Ende heißt:
„und ein in eine Kammer (M1-M3) hineinragendes Gitter an einem Teil eines Steges (S1-S6) bzw. einer Ausprägung (N1-N6) angebracht ist“

Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen
2. hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt hinsichtlich der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger einzuräumen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei. Sie tragen vor, ihr Lieferant sei die Fa. Interplast, die – unstreitig – mit der Klägerin eine Vereinbarung (Vergleich, Anlage L6) getroffen hat, die nach der Behauptung der Beklagten die angegriffene Ausführungsform betreffe, welche dadurch freigezeichnet worden sei. Jedenfalls sei dadurch aber die Erschöpfung der Rechte der Klägerin aus dem Patent eingetreten.

Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent weder in wortsinngemäßer, noch in äquivalenter Weise.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht gerechtfertigt.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft, Vernichtung und Schadenersatz stehen der Klägerin nicht zu. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Entkopplungsmatte „A“ machen die Beklagten keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents.

I.

Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten hindert die Klaglosstellung der Firma Interplast durch die Klägerin nicht die klageweise Inanspruchnahme der Beklagten. Die Vergleichsvereinbarung ist nur zwischen der Klägerin und Interplast geschlossen; die eingegangenen Verpflichtungen wirken nur inter partes. Darüber hinausgehende Wirkungen zugunsten Dritter ergeben sich bei natürlicher Auslegung nicht aus der Vereinbarung; auch sonst liegen dafür keine Anhaltspunkte vor. Allein der Umstand, dass Interplast überwiegend an Zwischenabnehmer und kaum an Endkunden liefere, wie die Beklagten vortragen, führt nicht zu dem von ihnen gezogenen Schluss, dass die Abnehmer selbstverständlich von der Vereinbarung direkt begünstigt würden.

II.

Das Klagepatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine Wand zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung.

Die Aufbringung von Bekleidungen, insbesondere Keramikplatten, im Inneren oder von außen an Gebäuden ist vielfach problematisch. Auf Grund unterschiedlicher Wärmeausdehnungen und den damit verbundenen Spannungen können Risse in der Bekleidung entstehen, auch das Ablösen von Bekleidungsplatten ist auf Grund solcher Spannungszustände feststellbar. Insbesondere Keramikplattenbeläge werden vielfach im sogenannten Dünnbettverfahren verlegt, bei dem ein geeigneter Kontaktkleber Verwendung findet. Dabei ergeben sich Schwierigkeiten in den unterschiedlichen Haftungsbedingungen an der Unterseite einer solchen Platte bzw. an dem Untergrund. Zusätzlich werden solche Problematiken auch noch durch Anforderungen an die Dichtheit des Aufbaus oder die Vorsehung einer Drainagefähigkeit beeinflußt.

Um in solchen Anwendungsfällen auftretende Spannungsunterschiede abzubauen bzw. den Aufbau bezüglich der auftretenden Spannung vom Untergrund zu entkoppeln, sind bereits Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff vorgeschlagen worden, die auch als Drainageplatten mit entsprechenden Durchbrechungen ausgestaltet sein können. Eine entsprechende Platte ist im Stand der Technik aus der DE 37 04 414 (gemeint ist: 37 01 414; auszugsweise vorgelegt als Anlage rop 7) bekannt. Durch abwechselnd nach beiden Plattenseiten hin offene schwalbenschwanzförmige Nuten ist dabei eine Trägerplatte vorgeschlagen worden, die sich bei Druck- und Zugbeanspruchung quer zum Verlauf dieser Nuten bewegen läßt. Wird eine solche Trägerplatte am Untergrund befestigt und darauf eine Bekleidung mit entsprechendem Kontaktmittel aufgebracht, so kann ein Spannungsausgleich in dieser angegebenen Richtung herbeigeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass sich die gebildeten Nuten nicht mit dem Kontaktmittel, beispielsweise einem Kleber, vollständig ausfüllen. Um dieses Ausfüllen zu verhindern, ist bereits vorgeschlagen worden, solche Platten an einer oder an beiden Seiten mit netzartigen Textilien oder einem Vlies zu versehen, wodurch auch eine erhöhte Kontaktfähigkeit begünstigt wird. Solche Trägerplatten sind aber nur in einer bevorzugten Richtung dehnfähig bzw. zusammendrückbar, so dass mit solchen Platten ein notwendiger Spannungsabbau vielfach nicht möglich ist.

