Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Mai 2007, Az. 4b O 30/07
I. Die durch Beschluss vom 16.02.2007 angeordnete einstweilige Verfügung wird aufgehoben und der Antrag der Verfügungsklägerin vom 15./16.02.2007 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin des aus der Anlage ASt 1 ersichtlichen EP X, dessen deutscher Teil beim DPMA unter der Nr. X (nachfolgend: Verfügungspatent) geführt wird.
Der Bundesgerichtshof wies am 03.04.2007 die von einer Schwestergesellschaft der Verfügungsbeklagten eingereichte Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent ab.
Das Verfügungspatent betrifft unter anderem einen optisch auslesbaren Aufzeichnungsträger vom beschreibbaren Typ. Der hier allein maßgebliche Patentanspruch 1 hat in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:
Optisch auslesbarer Aufzeichnungsträger vom beschreibbaren Typ mit einer Aufzeichnungsschicht, die zum Anbringen eines Informationsmusters aus optisch detektierbaren Aufzeichnungsmarken dient, wobei dieser Aufzeichnungsträger mit einer Servospur versehen ist, die in einem zur Informationsaufzeichnung bestimmten Gebiet eine von dem Informationsmuster unterscheidbare periodische Spurmodulation aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Frequenz der Spurmodualtion entsprechend einem Positionsinformationssignal moduliert ist, das mit Positionssynchronisationssignalen abwechselnde Positionscodesignale enthält.
Die nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen verdeutlichen den Gegenstand der streitgegenständlichen Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele (Figuren 1 bis 3 des Verfügungspatents). Die Figur 1 zeigt Ausführungsformen eines Aufzeichnungsträgers, Figur 2 veranschaulicht ein Beispiel für ein Positionsinformationssignal, das mit Positionssynchronisationssignalen abwechselnde Positionscodesignale umfasst, und Figur 3 zeigt einen Positionsinformationscode.
Die Verfügungsbeklagte beschäftigt sich unter anderem mit dem Bedrucken aller Arten von optischen Datenträgern, darunter auch fabrikmäßig nicht vorbespielter CD-R Discs. Sie betreibt ihr Geschäft auf demselben Grundstück, teilweise jedoch in verschiedenen Räumlichkeiten wie die X welche eine ihrer Schwestergesellschaften ist. An den Eingängen des Betriebsgeländes befinden sich Schilder mit der Aufschrift „X, Betreten verboten„.
Unter anderem gegen die X und die X – eine weitere Schwestergesellschaft der Verfügungsbeklagten – erstritt die Verfügungsklägerin das aus der Anlage ASt 4 ersichtliche, nicht rechtskräftige Urteil des OLG Karlsruhe vom 13.12.2006 (6 U 174/02), mit welchem diesen wegen Verletzung des Verfügungspatents unter anderem aufgegeben wurde, alle in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen CD-R und CD-RW Discs, die nicht mit Zustimmung der Verfügungsklägerin in den Verkehr gebracht worden waren, herauszugeben.
Die X stellt seit ca. 2002 mit einer jährlichen Produktionskapazität von etwa 150 Mio. Stück CD-R Discs her, die sie ausschließlich über die SKK vertreibt. In den ersten Tagen des Monats Januar 2007 nahm die X ihre Produktion, welche nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe seit etwa Mitte Dezember 2006 geruht hatte, wieder auf. Ab der Wiederaufnahme stellte die X ihre CD-R in veränderter Form her, wobei der Inhalt und die rechtlichen Folgen dieser Umstellung zwischen den Parteien streitig sind.
Die X beschäftigt sich unter anderem mit dem Handel von CD-R und CD-RW Discs. Sie importiert von lizenzierten und nicht lizenzierten taiwanesischen Herstellern CD-R Discs und vertreibt diese zusammen mit den von der X hergestellten CD-R Discs, wobei über die Hälfte der von ihr vertriebenen CD-R Discs von der X stammen.