Das Klagepatent bezeichnet es ausdrücklich als das der Erfindung zugrundeliegende technische Problem („die Aufgabe“), eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für den plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine entsprechende Wand vorzuschlagen, mit der in optimierender Weise bei deren entsprechendem Einsatz auftretende unterschiedliche Spannungen zwischen Untergrund und Bekleidung abgebaut bzw. entkoppelt werden.

Dazu schlägt das Klagepatent im Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung;

2. die Trägerplatte weist auf einer Seite eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N1, N3, N5) auf;

3. die Trägerplatte weist auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche auf, zwischen denen Kammern (M1-M3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittel, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind;

4. wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist;

5. die Strukturierung besteht aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N1, N3, N5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N2, N4, N6);

6. wobei

a) die gebildeten Kammern (M1-M3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S1-S6) bildenden Ausprägungen (N1-N6) begrenzt sind

und

b) ein in einer Kammer (M1-M3) hineinragender Hinterschnitt (H1-H3) Teil eines Steges (S1-S6) bzw. einer Ausprägung (N1-N6) ist.
.

III.

Zu Recht ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform der Beklagten von den Merkmalen 1 bis 6. a) Gebrauch macht. Eine Verletzung des Merkmals 6. b) des Klagepatents kann hingegen nicht festgestellt werden, und zwar weder in wortsinngemäßer, noch in patentrechtlich äquivalenter Weise.

1.
Die angegriffene Ausführungsform weist keinen Hinterschnitt als Teil eines Steges bzw. einer Ausprägung auf. Der Fachmann entnimmt dem Patentanspruch, dass dieser das Vorhandensein von in die Kammer hineinragenden Hinterschnitten als Teil eines Steges lehrt. Eine bestimmte räumliche Ausgestaltung des Hinterschnitts wird dabei nicht verlangt, entscheidend ist, dass überhaupt ein Hinterschnitt vorhanden ist. Dies bedeutet, dass die Stegkante über der Grundfläche der Kammer liegen muss, wobei es insofern unmaßgeblich ist, ob der Steg eine T-förmige Erweiterung aufweist oder ob der Querschnitt der Ausprägung dies bewirkt.

Eine solche Konstruktion weist die angegriffene Ausführungsform nicht auf; der dahingehende Vortrag der Klägerin ist in keiner Weise nachvollziehbar. Das aufkaschierte Gitter führt an keiner Stelle dazu, dass eine Stegkante in der Weise verbreitert wird, dass sie über der Grundfläche der Kammer liegt. Der Fachmann entnimmt dem Klagepatent die deutliche Anweisung, dass der Hinterschnitt durch die räumliche Gestaltung der Stege herbeigeführt werden soll. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt dies nicht lediglich bei der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele zum Ausdruck. Vielmehr erkennt der Fachmann unschwer, dass bei der Lösung nach dem Klagepatent die bei Betrachtung der einen Seite vorhandenen Stege von der anderen Seite her gesehen durch Ausprägungen gebildet werden. Nach Merkmal 6. b) des Patentanspruchs soll der Hinterschnitt Teil eines Steges bzw. einer Ausprägung sein, so dass dessen Ausgestaltung als Vorsprung des Steges bzw. Erweiterung der Ausprägung vorgegeben ist. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht gegeben.

Bereits der Ansatz der Klägerin, das Gitter werde zu einem Teil des Steges, indem es thermoplastisch in die Stege hineingedrückt wird, vermag nicht zu überzeugen. Bei unvoreingenommener Betrachtung erkennt der Fachmann in den Stegen und dem Gitter zwei unterschiedliche Bauteile, während er dem Klagepatent die Lehre entnimmt, nur ein Bauteil vorzusehen und dieses in bestimmter Weise auszugestalten. Auch zeigen das (als Anlage rop 10) zur Akte gereichte und das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitgebrachte Musterstück der angegriffenen Ausführungsform, dass die Verbindung des Gitters mit den Stegen leicht lösbar ist und der Fachmann schon aus diesem Grund keinen Hinterschnitt als Teil eines Steges zu erkennen vermag. Auch wird das Gitter nicht zum Teil der Ausprägung, wie es Merkmal 6. b) verlangt.