Am 13.02.2007 transportierte ein LKW von der X hergestellte Ware auf das von der Verfügungsbeklagten und der X gemeinsam genutzte Betriebsgelände, wobei die Ware auch in eine Halle verbracht wurde, an der sich ein Schild der Verfügungsbeklagten befand.
Die Verfügungsklägerin trägt vor, am 07.02.2007 im Fabrikverkauf der X im Wege eines Testkaufs 50 Stück CD-R Discs der Marke TIP (siehe die aus der Anlage ASt 12 ersichtlichen Muster) erworben zu haben, die unstreitig folgenden Chargen-Code aufwiesen: „0901*25*M3*2110*80D„. Die von der X hergestellten CD-R Discs seien aufgrund eines typischen Druckbildes des mit einem Punktmuster im Innenring der Discs mit dem bloßen Auge sichtbar aufgebrachten Chargencodes „einigermaßen sicher„ zu identifizieren. Die von ihr im Rahmen des Testkaufs vom 07.02.2007 erworbenen CD-R stammten aus der aktuellen nicht lizenzierten Produktion der X. Alle erworbenen Testkauf-CD-R Discs mit den äußeren Merkmalen gemäß der Anlage ASt 12 seien nämlich allein Produktionsanlagen der X zuzuordnen. In einem im freien Handel durchgeführten weiteren Testkaufs habe sie ebenfalls CD-R Discs erworben, deren Hersteller die X sei. Jede CD-R Disc müsse, damit sie von einem handelsüblichen CD-Recorder beschrieben werden könne, aufgrund des sogenannten Orange-Book-Standards (Anlage ASt 18) zwingend von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machen. Die nach der Produktionsumstellung der X hergestellten CD-R Discs wiesen neben einer zusätzlichen Modulation immer noch die patentgemäße Frequenzmodulation auf; allein letztere werde auch von einem CD-Recorder verarbeitet, während die zusätzliche Modulation zwar wahrgenommen werde, jedoch ohne Einfluss bleibe. Eine derartige zusätzliche Modulation hätten auch die von ihr anlässlich des Fabrikverkaufs erworbenen CD-R Discs aufgewiesen. Die am 19.02.2007 sequestrierten CD-R Discs seien noch vor der Produktionsumstellung der X hergestellt worden.
Durch Beschluss vom 16.02.2007 hat die Kammer der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung sinngemäß aufgegeben, in ihrem Besitz befindliche CD-R Discs mit einem Chargencode nach dem Muster „0901*25*M3*2110*80D„ an einen von der Verfügungsklägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der vorläufigen Verwahrung herauszugeben; wegen der Einzelheiten wird auf den aus Blatt 31 ff. der Akte ersichtlichen Beschluss verwiesen. In Vollstreckung dieses Beschlusses sind am 19.02.2007 durch einen Gerichtsvollzieher in den Geschäftsräumen der Verfügungsbeklagten neun Paletten mit CD-R Discs, die einen entsprechendem Chargencode aufwiesen, in Verwahrung genommen worden; auf das Vollstreckungsprotokoll gemäß Anlage ASt 17 wird Bezug genommen.
Nachdem die Verfügungsbeklagte gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz vom 23.02.2007 Widerspruch eingelegt hat,
beantragt die Verfügungsklägerin,
1. die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten,
2. hilfsweise, die Vollziehung des die einstweilige Verfügung aufhebenden Urteils dahingehend auszusetzen, dass die in Vollziehung der einstweiligen Verfügung erfolgte Wegnahme erst mit Rechtskraft des Urteils für unzulässig erklärt und die in diesem Zusammenhang erfolgte Beschlagnahme erst mit Rechtskraft des Urteils aufgehoben wird.
Die Verfügungsbeklagte beantragt sinngemäß,
wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagte trägt vor, die einstweilige Verfügung habe nicht erlassen werden dürfen, weil weder die X noch die X gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Tenor des Urteils des OLG Karlsruhe verstoßen hätten, so dass sich auch keine unter Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung hergestellten CD-R Discs auf ihrem Gelände befänden bzw. befunden hätten. Nach Umstellung der Produktion der X verfügten von dieser hergestellte CD-R Discs nicht mehr über eine frequenzmodulierte Servospur, sondern wiesen einzig und allein eine Amplitudenmodulation auf. Dass die nach der Produktionsumstellung der X hergestellten CD-R Discs in handelsüblichen CD-Recordern beschrieben werden könnten, finde seinen Grund nicht darin, dass diese dem Standard entsprächen, sondern vielmehr darin, dass sie zu diesem kompatibel seien. Gegenstand der Beschlagnahme vom 19.02.2007 seien ausschließlich nach der Produktionsumstellung der X hergestellte CD-R Discs gewesen. Nach der Vollstreckung am 19.02.2007 seien keine CD-R Discs mehr im Direktverkauf bei der X zu erwerben gewesen; seit „geraumer Zeit„ biete die X keine XWaren mehr im Fabrikverkauf an. Die GDD produziere seit der Umstellung entsprechend den in den Offenlegungsschriften X und DE X offenbarten Verfahren.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die einstweilige Verfügung vom 16.02.2007, welche aufgrund des zulässigen Widerspruchs der Verfügungsbeklagten gem. § 925 ZPO auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen war, ist aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen, weil nach dem Sachstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Verletzung des Verfügungspatents durch die Verfügungsbeklagte nicht feststellbar ist.
I.
Die dem Verfügungspatent zugrunde liegende Erfindung bezieht sich unter anderem auf einen optisch auslesbaren Aufzeichnungsträger vom beschreibbaren Typ mit einer Aufzeichnungsschicht, die zum Anbringen eines Informationsmusters aus optisch detektierbaren Aufzeichnungsmarken dient, wobei der Aufzeichnungsträger mit einer Servospur versehen ist, die in einem zur Informationsaufzeichnung bestimmten Gebiet eine von dem Informationsmuster unterscheidbare periodische Spurmodulation aufweist.
Nach den Ausführungen der Verfügungspatentschrift ist ein derartiger Aufzeichnungsträger aus der deutschen Offenlegungsschrift X bekannt. Dieser aus dem Stand der Technik bekannte Aufzeichnungsträger ist mit einer spiralförmigen Servospur versehen, die eine Spurmodulation aufweist, deren Frequenz konstant ist. Beim Abtasten dieser Servospur mit Hilfe eines Strahlungsbündels verursacht die Spurmodulation eine Modulation des Strahlungsbündels, welche detektiert wird. Aus der so detektierten Modulation wird ein Taktsignal abgeleitet, das zur Steuerung einer Aufzeichnung auf den Aufzeichnungsträger oder zum Auslesen desselben benutzt wird. Die Servospur ist in Informationsaufzeichnungsgebiete mit dazwischenliegenden Synchronisationsgebieten aufgeteilt. Die Informationsaufzeichnungsgebiete dienen zum Aufzeichnen von Information. In den Synchronisationsgebieten ist Positionsinformation in Form der Adresse des benachbarten Informationsaufzeichnungsgebietes angebracht. Beim Abtasten der Servospur ermöglicht die Positionsinformation in den Synchronisationsgebieten es, aus dem reflektierten Strahlungsbündel abzuleiten, welcher Teil des Aufzeichnungsträgers abgetastet wird, so dass schnell und genau ein bestimmter Teil der Platte aufgesucht werden kann.
An dem bekannten Aufzeichnungsträger kritisiert die Verfügungspatentschrift, dass die Informationsaufzeichnungsgebiete immer wieder durch Synchronisationsgebiete unterbrochen werden, was insbesondere von Nachteil sei, wenn EFM-codierte Information aufgezeichnet werden soll, da dann eine ununterbrochene Aufzeichnung erforderlich ist.
Der Erfindung liegt insofern die Aufgabe zugrunde, Mittel zu schaffen, die sich besser zum Aufzeichnen EFM-codierter Signale eignen und die es ermöglichen, beim Abtasten aus dem von dem Aufzeichnungsträger reflektierten Lichtbündel abzuleiten, welcher Teil der Platte abgetastet wird.