2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht das Merkmal 6. b) entgegen der von der Klägerin hilfsweise vorgetragenen Begründung auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.

Nach § 14 S. 1 PatG und Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich eines Patents durch den Inhalt des Patentanspruchs bestimmt. Das gleichwertig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit erfordert, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt des Patents nicht nur den allgemeinen Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich am Patentanspruch auszurichten (BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2002, 515 – Scheidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 – Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 – Custodiol I; BGH GRUR 2002, 527 – Custodiol II; OLG Düsseldorf, Mitt. 2005, 449 – Monoklonaler Maus-Antikörper). Jedes Merkmal des Patentanspruchs ist danach allein schon wegen seiner Aufnahme in den Anspruch wesentlich und begrenzt für jeden erkennbar den Schutzbereich. Bei einer vom Sinngehalt der Ansprüche eines Patents abweichenden Ausführung kann eine äquivalente Benutzung der patentgemäßen Lehre dann vorliegen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte.

Dies ist in bezug auf das Merkmal 6. b), das die Klägerin bei der angegriffenen Ausführungsform dadurch verwirklicht sieht, dass ein Gitter auf die Stege aufkaschiert wird, nicht zu erkennen. Es begegnet bereits ernsthaften Bedenken, ob der erfindungsgemäße Vorteil bei der angegriffenen Abwandlung in gleichwirkender Weise erzielt wird. Denn das Klagepatent stellt als Wirkmittel der technischen Lehre heraus, dass es durch die hinterschnittenen Stege zu einem Formschluss kommt. Dies entnimmt der Fachmann ohne weiteres auch dem in Rede stehenden Merkmal des Patentanspruchs. Bei der angegriffenen Ausführungsform wird hingegen das Abheben der Mörtelschicht aus den Kammern dadurch verhindert, dass das aufkaschierte Gitter durch seine eigene Befestigung an den Stegen die Mörtelstelzen und die durch das Gitter damit verbundene Mörtellage hält. Dies kann jedoch letztlich auf sich beruhen, denn es ist jedenfalls nicht festzustellen, dass die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform für den Fachmann naheliegend und bei Orientierung am Patentanspruch gleichwertig ist.

Der Fachmann erkennt, dass die räumliche Gestaltung mit einem Hinterschnitt im Rahmen der technischen Lehre des Klagepatents zur Verhakung der ausgehärteten Kontaktmittel innerhalb der Kammern dient, auch wenn – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – die formschlüssige Verbindung nicht ausdrücklich Gegenstand des Patentanspruchs ist. Der Fachmann entnimmt der allgemeinen Beschreibung der Klagepatentschrift (Anlage rop 4, Sp. 2, Abs. [0006], Z. 8-12), dass dadurch die innige Verbindung zwischen Mörtelschicht und Trägerplatte herbeigeführt wird, mithin verhindert wird, dass die Flächenbekleidung mit dem ausgehärteten Kontaktmittel von der Trägerplatte abgehoben werden kann. Er erfährt weiter aus der Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform, dass es dem Klagepatent dabei auf eine formschlüssige Verklammerung ankommt (Anlage rop 4, Sp. 3, Abs. [0010], Z. 48-52), wobei er dies jedoch als allgemeinen Vorteil der technischen Lehre des Klagepatents erkennt. Zu der in Fig. 4 gezeigten Einbausituation beschreibt das Klagepatent – für den Fachmann wiederum als unabhängig von einer bestimmten Ausführungsform hinsichtlich der Gestaltung des Hinterschnitts erkennbar –, dass die Platte mit Mörtel überdeckt wird, welcher in die Mörtelkammern eindringt und auch hinter die Hinterschneidungen eingebracht wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erhält der Fachmann auch aus dem Stand der Technik keine Anregungen, statt der räumlichen Ausgestaltung ein Gitter vorzusehen, insbesondere nicht aus der DE-OS 37 01 414. Soweit sich die Klägerin darauf bezieht, dass Patentanspruch 4 der Entgegenhaltung von Verklammerungselementen auf der Vorder- und Rückseite spricht und diese mit „(3 bzw. 41/42)“ bezeichnet, folgt daraus nicht, dass der Anspruch ein Vlies für die Vorderseite lehrt. Denn der Fachmann entnimmt dem genannten Ausdruck, dass die Verklammerungselemente für die Rückseite die Bezugsziffer 3 und diejenigen für die Vorderseite die Bezugsziffern 41/42 tragen. Die technische Lehre der Entgegenhaltung beruht damit auf der Formschluss-Lösung, die auch das Klagepatent verfolgt, wobei sie eine hinterschnittene (schwalbenschwanzförmige) Gestaltung allerdings nur eindimensional vorsieht. Lediglich in der Beschreibung erwähnt die Entgegenhaltung die Möglichkeit, auf der Oberseite gegebenenfalls ein grobmaschiges Vlies anzuordnen. Aus welchem Grund die Aufbringung eines solchen Vlieses vorteilhaft sein soll, wird nicht gesagt; erst recht kommt nicht zum Ausdruck, dies statt der schwalbenschwanzförmigen Ausgestaltung zu verwenden.