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 des Verfügungspatents die Kombination folgender Merkmale vor:
1. Optisch auslesbare Aufzeichnungsträger vom beschreibbaren Typ.
2. Der Aufzeichnungsträger (1) besitzt eine Aufzeichnungsschicht (6), die zum Anbringen eines Informationsmusters aus optisch detektierbaren Aufzeichnungsmarken dient.
3. Der Aufzeichnungsträger besitzt eine Servospur (4), die in einem zur Informationsaufzeichnung bestimmten Gebiet eine von dem Informationsmuster unterscheidbare periodische Spurmodulation aufweist.
4. Die Frequenz der Spurmodulation ist entsprechend einem Positions-Informationssignal moduliert.
5. Das Positions-Informationssignal enthält abwechselnd Positionssynchronisationssignale (11) und Positionscodesignale (12).
II.
Die Verfügungsklägerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs aus § 140 a i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 9 Satz 1 Nr. 1 PatG nicht glaubhaft machen können.
1)
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten stellt die einstweilige Verfügung vom 16.02.2007 nicht etwa eine „Hilfsverfügung„ im Hinblick auf die Vollstreckung gegen die X aufgrund des Urteils des OLG Karlsruhe vom 13.12.2006 (6 U 174/02) dar. Vielmehr diente sie der Sicherung eines etwaigen Vernichtungsanspruchs der Verfügungsklägerin unmittelbar gegen die Verfügungsbeklagte wegen unbefugten Besitzes patentgemäßer CD-R Discs. Der maßgebliche Prüfungsmaßstab ist insofern nicht die Frage, ob die bei der Verfügungsbeklagten beschlagnahmten CD-R Discs dem Tenor des genannten Urteils unterfallen, sondern ob deren Konstruktion das Verfügungspatent verletzt. Mit einer „Verlagerung des Rechtstreits vom Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren„ hat diese Frage bereits im Ansatz nichts zu tun.
Für die Kammer ist nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung nicht mehr mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die bei der Verfügungsbeklagten beschlagnahmten CD-R Discs von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machen.
2)
Unstreitig wurden am 19.02.2007 in Räumlichkeiten der Antragsgegnerin neun Paletten mit CD-R Discs beschlagnahmt, die im Innenring einen Chargencode nach dem Muster „0901*25*M3*2110*80D„ aufwiesen.
Im Hinblick auf die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Herren X und X (Anlagen AG 5 und AG 6) ist es glaubhaft, dass die beschlagnahmten CD-R Discs nach der zwischen den Parteien nunmehr unstreitigen Produktionsumstellung der X hergestellt worden sind. Die Verfügungsklägerin hat mit Schriftsatz vom 02.04.2007 (unter anderem auf dessen Seite 1, Blatt 83 GA) eingeräumt, dass die X nunmehr zumindest geringfügig andere Discs (nachfolgend: „neue CD-R Discs„) herstellt; streitig ist diesbezüglich allein, ob die neuen CD-R Discs auch das Verfügungspatent verletzen. Die Verfügungsklägerin hat selbst keinen Beweis dafür angetreten, dass die beschlagnahmten Discs solche sind, deren Herstellungsdatum noch vor der Produktionsumstellung liegt. Es kann auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Verfügungsbeklagte sich unstreitig weigerte, der Verfügungsklägerin eine der beschlagnahmten CD-R Discs zu Untersuchungszwecken zur Verfügung zu stellen, darauf geschlossen werden, jene stammten noch aus dem Zeitraum vor der Produktionsumstellung.
3)
Insoweit ist bei der Beurteilung einer Verletzung des Verfügungspatents auf die konstruktive Beschaffenheit solcher CD-R Discs abzustellen, die nach Umstellung des Produktionsverfahrens der X hergestellt worden sind.
a)
Die Verfügungsklägerin hat ihre Auffassung, nach welcher auch die neuen CD-R Discs von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machen, mit folgender Argumentation vorgebracht:
aa)
CD-R Discs müssten notwendig über alle Merkmale des Verfügungspatents verfügen, damit sie in einem handelsüblichen CD-Recorder funktionierten. CD-Recorder seien nämlich nach demselben Standard gefertigt, nach dem auch CD-R Discs gefertigt sein müssten, damit – nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip – die CD-R Discs beliebiger Hersteller von CD-R Recordern beliebiger anderer Hersteller beschrieben werden könnten. Dieser im sog. Orange-Book (Anlage ASt 18) niedergelegte Standard stimme unter anderem mit den Merkmalen des Verfügungspatents überein. Der Standard schreibe die patentgemäße frequenzmodulierte Spurmodulation für alle CD-R Discs zwingend vor. Jeder CD-R Recorder sei darauf angewiesen, diese vorzufinden, damit er funktionieren könne. Durch das patentgemäße Merkmal 4 werde verschiedenste Steuerinformation – nämlich das Positionsinformationssignal – aus der CD-R Disc an den Recorder geliefert. Diese Steuerinformation sei systemgemäß sehr wichtig und werde vom Recorder vor Beginn des Aufzeichnungsprozesses abgeprüft. Nach der Behauptung der Verfügungsklägerin hat sie im Lagerverkauf der X eine CD-R Disc erworben, die von der X hergestellt worden sei und in einem handelsüblichen Recorder funktioniert habe. Deshalb sei die Schlussfolgerung, dass die neuen CD-R Discs der GDD von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machten, geradezu zwingend.
bb)
Die Verfügungsklägerin hat ihre Auffassung ferner damit untermauert, dass sie im Rahmen einer Untersuchung (Untersuchungsbericht gemäß Anlage ASt 21) von im Fabrikverkauf der X erworbenen CD-R Discs, deren Hersteller die GDD sei, positiv festgestellt habe, dass auch die neuen CD-R Discs sämtliche Merkmale des Verfügungspatents, insbesondere auch die patentgemäße Modulation der Servospur, aufwiesen. Die neuen CD-R Discs unterschieden sich von den „alten„ nur dadurch, dass die Ränder der Servospur zusätzlich besonders moduliert seien. Die Frequenz dieser zusätzlichen Modulation scheine ihrerseits nicht moduliert zu sein. Ihrer Untersuchung habe eine Methodik zugrunde gelegen, welche sie laufend zwecks Prüfung einer Verletzung des Verfügungspatents verwende: Sie habe das aus dem reflektierten Schreiblaserstrahl abgeleitete elektrische Signal kurz hinter dem Schreib/Lesekopf des Recorders „angezapft„, sodann – wie dies auch in handelsüblichen Recordern erfolge – gefiltert, die wechselnde Frequenz der Spurmodulation ermittelt und schließlich das Positionsinformationssignal abgeleitet. Letzteres habe mit dem standardgemäßen Schlüssel so decodiert werden können, dass sich genau die Informationen ergeben hätten, die dort zu erwarten gewesen seien, nämlich insbesondere die zu erwartenden Adresscodes.
cc)
Weiterhin hat die Verfügungsklägerin dargetan, die im Fabrikverkauf erworbene CD-R Disc und zum Vergleich eine handelsübliche CD-R Disc einer weiteren, genaueren Untersuchung mittels eines Raster-Kraftmikroskops und eines Oszillographen unterzogen zu haben. Bei Sichtbarmachung des elektrischen Auslesesignals der Servospur der im Fabrikverkauf der X erworbenen CD-R Disc auf einem Oszillographen nach vorheriger Filterung seien im Bereich von 22 KHz zwei Frequenzen und zwei Wellenlängen sichtbar geworden, die im Wesentlichen den Verläufen der Spurmodulationen handelsüblicher CD-R Discs entsprochen hätten. Diese beiden Wellenlängen seien dadurch entstanden, dass die Frequenz der im Bereich von 22 KHz vorhandenen Spurmodulation durch das binäre Positionsinformationssignal moduliert worden sei. Dieses Positionsinformationssignal sei genau das vom Orange-Book geforderte und damit ein solches im Sinne des Verfügungspatents. Die neben der patentgemäßen frequenzmodulierten angebrachte weitere Spurmodulation mit einer Wellenlänge von ca. 1,5 * im Frequenzbereich von 750 KHz (vgl. Bild 3. der Anlage ASt 22) habe keinen Einfluss auf die patentgemäße Spurmodulation.
b)
Die Verfügungsbeklagte ist dem Vortrag der Verfügungsklägerin mit folgender Argumentation unter Vorlage des Privatgutachtens des Herrn X vom 18.01.2007 (Anlage AG 2) nebst dessen Ergänzung vom 05.03.2007 (Anlage AG 11) entgegen getreten:
Seit der Produktionsumstellung durch die X wiesen deren CD-R Discs keine mit einer Frequenz modulierte Spurmodulation, die einem Positionsinformationssignal entspreche, welches mit Positionsinformationssignalen abwechselnd Positionscodesignale enthalte, mehr auf. Diese verfügten über eine völlig andere Struktur. Insbesondere hätten sie ausschließlich eine amplitudenmodulierte Servospur; die Frequenz der Spurmodulation sei konstant. Die von der Verfügungsklägerin durchgeführte Untersuchung der neuen CD-R Discs sei verfälschend, weil die vorgenommene Filterung des elektrischen Signals dieses wesentlich verändere. Es sei möglich, durch geeignete Wahl der Amplitude der amplitudenmodulierten Servospur auch ohne Frequenzmodulation ein Signal zu erzeugen, das nach der Verarbeitung in der Filterschaltung genauso aussehe wie das Signal einer frequenzmodulierten Servospur. Die X produziere seit der Umstellung entsprechend den aus den Anlagen AG 12 und AG 13 ersichtlichen Offenlegungsschriften X und X
4)
Die Verfügungsbeklagte hat ihrer aus § 138 Abs. 2 ZPO folgenden Last zu einem substantiierten Bestreiten Genüge getan, indem sie jedenfalls mit Schriftsatz der Patent- und Rechtsanwälte X vom 16.04.2007 einen konkreten, nicht bloß „ins Blaue hinein„ erfolgten technischen Sachverhalt vorgetragen hat, nach dem nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die neuen CD-R Discs keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Verfügungspatents machen. Die Verfügungsbeklagte hat diesen Vortrag durch Einreichung des Privatgutachtens des X vom 18.01.2007 nebst dessen Ergänzung vom 05.03.2007 und durch Einreichung der aus den Anlagen AG 12 und AG 13 eingereichten Offenlegungsschriften belegt.
Soweit die Verfügungsklägerin einwendet, dass das Gutachten des X vom 18.01.2007 und dessen Ergänzungen im Wesentlichen nur das Ergebnis seiner Untersuchung, nicht jedoch deren Methodik wiedergeben, ist dem zwar zuzustimmen. Allerdings hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 16.04.2007 die aus den Anlagen AG 12 und AG 13 ersichtlichen Offenlegungsschriften vorgelegt und so glaubhaft vorgetragen, dass die X inzwischen CD-R Discs herstellt, die von handelsüblichen Recordern beschrieben werden können, ohne dass sie dem Orange-Book-Standard entsprechen.
Die Inhalte dieser beiden Offenlegungsschriften, deren Anmeldungen bereits am 19.04.2005 beziehungsweise 13.06.2005 und insofern erkennbar nicht lediglich zu Prozesszwecken erfolgten, sind in hinreichender Weise geeignet, die klägerische Darstellung zur Frage der Verletzung des Verfügungspatents zumindest in Zweifel zu ziehen.
Der Offenlegungsschrift X (Anlage AG 12) liegt die Aufgabe zugrunde, bei größtmöglicher Kompatibilität zu bestehenden Aufzeichnungsmedien ein solches Aufzeichnungsmedium zu schaffen, das die in der Offenlegungsschrift kritisierten Nachteile des Standes der Technik – nämlich eine Einschränkung der Datendichte der für die Positionierung des Schreib- und Lesekopfes nötigen Hilfsinformationen im Interesse einer geringeren Beeinflussung der fehlerfreien Erfassbarkeit der aufzuzeichnenden Datenstrukturen – vermeidet. Als Lösung schlägt die Offenlegungsschrift vor, die Servospur bezüglich ihrer jeweiligen geometrischen Mitte in Form wenigstens eines oder einer vorbestimmten Anzahl von Auslenkungsbereichen auszulenken, wobei jeder einzelne Auslenkungsbereich in wenigstens eine vorbestimmte Richtung mit einer zur jeweiligen Spurrichtung senkrechten Komponente um wenigstens jeweils eine vorbestimmte Auslenkungsamplitude und für jeweils eine im Wesentlichen feste vorbestimmte – für das jeweilige Aufzeichnungsmedium charakteristische – Auslenkungslänge längs der Spur ausgelenkt ist. Die Auslenkungsamplitude und/oder wenigstens eine Länge eines nicht ausgelenkten Bereichs zwischen zwei aufeinander folgenden Auslenkungsbereichen kann mittels des wenigstens eines Strahls und wenigstens einer Sensoreinrichtung der Informationsaufzeichnungs- und/oder Wiedergabevorrichtung optisch erfasst werden, so dass wenigstens einem Auslenkungsbereich vorbestimmter Amplitude und/oder wenigstens einem nicht ausgelenkten Bereich vorbestimmter Länge wenigstens eine erste Hilfsinformation zugeordnet werden kann.
Der Offenlegungsschrift X (Anlage AG 13) liegt ebenfalls die Aufgabe zugrunde, bei größtmöglicher Kompatibilität zu bestehenden Aufzeichnungsmedien ein solches Aufzeichnungsmedium zu schaffen, das die in der Offenlegungsschrift kritisierten Nachteile des Standes der Technik – nämlich eine Einschränkung der Datendichte der für die Positionierung des Schreib- und Lesekopfes nötigen Hilfsinformationen im Interesse einer geringeren Beeinflussung der fehlerfreien Erfassbarkeit der aufzuzeichnenden Datenstrukturen – vermeidet. Zu diesem Zwecke soll die Servospur wenigstens zur Führung wenigstens einer Anzahl von Strahlen einer Informationsaufzeichnungs- und/oder Wiedergabevorrichtung geeignet sein und wenigstens abschnittsweise Bereiche aufweisen, in denen Hauptdaten-Pits ausgebildet werden können. Ferner sind wenigstens abschnittsweise abwechselnd auf der jeweils gegenüberliegenden Seite der Spur und im Wesentlichen im gleichen radialen Abstand zur Mitte der Spur eine Anzahl von Pilotmarkierungsbereichen in wenigstens einer optisch erfassbaren Eigenschaft derart variierbar, dass damit wenigstens eine erste Hilfsinformation abgebildet werden kann.
Insofern betreffen beide Offenlegungsschriften Aufzeichnungsmedien, hinsichtlich derer jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass sie mit dem Orangebook-Standard kompatibel sind, ohne von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch zu machen.
5)
Der Verfügungsklägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, der Vortrag der Verfügungsbeklagten zur von der X angewandten Herstellungsweise betreffend die neuen CD-R Discs sei widersprüchlich. Derartiges lässt sich entgegen ihrer Auffassung insbesondere nicht der S. 7 des als Anlage 3 zum Protokoll der Sitzung vom 17.04.2007 überreichten Schriftsatzes entnehmen. Denn dort wurde ebenfalls vorgetragen, die GX produziere nach den in den genannten Offenlegungsschriften wiedergegebenen Verfahren.
6)
Der Kammer erscheint auch der Einwand der Beklagten gegen die Aussagekraft der Untersuchungsmethodik der Verfügungsklägerin nicht offensichtlich unberechtigt. Zwar mag dahinstehen, ob der Vortrag der Verfügungsbeklagten zutrifft, dass im Falle einer Filterung eines elektrischen Signals dieses verändert wird. Nicht ausgeräumt ist jedenfalls der Einwand, dass mit einer in geeigneter Weise amplitudenmodulierten Servospur hinter dem Photodetektor eines handelsüblichen CD-Recorders ein Signal erzeugt wird, das dem durch eine frequenzmodulierte Servospur erzeugten Signal gleicht. Insofern ist der Verfügungsbeklagten auch darin zu folgen, dass die Untersuchungen der Verfügungsklägerin – eben nicht zwingende – Rückschlüsse auf die Struktur der neuen CD-R Discs ziehen, ohne dass sie deren Struktur selbst untersucht hat.
7)
Kommt es nach alledem darauf an, ob die Verfügungsklägerin der sie treffenden Beweislast für die Voraussetzungen der Verfügungspatentverletzung genügt hat, ist weiter zu beachten, dass es in Patentverletzungsstreitigkeiten gegen den Erlass beziehungsweise die Aufrechterhaltung einer einstweiligen Verfügung spricht, wenn der zu beurteilende Sachverhalt technisch schwierig und komplex ist und der Verletzungstatbestand zweifelhaft ist (vgl. Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG, 10. Auflage, § 139 PatG, Rn 152 a.E. m.w.N.). Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens bedürften die hier maßgeblichen technischen Fragen mangels entsprechender Sachkunde der Kammer voraussichtlich einer Beweiserhebung in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Mit Rücksicht auf die Komplexität der zur Entscheidung gestellten nachrichtentechnischen Probleme hätte es bereits im Ansatz keinen Sinn gehabt, die von beiden Seiten im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten präsenten Zeugen, von denen zu jenem Zeitpunkt jeweils bereits schriftliche Versicherungen an Eides statt vorlagen und der Kammer bekannt waren, zu vernehmen. Um die Glaubhaftigkeit der Aussagen und die Glaubwürdigkeit der Zeugen beurteilen zu können, hätten der Kammer nämlich spezielle nachrichtentechnische Kenntnisse eigen sein müssen.
Diese im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht gegebene Möglichkeit zur Aufklärung des betreffenden technischen Sachverhalts geht zu Lasten der Verfügungsklägerin, welche die Beweislast für die Voraussetzungen der Verletzung des Verfügungspatents trägt.
III.
Auch dem Hilfsantrag der Verfügungsklägerin auf Aufrechterhaltung der Sequestration in entsprechender Anwendung des § 570 Abs. 2 ZPO ist nicht zu entsprechen.
Es bestehen bereits in rechtsmethodischer Hinsicht erhebliche Bedenken gegen eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift auf den hier vorliegenden Fall der Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach Widerspruch.
Zunächst ist es äußerst zweifelhaft, ob die insoweit erforderliche planwidrige Regelungslücke überhaupt gegeben ist. Der an sich statthafte Weg für die Erreichung des Ziels, das die Verfügungsklägerin über die analoge Anwendung des § 570 Abs. 2 ZPO erreichen möchte, wäre die gleichzeitig mit einer etwaigen Berufung erfolgende Stellung eines Antrages gemäß §§ 707, 719 ZPO gerichtet auf Einstellung der Vollziehung des vorliegenden Urteils. Dass ein derartiger Antrag nach wohl überwiegender Auffassung unbegründet wäre (vgl. die Nachweise zum Streitstand bei Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage,
§ 925 Rn 11), streitet keineswegs für die Annahme der notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Da ein Aufhebungsurteil im Widerspruchsverfahren der anfänglichen Zurückweisung des Verfügungsantrages entspricht, ist eine vorläufige Aufrechterhaltung von Vollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen.
Ungeachtet der rechtsmethodischen Bedenken wäre eine Aussetzung nach § 570 Abs. 2 ZPO analog, welche im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts läge, auch nicht geboten, weil aufgrund der geschilderten Komplexität des zur Entscheidung gestellten technischen Sachverhaltes kaum zu erwarten ist, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf im Falle der Berufung die einstweilige Verfügung erlassen würde.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 , Satz 1, Halbs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in
§§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
V.
Die erst nach ordnungsgemäß geschlossener mündlicher Verhandlung eingereichten Schriftsätze der Beklagten vom 18.04.2007 und der Klägerin vom 07.05.2007 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).