Auch spricht die Trennung des Verankerungsorgans (Gitter) von den Stegen gegen ein Naheliegen, da der Fachmann dem Klagepatent gerade die geschickte Lösung entnimmt, einen ohnehin vorhandenen Bestandteil besonders vorteilhaft auszubilden. Dem widerspricht es, diesen Vorteil wegfallen zu lassen und mit anderer Wirkung durch ein weiteres Bauteil und dessen Befestigung erreichen zu wollen.

Die Lösung der angegriffenen Ausführungsform ist auch nicht deshalb als äquivalent anzusehen, weil die Beklagte zu 1) in ihrem Internetauftritt auch in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform von einem Hinterschnitt gesprochen hat. Zum einen hat sie plausibel dargelegt, dass nach dem Abschluss der ersten Instanz des erwähnten Verletzungsverfahrens (4b O 19/05) zunächst nur die Abbildung geändert wurde, während die textlichen Äußerungen zur ursprünglichen Ausführungsform anfangs übernommen und erst zu einem späteren Zeitpunkt angepasst wurden. Zum anderen kommt es darauf an, ob das Gitter bei objektiver Betrachtung als Hinterschnitt oder gleichwertiger Ersatz anzusehen ist.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, der Fachmann erkenne, dass das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Gitter die Öffnung wie ein umfänglicher Hinterschnitt verenge und es weder darauf ankomme, ob dies im Randbereich oder in der Mitte geschehe, noch welches Mittel zur Verklammerung eingesetzt wird, ist dem nicht zu folgen. Dies stellt eine Abstraktion des Erfindungsgedankens dar, welche der Fachmann unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als nicht zulässig ansieht. Der Fachmann entnimmt dem Patentanspruch nicht, dass ein beliebiges Verklammerungselement vorzusehen ist, sondern ein bestimmtes Mittel, das die Verklammerung bewirkt; dementsprechend ist der Schutzbereich begrenzt und lässt keine wahllosen Abwandlungen zu; das bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Austauschmittel fällt – wie bereits ausgeführt – nicht darunter.

IV.

Die von beiden Parteien vorsorglich beantragten Schriftsatznachlässe waren nicht zu gewähren. Wie sich aus der vorstehenden Begründung ergibt, bedurfte es keines weiteren Vortrages der Beklagten zu der in der mündlichen Verhandlung erstmals geltend gemachten wortsinngemäßen Verletzung. Auch der Klägerin war keine Erklärungsfrist zum Schriftsatz der Beklagten vom 01.06.2007 zu gewähren, da dieser keinen entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag enthielt. Auf die Ausführungen zur Zulässigkeit kommt es nach dem Vorgesagten nicht an; die Ausführungen zur Verletzung beschränkten sich auf Rechtsausführungen, da die Patentauslegung anerkanntermaßen Rechtsfrage ist.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.

VI.

Die Kammer hat beschlossen, den Streitwert auf

500.000,– €

festzusetzen (§ 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO).